Protokoll der Sitzung vom 02.05.2012

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wo du recht hast, hast du recht.)

Ja, Herr Blechschmidt, Sie haben recht. Entschuldigung.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wir kommen zum nächsten Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU, und zwar ist das die Entscheidung aus dem Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, die Beschlussempfehlun

gen in den Drucksachen 5/4367 und 5/4368. Die Anträge haben die Drucksachennummern 5/4175 und 5/4180.

Hier ist der Antrag in der entsprechenden Zeit verteilt worden, zwei Werktage, daher genügt die einfache Mehrheit, um diesen Tagesordnungspunkt aufzunehmen. Wer ist für die Aufnahme dieses Tagesordnungspunkts? Ich sehe Zustimmung in allen Fraktionen. Wer ist dagegen? Ich sehe keine Gegenstimmen. Damit ist der Antrag aufgenommen.

Ich rufe auf die Aktuelle Stunde. Alle Fraktionen haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Zeit für das Thema beträgt 30 Minuten. Die Redezeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt. Die Redezeit für einen Redebeitrag eines Abgeordneten beträgt maximal 5 Minuten gemäß § 93 Geschäftsordnung.

Ich rufe auf den ersten Teil

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Gute Arbeit, gerechte Löhne, soziale Sicherheit nicht nur am 1. Mai ein Thema für Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4257

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat der Abgeordnete Lemb von der SPD-Fraktion.

Gute Arbeit, gerechte Löhne, soziale Sicherheit sehr verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Besuchertribüne -, nicht nur am 1. Mai ein Thema für Thüringen, nein, auch Thema der Aktuellen Stunde, weil es nicht nur notwendig ist, auf die Defizite hinzuweisen, sondern weil wir diese auch gemeinsam beseitigen müssen.

Wenn wir Kolleginnen und Kollegen über das Thema „Gute Arbeit, gerechte Löhne, soziale Sicherheit“ reden, dann müssen wir in den Blick nehmen, wie kommen die Leute heute in die Betriebe rein, wie kommen sie durch das Arbeitsleben durch und wie kommen sie hinten bei dem Arbeitsleben, also im Übergang zur Rente, wieder raus? Heißt also, wie und unter welchen Bedingungen steigen junge Menschen heute ins Berufsleben ein, mit welchen Anforderungen sind sie während des Berufslebens konfrontiert und wie gestaltet sich am Ende des Berufslebens der Übergang vom Arbeitsverhältnis in die Rente?

Schauen wir zunächst auf die jungen Menschen. Wir müssen sehen, dass wir heute eine Fachkräfteentwicklung haben, die uns vor neue Herausforde

(Präsidentin Diezel)

rungen stellt. Wir müssen aber auch sehen, dass es einen Übergang von der Schule in den Beruf, also in der ersten Schwelle und auch in der zweiten Schwelle von der Ausbildung in das Arbeitsleben gibt, welche neue Herausforderungen neue Weichenstellungen beinhaltet.

Mit der heute gestarteten, gemeinsam von den Kammern und Verbänden, Arbeitsagenturen und Gewerkschaften getragenen und von unserem Wirtschaftsminister initiierten Kampagne „Thüringen braucht dich“ wird eine Plattform geboten, die das Ziel hat, junge Menschen hier im Land zu halten, attraktive Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten und vor allen Dingen junge Menschen mitzunehmen, die bislang im Rahmen der Ausbildung nicht zum Zuge kamen. Die Unternehmen selbst aber müssen den jungen Leuten auch Perspektiven bieten. Dies gilt, Kolleginnen und Kollegen, für die materielle Entwicklung zu Beginn des Berufslebens, gilt aber auch für die strukturellen Bedingungen im Einstieg in das Berufsleben. Der überwiegende Teil der jungen Leute bekommt eben nach der Ausbildung keine gesicherte berufliche Perspektive im Rahmen eines unbefristeten Normalarbeitsverhältnisses, sondern sie werden entweder befristet übernommen oder wandern ab in die Leiharbeit. Deshalb ist es gut und richtig, dass in einer wichtigen Branche in Thüringen und bundesweit im Moment im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen über die Verbesserung dieser Bedingungen gestritten wird. Die Unternehmen in Thüringen müssen sich aber - da beist die Maus keinen Faden ab - auch zu einer besseren Bezahlung und einer höheren Tarifbindung bekennen.

Die aktuellen Zahlen sind bekannt. Thüringen liegt in der Lohnskala nach wie vor unten. Thüringen hat mit 23 Prozent Tarifbindung bezogen auf die Betriebe und 44 Prozent Tarifbindung bezogen auf die Beschäftigten eine deutlich zu niedrige Tarifbindung.

