Wir wissen nicht immer, was wir heute hier den ganzen Tag gemacht haben und wenn uns immer eine Antwort auf diese Frage, was haben wir zur
Verbesserung der Lage der Menschen in Thüringen beigetragen, auch an langen Plenartagen wie dem heutigen, sofort einfallen sollte, erst dann wird auch unsere Geschäftsordnung richtig perfekt sein. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Interessierte, ich gebe zu, ich habe überlegt, wie ich jetzt beginne, weil, wenn ich mich nicht verhört habe, Frau Marx,
Sie hier eben zum Parlament gesagt haben, „ein bisschen Zoo“. Dann habe ich sehr große Bedenken bezüglich unseres eigenen Demokratieverständnisses,
auch und gerade hier im Thüringer Landtag, aber auch mit Blick auf unsere Arbeit. Ich meine das sehr ernst. Wir wissen, dass wir dem Berufsstand angehören, der das niedrigste Ansehen überhaupt in der Bevölkerung genießt, und wahrscheinlich haben Sie es alle schon einmal erlebt wie ich auch, dass Sie begrüßt werden mit: Was, Sie sind Politikerin? - so ungefähr -, pfui deibel. Eigentlich müsste es ja auch unser aller Anliegen sein - ich denke, dazu sollte auch diese Geschäftsordnungsdebatte dienen -, dass wir uns Anerkennung erwerben, Anerkennung erwerben bei den Bürgerinnen und Bürgern, und zwar indem wir sie genau darüber informieren, was wir hier eigentlich tun, indem wir sie teilhaben lassen, indem wir Transparenz üben, indem wir auch Bürgernähe demonstrieren und indem wir immer wieder deutlich machen, wie wir selber zu einzelnen Punkten stehen. Und wenn wir uns selber als „ein bisschen Zoo“ verstehen, dann könnte ich Ihre Frage oder die Frage Ihrer Tochter, liebe Frau Marx, vermutlich auch nicht beantworten. Zum Glück verstehe ich uns anders.
Herr Emde, Sie haben begonnen mit: Was lange währt, wird gut. Ich möchte dahinter ein Fragezeichen machen, ob wirklich immer gut wird, was lange währt. Es ist tatsächlich jetzt fast zwei Jahre her, dass sich hier im Thüringer Landtag einiges geändert hat. Sie haben hier 15 Jahre in trauter Drei
samkeit verbracht, wenn ich das mal so sagen darf, drei Fraktionen, die sich aufeinander eingespielt hatten, mehr oder minder,
die Rollen waren klar verteilt. Nun ja, halten Sie es doch mal aus, die Rollen waren klar verteilt und die Geschäftsordnung atmet genau diesen Geist.
Und die Geschäftsordnung atmet diesen Geist leider auch weiterhin, denn Sie haben keineswegs den Mut gehabt, die Geschäftsordnung tatsächlich den neuen Gegebenheiten anzupassen.
Jetzt lassen Sie mich mal zu den einzelnen Punkten kommen. Lebendige Debatte haben wir schon mal, das erleben Sie jetzt, Sie hören es, ich werde mich davon jetzt nicht wirklich stören lassen. Sie haben eben gesagt, Transparenz und Beteiligung ist das ganz Entscheidende und das ist es auch für uns. Liebe SPD, liebe Frau Marx, wer regiert eigentlich in Brandenburg? Gehen Sie mal auf die Homepage des Brandenburger Landtags, geben Sie „Ausschüsse“ ein und dann werden Sie alle Ausschusstermine jeweils mit den Beschlüssen, die dort getroffen wurden, mit den Einladungen dazu, mit den Mitgliedern der Ausschüsse auf der Homepage finden, weil dort beispielhaft alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind. Frau Marx, Sie haben uns jetzt hier offenbart, dass Sie keine Lust hätten, sich in irgendeinen Ausschuss reinzusetzen, wo Sie dann nichts zu sagen haben. Vorhin hat die FDP ein flammendes Plädoyer im Tagesordnungspunkt 1 dafür gehalten, dass die Menschen doch selbst entscheiden können müssen, was sie wollen, dass sie auch selbst entscheiden können sollen, dass sie beispielsweise an einer Ausschuss-Sitzung teilnehmen. Wovor haben Sie eigentlich Angst?
