Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Noch viel schlimmer natürlich dann, wenn diese 26 Prozent eigene Verdienste in Anspruch nehmen müssen, das heißt, wahrscheinlich noch länger für das Studium brauchen oder schlechtere Studienergebnisse haben.

(Beifall SPD)

Das Thema ist hier vorn meines Wissens schon häufiger diskutiert worden. Diese Entwicklung ist Folge des systematischen Ausverkaufs der staatlichen Ausbildungsförderung in den letzten 40 Jahren. Infolgedessen ist hier noch die Gefördertenquote bei Werten von unter 20 Prozent angekommen.

Vielleicht einen kurzen persönlichen Einschub, ich freue mich, selbst 1976 in den Genuss von SchülerBAföG gekommen zu sein. Also ich habe auch 35-Jähriges heute, was das Thema BAföG angeht. Mein Vater war Arbeiter und Bauer und da war das Geld knapp. Ja, Arbeiter und Bauer, so etwas gab es tatsächlich im Westen. Man soll das gar nicht glauben. Die Quote der Übertritte auf das Gymnasium war katastrophal in Westdeutschland. Das sind sie leider heute noch - übrigens auch das erlaube ich mir in einer persönlichen Bemerkung zu sagen weniger noch zwischen Arm und Reich als zwischen Stadt und Land. Die Übertrittsquoten an das Gymnasium aus den ländlichen Räumen heraus sind auch heute noch einer der ganz großen Skandale. Katholisches Mädchen vom Land ist sozusagen eine dreifache Behinderung, wenn es um das Thema Studium geht. Das wissen wir ja hier in diesem Raum. Darüber haben wir schon mehrfach gesprochen.

Wir haben 1983 durch Helmut Kohl die Ausbildungsförderung an den allgemeinen Schulen praktisch abgeschafft. Die Umstellung auf ein 100 Prozent zurückzahlbares Volldarlehen führte dann dazu, dass einige Studierende zwischen 1983 und 1990 auf Schuldenbergen bis zu 60.000 € sitzengelassen wurden. Ich hatte nur 12.000 DM Schulden. Das ging noch so halbwegs, aber schön war es nicht. Wir können feststellen, dass die permanente Aushöhlung durch die äußerst schleppenden Anpassungen der Freibeträge und Bedarfssätze an die Preissteigerung gab. Während der Ära Kohl beispielsweise zwischen 1982 und 1998 wurde dies regelmäßig unterlassen. Und, das will ich mir auch nicht ersparen hier zu sagen, auch unter Rot-Grün gab es keinerlei Anpassung der Freibeträge und Bedarfssätze. Da haben sich praktisch alle Regierungen nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Außer die jetzige - 10 Prozent Freibeträge.)

Außer die jetzige - ja ja, danke für den Zwischenruf, das ist ja toll. Resultat dieser Superidee ist, dass jetzt von 100 Akademikerkindern 71 ein Hochschulstudium aufnehmen, bei Familien ohne akademischen Hintergrund sind es 24 von 100 Kindern. Kinder aus Selbständigen- und Beamtenfamilien haben eine fünfmal so große Chance auf ein Hochschulstudium wie Kinder aus Arbeiterfamilien. Und diese Hürden beim Hochschulzugang verstärken die sozial ungleich verteilten Chancen, die bereits beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen usw. bestehen. Nur 45 Kinder von Nichtakademikerfamilien überschreiten die Schwelle zur Sekundarstufe II an allgemeinbildenden Schulen, während es 81 von 100 der Kinder aus Akademikerfamilien sind. Das muss man immer wieder sagen, weil sich diese dramatischen Zahlen seit 40 Jahren meines Wissens nicht verändert haben, nicht wesentlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen eine Strukturreform bei BAföG, die ist verstrichen worden diese Chance. Wir haben stattdessen eine - wenn man so will - Privatisierung der Studienfinanzierung in drei Schritten: die Einführung der Förderart von verzinslichen Bankdarlehen durch Jürgen Rüttgers 1995, das Bildungskreditprogramm unter Hildegard Buhlman 2001 und auf niedrigem Niveau stagnierende Förderquoten beim BAföG und gleichzeitig die Verlagerung auf Bildungskredite, die einzelnen Studenten helfen, die aber darauf keinen Rechtsanspruch haben. Es ist nicht hinnehmbar, dass unzureichendes BAföG, fehlende Studienplätze, Zulassungschaos und bundesweit gestiegene lokale Numerus clausus - clausi? Ich bin kein Lateiner.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Clausae.)

