Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen in Thüringen sind Ihnen, das zeigt der Thüringen-Monitor - und ich komme damit zum zweiten Teil des Berichts - nicht nur um ein paar Schritte, sie sind Ihnen um Meilen voraus, sie laufen Ihnen davon, weil sie wissen, was für das Land gut ist. Ich will Ihnen an dieser Stelle beim Thema Haushalt gern sagen, wie wir die Lage einschätzen. Frau Ministerpräsidentin, Sie sagten, die Richtigkeit der Politik zeigt sich oft erst Jahre später. Ich sage Ihnen, was die Richtigkeit der Politik ist: Die Richtigkeit der Politik ist auch, dass man über seine Fehler redet. Die Fehler der CDU der vergangenen 20 Jahre sind über 16 Mrd. € Schulden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zeigt der Thüringen-Monitor in den Grafiken, die da drin sind. Darüber haben Sie heute nicht geredet, über die Verantwortung und die Zinslast, die Sie dem Land damit aufgebürdet haben.

(Unruhe CDU)

Sie behaupteten sogar am Wochenende auf einer Zusammenkunft Ihrer Jugendorganisation: Schwarze schreiben schwarze Zahlen, Rote schreiben rote Zahlen. Diese Balken, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind schwarz

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und das sind die Schulden des Landes Thüringen.

(Unruhe CDU)

Sie haben, das sagt der Thüringen-Monitor, in 20 Jahren mehr Schulden pro Kopf angehäuft als die alten Länder in 60 Jahren und da musste man auch Aufbauleistungen erbringen. Wir sitzen in der Schuldenfalle. Warum? Weil schon jetzt dem Freistaat aufgrund der hohen Zinsen Ressourcen entzogen werden - das steht im Thüringen-Monitor Seite 21, Herr Emde -, Schulden, die für eine angemessene Erfüllung seiner Aufgaben schwierig sind, weil die angemessene Erfüllung der Aufgaben riskiert wird, das steht auf Seite 31, Herr Emde, lesen

Sie es nach. Weil die Zinslast mittlerweile genauso hoch ist wie die Mittel für notwendige Investitionen, deswegen stecken wir in der Schuldenfalle und dafür sind Sie verantwortlich. Tun Sie nicht so, als ob es das erste Mal wäre, dass wir hier im Landtag darüber reden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur, dass Sie Ihre Verantwortung für die vergangenen 20 Jahre Schuldenpolitik ausblenden, Sie blenden auch die Gefahr aus, die sich damit für das Gemeinwesen ergibt. Handlungsspielräume werden eingeschränkt. Was heißt das? Positiver Gestaltungsspielraum wird eingeschränkt. Gehen Sie doch mal in Ihre Kreistage. Ich habe das diese Woche gemacht und habe mit den Abgeordneten darüber diskutiert. Natürlich sind sie frustriert, dass sie inzwischen nur noch Streichlisten vor sich haben. Warum haben sie die vor sich? Weil Sie in den vergangenen 21 Jahren eine total fatale Haushaltspolitik gemacht haben, das ist doch der Grund.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Grund ist nicht, dass man, Herr Barth, im Zweifel mal irgendwann 50 km irgendwohin fahren muss. Der Grund, warum sich Menschen am Ende nicht mehr an Politik beteiligen, ist, dass sie keinen Gestaltungsspielraum mehr haben, weil Sie es vergeigt haben. Stehen Sie dazu heute und hier.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die Wahrheit. Der Thüringen-Monitor, Herr Emde, spricht von einer prekären Haushaltslage. Das habe ich doch nicht reingeschrieben, das schreiben Wissenschaftler der Universität Jena. Dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu passt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass gerade einmal jeder Dritte hierzulande mit der Landesregierung zufrieden ist. Dazu passt, dass die Menschen bereit sind, weil sie es erkannt haben, dass es gar nicht mehr anders geht, Einschränkungen hinzunehmen. Und dazu passt, dass sie genau wissen, wo Zukunftsinvestitionen nötig sind, nämlich da, wo auch Investitionen tatsächlich nachhaltig sind. Ich nenne da die Bereiche Bildung und Gerechtigkeit. Hier haben Sie die Zahlen gesehen, es wird nicht gekürzt nach dem Willen der Bürgerinnen und Bürger beim Thema Schule, beim Thema Kita und bei den Hochschulen, weil das Investitionen für die Zukunft sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie das immer noch nicht erkannt haben, dann wird es wirklich endlich Zeit für andere Aufgaben, mindestens auf der Oppositionsbank. Und der andere Punkt,

