Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Der Änderungsantrag übernimmt im Wesentlichen die Änderungsvorschläge des Datenschutzbeauftragten und das erklärt auch, warum wir ihn in wesentlichen Teilen gut finden. In ein paar Punkten weicht der Änderungsantrag aber davon ab und diese sind aus unserer Sicht nicht unerheblich. So soll eine Regelung für den Verfassungsschutz gestrichen werden, zum Beispiel in § 4 und § 10. Dass die LINKE den Verfassungsschutz abschaffen will, ist nichts Neues, aber dass wir hier eine andere Auffassung vertreten, bei aller Kritik die heute auch zum Thema Verfassungsschutz besprochen worden ist, muss ich an dieser Stelle nicht weiter erläutern.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir sind unserer Zeit weit voraus.)

Da werden wir sicherlich noch oft Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren, Herr Kollege Ramelow, trotzdem ändert das jetzt an der hier vorgetragenen Position nichts. Auch die Streichung der Regelung für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften ist für uns ein Grund, dass wir dem Änderungsantrag der LINKEN so nicht zustimmen können. Deswegen, meine Damen und Herren, sagen wir, natürlich müssen wir auch über die Ausstattung des Landesbeauftragten sprechen, man muss sie in die Betrachtung ziehen, denn wir vertreten die Auffassung, man kann dem Landesbeauftragten für Datenschutz nicht den nichtöffentlichen Bereich übertragen und ihn mit der derzeitigen Stellenbesetzung von 0,85 VbE bisher beim Landesverwaltungsamt, auf deutsch gesagt, im Regen stehen lassen, wenn man zugleich eine ganze Latte neuer Aufgaben auf ihn übertragen will. Das beides passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Es ist nicht zu leisten und es steht ebenfalls nach unserer festen Überzeugung der völligen Unabhängigkeit entgegen. Alles in allem, meine Damen und Herren, hätte ich mir für den Gesetzentwurf mehr Ehrlichkeit gewünscht. Keine politischen Spielchen, sondern ein konstruktives Zusammenwirken aller Beteiligten, um für Thüringen ein gutes Datenschutzgesetz auf den Weg zu bringen.

Meine Damen und Herren, leider muss ich feststellen, die regierungstragenden Fraktionen haben sich gegen ein solches Verfahren entschieden und ich muss schon sagen, dass mich das persönlich sehr enttäuscht. Ich glaube, es wäre der bessere Weg gewesen, damals dem Europäischen Gerichtshof Rechnung zu tragen mit unserem Gesetzentwurf und an all den anderen Dingen, die sicherlich geregelt werden können, wo man sich auch über Regelungsbedarf trefflich streiten kann, mit mehr Ruhe und vor allem mit mehr handwerklicher Qualität zu einem besseren Ergebnis zu verhelfen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Christian Gumprecht spricht für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Ziel des Datenschutzes ist es, den einzelnen Bürger beim Umgang mit seinen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht, seiner Privatsphäre vor unzulässiger Beeinträchtigung zu schützen, soweit der Grundsatz. Wir werden heute das Thüringer Datenschutzgesetz verabschieden. Ausgangspunkt für den heutigen Gesetzentwurf war wahrlich die Frage der Zusammenlegung des Datenschutzes des öffentlichen Dienstes mit der Zuständigkeit für private Daten in der Zuständigkeit des Landesdatenschutzbeauftragten. Dies war rechtlich notwendig und es war auch höchste Zeit, denn Thüringen ist das letzte Land, das die Entscheidungen der EU und des Europäischen Gerichtshofs umsetzt. So ist es, das muss man nicht verschweigen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Und dann so schlecht!)

Das vorliegende Gesetz enthält drei grundsätzliche Forderungen: den Grundsatz der Datenvermeidung, den Grundsatz der Datensparsamkeit und den Grundsatz der Erforderlichkeit. Diese Zielvorgaben sind nicht nur im Bundesdatenschutzgesetz, sondern auch nun neu im Thüringer Datenschutzgesetz festgeschrieben. Wir wollen damit eine klare Grundposition deutlich machen, Datenvermeidung und Datensparsamkeit sind eine Grundvoraussetzung.

