Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

Meine Damen und Herren, die Ladenöffnungszeiten in der Bundesrepublik waren in den vergangenen Jahren großen Veränderungen unterworfen. Herr Lemb hat es für die alten Bundesländer skizziert. Keine Sorge, ich werde das jetzt für unser Bundesland, bevor es wiedergegründet wurde, nicht tun. Das wissen Sie alles. Aber die Öffnungszeiten haben sich in den vergangenen Jahren veränderten Rahmenbedingungen angepasst.

Ich will trotzdem mal den Blick zurückwerfen, wie es war vor 20 Jahren. 1990 konnten wir donnerstags bis halb neun Uhr einkaufen. Einige Jahre später war es dann von 6.00 bis 20.00 Uhr. Die Tatsache, dass wir in Thüringen jetzt eine eigene Regelung haben, ist darauf zurückzuführen, dass die Föderalismuskommission die Frage der Ladenöffnungszeiten in die Zuständigkeit der Länder gegeben hat. Da gab es dann den großen Wettbewerb unter den Ländern - wer öffnet länger? Wie wollen wir flexibilisieren? Damit ist dieses Gesetz in Thüringen auch entstanden. Im Übrigen von Anfang begleitet auch - Herr Lemb hat es auch gesagt - von der Kritik von Gewerkschaften und Betriebsräten.

Die Frage ist, wie wir die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Interessen der Familien, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und natürlich des Einzelhandels zusammenbringen? Dafür bieten beide Gesetzentwürfe an dieser Stelle auch eine gute Grundlage.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis haben wir in Thüringen - wie in vielen anderen Bundesländern, aber nicht in allen im Übrigen - sehr freizügige

Ladenöffnungszeiten. Das muss man konstatieren. Der Blick in einige Länder wurde gewagt. Es gibt aber durchaus Länder, wo es deutlich restriktiver ist als in Thüringen. An fünf Tagen in der Woche können Verkaufsstellen prinzipiell frei entscheiden, wann sie aufmachen, am Samstag bis 20.00 Uhr und an vier Sonn- und Feiertagen darf geöffnet sein, am ersten Advent auch. Das reicht auch aus. Davon sind wir überzeugt. Denn eine weitere Liberalisierung und Flexibilisierung, dafür stehen wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein, ist nicht nötig. Wir haben an dieser Stelle schon sehr viel freigegeben. Ich bin deshalb auch, das sage ich an dieser Stelle, unzufrieden mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung, weil, Herr Lemb, so schön Sie argumentiert haben, trotzdem dehnen Sie die Ladenöffnung am Ende aus, nämlich sonntags legen Sie die Öffnungszeit in Läden für Brötchen und Blumen künftig vor auf 7.00 Uhr, von 8.00 auf 7.00 Uhr vorverlegt. Das ist einer der Punkte aus Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Sie tun das ohne Not, weil es unter anderem ganz eindeutig von Einzelhandelsseite auch die Position gibt, dass das gar nicht nötig sei. An dieser Stelle haften Sie sich auch dem Irrglauben derjenigen, die behaupten, je länger wir öffnen, umso höher die Kaufkraft, auch an dieser Stelle, das finde ich schade.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt, ich will hier kurz zitieren aus einer Tageszeitung aus Thüringen, die das Thema aufgenommen hat, einen großen Artikel mit der Überschrift „Keiner will Sonntagsbrötchen ab 7.00 Uhr“. Ich zitiere kurz eine Verkäuferin aus einer Filiale in einer Bäckerei in Jena. Sie sagt: „Die Mitarbeiter sollten auch mal einen Tag frei haben zur Erholung.“ Dann geht es weiter im Text: „Viele der befragten Verkäufer wollten anonym bleiben, oft war aber der Satz zu hören: ‚Der Sonntag ist uns heilig.’“

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja!)

An dieser Stelle die Frage, warum dann diese Vorverlegung? Es sind genau diese Filialen, in denen Sie die Öffnungszeiten vorverlegen wollen. Das zur SPD. Und zur CDU: Wo bleibt denn das „C“ in der CDU, was zurzeit immer so gepflegt wird an dieser Stelle?

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hören Sie doch auf!)

