Das Europäische Parlament kann - daran will ich noch mal erinnern - das Abkommen nur annehmen oder ablehnen, nicht aber den Vertragstext inhaltlich verändern. Vor diesem Hintergrund haben sich bereits mehrere Fraktionen des Europäischen Parlaments ablehnend zu ACTA positioniert. Dabei handelt es sich um die Fraktionen der LINKEN, der GRÜNEN, der Sozialdemokraten und der Liberalen.
Ich möchte den vorliegenden Antrag zum Anlass nehmen, nochmals zu bekräftigen, dass die mit ACTA intendierte Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen keinesfalls dazu führen darf, dass bestehendes EU-Recht oder deutsches Recht verletzt
wird. Insbesondere müssen sowohl die Grundrechte als auch die europäischen Standards der Freizügigkeit und des Datenschutzes unangetastet bleiben. Bedenklich ist schließlich auch die vorgesehene Quasi-Privatisierung der Rechtsdurchsetzung im Internet, die die Provider gemeinsam zum verlängerten Arm der Rechteinhaber machen.
ACTA enthält darüber hinaus auch keine hinreichenden Schutzmaßnahmen, die einen wirksamen Rechtsschutz, ein rechtsstaatliches Verfahren, das Prinzip der Unschuldsvermutung sowie die Rechte auf Privatsphäre und Datenschutz durchgängig garantieren. Bestätigen sich diese Bedenken, wird ACTA im Europäischen Parlament keine Zustimmung finden und damit in der vorliegenden Form scheitern. Ich möchte auch anfügen, zu Recht scheitern.
Ich möchte abschließend betonen, dass auch das Scheitern von ACTA letztlich kein befriedigendes Ergebnis wäre. Denn die wissens- und technologiebasierten Volkswirtschaften in Europa sind dringend auf den Schutz des geistigen Eigentums angewiesen, gerade im internationalen Handelsverkehr. Im Interesse der europäischen Industrie, aber auch europäischer Arbeitsplätze reicht es daher nicht, nur gegen ACTA zu sein. Vielmehr bedarf es eines neuen Anlaufs auf globaler Ebene, der die Schwächen von ACTA in Bezug auf die Transparenz des Verfahrens vermeidet und einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und den Grund- und Freiheitsrechten im Internet leistet. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Minister. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wurde aber Ausschussüberweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss beantragt. Wer dieser folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Herr Gentzel? Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Ausschussüberweisung einstimmig bestätigt und ich schließe den Tagesordnungspunkt.
Echte Wahlfreiheit schaffen Betreuungsgeld stoppen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/4356
Ich frage, wünscht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich hiermit die Aussprache.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, die Kinderbetreuung scheint das Land zu spalten. Nur wenige Debatten werden so emotional geführt wie die Diskussion um die Kinderbetreuung. Dazu gehört auch das heutige Thema das Betreuungsgeld.
Die Schärfe und die ideologische Verbissenheit, mit der sie geführt wird, erinnert an das Thema und die Diskussion um das Rauchverbot. Wir haben es heute selbst erlebt, entweder man ist dafür oder dagegen, aus einer politischen Debatte wird unversehens ein Kulturkampf. Regelrechte Totschlagargumente prallen aufeinander, man arbeitet mit Schlagworten und Unterstellungen. So auch der heutige Titel, der von echter Wahlfreiheit spricht, so wie echte Kerle, als gäbe es eine unechte Freiheit. Warum also diese Schärfe? Warum die Zuspitzung? Ich gebe offen zu, ich verstehe es nicht, wie sich das Thema so weit von der sachlichen Debatte entfernen konnte, warum man sich hier hinter Schlagworten verschanzt, um jedem Vorschlag der anderen Seite mit größtmöglichem Misstrauen zu begegnen. Warum wird versucht, unterschiedliche Lebensentwürfe derart gegeneinander auszuspielen? Sind es alte, eigentlich längst verblichene Feindbilder, die im Dauerwahlkampf nun wieder reanimiert werden? Eine einfache Erklärung, warum es zu der Verschärfung gekommen ist, kann ich nicht nennen. Es nähert sich jedoch der Verdacht, dass hier auch Wirtschaftsinteressen dahinterstehen, die von der Suche nach einem neuen, größtmöglichen Arbeitspotenzial geprägt sind. Denn auffallend ist, dass es gerade auch in letzter Zeit zu einer zunehmenden Meinungsverschiebung kam, nämlich nach dem Erscheinen einer Studie des IZA, eines wirtschaftsnahen Instituts zur Zukunft der Arbeit.