Clausae? Danke, Herr Doktor, vielen Dank, dafür ist es dann gut - also lokale Numerus clausae junge Menschen vom Studium abhalten, dass die OECD in ihrer Vergleichsstudie „Bildung auf einen Blick“ erneut festgestellt hat, dass hierzulande Hochqualifizierte fehlen, nehmen wir als GRÜNE in diesem Zusammenhang sehr ernst. Wie gesagt, wir möchten Sie darauf hinweisen, dass der 3. Punkt unter II. zu streichen ist, und würden uns freuen - und das beantrage ich hiermit - dass dieser Antrag an den Bildungsausschuss überwiesen wird. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Hitzing das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der GRÜNEN, den wir heute hier besprechen - der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - ist in seinem Teil II bereits inhaltlich mit den gleichen Forderungen am 21.09. dieses Jahres im Deutschen Bundestag eingebracht worden, und zwar wortgleich. Ich will das nur noch einmal ganz kurz dazusagen, II. ist tatsächlich identisch übernommen, er ist eigentlich abgeschrieben.

Wie Sie in Ihrem Antrag auch richtig bemerken, ist die Bundesebene für alle anstehenden Entscheidungen zuständig, über die wir hier heute reden. Es erschließt sich mir jetzt nicht, warum wir diesen Antrag besprechen. Das ist ein Bundesthema, warum wir das hier im Landtag haben und auch noch ohne die Kritikpunkte, die in der Bundestagsdebatte besprochen worden sind, auszumerzen. Die haben Sie dringelassen.

(Beifall FDP)

Der ist wortgleich eingebracht, ohne wenigstens die Kritikpunkte zu beachten.

Zu Ihrem Punkt II. 1. des Antrags, Sie fordern hier eine BAföG-Erhöhung, Herr Meyer, Sie haben das ausgeführt. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung bereits im Jahr 2010 diese Erhöhung auf den Weg gebracht hat, und zwar um durchschnittlich 2 Prozent sind die Bezüge der BAföG-Empfänger gestiegen. Das ist in absoluten Zahlen eine Steigerung um 22 € auf 670 € in Gänze. Gleichzeitig sind die Freibeträge gestiegen um 10 Prozent.

Dann reden Sie zu der Mietkostenpauschale. Damit habe ich ziemliche Bauchschmerzen. Es geht hier um die Anpassung an den regionalen Durchschnitt. Ich befürchte, dass wir dann bald Studenten 1. und 2. Klasse haben werden. Denn die Studenten, die in Ballungsräumen sind, sind die, die nach Ihrer Meinung mehr BAföG bekommen sollen, weil die Mietkosten höher sind, und die im ländlichen Raum sollen weniger bekommen, weil da die Mietkosten geringer sind. Nun sage ich Ihnen, es gibt aber sicherlich auch Fälle - es sind ja immer konstruierte Fälle, von denen wir sprechen, und dann kommen wir zu einer Pauschalisierung, und da liegt manches Mal auch des Pudels Kern. Wenn jemand also im Raum München aber gar nicht so eine teure Wohnung hat oder eventuell zu Hause wohnt, dann hat er dieses Privileg, hat diese erhöhten Mittel und ist bevorzugt gegenüber den anderen Studenten. So etwas lehnen wir deshalb grundsätzlich ab, weil uns jeder Studierende gleichviel wert ist, egal wo er wohnt,

(Beifall FDP)

(Abg. Meyer)

und zwar bei seiner sozialen Bedürftigkeit gleichwertig.