Positiv zu bewerten - jetzt komme ich zu den positiven Dingen - im Gesetzentwurf der Landesregierung sind die Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen. Das ist zumindest richtig aus unserer Sicht, insbesondere der neue § 12 Abs. 3 - schade, jetzt ist Frau Taubert nicht da -, in dem nun zumin

(Abg. Lemb)

dest die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erwähnt wird, wenn auch nicht mehr, aber sie steht schon mal drin.

Zum Gesetzentwurf der LINKEN: In der Begründung schreiben Sie völlig richtig: Die völlige Freigabe der Ladenöffnungszeiten habe sich nicht bewährt. Völlig richtig! Sie ging einher mit dem Abbau von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und unfairem Wettbewerb gegenüber Klein- und Kleinstunternehmen im Einzelhandelsbereich. Es ist hoffentlich unstrittig in diesem Haus, dass die derzeitigen Möglichkeiten bei der Ladenöffnung auch übrigens auf Kosten der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen. Ich zumindest, das geht an die FDP, kenne genügend Beispiele, wo man sich eben nicht aussuchen kann, ob der 400-Euro-Job angenommen werden soll oder die Vollbeschäftigung, die scheinbar dann so aussieht, dass statt 40 selbstredend eben 50 Stunden gearbeitet werden und das zu einem Lohn, der wirklich jeder Beschreibung spottet.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, insofern unterstützen wir als GRÜNE das Ansinnen des Gesetzentwurfs der LINKEN nach einem Zurückfahren der Ladenöffnungszeiten, über den Umfang kann man reden. Eine Sache hat mich gewundert in § 5 bei der Apothekenregelung. Das scheint mir ein bisschen kompliziert. Das muss man im Ausschuss diskutieren. Das können wir dann gern tun. Das Gleiche gilt für § 10 Abs. 1. Da wollen Sie die Öffnungszeiten an den vier erlaubten Sonn- und Feiertagen auf 8.00 bis 16.00 Uhr legen. Sie sind jetzt bei 11.00 bis 20.00 Uhr. Hier sage ich ganz klar, auch wenn man den kirchlichen Aspekt beiseite lässt, wem bringt denn das etwas, das will doch nicht wirklich jemand. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf setze ich hier auch mal ein Fragezeichen.

Zusammenfassend kann ich sagen, es ist gut und richtig, dass wir beide Gesetzentwürfe im Ausschuss diskutieren. Der Gesetzesentwurf der LINKEN enthält viele gute Ansätze, die wir dort auch diskutieren sollten. Grundsätzlich noch einmal, beim Blick in das Lexikon, jeder von uns weiß es, Konsumgesellschaft schreibt sich als eine Gesellschaft, wo soziale Beziehungen durch Konsum bestimmt werden. Ich weiß nicht, ob wir in dem Sinne diskutieren wollen. Ich möchte es jedenfalls nicht. Vielleicht sollten wir auch alle bei der Ausschussbefassung eine sehr maßvolle Debatte halten, wo es hingehen soll, was insbesondere auch die Frage von Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbelangt.

Meine Damen und Herren, beide Gesetzentwürfe sollten im Ausschuss beraten werden. Ich beantrage die Überweisung deswegen auch sehr gern im Namen meiner Fraktion. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Leukefeld das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin immer wieder erstaunt, zu welchen emotionalen Debatten die FDP fähig ist, wenn es um das Glücksgefühl beim Shoppen geht. Wir sagen ganz klar und schließen uns da auch Vorrednern an, Wolfgang Lemb, den Ausführungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine ergebnisoffene Debatte wäre sehr wünschenswert, denn im Gegensatz zur Landesregierung behaupten wir, dass sich die Regelungen aus dem Jahr 2006 eben nicht bewährt haben. Es ist gerade noch einmal zitiert worden, auch in unserer Begründung, und zwar weder hinsichtlich der Entwicklung der Anzahl der Vollbeschäftigen noch in Bezug auf Umsatzsteigerungen im Einzelhandel. Der Kernsatz für uns ist einfach die Frage und nach wie vor gilt die Devise: Geld kann man nur einmal ausgeben und das Geld, welches die Menschen am Freitagnachmittag nicht haben, das können sie auch Freitagnacht nicht ausgeben.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern, meine Damen und Herren, orientiert sich unser Gesetzentwurf am realen Leben und nicht an wünsch Dir was und

