Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Mir liegen keine weiteren Redemeldungen aus den Fraktionen vor. Für die Landesregierung Herr Staatssekretär Richwien. Ich habe die ganze Zeit überlegt, wer sich wohl zu Wort melden wird.

Ich hätte es gern meinem Kollegen überlassen, aber er wollte nicht.

(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: Stimmt nicht, wir können zu allen Themen et- was sagen.)

Das müssen Sie bitte unter sich klären, das will ich jetzt hier gar nicht hören.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am 9. Januar dieses Jahres ist der Luftreinhalteplan in Erfurt in Form einer ersten Fortschreibung in Kraft getreten. In diesem Plan wurden mehrere Maßnahmen zur Senkung der Luftschadstoffbelastung in der Landeshauptstadt festgeschrieben. Eine aus diesem Maßnahmepaket ist die Einrichtung dieser Umweltzone zum 1. Oktober 2012 und deswegen sage ich auch noch mal in Richtung des Herrn Kuschel, Umweltzone ist für mich ein Instrumentarium, aber nicht das einzige. Bekanntermaßen werden Umweltzonen deutschlandweit seit ihrer erstmaligen Einrichtung im Jahr 2008 äußerst kontrovers diskutiert, wie wir auch heute hier im Plenum erleben konnten. Während Befürworter auf die notwendige Reduzierung der Gesundheitsgefahr von Verkehrsemissionen verweisen, sehen Gegner insbesondere eine unverhältnismäßige Einschränkung der Mobilitätsbedürfnisse von Wirtschaft, aber auch von den Bürgern.

Die Entscheidung über die Einrichtung von Umweltzonen obliegt in Thüringen dem Landesverwaltungsamt, das für die Aufstellung der Luftreinhaltepläne zuständig ist. Diese Entscheidung ist jeweils im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenverkehrsbehörden zu treffen.

Meine Damen und Herren, solche Pläne sind immer dann aufzustellen, wenn Luftqualitätsgrenzwerte überschritten werden, die europarechtlich verankert sind. Die Grenzwerte sowie das Verfahren der Planaufstellung sind im Bundes-Immissionsschutzgesetz bzw. der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung in nationales Recht umgesetzt. Das heißt, das Land vollzieht in diesem Bereich lediglich Bundesrecht und hat damit nur einen eingeschränkten Gestaltungsspielraum. Der Festlegung von Minderungsmaßnahmen geht im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens eine Analyse der Belastungssituation voraus. Daraus schlussfolgernd sind bei Grenzwertüberschreitungen geeignete und angemessene Minderungsmaßnahmen festzulegen, die eine Verminderung der Luftverunreinigung und damit die Einhaltung der Grenzwerte erwarten lassen.

Diese Maßnahmen müssen sich entsprechend ihrem Verursacheranteil auf die relevanten Bereiche erstrecken. Aufgrund des erheblichen Beitrags des motorisierten Straßenverkehrs - davon haben auch einige Abgeordnete hier gesprochen - zur Gesamtbelastung in Gebieten mit Grenzwertüberschreitung müssen Minderungsmaßnahmen schwerpunktmäßig im Verkehrsbereich angesiedelt werden. Dabei gilt selbstverständlich auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

In Thüringen treten gegenwärtig Grenzwertüberschreitungen in den Städten Erfurt, Mühlhausen, Jena, Gera, Suhl und Weimar auf. Es haben viele hier schon am Pult davon gesprochen. Da der Grenzwert für Feinstaub bereits seit 2005 gilt, wurde schon zu diesem Zeitpunkt ein Luftreinhalteplan für den damals ersten Überschreitungsort Erfurt aufgestellt. Weitere Minderungspläne wurden bis zum Jahr 2010 für Weimar, Jena, Gera und Mühlhausen aufgestellt. Herr Untermann hatte davon gesprochen, dass Mühlhausen sehr darunter leidet, dass wir dort den Durchgangsverkehr von der 247 haben. Wenn dann der Umleitungsverkehr bewerkstelligt ist, glaube ich, werden sich in Mühlhausen auch andere Grenzwerte darstellen lassen.

