Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Tagesordnung ein.
Alle Fraktionen haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Zeit für jedes Thema beträgt 30 Minuten, die Redezeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt. Die Redezeit für den einzelnen Redner beträgt maximal 5 Minuten.
a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Keine Aus- und Weiterbildung angehender Ärzte (Hu- manmediziner) und anderen medizinischen Personals an lebenden Tieren in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/3357
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Zeitungsmeldung, ein Unternehmen wolle im Auftrag der US-Armee unethische Experimente an lebenden Schweinen durchführen, bewegt viele Thüringer. Man kann das in den Leserbriefen der Zeitungen sehen und man kann auch durchaus nachvollziehen, dass das eine Mitteilung ist, die die Menschen nicht kalt lässt. Löcher in Brust und Gliedmaßen schneiden, Gliedmaßen brechen und abschneiden, Blutgefäße durchtrennen, ins Herz stechen, das ist eine Auswahl der Dinge, die im Auftrag der US-Armee Schweinen zugefügt und dann wieder geflickt werden sollen. Unter dem Aspekt des Tierschutzes ist so etwas völlig indiskutabel, denn das Gesetz verbietet Experimente, die unethisch sind oder für die es vernünftige Alternativen gibt; das ist hier einfach der Fall. Aber auch unter dem Aspekt der Ausbildung kann ich nur den Kopf schütteln. Wer die Ausbildung zum Chirurgen oder zum Rettungssanitäter auf das rein handwerklich Technische reduzieren möchte und sich vom Menschen trennen will, der kann damit keine Erfolge erzielen.
Es geht doch in unserem Beruf nicht darum, ein paar Löcher zu flicken, Knochen zu reparieren und ein paar Wunden zu nähen, es geht doch darum, dass wir Menschen heilen und im Verlauf die Organe für diese Menschen wieder retten wollen. Es ist genau dieser Bezug zwischen dem, was ich tue und dem, was sich daraus entwickelt, was die Ausbildung ausmacht. Wer im Rettungsdienst, wer im Katastrophenfall, wer im Verletzungsfall helfen will, muss die Konsequenzen seines Handelns im Auge behalten und muss, wenn er aus Fehlern lernen will, diese Fehler auch beobachten können. Das heißt, ich kann zwar ein Herz flicken, ich kann einen Knochen flicken, ich kann eine Wunde zunähen, aber ob das Herz weiterhin arbeitet, ob das Bein oder der Arm, den ich operiere, auch weiterhin funktionsfähig ist, das zeigt sich doch erst im Verlauf. Wenn ich irgendwelche Gefäße zerstört habe, wenn ich Nerven unterbunden habe oder Ähnliches, dann habe ich doch keinen Erfolg. Damit aber solche Komplikationen eintreten können, muss der Patient erstens meine Operation überleben und zweitens muss ich ihn lange genug beobachten können, um einschätzen zu können, dass ich etwas richtig gemacht habe oder dass ich einen Fehler gemacht habe und ich muss auch erkennen können, welchen Fehler ich gemacht habe. Zum Beispiel eine Nachblutung im OP, es geht ja ausdrücklich um Blutstillung, tritt erst nach Stunden auf, wenn der Blutdruck wieder steigt. Das ist aber bei
den Schweinen gar nicht geplant, die wachen nicht wieder auf, der Blutdruck steigt nicht wieder und damit weiß ich überhaupt nicht, ob ich ein ordentliches Handwerk abgeliefert habe, eine saubere Arbeit gemacht habe und ich werde ausgebildet nach dem Prinzip „Operation gelungen, Patient tot“ und das kann es eigentlich nicht sein,
denn am Ende werden solche Leute auf Menschen losgelassen und haben vielleicht noch nie tatsächlich einen Patienten geheilt. Soweit zum technischen Aspekt.