(Beifall DIE LINKE)

er stellt sich auch sehr eindeutig an die Seite der Beschäftigten im Handel. Das will ich hier ganz klar sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben in unserem Gesetzentwurf die Anregung der Betriebsräte sehr weitgehend aufgenommen und wollen dem auch Rechnung tragen. In Thüringen arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft rund 64.000 Menschen im Einzelhandel. Es ist hier schon erwähnt worden, dass die übergroße Mehrzahl, nämlich über 70 Prozent, Frauen sind und darunter auch ein hoher Anteil Alleinerziehende. Ich will es hier noch einmal sagen, Beschäftigte im Handel, Frauen, Verkäuferinnen sind auch Menschen

(Beifall CDU, DIE LINKE)

und deren Interessen sind hier auch zu berücksichtigen.

(Beifall CDU)

Ich frage mich, was das für ein Niveau ist, wenn man hier Arbeiten völlig unterschiedlicher Art in einen Topf schmeißt. Dass ein Mensch eine medizi

(Abg. Siegesmund)

nische Versorgung braucht um Mitternacht, das ist, glaube ich, unbenommen und es ist gut so und notwendig, dass es das gibt.

(Beifall DIE LINKE)

Aber, Herr Untermann, ein Hemd brauchen Sie um Mitternacht nicht zu kaufen. Ich weiß nicht, wann waren Sie das letzte Mal nach 22.00 Uhr in einem Laden, aber das soll eine rhetorische Frage sein,

(Unruhe FDP)

denn allzeit immer bereit zum Shoppen - das muss man, glaube ich, so nicht formulieren.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Bleiben Sie doch mal bei der Sache.)

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Um das letzte Hemd von euch geht’s.)

Genau. Deswegen ist es umso mehr erforderlich, dass es ein Ladenöffnungsgesetz zu verabschieden gilt, dass auch den Charakter eines Arbeitnehmerschutzgesetzes trägt. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen, dass die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ja allzeit und immer wieder viel gepriesen wird, nicht nur ein Schlagwort bleibt.

Diese Kriterien sind im Änderungsgesetz der Landesregierung aus unserer Sicht zu wenig berücksichtigt. Die Überschrift in § 12 wurde geändert, der titelt jetzt „Besonderer Arbeitnehmerschutz“ und die Anfügung des Abschnitts d): „Arbeitnehmer in Verkaufsstellen dürfen mindestens an einem Samstag in jedem Monat nicht beschäftigt werden. Bei der Häufigkeit der Arbeitseinsätze an Werktagen ab 20.00 Uhr sowie der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen hat der Arbeitgeber die sozialen Belange der Beschäftigen, insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu berücksichtigen.“ Das ist erst einmal ganz gut, aber das sind, wie wir aus der praktischen Umsetzung wissen, oftmals nur Lippenbekenntnisse. Es reicht hier nicht, das nur allgemein aufzuschreiben. Wenn hier von der Regelungswut der LINKEN gesprochen wird, wir haben das etwas konkreter gemacht, so wie die Forderungen auch der Beschäftigten an uns herangetragen wurden. Ich meine, eine allgemeine Definierung und nur als Schlagwort, das reicht uns hier einfach nicht aus.

Frau Abgeordnete Leukefeld, die Frau Abgeordnete Hitzing möchte Ihnen gern eine Frage stellen.

Ich würde gern den Gedanken noch zu Ende führen.

Dann später.

Denn bei den Beschäftigten von Lidl oder Schlecker oder auch anderswo wissen wir, dass es keinerlei Schutz für Mehrarbeit gibt, dass Überstunden die Regel sind, dass auch geringfügig Beschäftigte oftmals viel länger arbeiten, als das ursprünglich vereinbart und vorgesehen war, ob das beim Regale auffüllen, beim Putzen, beim Gemüse sortieren oder anderen Dinge ist, das spielt keine Rolle. Diese Praxis ist uns bekannt und deswegen muss man da schon ganz konkrete Regelungen auch treffen.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Hitzing, Sie wollten etwas fragen.

Frau Hitzing, Sie möchten jetzt Ihre Frage stellen.