Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat mit der Frage des Daten- schutzbeauftragten zu tun.)

Es handelt sich um strafprozessuale Maßnahmen. Es handelt sich um strafprozessuale Maßnahmen aufgrund richterlicher Anordnung. Da, denke ich, sind wir in den Grundsätzen der Gewaltenteilung in einem System. Wir befinden uns im Exekutivverfahren und reden auf der anderen Seite über die richterliche Unabhängigkeit und dort angeordnete Maßnahmen.

Den Hinweis bezüglich der Videoattrappen finde ich originell, aber auch nicht mehr. Im Übrigen werden auch in vielen anderen Bereichen Attrappen nicht von den gesetzlichen Regelungen des Originals erfasst. Aber auch da werden wir sicherlich intensive Ausführungen haben im Ausschuss und in der Beratung dort. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich die Aussprache. Es wurde Überweisung an den Innenausschuss beantragt. Gibt es weitere Anträge? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir darüber ab.

Wer für die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Zustimmung bei den Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist gegen diese Überweisung? Keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? Keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf an den Innenausschuss überwiesen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6 in seinen Teilen

a) Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/3191 ERSTE BERATUNG

b) Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/3233 ERSTE BERATUNG

Ich frage als Erstes: Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung Ihres Gesetzentwurfs? Ja, bitte schön, Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, namens der Landesregierung begründe ich die Einbringung des Gesetzentwurfs der Thüringer Landesregierung wie folgt:

Das Thüringer Ladenöffnungsgesetz ist seit dem 30. November 2006 in Kraft und gilt befristet bis zum 31.12.2011. Zwecks Fortschreibung des Gesetzes besteht daher zunächst einmal Handlungsbedarf.

Das Thüringer Ladenöffnungsgesetz hat sich grundlegend bewährt. Der Gesetzentwurf sieht daher neben dem Wegfall der Befristungsregelung nur einige Änderungen vor. Es wurden zum einen zum Beispiel in Petitionen und Erfahrungsberichten vorgetragene Anregungen aufgegriffen und zum anderen einige Vorschläge aus der Anhörung zum Referentenentwurf berücksichtigt. Zu den wichtigsten Änderungen gehört die Anpassung der Regelung zur möglichen Freigabe des Sonntagsverkaufs aus besonderem Anlass in der Vorweihnachtszeit. Künftig können die Landkreise und kreisfreien Städte wahlweise für den ersten oder zweiten Adventssonntag einen Verkauf aus besonderem Anlass zulassen. Sie erhalten damit die Möglichkeit der Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten. Zusätzliche verkaufsoffene Sonntage im Advent wird es aber nicht geben. Ausgehend von der Forderung nach einer Bestandsregelung nach Gemeindezusammenschlüssen bezüglich der Freigabe des Sonntagsverkaufs aus besonderem Anlass wurde die Ortsteilregelung, die zurzeit für die kreisfreien Städte gilt, auf die Städte und Gemeinden der Landkreise ausgedehnt. Es wird aber auch auf die Notwendigkeit reagiert, die Belange der Beschäftigten stärker zu fokussieren und den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern.

(Beifall CDU, SPD)

(Minister Geibert)

Danke schön, das halten wir auch für eine ganz wichtige Sache.

Im Paragraphen zum besonderen Arbeitnehmerschutz werden entsprechende Regelungen ergänzt. Der Schutz des Karfreitags wird verstärkt und die Möglichkeit für Ausnahmeregelungen zur Ladenöffnung an Samstagen bis 24.00 Uhr wird gestrichen. Es erfolgen Klarstellungen zum Verkauf bestimmter Waren wie zum Beispiel von Blumen und von Backund Konditorwaren an Sonn- und Feiertagen. Dabei wurden unter anderem Anregungen des Thüringer Landkreistages, aber auch des Thüringer Landesinnungsverbandes des Thüringer Bäckerhandwerkes aufgegriffen. Unter Berücksichtigung geänderter Verbrauchergewohnheiten sollen frische Brötchen zukünftig an Sonn- und Feiertagen bereits ab 7.00 Uhr verkauft werden dürfen. Im Ergebnis erfolgt damit eine eher zurückhaltende Anpassung des Gesetzes unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen von Händlern, Kunden und Verkaufspersonal. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Für die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Stange. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, werte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, das Thüringer Ladenschlussgesetz, wie es die Frau Ministerin bereits erwähnte, welches im November 2006 in Kraft trat, beinhaltet in § 7 die Außerkraftsetzung, welche zum Dezember dieses Jahres erfolgt. Eine Neuregelung ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE deswegen schon geboten, weil dieses Gesetz weder hinsichtlich des Beschäftigungszuwachses im Einzelhandel noch hinsichtlich der Umsatzentwicklung Wirkung gezeigt hat. Anhand der tatsächlichen Entwicklung ausgewählter Beschäftigungszahlen wird belegt, dass die Beschäftigungssituation seit Inkrafttreten dieses Ladenschlussgesetzes sich negativ entwickelt hat. Bei der Handelskette REAL zum Beispiel ist die Anzahl der Arbeitnehmer seit 2006 um 15 Prozent gesunken oder anders ausgedrückt um 85 Personen. Bei Karstadt hat sich die Beschäftigungszahl um 39 Personen reduziert oder anders gesagt um 17 Prozent. Und noch ein Beispiel will ich gern nennen. Bei der Handelsgruppe IKEA liegt der Arbeitnehmerschwund bei 12 Prozent, das sind sage und schreibe 40 Beschäftigte. Diese Zahlen sprechen für sich. Nicht enthalten in dieser Entwicklung sind zum Beispiel die Beschäftigten in Minijobs, die studentischen Aushilfskräfte oder die Stundenkräfte.

