Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, zwei, drei Punkte will ich nur noch mal kurz retournieren. Wenn Sie sich die Mühe machen würden, gelegentlich auch einmal mit kleinen und mittelständischen Unternehmern aus Thüringen zu sprechen, insbesondere im Grenzbereich so zu Hessen, zu Bayern, also insbesondere zu den „gebrauchten“ Bundesländern, zu den westlichen Nachbarn, dann würden Sie sicherlich genauso hören, so wie sie mir das erzählen, dass die sich in einem enormen Wettbewerbsdruck befinden, auch gerade was die Lohnsituation betrifft - überhaupt keine Frage. Die Frage ist nur, wenn die jetzt schon wissen, dass sie sich in diesem Wettbewerb befinden und die Löhne trotzdem nicht zahlen, weil sie sie nicht zahlen können, was soll denn dann durch die gesetzliche Regelung, bitte schön, besser werden?
Das ist das Einzige, was ich an Ihrer ganzen Logik nicht verstehe. Wenn es dann im Gesetz steht, wächst ihnen sozusagen plötzlich Geld zu, mit dem
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Das kann ich gern erklären.)
Wenn Sie den sozialen Frieden ansprechen, und Sie haben Herrn Winterkorn genannt, das unterstütze ich ausdrücklich, aber das zeigt, dass man mit richtigen Erkenntnissen zu falschen Schlüssen kommen kann. Das ist kein Argument für den Mindestlohn, sondern eines gegen solche Gehälter für solche Manager. Das ist aus meiner Sicht die richtige Antwort.
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Das habe ich auch nicht behauptet.)
Einen Vergleich zu ziehen mit anderen europäischen Ländern ist natürlich immer ganz gut. Sie hatten gesagt, ein paar zwanzig Länder, die in Europa einen Mindestlohn haben. Ich habe mir das mal aufgeschrieben: Spanien - 3,89 € - ist jetzt nicht so ein unmittelbarer Konkurrent, aber ich sage jetzt mal, gerade für Thüringen und auch für Sachsen gucken wir mal nach Tschechien, unser östlicher Nachbar - 1,96 €. Was meinen Sie, was in der Dienstleistungsbranche passiert - ich komme aus der Ecke, ich weiß ungefähr, wie dort mit Handwerkern und so weiter gearbeitet wird -, wenn sie einen Mindestlohn - das ist ja auch schon ganz interessant, was hier so für Zahlen angesetzt werden - irgendwo mal 7,50 €, 8,50 € - die Kollegen von der Linksfraktion haben es geschafft, innerhalb von einem Monat zwei Anträge zu stellen, wo einmal 8,33 € und 5 Wochen später 10 € drinsteht - wenn man das mal hochrechnet, weiß man ungefähr, wo wir uns Weihnachten befinden, also Weihnachten 2012, meine ich jetzt.
Sie rechnen uns vor, dass man, wenn man mal ungefähr eine Zahl zwischen 8 und 9 € nimmt, das sind, was haben Sie gesagt, 25 Prozent oder 30 Prozent arbeiten da heute schon darunter. Klar können wir eine Zahl nehmen von 17 oder 18 €, dann arbeiten 80 Prozent darunter. Mit solchen Beliebigkeiten und solchen Zahlen hier zu operieren und dann irgendwelche Scheinargumentationen zusammenzubasteln, das wird nichts werden. Die Realität ist, dass die Thüringer Unternehmen sich in einem enormen Wettbewerb befinden. Ich sage Ihnen, allein aufgrund der Tatsache, dass diese Unternehmen alle überleben wollen, die wollen alle weiter am Markt auch tätig sein, wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich diesem Wettbewerb zu stellen. Wenn Sie es können, dann machen sie es, und wenn sie es nicht können, werden Sie sie mit so einem Gesetz auch nicht dazu zwingen kön
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Barth, ich will direkt drauf antworten. Ich spreche viel mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. Was ist denn deren Antwort? Die sagen, weil mein Konkurrent zu solchen Dumpingkonditionen anbietet, muss ich auch anbieten. Das ist doch die Logik. Das heißt, wenn der Mitbewerber aus der Branche A, B oder C auch nicht weiter mit den Löhnen runtergehen darf, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, dann ist das auch ein Vorteil für unsere Unternehmen. Sprechen Sie mal mit Handwerksunternehmen, die Handwerker sagen Ihnen ausdrücklich, dass sie gerne morgen einen Mindestlohn hätten, weil sie in hohem Maße die Leidtragenden sind, weil sie immer wieder ihre Politik oder ihre Lohnpolitik anpassen müssen. Was Sie nicht verstehen, ist - das muss ich dann auch mal sagen -, wenn man schon wie Thüringen ein dramatisch niedriges Lohnniveau hat - wir haben das schlechteste Lohnniveau in ganz Deutschland - und dann noch immer mehr Menschen, 34 Prozent, unter 8,50 € abgeschoben werden, wird doch eines passieren, die Leute werden gehen. Deswegen, was hat ein Unternehmer davon, wenn ihm die wichtigste Ressource, nämlich seine Beschäftigten, verloren geht? Das führt zu einem: Das führt zum Ruin des Unternehmens, er kann sich am Markt überhaupt nicht mehr bewegen. Deswegen ist es gerade im Interesse der Beschäftigungssituation der Unternehmen, auch der kleinen und mittelständischen Unternehmen, dass wir faire Wettbewerbsbedingungen machen. Ich will das noch einmal begründen. Im Rahmen des Vergabegesetzes,
- dazu komme ich - haben wir genau dieses Argument. Wir haben gesagt, wir brauchen Vergabegesetz, damit wir uns auch gerade bei europäischen Ausschreibungen gegen Lohndumping von Mitbewerbern wehren können.