Meine Damen und Herren, in diesen Plänen sind jeweils Bündel von vielfältigen Minderungsmaßnahmen festgelegt. Die Frage der Einführung einer Umweltzone stand zunächst noch nicht im Raum, da deutschlandweit weder praktizierte Beispiele noch einschlägige Rechtsprechung vorlagen. Vor allem aber ließen die festgelegten und für die Bürger wie die Wirtschaft milderen Maßnahmen die künftige Einhaltung der Grenzwerte erwarten. Während dieses Ziel für Gera und Jena erreicht wurde

(Abg. Kuschel)

und für Weimar bis Mitte 2011 auf Initiative unseres Hauses gegenüber der Europäischen Kommission eine Ausnahme von der Pflicht zur Grenzwerterhaltung notifiziert werden konnte, führten die Maßnahmen in Erfurt zwar vorübergehend zur Grenzwerteinhaltung, jedoch später witterungsbedingt zu erneuten Überschreitungen.

Aufgrund dessen bestand die Notwendigkeit, den Luftreinhalteplan Erfurt fortzuschreiben. Diese Arbeiten begannen bereits im Jahr 2008. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen sowie deutlicher Ankündigungen vonseiten der Europäischen Kommission, Mitgliedstaaten mit Verstößen gegen das EU-Luftqualitätsrecht entsprechend zu sanktionieren, war nun auch die Option „Einrichtung einer Umweltzone“ durch die zuständige Behörde - wie ich vorhin gesagt habe Landesverwaltungsamt - zu prüfen. Zu diesem Zweck wurde ein Gutachten von einem renommierten Verkehrsplanungsbüro eingeholt, in dem sowohl die Wirkung einer Umweltzone als auch noch vorhandene Minderungspotenziale alternativer Maßnahmen zu untersuchen waren. Im Ergebnis bietet nur die Einführung einer Umweltzone die Aussicht auf eine zeitnahe Grenzwerteinhaltung.

Die Frage der Belastung der betroffenen Bevölkerung und Wirtschaft wurde bei der Entscheidung über die Aufnahme der Maßnahme in den Planentwurf ausführlich diskutiert. Unbestritten können sich an die Einrichtung einer Umweltzone je nach individueller Situation einschneidende Auswirkungen für diese Gruppen ergeben. Allerdings muss die zuständige Behörde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Planaufstellung auch und insbesondere das geltende Recht und die einschlägige Rechtsprechung beachten.

Meine Damen und Herren, hierzu ist Folgendes festzustellen:

1. Der nationale Gesetzgeber hat ausdrücklich die Möglichkeit der Beschränkung oder des Verbots des Kraftfahrzeugverkehrs für den Fall vorgesehen, dass Luftreinhaltepläne dies bestimmen, beziehungsweise Immissionsgrenzwerte überschritten werden, indem die Bundesregierung von ihrer Ermächtigung zum Erlass der Kfz-Kennzeichenverordnung Gebrauch gemacht hat und sie unterstrichen hat, dass sie Umweltzonen als eine geeignete Maßnahme zur Minderung der Luftverschmutzung einstuft. Das Land ist, wie bereits gesagt, nach Artikel 83 Grundgesetz verpflichtet, Bundesgesetze auszuführen.

2. Die Europäische Kommission fordert von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Berichterstattungspflichten zur Umsetzung europäischen Rechts Informationen zur „Einrichtung von Gebieten mit geringem Emissionsniveau“, das heißt zu Umweltzonen. Damit stuft sie diese Maßnahme praktisch ebenfalls als grundsätzlich geeignet ein. Nach Ein

schätzung des Bundesumweltministeriums und auch des Umweltbundesamtes hat gerade die Einführung von Umweltzonen in Deutschland dazu geführt, dass die Europäische Kommission noch keine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland eingereicht hat. Ein Vertragsverletzungsverfahren läuft jedoch seit geraumer Zeit. Finanzielle Folgen einer Verurteilung vor dem EuGH würden gegebenenfalls aufgrund des Lastenteilungsgesetzes auch auf den Freistaat Thüringen zukommen.