Zwei Worte zum Deutschlandstipendium. Das Programm unterstützt grundsätzlich Studenten nach Auswahlkriterien, die die Hochschulen festlegen können. In der Regel betrifft es Leistungskriterien. Leistungsstarke Studenten erhalten also so die Möglichkeit, unabhängig von der eigenen Erwerbstätigkeit, also sie müssen nicht noch extra erwerbstätig sein, weil sie über dieses Deutschlandstipendium gesondert gefördert werden. Sie kennen das. Der Herr Minister hat es auch ausgeführt. Wir reden hier von 300 €, die hälftig von der Wirtschaft bezahlt werden und hälftig vom Staat. Die Stipendien sind völlig unabhängig von der sozialen Herkunft und werden also nach den genannten Kriterien vergeben. Grund für das Deutschlandstipendium war auch während seiner Einführung, als man darüber gesprochen hat, dass wir natürlich, und das muss man anerkennen bzw. man muss es zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland innerhalb der OECDStaaten das Schlusslicht ist, wenn es um die Stipendienförderung geht. Eine Wirtschafts- und Bildungsnation wie Deutschland kann sich das grundsätzlich nicht leisten und deshalb ist es durchaus legitim, die Besten der Besten besonders zu fördern und die Begabtenbeförderung noch weiter zu befeuern.

(Beifall FDP)

Wir wissen auch, dass gerade im Rahmen der Begabtenförderung die Fachhochschulen nur 9 Prozent davon abbekommen vom gesamten Pott der Begabtenförderung, aber gerade in den Fachhochschulen mehr als 50 Prozent der Studentinnen und Studenten aus dem Bereich von Familien sind, die eben nicht akademischer Herkunft sind. Deshalb ist es nach unserer Auffassung sehr wichtig, dass die Fachhochschulen und die Hochschulen eine eigene Stipendienkultur befördern können und somit auch mehr Gerechtigkeit erzielen können, besonders wenn es darum geht, diese jungen Leute auf der Schiene der Begabung zu fördern. Sie fordern schließlich, dass BAföG auch unabhängig von sozialer Herkunft und Hintergrund auszubezahlen, also auch dann, wenn es der Studierende/die Studierende überhaupt nicht benötigt. Das BAföG ist aber für diejenigen gedacht, die zum Lebensunterhalt während ihrer Ausbildung finanzielle Unterstützung des Staates benötigen, deshalb müssen wir das so ablehnen. Ihr Zwei-Säulen-Modell ist deshalb nicht umsetzbar.

Insgesamt noch einmal zur Wiederholung: Das BAföG wurde erhöht und der Anteil der Empfangsberechtigten wurde erweitert auf diese Art und Weise. Ich denke also, wir müssen über diesen Antrag so nicht reden, noch zumal er, wie gesagt, im Bundestag schon besprochen wurde. Ich kann es Ihnen noch einmal sagen, am 21.09. dieses Jahres. In

Deutschland kann jeder junge Mensch zur Hochschule gehen, hat jeder die Hochschulzugangsberechtigung, wenn er die entsprechenden Leistungskriterien erfüllt, und bei Bedürftigkeit besteht selbstverständlich der grundsätzliche Anspruch auf Leistungen aus dem BAföG. Das ist richtig so. Das ist wichtig und das steht auch außer Rede. Dessen Ausweitung allerdings auf dieses Modell, das ZweiSäulen-Modell, das Sie hier vorschlagen, ist nach unserer Überzeugung nicht bezahlbar und auch insofern nicht gerecht, als dass junge Leute, die aus gut situierten Familien kommen und wo es gar nicht nötig ist, dieses Geld auch nicht zwingend benötigen. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Dr. Voigt das Wort.