Meine Damen und Herren, heute ist es nahezu selbstverständlich, mit dem Handy jederzeit und an allen Orten erreichbar zu sein, Videokameras in Banken, die für Sicherheit sorgen sollen, sind ebenso selbstverständlich. Auf der Fahrt nach Erfurt wurde ich auf der Autobahn nicht nur im Jenaer Tunnel, sondern an zahlreichen anderen Stellen mittels Kamera beobachtet. Mein Navi ermöglicht nicht nur mir eine leichte Orientierung, sondern

(Abg. Bergner)

auch eine Ortung. Kundendaten und Internet liefern Daten für Konsum- und Persönlichkeitsprofile und Auskunftsdateien haben ein waches Auge auf unsere Zahlungsfähigkeit. Diese Beispiele zeigen, es ist notwendig, genau abzuwägen zwischen dem Schutzbedürfnis und der Bequemlichkeit im Alltag einerseits und dem Schutz personenbezogener Daten vor missbräuchlicher Verwendung andererseits. Denn uns muss bewusst sein, die rasante Entwicklung der Datenverarbeitung mit einer unbändigen Datensammelwut hat auch ihre Kehrseite. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat das Problem folgendermaßen beschrieben - Frau Präsidentin, ich zitiere -: „Wir sind nie mehr wirklich allein und können unsere Datenschatten nicht abschütteln. Wir haben zudem kaum eine Möglichkeit, diesen überhaupt zu bemerken. Ob von staatlichen Stellen oder Unternehmen, unser Verhalten wird beobachtet, registriert, bewertet.“

Meine Damen und Herren, diese Erkenntnis ist keineswegs trivial. Es stellt sich im Kern die Frage, wie das Zusammenleben in unserer Gesellschaft funktioniert, wann potenziell jeder alles über jeden wissen kann. Mitunter hören wir das Argument, dass in unserer technischen und vernetzten Gesellschaft die Privatsphäre zunehmend zu einer Illusion werde. Jeder Mensch sei eben transparent und könnte mithilfe seines Datenschattens mit wenigen Klicks transparent gemacht werden. Der Datenschutz ließe sich nicht mehr durchsetzen, mehr noch, Datenschutz sei ein veraltetes Konzept. Meine Damen und Herren, hier widerspreche ich ganz entschieden. Datenschutz ist Grundrechtschutz. Ich werde noch einen Schritt weiter gehen. Die Wahrung der informellen Selbstbestimmung, das heißt, selbst entscheiden zu können, welche Informationen ich preisgebe und was damit geschehen soll, ist eine Grundbedingung für den Schutz der Menschenwürde in unserer Informationsgesellschaft.

Ein weiterer Aspekt: Datenschutz ist Verbraucherschutz. Durch das Erstellen und Zusammenführen von Nutzerprofilen, Konsumentenprofilen oder gar Bewegungsprofilen entsteht der gläserne Verbraucher. Meine persönlichen Daten werden zu Ware. Spätestens hier wird deutlich, dass wir es in unserer schönen neuen Welt der Informationsfreiheit auch mit einem Machtgefälle zu tun haben, denn während Unternehmen Profile über mich anlegen, weiß ich als Verbraucher oftmals gar nicht, dass diese überhaupt existieren, geschweige denn kenne ich deren Inhalt, und niemand hat mich nach meiner Zustimmung zum Datensammeln gefragt. Hier bedarf es klarer gesetzlicher Regeln.