Ich komme, nein, nein, nein, hören Sie doch zu, ich will es doch erklären. Ich sage doch nicht, dass es einfach ist. Und natürlich kenne ich, wir können uns auch an Bulgarien dann orientieren im Übrigen, das
sind 80 Cent. Ja, ich weiß, ich kenne die Zahlen, aber ich sage auch, es gibt Gegenbeispiele. Luxemburg 10,41 €, lohnt sich bei mir nicht, Frankreich 9,22 €, Niederlande 8,88 €, Belgien 8,75 €, Irland 8,65 €, Großbritannien 7,01 €. Jetzt sage ich doch eines und selbst das sagen doch auch die Gewerkschaften, keiner geht doch und sagt, wir brauchen 12, 13, 14, 15, 20 €, sondern alle sagen, es gibt irgendwo in der Schnittstelle zwischen 8 und 9 € einen Mindestlohn, der zu einem führt: a) dass sich eine Lohnuntergrenze mindestens mal eingezogen hat, b) dass einigermaßen sichergestellt ist, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und c) dass ich keine Beschäftigungsverluste habe. Deswegen fordern die doch 8,50 €. Das ist der Grund, warum Gewerkschaft und andere sagen, wir fordern nicht 13, 15 oder mehr Euro, weil natürlich richtig ist, dass wir Beschäftigung auch immer im Auge haben müssen. Deswegen weise ich eines von mir, dass ich als Wirtschafts- und Arbeitsminister und diejenigen, die eine solche Forderung erheben, nicht die Beschäftigungssituation auch im Auge haben und ich sage klar, man kann in einem bestimmten Korridor - und das sagen alle Arbeitsmarktforscher, mit denen wir zumindest auch in der Arbeitsgruppe diskutiert haben, die sagen, ja, in einem bestimmten Korridor wird das zu keinen negativen Entwicklungen führen.
Und jetzt noch einmal zum Satz zu Herrn Winterkorn. Ich habe nicht Herrn Winterkorn herangezogenen, den Mindestlohn zu begründen. Ich habe auch eines gesagt und ich habe von der neuen sozialen Frage gesprochen und die ist schon gewaltig, weil, ich will es noch einmal sagen, 1,8 Mio. Menschen unter 5 €, 4 Mio. zwischen 5 und 8 € und noch einmal knapp 4 Mio. zwischen 8 und 10 €, das ist die Situation. Mehr sage ich gar nicht. Dass damit Menschen das Gefühl haben, die soziale Balance in diesem Land stimmt nicht mehr, wir profitieren nicht vom sogenannten XXL-Aufschwung und alles, was wir dort hören, das kann ich verstehen. Wer den sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft will, der darf natürlich Differenzierung zulassen, das gehört auch zu einer modernen Gesellschaft. Keiner will den Einheitslohn, aber die Symmetrie muss stimmen. Die Symmetrie stimmt dann eben nicht mehr, wenn ein Vorstandsvorsitzender das Drei-, Vier- oder Fünfhundertfache eines mittleren Angestellten verdient. Das stimmt nicht mehr. Ich kann das zumindest niemandem erläutern.
Ich weiß nicht, ob das jemand hier im Raum kann. Deswegen prophezeie ich eines, Herr Barth. Wenn dann die FDP wieder aus ihrem vielleicht Existenzkampf heraus ist und sie sich vielleicht in der Parteienlandschaft neu positionieren wird, wage ich eine Prognose: Auch Sie werden sich am Ende des Tages einem Mindestlohn nicht entziehen können. Die Wahrheit ist auch, wir können nicht auf Sie war
Vielen Dank. Es gibt eine Wortmeldung aus der Fraktion DIE LINKE, der Herr Abgeordnete Ramelow, bitte schön.