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, in Thüringen liegen gute Erfahrungen vor, nur keiner will sie kennen. Wir verfügen in Thüringen über eine Evaluierung unseres Betreuungsgeldes von Prof. Opielka aus dem Jahre 2009. Ich denke, darauf kann man auch zurückgreifen. Die Hinweise sind zum Teil auch schon in verschiedenen Gesetzesänderungen umgesetzt. Die Zahlen in Thüringen sprechen für sich. Die Betreuungsquote bei den Jüngsten ist heute in Thüringen höher als noch vor der Einführung unseres Erziehungsgeldes. Trotz des Erziehungsgeldes liegt die Quote der Einbis Zweijährigen bei 54 Prozent, bei den Zwei- bis Dreijährigen werden sogar 84 Prozent in einer Einrichtung betreut. Es wird der Eindruck vermittelt, dass, wenn die restlichen 16 Prozent der Kinder in staatlichen Einrichtungen vor ihren Eltern geschützt wären, wäre die Welt wieder in Ordnung. Aber das
ist es gar nicht, die Menschen sehen das Thema wesentlich nüchterner. Dass die Menschen damit auch pragmatischer umgehen können, als wir das in Schlagzeilen wie „Herdprämie“ dem einen oder anderen unterstellen, merken wir deutlich. Ich denke auch, dass jenseits von politischer Argumentation das Betreuungsgeld bei den Bürgern wesentlich einfacher gesehen wird. Es ist ein individuelles Angebot, man kann sich entscheiden, es gibt dem Einzelnen eine neue Möglichkeit, seinen Lebensentwurf einzurichten, die eigene Familienplanung so zu lösen und zu Hause nicht nur in ideologischen Fakten zu argumentieren. Das Familiengeld ist bei den Bürgern angekommen.
Zurück zu den Fakten: Wie ist die Situation? Es herrschte bereits einmal Konsens in Deutschland. Mehrere Parteien forderten - und ich kann mich noch gut erinnern - vor Jahren die Lohnersatzleistung, die eine einfache Entscheidung ermöglicht das Elterngeld. Es war verbunden mit dem Wunsch, wir brauchen mehr Kinder in Deutschland. Im Jahr 2008 verabschiedete die Große Koalition im Bund eine Änderung zum SGB VIII. In § 16 Abs. 5 heißt es und ich darf zitieren, Frau Präsidentin: „Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden.“ So weit das Zitat. Was ist passiert, warum ist dieser Passus, den man bereits 2008 einführte, heute plötzlich falsch?
Der Bundestag verabschiedete damals mit den Stimmen von CDU und CSU und natürlich auch der SPD das sogenannte Kinderfördergesetz, mit dem die Bundesregierung die Betreuungssituation der Kinder unter drei Jahren deutlich verbessern wollte. Ziel war es, bis 2013 rund 750.000 neue Plätze in Kitas und bei Tagesmüttern zu schaffen, so dass künftig jedes dritte Kleinkind betreut werden kann. Außerdem soll das Gesetz vorsehen, dass auch private Anbieter möglich sind und ein Betreuungsgeld eingeführt werden soll, wie ich bereits zitiert habe. Das Gesetz hat inzwischen das Kabinett verlassen. Den Medien konnte ich entnehmen, dass gestern den Ländern der Entwurf zugegangen sei. Ich will es mal in den Raum stellen, ich weiß es nicht, ob es schon da ist. Das heißt, die Medien sagen es. Nun warten wir ab, was wirklich drinsteht.
Ich möchte aber nun noch mal auf den Antrag selbst zurückkommen. Der Antrag der GRÜNEN fordert, dass die Landesregierung sich einsetzen möge, das Gesetzgebungsverfahren zu stoppen. Meines Wissens handelt es sich bei dem zu erwartenden Gesetz nicht um ein Zustimmungsgesetz, sondern um ein Einspruchsgesetz. Sie wissen, Einspruchsgesetze sind Bundesgesetze, die ohne Zu
stimmung des Bundesrates in Kraft treten können. Der Bundesrat kann nach Einberufung des Vermittlungsausschusses gegen das Gesetz Einspruch erheben. Dies aber kann wieder vom Bundestag überstimmt werden, meine Damen und Herren. Eigentlich geht es bei dem vorliegenden Gesetz nur noch um die Ausgestaltung des von mir vorhin bereits zitierten § 16 Abs. 5, der schon einmal klar ist.