Aber ich sage ebenso deutlich, auch die Nutzer selbst sind gefragt. Es muss sich das Bewusstsein durchsetzen, dass bei der Nutzung scheinbar kostenloser Dinge wie bei Google oder Facebook nicht ich deren Kunde bin, sondern ich mit meinen Daten

oft zum Produkt werde, mit dem diese Unternehmen ihr Geld verdienen. Die Herausforderung, vor der wir als Gesetzgeber stehen, lautet, das Recht auf informelle Selbstbestimmung für ein Zeitalter der allgegenwärtigen Datenverarbeitung auszugestalten. Unser Datenschutzgesetz versucht, darauf zu antworten. Datenvermeidung und Datensparsamkeit sind dabei die zentralen Grundsätze. Denn Daten, die nicht erst erhoben werden, können auch nicht gestohlen oder missbräuchlich verwendet werden. Das vorliegende Gesetz ist recht umfangreich geworden im Gegensatz zu Ihrer Auffassung, denn es regelt noch zahlreiche weitere Modernisierungen. Dazu gehören unter anderem Regelungen zu Verbundverfahren und Regelungen zur Videoüberwachung. Der Thüringer Datenschutzbeauftragte hat zum Gesetzentwurf der Landesregierung eine, ich möchte einschätzen, sehr kritische, umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Seine Kritik unterteilt sich in zwei Schwerpunkte. Einerseits kritisiert er die Stellung des Datenschutzbeauftragten hinsichtlich seiner Unabhängigkeit.

Meine Damen und Herren, wir halten die Rechtsstellung, wie sie im vorliegenden Gesetz gewählt wurde, für vernünftig und richtig. Das Justizministerium hat bereits im Vorfeld der Landtagsverhandlung eine rechtsförmige Prüfung durchgeführt und diese für gut befunden. Andererseits schlägt der Thüringer Datenschutzbeauftragte die Aufnahme weiterer technischer Regeln vor. Zahlreiche seiner ursprünglichen Vorschläge wurden bereits im Gesetzentwurf der Landesregierung aufgenommen und sie beinhalten diese heute. Wir sind der Meinung, dass weitere, darüber hinausgehende Regelungen, die in Auswertung der Anhörung entstanden sind, nicht aufgenommen werden sollten.

Meine Damen und Herren, es liegen heute noch drei weitere Änderungsvorschläge vor. Der eine beinhaltet die Verlängerung des jetzigen Datenschutzgesetzes um ein weiteres Jahr. Dies ist auf Grund der Dringlichkeit nicht möglich. Wir lehnen auch, genauso wie im Ausschuss schon, diese Änderungsvorschläge der Linken ab, weil sie eine Reihe Dinge beinhalten, die rechtlich unzulässig sind. Ich hatte auch schon gesagt, dass wir uns zur Frage weiterer Regelungen dazu entschlossen haben, diese nicht aufzunehmen. Dies betrifft auch die Position zum FDP-Antrag.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetz geht Thüringen einen weiteren Schritt. Mein Appell: Zerreden wir bitte das vorliegende Gesetz nicht. Ich bitte um Zustimmung. Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abgeordnete Martina Renner.

(Abg. Gumprecht)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als am 16.09.2011 der Thüringer Innenminister für die einbringende Landesregierung ausführte, ich zitiere: „Wir werden noch ausführlich Gelegenheit haben, im Innenausschuss über den vorgelegten Entwurf zu diskutieren und zu beraten.“, muss es sich bei diesen Worten nach der stattgefundenen Beratung, wie Sie es nannten, im Innenausschuss damals um einen Versprecher gehandelt haben. Der Innenausschuss traf sich einmal zur Beschlussfassung der Anhörung und der anzuhörenden Liste ohne jede weitere inhaltliche Verständigung und ein zweites Mal kam er in der vergangenen Woche zusammen, um mit den vorliegenden Anhörungsergebnissen parlamentarisch umzugehen. Die ausführliche - wie eigentlich angekündigt - inhaltliche Beratung beschränkte sich zum einen auf die etwas, ich nenne es einmal beschönigende Darstellung durch den Innenminister, der in den Zuschriften eine breite Zustimmung zum Gesetzgebungsvorhaben auszumachen glaubte, und die Darstellung der CDU und der SPD, man habe sich sehr intensiv mit den Zuschriften beschäftigt und sehe keinen Änderungsbedarf. Am parlamentarischen Austausch, wie eigentlich angekündigt, bestand jedenfalls kein Interesse, wohl aber an der Verkündung des Koalitionspokers.

