Protokoll der Sitzung vom 16.06.2011

(Abg. Berninger)

Kollege Kellner hat von dieser Stelle hier am 11. November 2010 ausgeführt, ich zitiere wiederum: „Wichtig aus unserer Sicht ist aber, dass keine Rasseliste in dieses Gesetz aufgenommen wird, weil alle Untersuchungen zeigen, die Statistiken, aber auch die Stellungnahmen, dass nicht das Problem die Rasse ist, sondern die Haltung, die falsche Erziehung oder das gezielte Abrichten des Tieres,

(Beifall DIE LINKE, FDP)

was ihren Genen zwar entspricht, aber dadurch die Gefahr verschärft. Vielmehr scheint Ursache für das Verhalten des Tieres die Erziehung und Ausbildung zu sein.“ So weit Kollege Kellner.

(Beifall FDP)

Recht haben die Kollegen, meine Damen und Herren. Ebenfalls am 16. Februar titelte die „Thüringische Landeszeitung“: „Verbot bringt nichts. CDUPolitiker sprechen mit Praktikern über Hundegesetz“. Nun mag ja ein Gespräch mit Praktikern manchmal hilfreich sein, wenn man aber sieht, was die Unionskollegen mit etwas Zeitabstand tun, dann muss man an dieser Stelle feststellen, aus den Augen, aus dem Sinn.

(Beifall FDP)

Da ist es aber, meine Damen und Herren, zu kurz gesprungen, lediglich auf Kompromisse innerhalb der Koalition zu pochen. Sicherheit, da sind sich alle Sachverständigen einig, kann nur durch Aufklärung und nur durch gute Sachkenntnisse der Halter gewährleistet werden. Ein weiteres Beispiel für eine gewisse Beratungsresistenz, meine Damen und Herren, ist die Einführung einer Zwangskastration bzw. Unfruchtbarmachung für geschlechtsreife Hunde, die sich auf der Rasseliste befinden.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ausrottung.)

Aber dies genügt der Koalition in dem jetzigen Entwurf noch nicht. Nun sollen Hunde, die nach der jetzigen Gefahren-Hundeverordnung als gefährlich gelten, egal welche Rasse, spätestens drei Monate nach dem Inkrafttreten unfruchtbar gemacht werden. Nach unserer Auffassung, meine Damen und Herren, verstoßen diese Regelungen gegen § 6 des Tierschutzgesetzes.

(Beifall FDP)

Das Tierschutzgesetz verbietet die vollständige oder teilweise Amputation von Körperteilen. Eine Kastration ist nach dem Tierschutzgesetz ebenfalls eine Amputation. Für eine gerechtfertigte Amputation bedarf es nach dem Tierschutzgesetz einer medizinischen Indikation. Ein Gesetz kann diese medizinische Indikation nach unserer Ansicht aber mit Sicherheit nicht ersetzen.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, meine Damen und Herren, um die für uns erwähnten schwerwiegenden Fehler, wie die Rasseliste und die Zwangskastration, aus dem Gesetzentwurf zu entfernen. Die FDP-Fraktion hat sich zusätzlich zu den Beratungen in den Innenausschuss-Sitzungen Sachverständige eingeladen - die Art und Weise, wie die Anhörungen funktionierten, kam hier heute auch kurz zur Sprache -, um über die Sinnhaftigkeit von bestimmten Verschärfungen für die Sicherheit der Bevölkerung zu sprechen. Eines, meine Damen und Herren, ist bei allen Beratungen offensichtlich geworden, egal ob im Innenausschuss oder in einer internen Besprechung oder der eigenen Anhörung, eine Rasseliste führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern nur zu mehr Scheinsicherheit, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

In diesem Zusammenhang fiel auch in einer der Anhörungen die Vokabel „gefühlte Sicherheit“. Meine Damen und Herren, gefühlte Sicherheit ist nun wirklich kein Grund, um das Kind mit dem Bade auszuschütten.

(Beifall FDP)

Wenn von 22 Stellungnahmen 19 dezidiert ablehnend auf den Entwurf der Landesregierung eingehen, dann ist das in meinen Augen schon ein Ausdruck von Ignoranz, sich darüber hinwegzusetzen. So sehr Sie sich gegen diesen Vorwurf wehren, es ist eben ein Ausdruck von Ignoranz.

(Beifall FDP)

Es ist unerträglich, die sachlich fundierte, inhaltliche Arbeit derer, die sich lange hingesetzt und ihre Stellungnahmen verfasst haben, derartig zu diskreditieren, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Wofür bzw. für wen machen wir denn die Anhörungen? Wie geht Politik mit Sachverstand und der Zeit der Sachverständigen um? Diese Fragen müssen wir uns an dieser Stelle nun wirklich einmal stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich will es Ihnen deutlich sagen: Es geht uns darum, den notwendigen Sachverstand bei den Themen einzuholen, die bei fachspezifischen Themen notwendig sind. Ich denke, wir sind gut beraten, mit einem gewissen Respekt auch den Leuten gegenüber aufzutreten, deren Zeit wir in Anspruch nehmen.

(Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion wird einem Gesetzentwurf mit einer Rasseliste und mit einer Zwangskastration mit Sicherheit nicht zustimmen. Lassen Sie uns den Gesetzentwurf ohne Ras

seliste und ohne Zwangskastration auf den Weg bringen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Gentzel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst zwei allgemeine Bemerkungen zum Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren machen: Mit dem Gesetz entsteht erstmals ein einheitliches Regelwerk für alle gefährlichen Tiere. Das Gesetz schafft langfristig Rechtssicherheit für die zuständigen Behörden, für die Tier- und die Hundehalter sowie für die Bevölkerung im Umgang mit gefährlichen Tieren. Das Gesetz zielt auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dabei handelt es sich um eine originäre hoheitliche Aufgabe, die durch die Kommunen als zuständige Behörde erfüllt wird. Parallel zur Verabschiedung oder nach Verabschiedung des Gesetzes wird die Thüringer Gefahren-Hundeverordnung aufgehoben.

Was sind nun gefährliche Tiere?

1. Tiere einer wildlebenden Art, die Menschen durch Körperkraft, Gifte oder Verhalten erheblich verletzen können und ihrer Art nach unabhängig von individuellen Eigenschaften allgemeingefährlich sind und

2. gefährliche Hunde nach Maßgabe dieses Gesetzes; dazu werde ich noch etwas sagen.

Wer ein gefährliches Tier halten will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis wird nur erteilt, wenn u.a. ein besonderer wissenschaftlicher oder beruflicher Bedarf für die Haltung dieser Tiere besteht. Ich möchte jetzt gern speziell etwas über die Problematik - losgelöst von den gefährlichen Tieren - zu den Hunden sagen. Das Grundprinzip, wonach der Hundehalter die volle Verantwortung für seinen Hund trägt, wird stärker zur Geltung gebracht als bisher. Das Gesetz definiert, was gefährliche Hunde sind, nämlich erstens Hunde aus einer entsprechenden Zucht, die sogenannte Rasseliste, und Hunde, die im Einzelfall durch die zuständigen Behörden als gefährlich eingestuft worden sind, nachdem sie vorher z.B. durch Beißen, Hetzen und übermäßige Kampfbereitschaft aufgefallen sind.

Meine Damen und Herren - und jetzt auch noch einmal für Sie, Herr Bergner -, mit der Einschätzung, dass von bestimmten Rassen besondere Gefahren ausgehen, stehen wir in Thüringen nicht al

lein. Thüringen ist vielmehr eines der wenigen Bundesländer bisher, die eine solche Liste nicht haben.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Zu Recht.)

Ich habe es in der Debatte auch im Ausschuss immer wieder gesagt: Bei der Bewertung, ob eine Rasse als gefährlich gilt oder nicht, ist für uns nicht primär entscheidend, wie oft der entsprechende Hund in einer Beißstatistik auftaucht. Es geht vielmehr darum, welche Folgen eintreten können, wenn es zu Zwischenfällen mit Tieren einer bestimmten Rasse kommt.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das haben Sie in der Debatte genau einmal gesagt.)

Hunde bestimmter Rassen weisen nun einmal rassespezifische Merkmale wie Beißkraft, reißendes Beißverhalten und Kampfinstinkt auf. Das erlaubt einen Unterschied zu anderen Rassen aufzumachen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat das bestätigt - ich zitiere -, „dass Hunde der genannten Rassen für Leib und Leben von Menschen in besonderer Weise gefährlich sind.“ Diese Auffassung teilt auch die SPD-Landtagsfraktion.

(Beifall SPD)

Die geplanten Neuregelungen - und ich glaube, wir sind mit der CDU die einzige Fraktion, die auch dieses immer betont - sollen vor allem auch den Vollzug der Vorschriften erleichtern. Die zuständigen Behörden können in Zukunft Hundeführer und Hundehalter der konkret im Gesetz oder in der Rechtsverordnung genannten Rassen gezielt ansprechen und sie nach der Erlaubnis für die Haltung oder das Führen der Hunde fragen, sie können den Altersnachweis erfragen und sie können die Zuverlässigkeit sowie die Haltungsbedingungen der Hunde überprüfen. Ich will dazu auch deutlich sagen, insbesondere der Gemeinde- und Städtebund hat dieses begrüßt in der Anhörung. Für auffällige Hunde kann ein Wesenstest angeordnet werden, um die Gefährlichkeit festzustellen. Neu ist die Aufzählung von mehreren Hunderassen, für die durch das Gesetz die Gefährlichkeit festgestellt wird. Als gefährlich werden im Gesetzentwurf folgende Rassen eingestuft: Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander und Kreuzungen mit anderen Hunden. Mit Zustimmung des Innenausschusses des Thüringer Landtags können das Innen- und das Sozialministerium gemeinsam in einer Rechtsverordnung weitere Rassen bestimmen, die als gefährlich eingestuft werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch das Gesetz wird eine Erlaubnispflicht für das Halten gefährlicher Hunde