Meine Damen und Herren, ich bleibe bei meiner Auffassung, Wahlfreiheit für Eltern zu ermöglichen. Kinder sind verschieden, darum muss man auch eine unterschiedliche Betreuung nicht nur ermöglichen, sondern diese auch fördern. So steht es auch in Artikel 17 unserer Thüringer Verfassung, wo es heißt: „Wer in häuslicher Gemeinschaft Kinder erzieht oder für andere sorgt, verdient Förderung und Entlastung.“ Die Sicherung der Kinderbetreuung bei einer Tagesmutter oder in einer Kindereinrichtung ist für uns ebenso wichtig wie die finanzielle Unterstützung der Eltern, die ihre Kinder länger als ein Jahr zu Hause betreuen wollen. Unser Anliegen ist es, die verschiedenen Lebensentwürfe nicht gegeneinander auszuspielen, sondern ein Nebeneinander verschiedener Betreuungsformen zu ermöglichen, echte Wahlfreiheit zu schaffen. Familien muss die Freiheit zugestanden werden, ihre eigenen persönlichen Lebensentscheidungen zu treffen.
Das ist übrigens auch Konsens zwischen den Regierungsfraktionen, denn das Landeserziehungsgeld ist in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben.
Meine Damen und Herren, zu den schönsten, aber auch glücklichsten und wichtigsten Erfahrungen für Kinder selbst und auch für die Eltern - da schließe ich mich als Opa mit ein - gehört das Erlernen der Sprache. Täglich ein neues Wort des Kindes, das ist eine Glückserfahrung. Ich sage Ihnen, dass Kinder ein sehr großes Gefühl für Wahrheit und Klarheit haben, selbst die Kleinsten. Darum bitte ich, bleiben Sie auch bei der Sprache, bei der Klarheit, bei der Wahrheit. Ein Ja bleibe ein Ja, ein Nein sei ein Nein. Darum sage ich im Namen meiner Fraktion Nein zu Ihrem Antrag.
Vielen herzlichen Dank, Herr Gumprecht. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Anja Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Fraktion, Klarheit und Wahrheit heißt, echte Wahlfreiheit schaffen, Betreuungsgeld stoppen - so ist das.
Der Grund dafür ist ganz einfach. Thüringen meint, mit seiner Herdprämie einen Exportschlager in die anderen Länder exportieren zu wollen oder einen Exportschlager gefunden zu haben. Dazu sagen wir als GRÜNE entschlossen Nein, weil wir es besser wissen, weil wir es in den neuen Ländern besser wissen, weil wir in der überaus komfortablen Situation sind, dass wir trotz CDU-Familienpolitik und trotz Ihres Beharrungsvermögens, hier das falsche Instrument zu haben, eine gute Kita-Betreuungsstruktur haben, weil es Konsens gibt und gab mit GRÜNEN, SPD und der LINKEN, hier tatsächlich eine gute Infrastruktur zu haben und eben in institutionelle frühkindliche Bildung zu investieren.
Danke schön. Wenn wir das Thüringer Erziehungsgeld morgen abschaffen würden, meine sehr geehrten Damen und Herren, hätte das nicht den geringsten Einfluss auf die Wahlfreiheit. Im Gegenteil, einige Entscheidungen würden sich ändern, aber die Freiheit der Entscheidung nicht. Deswegen stehen wir vor der großen Frage, wie der Freistaat sich entscheidet, ob das Thüringer Erziehungsgeld, das das Land übrigens seit 1998 300 Mio. € gekostet hat, fortzuführen ist oder nicht. Deswegen ist auch die Debatte hier wichtig.
Im Übrigen hat gerade bei der Frage Beharrungsvermögen und Landeserziehungsgeld hier nur eine Fraktion applaudiert, das war die CDU.
