Das ist doch auch ein Beweis dafür, dass wir wirklich an diesen Gesamtansatz glauben. Wenn wir jetzt die Frage stellen, was wir uns für ein Gesellschaftsbild wünschen, dann ist doch klar, dass sich jeder einzelne Mensch und jede einzelne Familie frei und selbstständig entscheiden kann, das bedeutet, auch bei dem Aspekt, ob ein junger Vater oder eine junge Mutter zeitnah wieder in den Job hinein soll. Da will ich auch eines sagen: Die Betreuungsgelddebatte hier jetzt wieder aufzuwärmen,
halte ich offen gestanden eher für eine Westdiskussion. In den neuen Bundesländern ist es doch viel selbstverständlicher, dass Frauen schnell arbeiten gehen. Wir haben eine hohe Beschäftigungsquote. Insofern glaube ich einfach, dass das eine ideologische Diskussion ist, die Sie aufwärmen, wo Sie Familie einfach nur funktional sehen, aber meiner Meinung nach nicht mit der Wärme, die eigentlich dahinter steht.
Das will ich in einem letzten Punkt belegen. Herr Bärwolff, Sie und andere setzen sich dafür ein, dass Arbeitnehmer in Deutschland eine 35-Stunden-Woche haben. Bei Kindern nehmen Sie aber selbstverständlich an, dass 40 oder 42 Stunden eine Selbstverständlichkeit sind. Offen gestanden ist das nicht mein Familienbild und deswegen sage ich, Eltern sollen das bitte schön selbstständig entscheiden und der Staat soll eine Unterstützungsstruktur, egal welche Entscheidung sie treffen, geben. Das, finde ich, ist ein ausgewogener Familienmix und dafür stehen wir als Union.
Vielen Dank, Herr Dr. Voigt. Sie hatten Herrn Bärwolff noch die Beantwortung einer Frage versprochen.
Herr Dr. Voigt, Sie hatten ausgeführt, dass Ihnen wichtig ist, dass Sie alle Kinder gleich behandeln wollen und auch gleichmäßig materiell und finanziell fördern wollen. Können Sie mir dann erklären, warum es so eine große Diskrepanz gibt, warum Kinder von arbeitslosen Menschen, also SGB-II-Bezieher ganz explizit, kein Elterngeld und auch kein Kindergeld bekommen - sie bekommen es ja angerechnet - und diejenigen, die hohe Einkommen haben, überhöht Kinderfreibeträge steuerlich geltend machen können? Wie kann denn das passieren?
Zwei Dinge: Das Erste, die Anrechnung findet bei Hartz-IV-Empfängern nach meinem Kenntnisstand in Thüringen nicht statt, Punkt Nummer 1. Punkt Nummer 2, wir können jetzt gern eine steuerrechtliche Debatte führen. Ich habe mich hier schon mehrfach exponiert, was das Thema Steuerrecht angeht. Ich glaube, den Punkt, den ich deutlich machen wollte, den will ich einfach noch mal akzentuieren. Es muss darum gehen, dass wir sagen, jedes Kind ist uns gleich viel wert, egal in welcher Betreu
ungsform es sich entwickeln soll. Ich finde, das ist ein Ansatz, den können auch Sie nicht falsch finden. Weil es natürlich darum geht, dass wir die besten Entwicklungschancen für jedes Kind wollen. Das muss aber bitte schön nicht notwendigerweise bedeuten, dass das in einer Kindertagesstätte stattfindet. Wobei ich auch eines sagen will, ich bin nach sechs Monaten schon in die Kinderkrippe gegangen, wie viele hier vielleicht auch, die sind auch alles keine gefallenen Menschen, aber bitte schön, am Ende ist es doch eine Entscheidung, die die Eltern zu treffen haben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, da ich in unterschiedlicher Weise angesprochen worden bin, will ich mich hier noch einmal kurz zu Wort melden. Als Erstes möchte ich noch einmal daran erinnern, Frau Siegesmund und auch Frau Pelke, das Wort „Herdprämie“ war im Jahr 2007 das Unwort des Jahres mit der Begründung, dass dieses Wort nämlich alle Eltern, die sich aus unterschiedlichen Gründen wie auch immer für eine Erziehung zu Hause entscheiden, beleidigt und diffamiert. Es war damals, das hatte ich jedenfalls beobachtet, sowohl in der Presse als auch überall Konsens, dieses Wort eben nicht mehr zu benutzen, weil es in dieser sprachlichen Verwirrung so eigentlich nicht mehr gebraucht werden sollte. Ich kann nur daran appellieren, dass wir eine solche sprachliche Verwahrlosung an dieser Stelle eigentlich nicht mehr brauchen.