Meine Damen und Herren der SPD, ich weiß, dass Sie sehr bemüht sind, zu sagen - da hatten wir in der letzten Woche die eine oder andere Pressemitteilung gelesen - diese Regierung trage eine sozialdemokratische Handschrift. Ich kann dies für den Bereich der Innenpolitik eindeutig nicht erkennen. Durchsetzen konnten Sie sich in diesem Politikfeld bei der Einführung der sogenannten Rassehundeliste für gefährliche Tiere - Hunde. Das ist zwar kein klassisches sozialdemokratisches Thema und Menschen, die sich auskennen, haben diese Liste ja auch deutlich kritisiert, aber immerhin, da haben Sie sich durchgesetzt. Auf der anderen Seite stehen Ihre Zustimmungen zur Polizeistrukturreform, zur weiteren Beschränkung der Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge, Ihre Zustimmung zu einem unzureichenden Personalvertretungsrecht, außer es passiert jetzt noch ein Wunder, eigentlich ein Schwerpunkt arbeitnehmerorientierter sozialdemokratischer Politik, und nun drücken Sie auch noch ein drittklassiges Datenschutzrecht durch den Thüringer Landtag. Eine Regierungskoalition bedeutet Kompromisse, das ist uns auch klar, keine Frage, aber offensichtlich sind Sie, was den Verlust sozialdemokratischer Positionen anbetrifft, inzwischen nahezu schmerzfrei.

Am 19. Mai dieses Jahres verkündete Frau Marx für die SPD noch, dass - Zitat: „wir vor der Aufgabe stehen, das Thüringer Datenschutzrecht, das 2001, fast noch im Vorinternetzeitalter, zuletzt novelliert worden ist, umfassend an den Stand der aktuellen technischen Entwicklung und an den dadurch neu

zur Verfügung stehenden und genutzten Möglichkeiten der Datenverarbeitung anzupassen.“ Wir haben heute, Frau Marx, die Aufgabe, Ihnen zu attestieren, dass Sie an dieser Aufgabe gründlich gescheitert sind. Ich gehe nicht so weit wie mein Kollege Herr Bergner von der FDP-Fraktion, der im Ergebnis der Anhörung zu dem Schluss kam, man sollte den Gesetzentwurf einstampfen. Das ist vor allem deshalb nicht möglich, weil diese Anhörung ja nicht nur Kritik an dem Gesetzentwurf zutage gefördert hat, sondern auch viele konkrete, umfangreiche Änderungsvorschläge beinhaltete, die es wert gewesen wären, im Innenausschuss umfassend beraten zu werden und auch mit in das Gesetz einzufließen. Aber Sie waren noch nicht einmal bereit, unserem Vorschlag, diese Beratung doch noch durchzuführen und das Gesetz um einen Monat zu verschieben und erst im Dezember zu beraten, zu folgen und so verpassten wir heute die Chance, für Thüringen ein wirklich modernes, an die technischen Entwicklungen und die Anforderungen eines umfassenden Datenschutzes adäquates Gesetz zu schaffen.

Was war Anlass der Gesetzgebung? Die Bundesrepublik hat sicherzustellen, dass die Datenschutzkontrolle im privaten Bereich in vollständiger Unabhängigkeit von staatlicher Aufsicht vollzogen wird. Wenn jetzt - bis jetzt kam das Argument noch nicht, aber womöglich wird Frau Marx es anführen auf den Zeitdruck verwiesen wird, unter dem Sie gestanden hätten, der dazu geführt hätte, letztendlich diese nun inhaltlich schlechten Regelungen des Datenschutzes so mit aufzunehmen und hier schnell auf den Weg zu bringen, dann hätte es durchaus einen besseren Weg gegeben, als im Mai dieses Jahres der Gesetzentwurf der FDP und der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vorlag, da wäre es möglich gewesen, einen Einzelschritt zu gehen und dann wirklich in einer, ich sage mal, umfassenden Beratung in Ruhe und Gründlichkeit den Abbau weiterer Defizite im Datenschutzgesetz anzupacken.