Ein erster Referentenentwurf, der bereits von Frau Ministerin hier zitiert worden ist, war der Anlass, dass die Gewerkschaft im Mai 2011 eine Anhörung durchführte, zu der die Gewerkschaft ver.di, aber auch Betriebsräte in Thüringen Vertreter der Fraktionen einluden, um über das Ladenschlussgesetz zu diskutieren. Der Konsens dieser Diskussion wird in einer Stellungnahme der Thüringer Betriebsräte im Einzelhandel deutlich. Ich zitiere: „1. Aus gewerkschaftlicher Sicht hat sich das Thüringer Ladenöffnungsgesetz nicht bewährt. 2. Die möglichen Öffnungszeiten von Montag 0.00 Uhr bis Samstag 22.00 Uhr und die zahlreichen Ausnahmeregelungen haben sich im Charakter eines Arbeitnehmerschutzgesetzes nicht bewährt, es widerspricht grundsätzlich dem gesetzlich verbrieften Recht auf Unversehrtheit von Schutz der Familie.“

Ich denke, all das sind Punkte genug, um einen eigenen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE heute hier mit einzubringen, um genau diesen Schutz der Arbeitnehmerrechte noch einmal zu verdeutlichen. Auch der Punkt, dass dieses Gesetz nun vom Wirtschaftsministerium zum Sozialministerium wanderte und somit in die Verantwortung an Frau Ministerin geht, hat die Hoffnung bei den Betroffenen hervorgerufen, dass es eine weitere soziale Ausrichtung geben soll. Dies ist nicht geschehen unserer Auffassung nach. Darum haben wir als Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3233 unseren eigenen Gesetzentwurf heute hier mit zur Diskussion gestellt und eingebracht, in dem wir ganz besonders noch einmal auf den Schutz der Arbeitnehmer eingehen wollen und auch die Reduzierung der Öffnungszeiten als einen wichtigen neuen Punkt zur Diskussion stellen.

Ich möchte im Namen meiner Fraktion bereits jetzt die Ausschussüberweisung unseres Gesetzentwurfs beantragen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Ich eröffne die Aussprache zu beiden Gesetzentwürfen. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Christian Gumprecht.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ladenöffnungsgesetz hat sich grundsätzlich bewährt und wird von den Kunden und vom Einzelhandel gut angenommen. Das von einigen Kritikern befürchtete Sterben kleiner Fachhändler als Folge der längeren Öffnungszeiten ist nicht eingetreten. Wir haben damals ein flexibles Gesetz geschaffen, das die Attraktivität des Einzelhandels für die Kunden erhöht hat auch gegenüber der Konkur

(Ministerin Taubert)

renz im Internet. Zugleich hat das Gesetz auch versucht, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen herzustellen: dem Wunsch der Verbraucher nach flexiblen Einkaufsmöglichkeiten, andererseits auch dem Schutz von Arbeitnehmerrechten - ich weiß, heute sind welche da und ich darf Sie recht herzlich begrüßen - 3. der unternehmerischen Freiheit des Handels und 4. dem hohen Gut der Sonn- und Feiertagsruhe. Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, wie wir dies mit dem Gesetz 2006 umgesetzt haben, war eine folgerichtige Antwort auf veränderte Lebens-, Arbeits- und Einkaufsgewohnheiten in unserer Gesellschaft. Wer beispielsweise abends lange arbeitet, ist oft froh, auch nach 20.00 Uhr Lebensmittel nicht von der Tankstelle kaufen zu müssen. So leistet das Gesetz auf der einen Seite einen nicht zu unterschätzenden Beitrag auch für die Familien, andererseits belastet das Gesetz auch die Familien gerade der im Einzelhandel Tätigen.