Es ist eine sprachliche Verwahrlosung, Frau Pelke, wenn wir von „Herdprämie“ sprechen, weil es all die Eltern diffamiert, die sich aus welchen Gründen auch immer für eine Erziehung ihrer Kinder zu Hause entscheiden.
Das Zweite, Frau Siegesmund, Sie haben zurückgewiesen, weil ich sagte, es ist eine bundesdeutsche Debatte. Natürlich ist es eine bundesdeutsche Debatte. Die brauchen wir uns doch überhaupt nicht aufdrücken zu lassen. Die Entscheidung, ob Eltern Wahlfreiheit haben, liegt natürlich an einer gut ausgebauten Infrastruktur für Kinder. Aber die haben wir doch in Thüringen. Deswegen stellt sich die Frage für uns doch nicht in dieser Form. Wenn
Nordrhein-Westfalen und andere Länder im Westen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, können Sie das doch wohl kaum Frau Bundesministerin Schröder vorwerfen, dass dort eine solche Infrastruktur nicht vorhanden ist. Dass gerade zufällig Bayern als schwarzes Land zwar noch nicht genug, aber eines der Länder ist, das innerhalb der westdeutschen Länder die beste Infrastruktur für Kinderbetreuung hat, ist auch nicht ganz zufällig. Ich will darauf hinweisen, dass 22 Jahre CDU-Politik in diesem Lande dazu geführt haben, dass wir in Deutschland mit die beste Kinderbetreuungsinfrastruktur haben.
Als Drittes wollte ich noch einmal kurz ansprechen, Frau Pelke, deswegen bin ich vorhin auch etwas laut geworden. Ich bitte da wirklich um Nachsicht. Aber wenn Sie wirklich so ähnlich gesagt haben, ich versuche es noch mal zu zitieren, dieses Betreuungsgeld wäre das Gleiche, als wenn man für Nichtbesuch einer öffentlichen Einrichtung, beispielsweise eines Schwimmbads, Geld bekäme, obwohl man zu Hause einen Swimmingpool benutzt. Da dreht sich mir wirklich der Magen um. Sie wollen doch nicht allen Ernstes die Benutzung eines Swimmingpools zu Hause mit der Erziehungsleistung von Eltern vergleichen. Das ist abartig, Frau Pelke.
Deswegen habe ich auch gern zu Herrn Bärwolff zu sagen, ich habe in der Tat gesagt, wir wollen Erziehungsleistungen honorieren. Wir haben hier wirklich eine Aufgabe in der Gesellschaft. Wir müssen endlich dazu kommen, dass Erwerbsarbeit und Erziehungsarbeit in der gleichen Form wichtig genommen werden. Wenn wir in dieser Gesellschaft Erwerbsarbeit als das einzig Seligmachende hinstellen, werden wir nie erreichen, dass wir unsere demographische Entwicklung in diesem Land wieder in Ordnung bringen. Erziehungsarbeit ist eine Arbeit für die Zukunft, für unser Land und wir dürfen das nicht geringschätzen. Die Wertschätzung von Erziehungsarbeit ist unsere Aufgabe.
(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Aber Er- ziehungs- und Erwerbsarbeit sind doch kein Widerspruch?)
Deswegen, sage ich, wir als Union haben immer die Wahlfreiheit im Blick. Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht die Wahlfreiheit im Blick haben, sondern wollen, es ist das Beste für die Eltern, so schnell wie möglich in Berufstätigkeit zu kommen.
Das wollen wir nicht befördern, wir wollen, dass Eltern die Wahl haben, die Freiheit haben, sich zu entscheiden und damit eigentlich einen wichtigen Baustein für unsere Familien in diesem Land erreichen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Zeh. Das Wort hat jetzt als Nächster Abgeordneter Matthias Bärwolff für die Fraktion DIE LINKE. Es sind noch 2 Minuten und 50 Sekunden Redezeit für DIE LINKE.