Werte Frau Präsidentin, jetzt ist Herr Meyer schon raus, aber ich wollte mich zumindest noch bei ihm entschuldigen, dass ich ihn verwirrt habe, weil man nämlich beides im Plural sagt, deswegen ist es Numeri clausi. Tut mir leid, das ist Fortgeschrittenenkurs in Latein, deshalb noch einmal Entschuldigung. Happy birthday BAföG! 1. September, 40 Jahre BAföG, der Minister hat es gesagt. Herr Klausi hatte auch diese Woche Geburtstag, herzlichen Glückwunsch. BAföG ist die soziale Bildungsbrücke, die jungen Menschen aus einkommensschwachen Elternhäusern den Hochschulzugang ermöglicht. Ich sage das auch im Angesicht potenzieller oder vielleicht schon existierender Studenten, dass es natürlich wichtig ist, diese soziale Bildungsbrücke auch so auszugestalten, dass sie begehbar ist und auch auf lange Sicht jungen Menschen erfolgreich in das Hochschulstudium helfen kann. Seit die Union wieder im Bund regiert, ist das BAföG wieder ein Beitrag zur Studienfinanzierung geworden, denn unser Anspruch ist, dass nicht die Reichsten, sondern die Fähigsten studieren sollten. Das ist sowohl in der schwarz-roten Koalition als auch in der schwarz-gelben Koalition belegbar. Mit der Novelle des Jahres 2008 wurden die Bedarfssätze des BAföGs um satte 10 Prozent und die Freibeträge um 8 Prozent angehoben. Zusätzlich gab es eine Verbesserung im Bereich des Kinderbetreuungszuschlags. 2010 gab es weitere Anhebungen der Bedarfssätze und der Freibeträge. Außerdem ist die Altersgrenze im Master-Studium von 30 auf 35 Jahre angehoben worden, so dass klar ist, dass man auch diesen Bologna-Prozess, den wir ja angehen wollen, nämlich erst ein BachelorStudium, dann ein bisschen Berufserfahrung und dann am Ende wieder als Master daraufzusatteln,

(Abg. Hitzing)

dass das auch nicht konterkariert wird. Dann gab es die Ausweitung der Auslandsförderungen für Schüler, die Anhebung des BAföG-Höchstsatzes auf 670 € pro Monat und allein bedeutet das im Jahr 2010 eine Steigerung um 170 Mio. €. Da kann man doch jetzt nicht davon sprechen, dass im Bereich des BAföGs nichts passiert sei. Es ist eine Studienfinanzierung, wo die Union angepackt hat, weil unser Grundsatz „Nicht die Reichsten, sondern die Fähigsten sollten studieren“ nämlich gilt. Das zeigt sich allein daran, dass das BAföG mittlerweile der größte Einzelposten im Bildungshaushalt des Bundes ist, das spricht auch dafür, dass wir hier konkret angesetzt haben.

(Beifall CDU)

Dass sich das auch in Zahlen formulieren lässt, sieht man allein daran, dass es im Vergleich der Jahre 2009 und 2010 zu einer Steigerung der Geförderten um 40.000 im ganzen Bundesgebiet gekommen ist. Das heißt, wir haben 916.000 jugendliche Schüler und Studenten, die bundesweit gefördert werden. Das ist doch ein klarer Beleg dafür, dass das Ansinnen der schwarz-gelben Koalition im Bund auch Früchte trägt. Dasselbe gilt natürlich auch für Thüringen, der Minister hat es ausgeführt. Bedarfssätze und Freibeträge wurden angepasst. Wenn wir uns die Zahlen im Hinblick auf das Jahr 2010 anschauen, kann man feststellen: Nahezu 19.000 Anträge, bei den Erstanträgen 7.500 haben sich entwickelt auf 8.000 und bei den Weiterförderungen ist es relativ konstant geblieben um die 10.900, das spricht auch dafür, dass wir hier eine klare Bildungsbrücke anbieten. Nun ist in dem Antrag der GRÜNEN auch die Fragestellung formuliert worden: Wie geht es denn mit dem Bologna-Prozess weiter? Auch da müssen wir sagen, dass die Anpassung dieses Masterstudiums von 30 auf 35 Jahre erstens dazu führt, dass junge Leute die Gelegenheit haben nach ihrem Bachelor-Studium erst einmal hinauszugehen und Berufserfahrung zu sammeln, dann wieder in die Hochschule zurückzukehren, dort dann ein Master-Studium aufzunehmen und trotzdem noch BAföG-berechtigt zu sein. Das große Problem ist, dass Hochschulen zu lange brauchen, um das notwendige Bachelor-Zeugnis auszustellen, wenn man den unmittelbaren Übergang machen möchte, um dann am Ende auch ein Master-BAföG zu beantragen. Der Minister hat es ausgeführt, genau an dieser Stelle wollen wir ansetzen und diese Zuverlässigkeit eben auch gewähren, damit Master-Studenten dort der Zugang nicht verwehrt bleibt.