Aber schauen wir uns an, was da so dringend novelliert werden muss und die entsprechende Umsetzung im Änderungsgesetz. Es geht um die Umsetzung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. März 2010. Darauf ist schon hingewiesen worden. Der EuGH hat die Bundesrepublik Deutschland für schuldig befunden, mit der in den Bundesländern vielfach gehandhabten Praxis der staatlichen Aufsicht über Instanzen zur Datenschutzkontrolle gegen EU-Recht verstoßen zu haben. Der erste Schritt zur Umsetzung, die Herauslösung der Datenschutzkontrolle im privaten Bereich aus dem Landesverwaltungsamt und die Übertragung auf den Landesdatenschutzbeauftragten, ist richtig und nicht zu beanstanden, auch wenn andere alternative Möglichkeiten, wie etwa die Gründung eines unabhängigen Landesdaten

schutzzentrums wie in Schleswig-Holstein ebenso vorstellbar gewesen wären. Das wäre dann vielleicht Gegenstand einer umfangreichen Beratung gewesen.

Auch der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte hat konkrete Vorschläge zur gesetzlichen Ausgestaltung der Unabhängigkeit der Institution Datenschutz unterbreitet, die wir als deutliche Kritik verstanden haben. Andere haben anscheinend diese Kritik nicht gehört. Der Datenschutzbeauftragte verweist also ebenso darauf, dass - Zitat: „völlige Unabhängigkeit noch nicht vollständig sichergestellt ist“ und schlägt vor, den Datenschutzbeauftragten als oberste Landesbehörde im Gesetz zu verankern, so wie es bereits in unserem Vorschlag aus dem Mai 2011 formuliert war. Unlauter finden wir, im Interesse des Datenschutzes die formale Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten de facto durch dessen mangelhafte Personalausstattung zu konterkarieren. Da möchte ich auf die Äußerung des Leiters des unabhängigen Landesdatenschutzzentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein in der Parlamentarischen Anhörung verweisen, der auf den Gesetzentwurf entgegnete: „Nach meiner langjährigen Wahrnehmung der Datenschutzdiskussion in Deutschland und auch in Thüringen hat es in diesem Bundesland im nicht öffentlichen Bereich bisher faktisch keine Datenschutzaufsicht gegeben.“ Thilo Weichert reagiert auf die Ausführungen der Landesregierung, wonach mit der Übertragung von Stellenpersonal und Sachmitteln im Umfang der bisherigen Aufgabenwahrnehmung beim Landesverwaltungsamt die Zuständigkeitsübertragung kostenneutral erfolgen kann. Meine Damen und Herren, wir reden hier von einer Stelle, die für mehrere 10.000 datenverarbeitende Unternehmen zuständig sein wird. Dass dies kostenneutral möglich ist, halten wir für unmöglich.

(Beifall DIE LINKE)

Auch die Frage der Mindestausstattung ist keine allein im Haushalt zu lösende Frage, sondern kann bereits im Datenschutzgesetz mit einigen wenigen Änderungen in der Landeshaushaltsordnung gelöst werden. Auch hierzu liegen Ihnen Vorschläge vor, die aber auf der Koalitionswaage möglicherweise als entbehrlicher Ballast gegolten haben.