Ich frage mich wirklich: Wovor haben Sie Angst, wenn wir über die Öffentlichkeit von Ausschuss-Sitzungen reden? Herr Emde und auch liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, der FDP und der SPD, die eben gegen die Öffentlichkeit der Ausschuss-Sitzungen gesprochen haben, tun Sie doch nicht so, als ob öffentliche Ausschuss-Sitzungen künftig Nichtöffentlichkeit verhindern würden. Im Gegenteil - das ist gut möglich.
deswegen mussten wir dazu auch einen Gesetzentwurf einbringen, um zu ändern, was nämlich in der Verfassung steht, dass die Ausschüsse in der Regel nicht öffentlich tagen. Ich meine, dass das ein fragwürdiges Demokratieverständnis
das zu ändern, denn jeder Ausschuss - lieber Herr Höhn, regen Sie sich doch nicht so auf - hätte selbstverständlich immer die Möglichkeit, auch einen nicht öffentlichen Teil zu machen. Wir haben auch vorgeschlagen, dass schon mit einer einfachen Mehrheit, dass auch schon mit Minderheiten, mit Anträgen einer Fraktion beispielsweise - das haben wir alles diskutiert in der PGF-Runde, und zwar fast zwei Jahre lang, so lange hat das nämlich gedauert - man selbstverständlich immer die Nichtöffentlichkeit herstellen könnte, wenn es dafür ein begründetes Interesse gibt. Ich hätte keine Angst, dass Menschen miterleben, wie wir diskutieren, wie wir vielleicht Argumente hören, wie wir vielleicht auch unsere Meinung korrigieren, wie wir voneinander lernen und wie wir vielleicht auch einmal Irrtümer eingestehen müssen, die wir selbst haben, und davor ist niemand gefeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ausschüsse sind Arbeitsgremien und im Moment sind wir in der Pflicht, alles, was wir öffentlich diskutieren wollen, hierher ins Plenum zu bringen. Ich sagen Ihnen, es würde auch der Verknappung der Zeit hier und der Verknappung mancher Debatte dienen, wenn die Ausschüsse öffentlich wären und dort die interessierten Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich teilnehmen und den Debatten folgen könnten.
Ich will noch ein wichtiges Beispiel nennen, was immer wieder an uns herangetragen wurde. Sie alle, wir alle erleben immer wieder Anhörungen in schriftlicher und in mündlicher Form, manchmal sind sie auch öffentlich, wenn es mündliche Anhörungen sind. In der Regel aber wird über die Ergebnisse in nicht öffentlichen Sitzungen beraten und die Anzuhörenden, die wir immer wieder auch bei uns an der Tür stehen haben, sagen, jetzt haben wir euch Stellungnahmen geschickt und wissen nicht annähernd, was eigentlich damit passiert ist. Wir wissen überhaupt nicht, ob die Einfluss genommen haben. Manchmal werden sie in der Berichterstattung erwähnt. Eben hat es stattgefunden, dass einige Stellungnahmen hier Erwähnung gefunden
haben, aber es gibt weder eine offizielle Rückmeldung noch eine Beteiligung, noch die Möglichkeit teilzunehmen, zu sehen, ob und welche Wirkung gegebenenfalls eine Stellungnahme entfaltet.
Ich finde, wir sind es den Anzuhörenden eigentlich schuldig, dass sie miterleben können, wie wir über ihre Anmerkungen denken, weil sie sonst tatsächlich das Gefühl haben, diese Stellungnahmen vielleicht doch nur für den Papierkorb zu produzieren. Dieser Eindruck darf nicht entstehen, weil wir Menschen Lust machen sollen und wollen, sich zu beteiligen und sich einzubringen.
Noch ein Beispiel, Frau Marx: Das hat vorhin gewaltig gehinkt, wenn Sie sagen, die Leute müssten nur dasitzen und zuschauen und Sie hätten da keine Lust, weil Sie so spontan wären - das war auch eine interessante Erkenntnis. Auch hier im Plenum sitzen viele Besucherinnen und Besucher, die tatsächlich zuhören müssen, die gar nicht klatschen dürfen beispielsweise, selbst wenn sie es wollten oder ihren Unmut bekunden wollten, aber trotzdem hoffe ich, dass sie etwas von der Debatte mitnehmen, dass sie erleben, wie wir ringen um bestimmte Entscheidungen und wie wir vielleicht auch miteinander streiten und uns aber auch in einzelnen Punkten einig sind. Ich glaube tatsächlich, dass das ein Wert an sich ist, und deshalb werden wir natürlich nachher auch eine namentliche Abstimmung beantragen zu diesem Punkt, bei dem wir eine Gesetzesänderung vorschlagen, nämlich grundsätzlich öffentliche Ausschuss-Sitzungen stattfinden zu lassen.