(Beifall CDU)

Gleichzeitig gilt aber auch - Sie haben in Ihrem Antrag formuliert - dass der gesamte Bologna-Raum anspruchsberechtigt sein soll. Mit Verlaub, ich möchte das noch einmal skizzieren. Das bedeutet quasi, dass jeder europäische Student die Chance

hat, sofern er im Bologna-Prozess angedockt ist, hier in Deutschland vom deutschen Steuerzahler ein Stipendium bzw. einen BAföG-Antrag zu bekommen - eine Sozialleistung basierend auf dem Einkommen der Eltern. Also das halte ich, offen gestanden, neben der Fragestellung dieses Zwei-Säulen-Modells einfach für eine ziemlich steile Forderung, weil letztlich wollen wir doch erreichen, dass erst einmal deutsche Studenten die Möglichkeit haben, diese Bildungsbrücke zu gehen. Harmonisierung im europäischen Raum ist gut, aber doch bitte keine soziale Gießkanne.

(Beifall CDU, FDP)

So, wenn man das Ganze dann einmal daraufhin befragt, was es denn bisher an Aktivitäten der GRÜNEN auch auf Bundesebene in diesem Bereich gegeben hat, dann will ich einmal daran erinnern, Sie hatten ja die Chance, als Sie als rot-grüne Bundesregierung das BAföG verwaltet haben, das auch anzupassen. Aber da gab es von den GRÜNEN keine Initiative und das Zwei-Säulen-Modell ist nicht eine Erfindung von gestern, sondern das wird schon seit 15 Jahren in der bildungspolitischen Debatte diskutiert. Sie haben einfach nicht den Mut gehabt, das damals anzupassen. Das Einzige, was es gegeben hat, ist 2002 eine BAföG-Reform, die unter Studenten den Titel hatte „Pizzareform“, weil sie am Ende nichts anderes bedeutet hat, als eine maximale Erhöhung von 10 € auf den Zuschuss, den der Student bekommen hat. Das kann doch bitte schön nicht Ihr Ernst sein, dass Sie hier nur Rhetorik abliefern, aber letztlich in den Handlungen jede Aktion für Studenten vermissen lassen. So funktioniert Bildungspolitik nicht.

Wobei ich sagen will, ich kann für das Anliegen, was ich aus Ihrem Antrag so vermuten kann, nämlich die Fragestellung, dass Mittelschichtsloch zu beheben, dem kann ich einiges abgewinnen. Weil in der Tat haben wir eine Situation, wenn wir uns die Erhebung des Studentenwerkes anschauen, dass es gerade Eltern oder einige Eltern gibt, deren Einkommen zu hoch ist, um BAföG-anspruchsberechtigt zu sein, aber es trotzdem nicht ausreicht, ihren Kindern ein Studium zu finanzieren. Das ist in der Tat richtig. Genau damit muss man sich auseinandersetzen, erstens in der weiteren Anhebung der Freibeträge und auch in der weiteren Anhebung des Zuschusses bzw. des Beitrages. Das ist meiner Meinung nach eine Bildungsgerechtigkeit. Gerade wenn wir uns anschauen - und Herr Meyer hat es zitiert -, die 19. Sozialerhebung des Studentenwerkes, das Bildungspotenzial einkommensstarker Akademikerfamilien ist gut ausgeschöpft. Aber wenn Sie jetzt mit der Forderung kommen, dass quasi alle Studenten, also auch diese Einkommensstarken, eine staatliche Finanzierung bekommen sollen, kippt man doch damit das Kind mit dem Bade aus, weil letztlich wollen wir doch erreichen, dass die, die Ansprüche hätten, gefördert werden,