Ein Ausweg aus dem Dilemma, in dem wir uns eigentlich heute befinden, nämlich in dem Dilemma stehen wir hier, dass wir heute nicht ein modernes, an die technische Entwicklung angepasstes Datenschutzrecht auf den Weg bringen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre es, dass politische Entscheidungen im Thüringer Landtag entsprechend der von der Mehrheit getragenen Inhalte zustande kommen. Das war schließlich auch die Hoffnung des Landesdatenschutzbeauftragten, als dieser am 13.09.2011 in einer Pressemitteilung feststellte, dass trotz umfänglicher kurzfristig geleisteter Zuar

beiten und konstruktiver Ergänzungsvorschläge die Thüringer Landesregierung fast keine Anregungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz in den Entwurf übernommen habe und daraufhin seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, Zitat: „Da der Landesbeauftragte für den Datenschutz nach Artikel 69 der Landesverfassung den Landtag bei der Ausübung seiner parlamentarischen Kontrolle unterstützen soll, hoffe ich, dass die Mehrheit der Parlamentarier meinen Änderungsvorschlägen positiver gegenübersteht.“ „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ heißt ein geläufiges Sprichwort. Jetzt sind wir am Ende des Gesetzgebungsverfahrens, und da auch meine Hoffnung zuletzt stirbt, ein letzter Versuch mit Ihnen.

Ich erläutere unsere Änderungsanträge und wir werden auch den Änderungsanträgen der FDP, die sich inhaltlich an den Vorschlägen des Landesdatenschutzbeauftragten orientieren, zustimmen, und ebenso den Änderungsantrag der GRÜNEN unterstützen.

Unsere Änderungsanträge stützen sich - dazu sind Anhörungsverfahren auch in parlamentarischen Instrumentarien - in weiten Teilen auf die Vorschläge des Thüringer Datenschutzbeauftragten, die nicht allein stehen, sondern von einer Vielzahl weiterer Anzuhörender vollumfänglich zu eigen gemacht wurden. Im Übrigen, Herr Geibert, außer vom Verband der Wirtschaft Thüringen e.V. gab es keine wirklich durchgängig positive, befürwortende Stellungnahme zu Ihrem Gesetzentwurf, ja, viele Einzelzuschriften, die aber auch noch weiteren Änderungsbedarf formuliert haben.

Zu unseren Änderungsvorschlägen. Erstens: In § 7 a werden Regelungen für Verbundverfahren also die Verfahren, die automatisiert mehreren Daten verarbeitenden Stellen gemeinsam die Verarbeitung personenbezogener Daten ermöglichen aufgenommen, in § 7 b Regelungen für mobile personenbezogene Speicher- und Verarbeitungsmedien. Ich kann Ihnen die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten nicht vorenthalten, Zitat: „Der vorgelegte Entwurf vollzieht jedoch mit den Bestimmungen zu Verbundverfahren und mobilen Speicher- und Verarbeitungsmedien lediglich die Forderung, die der Datenschutzbeauftragte bereits bei der Novellierung vor zehn Jahren erhoben hat. Seitdem ist doch technisch einiges passiert.“

Meine Damen und Herren, so, wie Ihr Handy von vor zehn Jahren heute nun wirklich nicht mehr als modern gelten kann, so gilt auch keine Rechtsregelung von vor zehn Jahren als ausreichende Reaktion auf sich verändernde technologische Möglichkeiten und schon gar nicht als modernes Datenschutzrecht, das für die nächsten Jahre Bestand haben soll und nicht nur heute hier zur Diskussion steht und dann die technische Entwicklung in keiner Weise reflektiert.

Zweitens: Die Regelungen zur Profilbildung im neu geschaffenen Abs. 1 a in § 4 des Datenschutzgesetzes sind alles andere als der Ausschluss der Zusammenführung. Sie stellen vielmehr die gesetzliche Ermöglichung eines der gravierendsten Eingriffe in das Grundrecht auf Information und Selbstbestimmung dar. Ein eindeutiges und kontrollierbares Verbot ist notwendig statt dieser Zulässigkeitserklärung bei Erforderlichkeit. Ähnlich - und Profilbildung wird auch in nächster Zeit sicherlich ein weiteres Thema sein, wo der jetzige Datenschutz, wo das jetzige Datenschutzrecht, was wir eigentlich schaffen müssten, wenn es modern wäre, auch die Entwicklung in den nächsten Jahren antizipiert und nicht auf dem Stand von vor zehn Jahren stehen bleibt.