Herr Zeh, Herr Voigt, Sie wollen alle Kinder gleich behandeln und Ihnen sind alle Kinder gleich viel wert. Das ist genau das, was mit dem Betreuungsgeld nicht erreicht wird. Mit dem Betreuungsgeld, einer zusätzlichen monetären Leistung, verschärfen Sie die soziale Ungleichheit. Das sagen alle wissenschaftlichen Studien, die sich genau mit so etwas beschäftigen. Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben dazu eine Anhörung gemacht zu den Wirkungsweisen des Landeserziehungsgeldes. Da kam genau das raus. Wenn Sie sich mit Fachliteratur zum demographischen Wandel beschäftigen, kommt genau das dabei raus, hohe monetäre Leistungen, die ausgezahlt werden, steigern die soziale Ungerechtigkeit. Das, was wir brauchen, ist viel mehr soziale Gerechtigkeit und viel mehr Ausgleich, denn uns muss in der Tat jedes Kind gleich viel wert sein, und zwar unabhängig davon,
ob es ein Kind von einem Hartz-IV-Empfänger ist oder ob das ein Kind von einem Landtagsabgeordneten ist oder ob das ein Kind von Herrn Ackermann ist. Das muss uns egal sein.
Der sicherste Weg dafür ist, die viele Kohle, die wir für Familienförderung, für Kinderförderung wirklich teilweise sinnlos ausgeben - ich habe es gesagt, Ehegattensplitting ist so ein Beispiel -, dieses Geld müssen wir in Institutionen stecken. Ich erinnere nur an die Diskussion um die Frage, Regelsätze für Hartz IV. Sie haben nicht einen Euro mehr für den Regelsatz für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern eingeplant, nicht einen einzigen Euro. Stattdessen haben wir jetzt ein Bildungspaket, was keiner braucht und was auch nicht zu den Kindern kommt. Damit haben sie doch nichts gekonnt.
Wenn Sie sich sonst - übrigens, das finde ich auch witzig, Herr Zeh - bei jedem Kram hier hinstellen und erzählen, wie toll Ihre Aufbauleistung in den 20 Jahren war. Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, wie gut Ihre Kita-Landschaft ist. Dann möch
te ich Sie doch bitte mal daran erinnern, wer die Kita-Landschaft hier vor über 20 Jahren überhaupt installiert hat. Das ist nämlich auch ein Fundament, auf dem Sie hier aufbauen können. Ich denke, dass man das nicht außer Acht lassen sollte.
(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Das war vollkommen in die Hose, das mit heute zu vergleichen.)
Wenn es noch mal um die bundespolitische Diskussion ging. Die CDU im Deutschen Bundestag ist diejenige Fraktion, die seit Jahren eine Diskussion beispielsweise um die Kindergrundsicherung konsequent hintertreibt und konsequent verhindert. Das wäre ein Modell, wo wir soziale Gleichheit oder soziale Gerechtigkeit gemeinsam mit der Förderung von institutionellen Angeboten für Kinder und Jugendliche verbinden könnten. Alle Kinder, unabhängig vom sozialen Hintergrund, bekommen einen Geldbetrag X, der für ihre lebensnotwendigen Dinge ausgezahlt werden soll, und das restliche Geld soll in die Institutionen gehen. Die AWO ist dafür, UNICEF ist dafür, das Deutsche Kinderhilfswerk ist dafür, DIE LINKE ist dafür, die SPD ist dafür; die Einzigen, die vehement dagegen sind, das sind die Kirchen und die CDU, das ist doch merkwürdig.
Übrigens, sollten Sie noch einmal Interesse haben an der Frage der nachhaltigen Familienentwicklung und nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung - ich hatte es beim letzten Plenum schon einmal angesprochen -, die Fachhochschule und die Uni machen eine sehr schöne Vorlesungsreihe. Ich denke, in zwei Wochen am Dienstag im Rathaus Erfurt um 18.15 Uhr geht es los.
Prof. Frigga Haug stellt dort ihr Buch „Die Vier-in-einem-Perspektive“ vor, eine Frage der feministischen Familienpolitik.
Vielen Dank, Herr Bärwolff. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Birgit Pelke für die SPD-Fraktion. Da gibt es noch 6:20 Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin, vielen Dank, aber so viel Zeit wollte ich Herrn Dr. Zeh dann doch nicht opfern. Ich muss aber noch mal ein paar Sachen sagen. Wissen Sie, das ist eine Art des Umgangs miteinander, die ich nicht nachvollziehen kann. Sie diskutieren wirklich ideologisch. Solche Begrifflichkeiten, Herr Dr. Zeh, wie „abartig“ und „sprachliche Verwahrlosung“ mir gegenüber, das finde ich nicht in Ordnung.