Lassen Sie mich einen zweiten wichtigen Punkt ansprechen, das Thema Minderheitenrechte: Unser Ziel war es, im Zuge dieser Monate, ja fast Jahre andauernden Debatte tatsächlich Minderheitenrechte auch innerhalb des Landtags zu stärken, und zwar in folgender Hinsicht - für die, die es vielleicht immer noch nicht so genau wissen oder die nicht tagtäglich damit zu tun haben: Im Moment hat jede Fraktion beispielsweise das Recht, das gesamte Plenum mit einem Thema ihrer Wahl „zu behelligen“ und dieses hier im Landtag zu diskutieren, in dem sie einen Antrag oder einen Gesetzesvorschlag einbringt. Das ist auch gut so. Im Ausschuss ist das aber nicht möglich. Im Ausschuss kann nicht jede Fraktion einen Antrag einbringen und das sollen eigentlich die Arbeitsgremien sein. Das heißt, wir sind gezwungen, wenn wir sicher gehen wollen und uns nicht die Unterstützung einer anderen großen, mehr oder minder nahestehenden Fraktion suchen, die uns die notwendigen Unterschriften gibt, immer ins Plenum zu gehen. Ich fände es sinnvoll, unsere Fraktion hat es beantragt, dass selbstverständlich jede Fraktion ein solches Antragsrecht im Ausschuss haben muss.
Es geht weiter, lieber Herr Mohring, mit Blick auf die Minderheitenrechte. Das sage ich nicht nur an die Adresse von Ihnen, Herr Mohring, sondern auch an die Adresse der LINKEN. Man darf die Demokratie niemals mit undemokratischen Mitteln beschneiden. Das Argument, dass mit Blick auf das Zählverfahren beispielsweise nicht jede Fraktion gleichermaßen Anspruch darauf hat, einen Ausschussvorsitz zu stellen oder in allen Gremien tatsächlich vertreten zu sein, ich meine jetzt nicht in dem Sinne, dass die FDP dankbar ist, dass sie einen Platz von der CDU geschenkt bekommen hat und wir uns bei der LINKEN bedanken dürfen, dass ich beispielweise Vizepräsidentin sein darf, weil sie mich auf ihren Vorschlag geschrieben haben...
Wir meinen, dass jede Fraktion ein Recht darauf haben sollte. Das Argument, dass die Rechtsextremen, dass die NPD einmal in den Landtag einziehen könnten, und wir deshalb die Demokratie vorab beschneiden, das sage ich, ist gefährlich.
Wir müssen dafür sorgen, dass Rechtsextreme, dass Nazis niemals in den Thüringer Landtag einziehen. Bis jetzt ist uns das gelungen, wenn auch knapp beim letzten Mal mit 4,3 Prozent. Aber noch einmal, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu beschneiden, halten wir für falsch. Deswegen haben wir dazu einen Antrag eingebracht, tatsächlich jede Fraktion überall zu beteiligen und ein Zählverfahren einzuführen, das sich nicht maßgeblich zugunsten der großen Fraktionen ausrichtet, sondern zugunsten der kleineren.
Ein dritter Punkt: „Der kleinste gemeinsame Nenner“ ist meine Überschrift für unseren gemeinsamen Antrag, den wir hier stellen. Sie können uns glauben, wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben dem gemeinsamen Antrag zugestimmt, weil wir damit gezeigt haben, dass wir sehr wohl ein Interesse daran haben, im Konsens bestimmte Regelungen zu finden, wie zum Beispiel die Frage der Redezeitverkürzung. Auch wir sind der Meinung, dass man nicht unendlich über jedes Thema reden muss, dass Themen auch zerredet werden können und dass wir selbstverständlich alle ein Interesse daran haben sollten, die Tagesordnung auch abarbeiten zu können. Aber man braucht schon - Herr Emde, Sie haben es vorhin durchblicken lassen, Sie hätten sich eine noch kürzere Redezeit ge
wünscht - die notwendige Zeit, bestimmte Argumente abzuwägen. Wir glauben, dass die jetzt vorgeschlagene Regelung dafür eine gute ist; wir tragen sie selbstverständlich mit. Wir tragen auch die anderen Regelungen, die wir in dem gemeinsamen Antrag gefunden haben, selbstverständlich mit. Aber machen wir uns nichts vor, das ist kein großer Wurf. Das ist eine Anpassung in vielen Punkten an die Realität, wie wir sie jetzt schon haben, beispielsweise, dass es eine Aktuelle Stunde für jede Fraktion gibt. Es ist eine Anpassung mit Blick auf europarechtliche Fragen. Aber es ist mitnichten die Anerkennung der Tatsache, dass wir ein 5-Fraktionen-Parlament geworden sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ein vierter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Problematik eines weiteren Ausschusses, die wir heute auch hier beraten. Wir wissen, dass uns große Dinge bevorstehen mit Blick auf die durch Lissabon geltenden Regelungen des EU-Frühwarnsystems, die Beteiligung der Landesparlamente, und dass uns da eine wichtige, verantwortungsvolle Rolle zukommt. Insofern begrüßen wir ausdrücklich, dass nicht mehr der Gleichstellungsausschuss in Rede steht, ob dieser gegebenenfalls erweitert oder auch abgewertet...