Werte Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Barth, Sie haben angesprochen, dass wir zwei verschiedene Anträge als LINKE zum Thema Mindestlohn gestellt hätten. Ja, das eine war der Antrag, der unserer Programmatik entspricht, 10 €, weil wir der Meinung sind, 10 € sei der richtige Ausgangspunkt, um gegen Altersarmut Vorsorge zu schaffen.
Der zweite Antrag bezieht sich auf 8,33 €, das ist der Tarifvertrag Abfallwirtschaft. Das ist der einzige Tarifvertrag in Deutschland, der in Deutschland Ost und in Deutschland West einen gleichen Mindestlohn für die Branche festlegt - 8,33 €.
Es ist derjenige, auf den sich die SPD, und zwar der SPD-Teil in der Thüringer Landesregierung, mit der SPD verständigt hatte, um es klar zu benennen.
Zumindest hat die SPD ihn öffentlich vorgestellt. Wir fanden diesen Antrag gut und waren der Meinung, dass wir dem Antrag Gelegenheit geben sollten, im Thüringer Landtag doch genügend Raum in der Debatte zu geben. Deswegen haben wir 8,33 € aus dem Tarifvertrag aufgegriffen. Ich habe gestern am 1. Mai mit Gustav Bergemann eine intensive Diskussion über das Modell, das Frau von der Leyen bzw. die CDU jetzt vorgestellt hat, debattiert und gesagt, ich könnte mir das englische Modell eben auch vorstellen. Als Gewerkschafter kann ich mir das vorstellen, weil ich keinen Lohn möchte, den der Gesetzgeber festlegt anstelle der Gewerkschaften, aber ich möchte, dass die sozialpolitischen Leitplanken endlich wieder eingezogen werden, damit man denen, die Schmutz- und Schundkonkurrenz finanzieren über Niedriglohn, das Handwerk legt.
Weil ein Tarifvertrag oder eine Entlohnung von 3,82 €, liebe FDP, ist für mich ein an die Grenze der Sittenwidrigkeit stoßendes Entlohnungssystem.
Denn eines ist ganz klar, werte Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet, über solche Niedriglöhne, über solche Lohnformen, die Menschen die eigenen Beschäftigten über das Hartz-IV-Amt zum Amt zu schicken, als Aufstocker zu fungieren und die staatliche Subvention in der diskrimminierendsten Form anzunehmen, man genießt den Vorteil niedriger Löhne und zwingt seine eigenen Arbeitnehmer zu Bittstellern beim Amt - ich finde das widerlich.
Davon gehe ich nicht ab. Eine FDP, die hier eine reine Klientelpolitik à la Mövenpick macht, will nur ablenken davon, dass eben bei ihnen der Tarifvertrag 3,82 € als verteidigungswerte Strategie angesehen wird. Da war ich mit Gustav Bergemann zumindest als Gewerkschafter am 1. Mai einig, dass ein Tarifvertrag, der 10 Jahre nicht mehr verhandelt wurde, ein Tarifvertrag, der mit Ohnmacht verhandelt wird, eine an Zynismus nicht mehr zu überbietende Verhöhnung
der eigenen Mitarbeiterschaft ist. Das gilt eben für alle diejenige, die das im Frisörhandwerk anwenden. Deswegen sage ich, ein solcher Tarifvertrag muss auch außer Kraft gesetzt werden können, weil nach 10 Jahren gilt eben keine Nachwirkung und keine Allgemeinverbindlichkeit mehr. Da liegt die Tücke in dem CDU-Modell. Deswegen bin ich eben nicht so sehr begeistert, wie das CDU-Modell jetzt aufgestellt wird, weil es sich um die entscheidenden Fragen leider drum herummogelt. Es sieht nur aus wie ein gesetzlicher Mindestlohn, ist aber keiner, bietet nur der FDP auf Bundesebene jetzt genügend Raum, um dagegen zu hetzen und zu agitieren, damit die letzte Partei der Freiheit weiterhin Billiglohn für die Beschäftigten in Deutschland organisieren kann. Da sage ich, da ist eben der deutliche Unterschied zwischen uns und Ihnen.
Eine letzte Bemerkung: Rein mathematisch - Sie müssen sich nur umdrehen und mit dem Kollegen Kemmerich darüber reden, wie in seiner Firma die Entlohnung organisiert ist und es war Ihr Redner, der hier vorne zynisch gesagt hat, Trinkgeld statt Mindestlohn.