3. Inzwischen vorliegende Rechtsprechung zur Klage gegen Umweltzonen in Deutschland stützt vollständig die Entscheidung zur Einrichtung der Umweltzonen. Insbesondere wird auch die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme klar bejaht. In dieser Situation, meine Damen und Herren, kann die zuständige Behörde die Maßnahmeoption Umweltzonen nur dann verwerfen, wenn andere mildere Maßnahmen ein gleichwertiges Ergebnis erwarten lassen.

In Mühlhausen, meine Damen und Herren, als weiterer Stadt mit Grenzwertüberschreitung bei PM 10 ist das Thüringer Landesverwaltungsamt aufgrund der bisherigen Analyse zu der Einschätzung gekommen, dass aufgrund der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur die Eignung der Maßnahme Umweltzone nicht geeignet erschien. Dort wurden andere Maßnahmen im Luftreinhalteplan festgelegt. Für Mühlhausen sind zudem Ortsumfahrungen, wie ich vorhin schon gesagt habe, in der Planung.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Meine Damen und Herren, Umweltzonen sind nicht das Modell für saubere Kommunen, sie sind lediglich ein Element in der Minderungsstrategie zur Grenzwerteinhaltung und vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund im Rahmen eines geordneten Verwaltungsverfahrens als Option letztendlich zu prüfen. Die Frage, ob die Umweltzone eine Wachstumsbremse darstellt, wie es im Antrag steht, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Es ist sicherlich differenziert zu betrachten, da ist auch eine Aktuelle Stunde, Herr Untermann, nicht unbedingt das richtige Instrumentarium. Einerseits müssen betroffene Unternehmen und Bürger wie auch die Stadtverwaltung Erfurt selbst ihre Fahrzeuge nachrüsten und ersetzen und damit Konsum und Investitionen an anderer Stelle zurückstellen, andererseits sind natürlich hier positive Effekte für Automobilhersteller und Kfz-Handwerk zu erwarten.

Von der im kommenden Jahr anstehenden Revision der EU-Luftqualitätsrichtlinie erhoffe ich mir persönlich praktikable Änderungen, die es den Ländern ermöglichen, die berechtigten Ziele des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes mit Mitteln zu erreichen, die bei der Bevölkerung eine breitere Akzeptanz, aber auch bei der Wirtschaft finden können. Vielen Dank.

(Staatssekretär Richwien)

(Beifall CDU)

Es gibt noch eine Wortmeldung, von der FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Untermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte gleich mal betonen, hier wird das immer gleich in gut und schlecht betont, wenn man etwas tut, das muss gut oder schlecht sein. Das kommt immer speziell bei Ihnen, Frau Schubert, zutage, ganz speziell wieder mit den Autos jetzt hier. Ich weiß, dass Herr Kuschel und auch Sie am besten heute noch als morgen auf die Autos verzichten würden. Das geht nicht mit mir und mit der FDP. Das Auto ist und bleibt vorläufig das wichtigste Beförderungsmittel, und dafür stehe ich.

(Beifall FDP)

Jeder zweite Arbeitsplatz, das wissen Sie sicherlich, hängt irgendwie mit der Autoindustrie zusammen. Was wäre, wenn wir da jetzt aufhören würden. Das ist nicht zu begreifen. Ich hatte Ihnen vorhin gesagt - Sie hatten gesagt, ich habe eh keine Alternative, wieso nicht, ich habe es eindeutig gesagt, ich kann es Ihnen noch mal sagen -, das sind Umgehungsstraßen, das ist vor allen Dingen Nutzung von Fahrzeugen, die einen schadstoffarmen Ausstoß haben, die weniger Sprit brauchen - na ja, wenn Sie es nicht wissen wollen, dann beschweren Sie sich nicht jetzt, dass Sie es wieder nicht mitkriegen -, den Einbau von emissionsreduzierten Heizungsanlagen.