Wie gesagt, es geht auch in dem vorliegenden Gesetz wieder um einen fairen Interessenausgleich, also darum, die richtige Balance zu finden. Dazu gehört auch, an den richtigen Stellen nachzujustieren, wenn man hierfür Bedarf sieht. Ich nenne als Beispiel die Ausweitung der Ortsteilregelung auf die Städte und Gemeinden der Landkreise, um im Fall von Gemeindezusammenschlüssen den verschiedenen Traditionen besser Rechnung tragen zu können. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Thüringer Einzelhandels im Vorweihnachtsgeschäft gegenüber benachbarten Bundesländern zu stärken, wird die Regelung für den Advent flexibilisiert, so dass nun entsprechend regionaler Besonderheiten wahlweise am ersten oder zweiten Adventssonntag dies als verkaufsoffener Sonntag stattfinden kann. Der besonderen Bedeutung von Ostersonntag, Pfingstsonntag und vom ersten Weihnachtsfeiertag wird durch die Präzisierung Rechnung getragen, den Schutz des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag gleichzeitig als stiller Feiertag im Sinne des Thüringer Feiertagsgesetzes mit zu verankern und zu stärken.

Durch die Neuregelung des § 12 wird der Schutz der Arbeitnehmer im Vergleich zum alten Ladenöffnungsgesetz gestärkt. So dürfen Angestellte von Verkaufsstellen mindestens an einem Samstag in jedem Monat nicht beschäftigt werden und bei der Beschäftigung werktags nach 20.00 Uhr sind die sozialen Belange der Beschäftigten zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen haben sich einige Interessenvertreter natürlich in der Ankündigung dieses Gesetzes an mich, sicherlich auch an Sie gewandt mit völlig unterschiedlichen Anliegen und haben sie auch vorgetragen. Es ging ihnen einerseits um eine noch größere Freiheit bei den Öffnungszeiten, andererseits beklagten vor allem Vertreter von Betriebsräten die vor einigen

Jahren vorgenommene Ausweitung der Ladenöffnungszeiten und begründeten dies mit Sicherheitsargumenten. Wir werden sie - und ich habe auch diese Überlegung ernst genommen - mit berücksichtigen und in die Diskussion einfließen lassen.

An dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren von der LINKEN, einige Bemerkungen zu Ihrem Gesetz. Sie wollen eine Einschränkung der Öffnungszeiten herbeiführen und begründen dies mit dem Gesundheitsschutz. Ihr Gesetzentwurf schießt an einigen Stellen weit über das Ziel hinaus. Statt mit einer einfachen und transparenten Formulierung den Arbeitnehmerschutz zu verbessern, haben Sie eine Regelwut hier hineingebracht, die, denke ich, unpraktikabel ist.

Meine Damen und Herren, wir schlagen vor, beide Anträge federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit als auch an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu überweisen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Abgeordnete Franka Hitzing.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat vor etwa 19 Monaten den Antrag gestellt, dass zusätzlich zum ersten Adventssonntag wahlweise der zweite, dritte oder vierte Advent, sofern es nicht der Heiligabend ist, noch als verkaufsoffener Sonntag deklariert werden kann.

(Unruhe CDU)

Nach polemischen Debatten scheint uns die Landesregierung zumindest in Tippelschritten jetzt recht zu geben, denn sie eröffnet zumindest die Wahlfreiheit, dass die Ortsteile oder kreisfreien Städte und die Ortsteile der kreisangehörigen Gemeinden nun zumindest zwischen dem ersten und zweiten Adventssonntag wählen dürfen. Das ist ein Minimalkompromiss, den diese Koalition erreicht hat, und deshalb sind wir jetzt in der Beratung zum Gesetz, und zwar auch erst jetzt, also es scheint doch schon ziemlich lange gedauert zu haben, bis man auf diesen Konsens oder den Minimalkompromiss gekommen ist. Die Flexibilisierung zeigt - Frau Ministerin hat es auch erwähnt -, das ist der Wille der Bürger und die Regierung reagiert jetzt - zwar zögerlich, aber sie tut es - und die Argumentation die Ruhe der Menschen in der Vorweihnachtszeit auch bezogen auf den zweiten Adventssonntag, hat heute oder jetzt einen ganz anderen Zungenschlag. Vielleicht haben Sie erkannt, dass die Menschen selbst wählen wollen und auch selbst entscheiden

(Abg. Gumprecht)

wollen, wie sie ihre freie Zeit verbringen wollen und vor allem wann.

(Beifall FDP)

Es werden jetzt zumindest am zweiten Adventssonntag - diese Möglichkeit haben wir jetzt - die regionalen Besonderheiten und Traditionen geachtet. Es ist doch die Freiheit der Wahl, die es den Bürgern ermöglicht, selbst zu entscheiden, wann sie ruhen wollen und vor allem auch wie.

(Beifall FDP)

Politik darf sich nicht anmaßen zu entscheiden, wann und wie der Mensch glücklich ist,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Verkäuferinnen und Verkäufer spielen dabei keine Rolle?)

sondern sie ist vielmehr dazu verpflichtet, den Menschen Wahlmöglichkeiten zu geben und ihnen große Rahmen zu setzen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Auch den Beschäftigten.)

Ich komme noch darauf, Herr Ramelow. Moment, lassen Sie mich ruhig ausreden.

(Beifall FDP)