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Weil Sie kei- ne Ahnung haben.)

wo die Bürgerinnen und Bürger deutlich weiter sind als Sie, lieber Herr Emde, ist der Klimaschutz. Haben Sie gesehen, man will nicht kürzen bei den erneuerbaren Energien.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man will bei den Flughäfen kürzen und bei Dorferneuerungsprogrammen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil schöne Straßen allein nun mal keine zukunftsfähige Politik sind. Wir haben, das habe ich schon das letzte Mal gesagt, blühende Landschaften an der A 4, davon haben wir genug, aber das Land ist größer als die Linie an der A 4.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Dreiklang Bildung, Klimaschutz und Gerechtigkeit, das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger wirklich wollen, das ist Musik in unseren Ohren. Wir haben deswegen auch Prioritäten für ein zukunftsfestes Thüringen formuliert, Politik, die angesichts knapper Kassen erklärt, wie es steht, Politik, die das Ziel deutlich macht und auch den Weg dorthin kommuniziert. Die Zeiten von Tischlein deck dich und immer wieder neu und immer wieder mehr sind vorbei. Der Weg ist, Politik mit den Menschen zu machen gemeinsam und die zentralen Probleme anzupacken, anstatt Politik über die Köpfe der Menschen hinweg zu machen, wie Sie es schon seit vielen Jahren machen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

anstatt ideologische Scheuklappen weiterhin aufsetzen zu lassen, wie Sie es auch an vielen Stellen machen und die Argumentation heute zur Verwaltungs- und Gebietsreform zeigt, dass Sie die immer noch genau da haben, die ideologischen Hemmschuhe nach wie vor nicht ausziehen, sondern anlassen und Sie werden in zweieinhalb Jahren sehen, was Sie davon haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben, das darf ich Ihnen sagen, Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen, weil sie wissen, Generationengerechtigkeit heißt auf der einen Seite zu sparen, auf der anderen Seite zu investieren in Dinge, die wichtig sind für die Zukunft. Diese Generationengerechtigkeit fordert auch, und deswegen stehen wir als GRÜNE dazu, eine Schuldenbremse in der Thüringer Landesverfassung ein, aber nicht die Axt-im-Wald-Schuldenbremse der FDP, sondern eine, die das Land atmen lässt in fiskalisch schlechten Zeiten. Im Monitor heißt es dazu ein bisschen ordoliberal: „Für die Seite“ - Zitat - „der Wähler kommt es darauf an, dass sie die Staatsfinanzen wieder als eigene Steuergelder wahrneh

men.“ Dann lassen Sie uns darüber reden, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie wir die Bürgerinnen und Bürger in haushalterischen Fragen direkt zu Mitendscheidern machen. Herr Machnig ruft uns Bündnisgrünen derzeit gern zu in überregionalen Zeitungen, wir sollen mehr Joschka Fischer wagen. Vielleicht nimmt die SPD mal meinen Rat an, ich rufe Ihnen zu, wagen Sie mehr Willy Brandt und damit mehr direkte Demokratie,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