Ein weiterer Grund, warum man diese Experimente durchführen möchte, ist der, dass man Rettungsassistenten oder Notärzte mit der Situation im Feld vertraut machen möchte. Nun war ich zwar niemals im Feld, aber ich habe mehrere tausend Rettungseinsätze als Notarzt absolvieren dürfen und ich kann Ihnen eines versichern, das, was Sie da draußen erwartet, können Sie nicht im sterilen OP mit festgeschnallten, narkotisierten Schweinen simulieren. Das ist ausgeschlossen. Wenn Sie irgendwo hinkommen und sehen einen Autounfall, wo mehrere Menschen, vielleicht auch Kinder, bei Bewusstsein eingeklemmt sind mit gebrochenen Gliedmaßen, mit Schmerzen, mit Blut, das können Sie doch nicht im OP simulieren. Sie können genauso wenig im OP lernen, wie eine Triage funktioniert. Das heißt, Sie kommen an einen Unfallort oder an einen Kriegsschauplatz oder irgendwo anders hin, sehen eine ganze Reihe sich bei Bewusstsein befindlicher Menschen, die alle schwer verletzt sind, und müssen sortieren, wer hat einen Chance zu überleben, wer hat eine geringe Chance zu überleben. Beim Bewusstsein dieser Leute müssen Sie festlegen, wem Sie helfen, wer zu retten ist und wem Sie nicht helfen, weil er sowieso stirbt. Das können Sie nicht als Assistent an einem Schwein simulieren. Das ist ausgeschlossen.
Das, was dort geplant ist, diese Experimente an Schweinen, ist aus Tierschutzgründen für die Schweine völlig inakzeptabel, das ist nicht möglich,
als Ausbildung für medizinisches Personal ist es absolut minderwertig. Das ist nicht hinnehmbar und für die Menschen, die dann von diesem Personal behandelt werden, ist es geradezu gefährlich. Deswegen muss ich die Ministerin ausdrücklich in dem Widerspruch gegen diese geplanten Experimente bestärken und kann nur sagen, da muss man wirklich stark bleiben. Es ist schon zwei Mal in Deutschland abgelehnt worden, diese Experimente durchzuführen. Soll man doch die Experimente dort durchführen, wo man meint, davon profitieren zu können. Dieselbe Firma, die das jetzt in Thüringen beantragt hat, hat es schon in den USA durchge
führt. Dort haben sie seit 2001 insgesamt 15.000 Schweine auf diese Art und Weise behandelt. Schlimm genug, dass es dort passiert, ich möchte das für Thüringen nicht haben. Vielen Dank.
Vielen Dank. Ehe ich den nächsten Redner aufrufe, gestatten Sie mir eine Bemerkung. Ich freue mich ja über die anwesenden Staatssekretäre. Es wäre auch ganz günstig, wenn noch ein Mitglied der Landesregierung hier wäre.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Frank Augsten von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, manchmal fällt es ja schwer, dem Titel zu entnehmen, was der Antragsteller, die Antragstellerin eigentlich will. Man konnte sich sicher denken, dass es mit den Schweineversuchen zusammenhängt. Aber dass man dann in dem Titel so einen weiten Bogen spannt - nur in Thüringen oder auch woanders lebende Tiere, Ärzte, was ist mit den Biologen, was ist den Lehramtsanwärtern - viele Fragen, die sich da ergeben.
Dass Herr Dr. Hartung jetzt doch wieder auf die Schweineversuche zu sprechen kommt, ist sehr schön, weil wir uns da konzentrieren können. Denn, meine Damen und Herren, eines steht fest, hier in 5 Minuten über Tierversuche in Europa sprechen zu wollen, das würde wirklich den Rahmen sprengen.
Es geht also heute um genau dieses geplante Vorhaben. Ich sage das gleich am Anfang: Wir hatten gleich, nachdem das bekannt geworden ist, auch eine Pressemitteilung herausgegeben, haben der Landesregierung - vor allen Dingen Ministerin Taubert - die volle Unterstützung zugesagt. Daran hat sich auch nichts geändert.