(Abg. Bergner)

eingeführt. Der Gesetzentwurf stellt Regeln für die Haltung gefährlicher Hunde auf. Grundsätzlich gilt dabei, dass die Hunde so gehalten werden müssen, dass Menschen, Tiere und Sachen nicht gefährdet werden. Gefährliche Hunde sind zudem im sicheren Gewahrsam zu halten. Der Gesetzentwurf enthält auch ein Verbot des Handelns und der Zucht der in der Rasseliste genannten Hunde. Zur Durchsetzung dieser Vorschriften müssen alle Hunde der konkret genannten Rassen drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes oder spätestens mit Erlangen der Geschlechtsreife unfruchtbar gemacht werden. Verstöße gegen dieses Gesetz können als Ordnungswidrigkeit mit bis zu 10.000 € geahndet werden, die Hunde können zudem eingezogen oder als letztes Mittel auch eingeschläfert werden, wenn von diesen eine erhebliche Gefahr von Menschen und Tieren ausgeht. Die Tötung bedarf der Zustimmung des zuständigen Veterinäramtes.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung ist an einigen nicht unwesentlichen Stellen von den Koalitionsfraktionen noch einmal verändert worden. Darauf will ich jetzt eingehen. Die im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehene sogenannte 20er/40er-Regelung, also die Frage massiger Hunde, ist in Koalitionsgesprächen verworfen worden. Ich will hier deutlich erklären, dass diese Liste der massigen Hunde in meiner Fraktion große Sympathien gehabt hat, aber man muss schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen - und da stimmt das einfach nicht, was Herr Bergner gesagt hat -, dass insbesondere der Gemeinde- und Städtebund in der Anhörung diesen Teil besonders kritisiert hat. Da für uns - ich werde an anderer Stelle noch einmal etwas dazu sagen auch die Handhabbarkeit des Gesetzes vor Ort ein wichtiges Kriterium war, haben wir diese Regelung fallen lassen. Neu ist, dass jetzt für alle Hunde eine Kennzeichnungspflicht mittels Mikrochip eingeführt wird, um die Identifizierbarkeit auch des Hundehalters zu gewähren. Neu ist auch, dass für alle Halter eines Hundes eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Hund verursachten Personen- oder Sachschäden mit einer Mindestversicherungssumme in Höhe von 500 € für Personenschäden und in Höhe von 250.000 € für sonstige Schäden verpflichtend eingeführt wird.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: 500.000!)

500.000 ist richtig, Entschuldigung. Beim Führen gefährlicher Hunde außerhalb des eingefriedeten Besitztums oder der Wohnung des Halters gilt zukünftig auch die Maulkorbpflicht.

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion war die Frage des generellen Sachkundenachweises ein Thema, was wir im Zusammenhang mit diesem Gesetz diskutiert haben. Es ging ja darum, eine Regelung generell für alle Hunde einzuführen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit haben wir an

dieser Stelle von dem generellen Sachkundenachweis abgesehen.

Meine Damen und Herren, wer mag bestreiten, dass einige Passagen in diesem Gesetz, insbesondere die Rasseliste, heftig umstritten sind. Wir tun es nicht. Das ist auch ganz einfach erklärbar. Es prallen die verschiedenen Ansichten mit unterschiedlichen Wichtungen in den einzelnen Lagern hier sehr, sehr deutlich aufeinander. Da ist die Frage der Gefahrenabwehr, da ist die Frage des Tierschutzes. Aber auch die Fragen der Verhältnismäßigkeit und der Handhabbarkeit vor Ort haben für uns immer eine wesentliche Rolle gespielt. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Entscheidungsfindung mitunter etwas zäh ist. Wie kompliziert sie ist, erkennt man auch daran, nicht nur, dass in der Koalition lange darüber gestritten und auch geändert wurde, sondern - auch das gehört hierher - es gibt innerhalb der Opposition keinen Konsens, wie man mit diesem Gesetz umgeht. Kein Änderungsvorschlag vonseiten der Opposition hat die uneingeschränkte Zustimmung der anderen Oppositionsfraktionen gefunden. Insofern zeigt das, wie problematisch dieses gesamte Feld ist. Dass sich die Koalition auf ein gutes Gesetz verständigen konnte, wie ich glaube, spricht für sie.

(Beifall SPD)