(Beifall FDP)

Das wären auch Sachen. Ich bin nicht gegen ÖPV, ich bin nur dafür, dass der ÖPNV wirtschaftlich fährt, dafür bin ich. Ich kann nicht mit dem Omnibus auf ein Dorf fahren und kann dort eine Person abholen. Das geht nicht, das sind auch solche Träume, das kann man nicht machen, weil es sich einfach nicht rechnet. Sonst kommen wir da wieder in eine Situation, die wir gar nicht wollen.

Also, wie gesagt, das Auto ist momentan zur Mobilität unersetzbar - ich bin einverstanden, wenn man irgendetwas erfindet, was dann besser ist. Weniger Kraftstoff und die Mobilität gerade in den Städten. Herr Weber, mit der Zukunft Elektroautos nur in den Städten auf Probe - also Leute, da kommen wir ja schon an die nächste Grenze. Ist das die Zukunft in 30 oder 40 Jahren und außerdem muss Elektroenergie auch hergestellt werden aus irgendetwas. Und mit dem Holz, das ist eine andere Seite, Holz ist für mich auch eine erneuerbare Energie, die Sie da gescholten haben. Danke.

(Beifall FDP)

Es gibt jetzt noch zwei Wortmeldungen: Einmal Frau Dr. Lukin für die Fraktion DIE LINKE und einmal Frau Schubert für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es gibt insgesamt noch knapp 3 Minuten Redezeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich hatte in der Aktuellen Stunde, das möchte ich hier an dieser Stelle sagen, eigentlich vonseiten der Landesregierung etwas mehr erwartet, als einen Großteil des Zitierens unseres Protokolls aus der Ausschuss-Sitzung vom 5. Oktober 2011. Ich denke, es wäre gut gewesen, wenn, obwohl sie nicht direkt für Erfurt bzw. auch für Weimar und die oben genannten Städte zuständig ist, doch einige Maßnahmen zur Förderung des ÖPNV oder auch zur Vermeidung von Stickstoffdioxidbelastungen oder Feinstaubbelastungen in den genannten Städten hätten vortragen können. Ich hätte mich sehr gefreut.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Schubert, Sie haben jetzt noch 2 Minuten.

Werter Herr Abgeordneter Untermann, ich weise Sie darauf hin, dass das Auto bei mir zum Umweltverbund dazugehört.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade Städte haben aber eher die Option, dass nicht jeder ein eigenes Auto haben muss, sondern dass man es teilen kann. Dazu gehört Carsharing, dazu gehören Taxis, alles das, was im ländlichen Raum eben noch nicht so einfach ist. Gerade in diesen Ballungsgebieten, wo wir z.B. in Jena für 100.000 Einwohner 50.000 Kfz haben, ist da noch viel Potenzial. Genau das müssen wir herausholen, Herr Untermann, das haben Sie, glaube ich, noch nicht verstanden.

(Zwischenruf Abg. Untermann, FDP: Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden können.)

Zweite Bemerkung: Ich stelle Ihnen eine einfache Frage: Glauben Sie, dass in dem Moment, wo jemand seinen Filter austauscht bzw. sein Auto umrüstet, dass da Wachstum entsteht oder glauben Sie, dass Wachstum entsteht, wenn man genau das nicht macht?

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das geht nicht bei jedem Lkw.)

(Staatssekretär Richwien)

In dem Moment, nach Ihrem Verständnis von Wachstum, steigt das BIP. Das ist doch genau das, was Sie wollen, Herr Untermann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen vor. Ich schließe damit den Teil e) der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde insgesamt.

Wir haben heute bei Eintritt in die Tagesordnung vereinbart, dass wir den Tagesordnungspunkt 3 aufrufen

Fünftes Gesetz zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/4064 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/4205

dazu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/4215

ZWEITE BERATUNG

Der Abgeordnete Kuschel erhält jetzt die Gelegenheit, den Bericht aus dem Innenausschuss zu geben.