Nach dem aktuellen DGB-Index Gute Arbeit halten 56 Prozent der Thüringer ihr Einkommen für unangemessen, 84 Prozent sagen, dass sie im Westen für gleiche Leistungen deutlich mehr verdienen würden, und 40 Prozent können gut nachvollziehen, dass man aus Thüringen abwandert. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für die Thüringer Wirtschaft und für die industrielle Entwicklung in unserem Land ein akutes Bedrohungspotenzial. Auch hier müssen die Unternehmen aus eigenem Interesse handeln. Jammern oder Klagen über den Fachkräftemangel allein reicht nicht. Nach der Politik zu rufen, reicht allein nicht. Es gibt auch eine klare Eigenverantwortung mit dem Ziel, die Tarifsituation zu verbessern und zu einer deutlich höheren Tarifbindung zu kommen.

Mit der konzertierten Aktion in Thüringen haben wir auch die politische Plattform dazu. Jedes Unterneh

men weiß, müsste wissen, dass diese Landesregierung, anders als die Vorgängerregierungen, kein Billiglohnland Thüringen will. Bei einigen Unternehmen, das ist erfreulich, fruchtet das auch. So gibt es derzeit die Absichtserklärung einiger junger Unternehmen am Erfurter Kreuz, die Arbeitgeberverbände in Thüringen durch Beitritt zu stärken.

Trotzdem, Kolleginnen und Kollegen, mit diesen Einzelbeispielen wird das Gesamtproblem noch nicht gelöst werden können. Alle wissen, dass wir 34 Prozent der Beschäftigten in Thüringen haben, die unter einem Lohn von 8,50 € arbeiten müssen. Wir müssen also nach wie vor das Thema Mindestlohn vorantreiben und deshalb ist es erfreulich, dass die Bundeskanzlerin gestern erklärt hat, dass sie jetzt endlich den Streit mit der FDP in der Koalition im Bund beseitigen will. Da kann man sie nur unterstützen. Aber ich will darauf hinweisen, es muss zu einem echten gesetzlichen Mindestlohn führen und nicht nur zu einer Lohnuntergrenze, die dafür sorgt, dass nicht von Tarifverträgen erfasste Bereiche angehoben werden. Das allein reicht nicht.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wir brauchen einen verbindlichen Mindestlohn für Thüringen, für die Bundesrepublik und müssen damit einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Lohnsituation für gute Löhne, gerechte Einkommensbedingungen und soziale Sicherheit sorgen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE die Frau Abgeordnete Ina Leukefeld.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gestern waren wir alle unterwegs auf den Straßen und Plätzen zum 1. Mai und ich gehe davon aus, dass viele von uns genau zu dem Thema gesprochen haben, was heute hier die Kollegen der SPD als Aktuelle Stunde eingereicht haben. Richtig, kann man da nur sagen. Ich kann das nur unterstreichen, was hier vom Kollegen Lemb schon gesagt wurde, da gibt es keinen Widerspruch der LINKEN. Lasst uns gemeinsam handeln. Über Missstände, hat der Kollege Lemb gesagt, nicht nur reden, sondern sie beseitigen. Richtig. Das geht nur mit politischen Entscheidungen. Und nur Mut, kann ich sagen, da muss man die Hand heben. Das haben wir gerade erlebt, wie das auch möglich ist.

(Abg. Lemb)

(Beifall DIE LINKE)

Denn, und das habe ich gestern auch in Suhl gesagt auf der Maikundgebung des DGB, wir brauchen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Der Thüringer Wirtschaftsminister hat einen Gesetzentwurf in der Schublade, über den wir hier zumindest nach unserem Antrag auch geredet haben, eine Bundesratsinitiative einzureichen und dafür zu sorgen, dass letztendlich sich tatsächlich Mehrheiten finden, um den auch wirklich einzuführen. Das können wir hier nicht allein in Thüringen, aber die Thüringer können vorangehen und können im Bundesrat das einfordern. Wir hoffen sehr, meine Damen und Herren, dass der Antrag nicht im Wirtschaftsausschuss jetzt versackt und vor sich hindümpelt, sondern dass es uns gelingt,

(Beifall DIE LINKE)

sehr schnell die Kollegen der SPD zu unterstützen und die Thüringer Regierung. Da muss sich die CDU einen Ruck geben, mit dieser Bundesratsinitiative zu agieren.