haben Sie mehr Mut. Und der CDU rufe ich zu, wagen Sie mehr Europa, da haben Sie durchaus auch Vorbilder in Ihrer Partei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz oben auf der Agende müsste, wenn Sie mutig wären, wenn Sie auf die Bürgerinnen und Bürger hören, wenn Sie nicht so täten, als ob hier und da eine falsche Frage dazwischen wäre, dann würden Sie Folgendes tun: Sie würden sich darum kümmern, dass das Finanztabu für Volksbegehren abgeschafft wird,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie würden sich darum kümmern, den 20 Organisationen, die hinter dem „Bündnis für mehr Demokratie in Thüringen“ stehen, tatsächlich auch Unterstützung zu geben und Sie würden sich darum bemühen, den Kommunen, die bereits mutig sind, Jena, Erfurt, Eisenach, und Bürgerhaushalte eingeführt haben, mit verbindlichen Eckpunkten einen Rahmen zu setzen und dafür zu sorgen, dass auch in vielen anderen Gemeinden und Städten Thüringens Bürgerhaushalte aufgestellt werden. Das ist der richtige Weg für Thüringen, das und nichts anderes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur in haushalterischen Fragen sind die Thüringer und Thüringerinnen klarer und mutiger als die Landesregierung - wen wundert es? - auch beim Thema Gebietsreform. Die Zustimmung dazu ist, Frau Ministerpräsidentin, nicht nur breit, wie Sie es genannt haben, die ist überragend. 80 Prozent sagen, der klassische Dorfvorsteher ist nicht das, was ich in meiner Kommune, in meinem Kreis brauche, ich brauche gute Strukturen, ich brauche Verlässlichkeit und dazu muss man diskutieren,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das sagen 80 Prozent. Ein Leser hat diese Woche erst in der TA einen größeren Leserbrief veröffentlicht, da stand drin, es ist doch klar, dass zehn Gemeinden mit zehn Verwaltungen mehr Kosten verursachen als eine. So viel zu Ihrem Vorschubargument von wegen die eine Gebietsreform brächte nichts für den Haushalt.

Die Fakten liegen längst auf dem Tisch. Seit 1990 hat Thüringen 12 Prozent seiner Einwohnerinnen und Einwohner verloren, nach und nach ziehen aus

dem Haus Thüringen immer mehr Bewohnerinnen und Bewohner aus, allein die Möbel bleiben zurück und darüber muss man reden. Thüringen ist übermöbliert. Lassen Sie uns da ansetzen und mit der Stabsstelle sind diese zarten Ansätze auch zu erkennen. Allerdings, das muss man auch dazu sagen, von 2005 bis 2009 hat die Enquetekommission bereits zu dem Thema gearbeitet, ergebnislos, wie wir wissen. Jetzt hoffen wir, dass die Stabsstelle an dieser Stelle mehr liefert.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Quatsch.)

Sie hat nicht ergebnislos getagt, sie hat natürlich viel produziert, das stimmt wohl, ich habe ihren Bericht gelesen, aber ergebnislos im Sinne von praktischer Politik in Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will die Arbeit derjenigen, die da viele Jahre investiert haben, gar nicht geringschätzen,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das lassen wir gelten.)

es war eine spannende Lektüre, aber davon ist im Land nichts zu spüren. So war es gemeint. Gut.

Worauf ich hinaus will ist Folgendes: Wir wollen ein Leitbild für eine Struktur-, Gebiets- und Funktionalreform und eine breite Debatte mit den Bürgerinnen und Bürgern, wir sind da einer ähnlichen Ansicht wie die SPD, das ist auch einer der Handlungsaufträge, der ganz klar aus dem Thüringen-Monitor ergeht. Es muss ein Funktions- und Neuordnungsgesetz geben. Wenn Sie es jetzt anpacken, dann kann man das auch in den nächsten vier, fünf Jahren gestalten, man kann etwas tun und nicht so tun, als ob das ein Problem der nächsten 10, 15, 20 Jahre wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor zeigt die zentralen Baustellen. Jetzt geht es eigentlich darum, die Ärmel hochzukrempeln und loszulegen, stattdessen gab es aber in dieser Woche einfach nur wieder lächerlichen Zoff. Sie beschäftigen sich so unglaublich viel mit sich selbst, dass Sie gar nicht mitkriegen, was die Menschen von Ihnen wollen, wie es um sie bestellt ist, wie es ihnen geht. Sie rennen Ihnen im doppelten Sinne davon.