und nicht die gar nicht anspruchsnotwendig wären. Der Minister hat es auf 38 Mio. € beziffert, wenn ich es richtig gehört habe für Thüringen. Das spricht doch auch am Ende dafür, wir sollten lieber spezifisch die fördern, die es nötig haben, und nicht einfach mit einer Gießkanne alle, selbst diejenigen, die es nicht nötig haben.

(Beifall FDP)

Wenn wir das am Ende konkret ummünzen, freue ich mich auf eine Debatte im Ausschuss und ich beantrage die Überweisung und freue mich auch über eine Debatte im Ausschuss über die Deutschlandstipendien.

Ich will einmal eines sagen: Wenn ein Jahr nach der Einführung ein Drittel aller Hochschulen in Deutschland, die Deutschlandstipendien vollumfänglich ausschöpfen und wenn genau auch ein Drittel dieser in Thüringen das auch ausschöpfen der Studenten, wenn das am Ende 97 Stundenten von maximal 236 sind, also 41 Prozent, kann ich doch sagen, lassen Sie uns das eine bitte schön nicht gegen das andere ausspielen. Wenn wir ein Leistungsstipendium wollen und eine Stipendiumkultur etablieren wollen, wo Firmen sich auch stärker in den Hochschulen beteiligen, glaube ich, ist das ein sinnvoller Weg. Aber gleichzeitig - und das habe ich ausreichend deutlich gemacht - ist es für meine Fraktion, ist es für die regierungstragende Fraktion auch hier im Hause klares Ansinnen, dieses BAföG weiter zu stärken, sowohl in Freibeträgen als auch in den Zuschüssen, weil wir am Ende eines wollen, dass nicht die Reichsten, sondern die Fähigsten studieren können. Schönen Dank.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Hartung das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn der Fraktionsfinanzer hier einen Antrag einbringt und verteidigen muss, mit dem per Gießkanne Geld nicht nur an Nichtbedürftige in Deutschland, sondern im gesamten Bologna-Raum ausgeschüttet wird. Diese Ironie - ja, das sei mir gestattet - hat doch mindestens ein Schmunzeln ausgelöst. Die Frage, die hinter diesem Antrag steht, die Stärkung des BAföG, diesen Punkt würde ich voll unterschreiben. Den Weg dahin sehe ich ein bisschen anders. Wenn ich mir überlege, dass wir einen begrenzten Topf von Fördergeldern haben - dass der Topf nicht unbegrenzt ist, macht die Schuldenkrise derzeit, von der Deutschland nicht verschont ist, mehr als deutlich -, sollte ich darüber nachdenken, ob ich den mit der Gießkanne erst einmal prinzipiell

an alle verteile oder ob ich sage, ich fördere gezielt die, die es wirklich brauchen.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Die Zahlen, die Herr Meyer hier referiert hat, bezüglich des Förderanteils insgesamt, bezüglich der Förderhöhe, bezüglich der Diskrepanzen zwischen den Studierendenzahlen aus den sozial schwächeren Bereichen und denen aus Akademikerfamilien, diese Zahlen erschrecken mich genauso wie es Herrn Meyer und wahrscheinlich jeden hier im Raum erschrecken würde. Aber die Lösung darin zu sehen, dass Sie sagen, ich gebe den 71 Prozent Akademikern auch erst einmal ein bisschen Geld, damit sie ein gutes Beispiel geben an die sozial Schwachen, das ist doch nicht der Punkt. Damit kann ich doch das Problem nicht lösen.