Aber wenn wir schon hier ein paar Minuten haben, um über Tierversuche zu sprechen, dann möchte ich noch einmal auf die Lage in den Parteien hinweisen, vor allen Dingen, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Wir haben im Jahr 2010 eine EU-Richtlinie diskutiert - nicht wir, sondern auf EUEbene -, die eine Verschlechterung der Situation in Deutschland bedeuten würde. Es gab unter anderem damals im Bundestag einen Antrag von BÜND
NIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Europäische Tierversuchsrichtlinie muss ethischem Tierschutz Rechnung tragen - Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Abs. 3 Grundgesetz“.
Meine Damen und Herren, da ging es darum, dass man es nicht zulässt auf EU-Ebene, dass es deutliche Verschlechterungen der bis dato in Deutschland geltenden Bestimmungen geben kann. Dort wurde erwartungsgemäß so abgestimmt, dass die CDU und FDP das abgelehnt haben. Sie waren wahrscheinlich oder offensichtlich zufrieden mit dem, was die EU vorgelegt hat. Und die SPD, die heute hier den Aufschlag macht zu Tierversuchen, hat sich dort enthalten. Also darüber müssen wir schon noch einmal reden, wie denn die SPD insgesamt zu Tierversuchen steht. Denn ein Blick in den Tierschutzbericht 2011 der Deutschen Bundesregierung zeigt, in welchem dramatischen Ausmaß die Zahlen von Tierversuchen zunehmen europaweit. Ich selbst bin vielleicht auch ein bisschen sensibilisiert, weil ich aus der Szene komme. Ich erinnere mich, wie wir es in den 90er-Jahren gefeiert haben, dass Jahr für Jahr die Tierversuchszahlen zurückgegangen sind. Das war ein großer Erfolg. Ich erinnere mich an Verbote von Tests, die so unglaublich sind. Ich habe noch das Bild vor Augen, dass man die Hautverträglichkeit von Kosmetika an Augen von Kaninchen - von Tausenden von Kaninchen - getestet hat. Denen wurden die Augen aufgemacht, dann wurde das aufgeträufelt und dann hat man geschaut, ob es ätzt oder nicht ätzt. Solche Dinge sind in dem Zeitraum verboten worden neben vielen anderen furchtbaren Dingen. Umso erschreckender ist es, in welchem Ausmaß jetzt die Tierversuchszahlen wieder hochgehen, das ausgerechnet noch deshalb, weil wir in anderen Bereichen Fortschritte erzielen. Ich denke an die REACH-Richtlinie, an Zehntausende von Chemikalien, die man in die Welt gesetzt hat, ohne überhaupt irgendwann mal einen Test gemacht zu haben, was bedeutet, dass jetzt im Rahmen von REACH das endlich nachgeholt wird, aber dort Millionen von Tieren verbraucht werden. Gleiches gilt für die Biozid-Richtlinie, wo Pestizidversuche gemacht werden, auch für Pestizide, die schon lange auf dem Markt sind, wo keiner weiß, was haben die für Auswirkungen auf die Menschen. Also Dinge, die wir eigentlich begrüßen, führen dazu, dass wir in einem hohen Maße wieder mehr Tiere vernutzen.
Meine Damen und Herren, das kann uns nicht zufriedenstellen. Insofern bleibt es dabei, Herr Staatssekretär bzw. Frau Ministerin Taubert, Sie haben da unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, diesen Streit jetzt auszuhalten bzw. vor Gericht auch Recht zu bekommen. Wir möchten das aber auch mit der Bitte oder mit der Aufforderung verbinden, bei den anstehenden Entscheidungen, bei denen es um Tierversuche geht - ich denke an
die Umsetzung der EU-Richtlinie zu Tierversuchen, ich denke an die Novellierung des Deutschen Tierschutzgesetzes -, auch wirklich dafür Sorge zu tragen, dass sich da etwas ändert.
Meine Damen und Herren, man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Forscher aus diesem Land suchen, nachdem sie mitbekommen haben, dass solche Versuche in den USA nicht mehr gestattet werden, auf dem großen Globus nach einem Land, in dem man das in Zukunft machen kann. Da gehen sie nicht nach Südafrika und nicht nach Thailand, sondern sie gehen nach Deutschland. Sicher sind hier die wissenschaftlichen Voraussetzungen besonders gut, die Logistik stimmt. Aber das ist doch ein ganz bezeichnendes Bild dafür, was der Tierschutz in diesem Land bedeutet, wenn die Amerikaner ausgerechnet in Deutschland landen und sagen, hier kann man diese Versuche machen.