Das Betreuungsgeld auf Bundesebene soll also eingeführt werden. Jetzt komme ich zu der Frage, warum es immer wieder Fürsprecher gibt, die meinen, sie hätten das richtige Instrument gefunden. Sie führen in der Regel drei Argumente an. Herr Gumprecht hat das eben auch wieder schön exerziert. Zum einen sagen Sie, damit hätten wir Wahlfreiheit. Zum Zweiten sagen Sie, Wertschätzung der Erziehungsleistung von Eltern und zum Dritten sagen Sie, die Gegenleistung für die Nichtinanspruchnahme des Kitaplatzes muss ja irgendwie honoriert werden. Deswegen setzt sich unser An
trag genau mit diesen aus unserer Sicht falschen Argumenten auseinander. Ich will das hier auch gern tun.
Zum ersten Punkt, der sogenannten Wahlfreiheit: Im Gesetzentwurf Betreuungsgeld auf Bundesebene steht, Zitat: „Mit dem Betreuungsgeldgesetz wird die Wahlfreiheit für junge Eltern durch die Einführung einer neuen finanziellen Leistung vollendet.“ Eltern haben im Osten die Wahl, eine Kita zu nutzen, richtig. Aber wie ist es denn in den alten Ländern? Da gibt es eben nicht genug Kitaplätze. Lassen Sie uns doch auch mal solidarisch sein mit Müttern und Vätern in den alten Ländern, die verzweifelt auf der Suche danach sind, einen Kitaplatz zu finden, die sich im Rückstand befinden. Lassen Sie uns solidarisch sein mit denen, die auch keinen Glauben daran haben, dass das, was Frau Schröder auf Bundesebene sagt, nämlich dass sie bis zum 01.08.2013 130 Krippenplätze geschaffen hat, tatsächlich umgesetzt wird.
Im Übrigen gehen Wissenschaftler davon aus - Ilse Wehrmann gehört dazu, Expertin für frühkindliche Bildung -, dass der Bedarf in den alten Ländern bei über 400.000 Krippenplätzen liegt. Die brauchen das Geld, die brauchen gute Infrastruktur, jeder Euro sollte dafür ausgegeben werden, dass es gute Infrastruktur für frühkindliche Bildung in den alten Ländern gibt.
Stattdessen führen wir Debatten und Sie beharren immer noch darauf, dass das Ehegattensplitting und Steuerfreibeträge auch noch so bleiben sollten. Das Geld wäre da, wenn man es richtig lenkt, könnte man in den alten Ländern richtig was wuppen, allein Sie wollen nicht.
Wir GRÜNEN - zweiter Punkt zum Thema Wertschätzung der Erziehungsleistung von Eltern - sind der festen Überzeugung, dass es eben falsch ist herzugehen und Eltern zu sagen, wenn sie ihr Kind in eine Kita geben, würden sie keine adäquate Erziehungsleistung erbringen. Das ist das, was Sie immer wieder transportieren und was Eltern und Familien verunsichert, was wirklich schräg ist, weil es überhaupt nicht geht. Es passt überhaupt nicht mit dem zusammen, wie ein reales und realistisches Familienbild heute funktioniert. Natürlich wollen Eltern Zeit für ihre Kinder, natürlich wollen Familien Zeit miteinander haben, aber Sie haben immer wieder die falschen Instrumente und nicht im Blick, was den Kindern und den Eltern an der Stelle wirklich gut tut. Da geht es eben nicht darum, Geld in irgendeiner Form in Transferleistungen zu packen, sondern ganz andere Dinge in Augenschein zu nehmen, damit das Miteinander auch gefördert werden kann.
der Gegenleistung für die Nichtinanspruchnahme eines Kitaplatzes. Da steht in der Begründung zum Betreuungsgeldgesetz, Zitat: „Das Betreuungsgeld wird Familien gewährt, die keine öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen und damit keine öffentliche Förderung bei der täglichen Betreuung ihres Kindes erhalten.“ Interessant. Ich würde auch gern Geld bekommen, Sie vielleicht auch für die Nichtnutzung meinethalben des Theaterbesuchs oder einer bestimmten Oper oder wie auch immer.
Diese Logik erschließt sich mir nicht, die erschließt sich mir überhaupt nicht. Dass an dieser Stelle sozusagen ein Ersatz erbracht werden soll, das macht überhaupt keinen Sinn. Stattdessen - jetzt habe ich Ihre drei Argumente hier widerlegt - kommt es auf drei Dinge an. Drei Dinge sind wichtig in der Debatte zur Frage, wie Betreuung gut funktioniert und wie Familien das Miteinander erleichtert werden kann.