Ähnlich wie bei der Profilbildung wird auch für die Videoüberwachung deren Erforderlichkeit und für die Schutzwürdigkeit der Interessen Betroffener ein weiterer Interpretationsspielraum eröffnet und damit in der Konsequenz Videoüberwachung eher regelnd ermöglicht, als diese einzuschränken. Der unmittelbare Grundrechtseingriff und der folgende mittelbare Grundrechtsrücktritt, der von der Überwachung Betroffener, ist aus unserer Sicht so gravierend, dass wir es für zwingend erforderlich halten, Videoüberwachung weitestgehend zu verunmöglichen, auch im Interesse einer freien Gesellschaft.

Abschließend, meine Damen und Herren, kann ich nur noch einmal an Sie appellieren, sich einer wirklich umfangreichen Beratung, einer Diskussion mit der Opposition und dem Landesbeauftragten für Datenschutz in diesem Haus, in den parlamentarischen Gremien nicht weiter zu entziehen und beantrage deshalb die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung an den Innenausschuss zur Beratung.

(Beifall DIE LINKE)

Diejenigen in den Koalitionsfraktionen, die das Ziel eines modernen Datenschutzrechts nicht aus den Augen verloren haben, kann ich anderenfalls nur auffordern, den Gesetzentwurf der Landesregierung, wenn er ohne unsere Änderungen hier heute bleibt, dann auch abzulehnen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Für die Fraktion der SPD spricht Frau Abgeordnete Dorothea Marx.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beginne mit einem umfassenden Geständnis, passend zum Bußtag: Ja, auch ich hätte mir mehr gewünscht. Ja, auch ich habe Sympathien mit vielen

Änderungsvorschlägen aus der Anhörung. Ja, ich bin sogar noch weitergegangen und habe intern den Koalitionspartnern eine Reihe von Änderungsvorschlägen vorgelegt. Ja, auch ich bedaure, dass dem Gutachter und vor allem dem amtierenden Landesbeauftragten für Datenschutz keine angemessene Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Ja, auch ich fand es traurig, dass es im Ausschuss keine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung dazu gegeben hat, obwohl es ausweislich des Protokolls des September-Plenums vom Koalitionspartner und dem Minister eigentlich zugesichert worden war. Ja, ich werde trotzdem Ihre Änderungsanträge hier ablehnen, obwohl ich viele Punkte teile, weil eine Koalition nicht mit getrennten Mehrheiten abstimmt. Soweit zum Bußgang.

Schade, dass die Bundeskanzlerin das Thema Datenschutz noch nicht als Zukunftsthema entdeckt hat. Ich hatte immer ein bisschen nach Leipzig geguckt. Es hätte vielleicht noch ein bisschen Bewegung erzielen können. Aber trotzdem möchte ich Sie jetzt bitten, diesem Gesetz gleichwohl in der Einbringungsfassung zuzustimmen, denn das Gesetz ist nicht drittklassig. Diesen Vorwurf muss ich hier wirklich zurückweisen. Es bringt auch in der Urform erhebliche, längst überfällige Verbesserungen des Datenschutzes mit sich.

Neben der Übertragung der Überprüfung auch des nicht öffentlichen Bereichs, die vom EU-Recht vorgeschrieben war, die aber nicht Anlass der Datenschutzänderung in dieser Legislaturperiode allein gewesen ist - das Urteil kam erst, als wie hier schon fast ein Jahr lang amtiert haben bzw. ein gutes halbes Jahr, sondern das war Gegenstand der Koalitionsvereinbarung und ist es noch -, haben wir 10 Punkte darin, die bisher nicht darin waren und die eine erhebliche Verbesserung bringen.

1. die Zulässigkeit von Datenerhebung und -verarbeitung nur bei Erforderlichkeit;