Deshalb die herzliche Bitte oder die Aufforderung an dieser Stelle, dafür zu sorgen, dass Tierversuche letzten Endes bei den beiden wichtigen Entscheidungen, die im nächsten halben Jahr anfallen, gebührend Beachtung finden. Dann hätten Sie auch im Sinne des Antrags der Aktuellen Stunde der SPD einen wertvollen Dienst verrichtet. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nachdem die SPD gesprochen hat, ist nun die Intention des Antrags klar, in welche Richtung es geht. Aber gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, auch zum Kollegen Augsten. Tierschutz, oder anders, im Gegensatz zum Tierschutz, der im Grundgesetz verankert ist, meine Damen und Herren, ist zum Beispiel der Kinderschutz nicht in unserem Grundgesetz verankert. Das muss man auch mal an dieser Stelle festhalten. Um was es hier geht, man könnte hier eine wissenschaftliche Abhandlung machen, man könnte solche Bilder aufzeichnen wie Kollege Dr. Hartung. Es sprechen natürlich viele Argumente für und viele Argumente gegen medizinische Ausbildung an Tieren. Es gibt genug Möglichkeiten, dass ich die Ausbildung an Tieren nicht durchführen muss, wie zum Beispiel Videofilmüberwachung, Computersimulation oder die Nutzung natürlich ver
storbener Tiere oder die Arbeit an Modellen. Worum es hier eigentlich geht, ist die Tatsache, dass amerikanische Soldaten, dass amerikanische Sanitäter in Deutschland, hier in Thüringen, auf den Krieg vorbereitet werden sollen und das auch zulasten unserer Tiere. Das ist doch das eigentliche Grundübel, worum es hier geht.
Ich muss an dieser Stelle sagen, nicht nur aus den Aspekten des Tierschutzes heraus, sondern auch aus diesem politischen Motiv heraus, meine Damen und Herren, unterstützen wir die Landesregierung, dass sie den Tierversuchen keine Zustimmung gibt.
Meine Damen und Herren, Menschen kann ich am besten retten, indem ich sie nicht erst in den Krieg schicke.
Nun stellt sich die Frage, die auch Dr. Augsten gestellt hat: Warum kommen amerikanische Soldaten oder die US-Armee ausgerechnet nach Thüringen und will diese Versuche durchführen? Wenn wir heute den Lokalteil der OTZ oder der Thüringer Landeszeitung, Lokalteil Gera, aufschlagen, so ist eine interessante Meldung drin, in der es nämlich darum geht, dass dieses Unternehmen DMI, in Ronneburg angesiedelt, verantwortlich ist und diese Tierversuche anbietet.
Meine Damen und Herren, hier geht es nicht nur um Ausbildung, bei dieser Firma geht es um die Erzielung von Profit, das ist erst mal eindeutig, und das zulasten des Tierschutzes und zur Vorbereitung des Kriegs. Dann kann ich in der Zeitung lesen, den Bürgermeister von Ronneburg, also für die Gewerbeanmeldung dieser Firma, die diese Tierversuche durchführt - das muss man eindeutig sagen -, ist der Landkreis verantwortlich, namentlich die Landrätin Frau Schweinsburg. Das darf natürlich auch nicht unter den Tisch gekehrt werden an dieser Stelle. Dann lese ich auch in dieser Pressemeldung, die Firma DMI soll aus ehemaligen Elitesoldaten bestehen. Auch hier, meine Damen und Herren, sehe ich, dass es um rein militärische Aspekte gehen soll, für die der Tierschutz in Thüringen missbraucht wird.
Meine Damen und Herren, das sage ich Ihnen jetzt als eingefleischter Fleischesser, Schweine gehören auf den Rost und nicht zur US Task-Force.