Zweitens will ich sagen - auch das gehört zu guter Arbeit dazu, gute Löhne, gute Rente, soziale Sicherheit im Alter -, verehrte Kollegen von der SPD, sorgt dafür, dass die Rente mit 67, die Ihr eingeführt habt, wieder abgeschafft wird. Das ist auch dringend notwendig, denn bei dem Lohnniveau, das wir hier in Thüringen haben, führt das zu Armut im Alter, führt das zu Grundsicherung im Alter. Ich möchte ein Beispiel sagen: Eine Verkäuferin - wir kommen ja heute noch zum Ladenöffnungsgesetz -, die ihr Leben lang gearbeitet hat für 1.800 € brutto, wird eine Rente haben von 800 €. Ihre Tochter, die den gleichen Beruf hat und jetzt arbeitet unter den gleichen Bedingungen, wird im Jahr 2033 eine Rente von 660 € haben und da muss sie noch bis 67 arbeiten. Davon kann kein Mensch leben, das muss geändert werden. Das ist auch im Wesentlichen verstanden, das muss jetzt praktiziert werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir über niedrige Löhne in Thüringen reden, dann ist auch schon gesagt worden, dass junge Menschen in besonderer Weise betroffen sind, überdies auch noch Frauen. Die Lohndifferenz zwischen Ost und West beträgt 20 Prozent, zwischen Frauen und Männern 23 Prozent. Da muss sich etwas tun.

(Beifall DIE LINKE)

Tarifoffensive, eine Lohnoffensive hier in Thüringen ist angesagt. Wir unterstützen auch die Initiativen, den gewerkschaftlichen Kampf, gerade auch der IG Metall, um hier ein Stück weiterzukommen. Wir glauben, dass das Tarifangebot der Arbeitgeberseite mit 2,6 Prozent absolut in die falsche Richtung weist.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wenn man sich die Zahlen ansieht mit 2 Prozent gestiegenem Monatsverdienst und einer Inflationsrate von 2,1 Prozent im Vergleich dazu, wird die Lohnsteigerung vollständig aufgefressen. Ich denke auch, man muss aufhören zu jammern über den Tarifabschluss von ver.di, was man da und dort auch hört. Die Arbeit ist es wert, die Menschen brauchen mehr Geld in der Tasche. Letztendlich wird sich das auch in Kaufkraft niederschlagen.

Natürlich heißt das auch, dass die Kommunen über mehr Geld verfügen müssen, um das dann auch entsprechend zu zahlen. Deswegen ist auch eine Umverteilung von Reichtum außerordentlich wichtig.

Letzter Gedanke: Auch in der aktuellen, in der aktiven Arbeitsmarktpolitik muss man nachlegen. Hier gibt es die ersten spürbaren Auswirkungen der Instrumentenreform. Ganz aktuell von heute: Die Aktivierung beruflicher Eingliederung wurde im Vergleich zum Vorjahr um 37,8 Prozent schon abgesenkt und um knapp 80 Prozent bei den Gründungszuschüssen.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit.

Ich habe es gesehen - letzter Satz. Ich glaube, wir haben hier viel zu tun und müssen Nägel mit Köpfen machen, denn Sonntagsreden brauchen wir nicht mehr. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Für die Fraktion der FDP spricht der Abgeordnete Marian Koppe.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der 1. Mai erinnert jährlich an die Haymarket Affäre des Jahr 1886, als die nordamerikanische Arbeiterbewegung damals - sicherlich nicht zu Unrecht - Verbesserungen der Lebensund Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer und Arbeiter einforderte und zum Streik aufrief. In Deutschland wurde der 1. Mai 1919 erstmalig als Feiertag begangen. Dieser wurde im Übrigen einzig und allein mit den Stimmen der SPD, der liberalen DDP unter Rathenau, Naumann und Külz sowie Teilen der Zentrumspartei durchgesetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies soll kein Seminar zur Genesung des Tages der Arbeit sein, sondern wir wollen uns mit der aktuellen Lage befassen. Die aktuelle Lage ist wie folgt: 80 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland

(Abg. Leukefeld)

werden mittelbar und unmittelbar durch Tarifverträge geregelt. Insgesamt gibt es deutschlandweit 70.000 Tarifverträge, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Gehälter und Arbeitsbedingungen in mehr als 300 Wirtschaftszweigen und mehr als 1.100 Tarifbereichen ordnen.

(Beifall FDP)

Weniger als 6 Prozent aller Beschäftigten arbeiten für einen Stundenlohn von unter 7,50 €, wobei auch diese Löhne durch Tarifverträge vereinbart sind und diese niedrigen Stundenlöhne gerade in der Dienstleistungsbranche durch beispielsweise Trinkgeldregelungen abgefedert werden. Die politische Forderung eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns ist aus unserer Sicht zudem kein geeignetes Mittel, um flächendeckend einen Lohn zu zahlen, der für eine gute Arbeit - so Ihr Titel - ein gerechtes Entgelt schafft.

(Beifall FDP)

Denn die Frage ist erstens, was ist eine gute Arbeit und zweitens, was ein gerechtes Entgelt darstellt.