Protokoll der Sitzung vom 01.06.2012

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Besucher, ich will vorab sagen, DIE LINKE hat kein Feindbild in der Bundeswehr, sondern ein höchst kritisches Verhältnis zur Bundeswehr.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Zweiten geht es in dieser Debatte doch nicht zuerst darum, ob es einen Beutelsbacher Konsens gibt, ob es juristische Regelungen gibt, sondern es geht um ein politisches Bekenntnis des Thüringer Landtags zu gewaltfreier und demokratischer Erziehung an Thüringer Schulen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich muss sagen, mich wundert in dieser Debatte nicht, dass einzig DIE LINKE die Auffassung vertritt, dass Bundeswehr an den Schulen überhaupt nichts zu suchen hat, immerhin sitzen hier vier Fraktionen, die im Bundestag immer Kriege mit deutschen Soldaten befürwortet haben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will noch mal meine Kollegin Katharina König in ihrer Auffassung und in der Position der Fraktion bekräftigen. Wissen Sie eigentlich, dass die Jugendoffiziere der Bundeswehr sich natürlich auch an die Vorschriften der Bundeswehr zu halten haben, die da heißen, natürlich nur die öffentlichen Meinungen und Auffassungen der Bundeswehr und ihrer Organisation zu vertreten? Da frage ich mich, an welchem Punkt Jugendoffiziere der Bundeswehr Neutralität an Thüringer Schulen wahren sollen. Die Bundeswehr ist eine Institution der Bundesrepublik und vertritt natürlich nach innen und nach außen die offizielle und herrschende Regierungspolitik; nichts anderes ist die Bundeswehr und nichts anderes tun Jugendoffiziere an Thüringer Schulen.

(Abg. Barth)

Wenn man sich anschaut - und meine Kollegin Katharina König hat das mal benannt -, wer geht denn eigentlich zur Bundeswehr? Es sind diejenigen, die keine berufliche Perspektive haben.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Eine Frech- heit ist das gegenüber allen Soldaten.)

Es sind diejenigen, die existenziell Schwierigkeiten haben, und nicht umsonst benennt die Bundeswehr selbst im Zuge der Wehrpflicht - lesen Sie einfach die entsprechenden Papiere -, die Bundeswehr selbst möchte im Zuge der aufgehobenen Wehrpflicht

(Unruhe SPD)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Jeder, der in seiner Familie einen Soldaten hat, müsste jetzt aufschreien.)

und jetzt zitiere ich - „im gering qualifizierten Segment nach Bewerberinnen und Bewerbern für die Bundeswehr“ suchen. Ich finde, an dem Punkt spiegeln sich doch einmal deutlich gesellschaftliche Realitäten in diesem Land.

Thüringer Schulen haben den Auftrag, demokratisch und gewaltfrei zu erziehen. Da frage ich mich natürlich, wie eine militärische Institution, wie das die Bundeswehr ist, die, wie Bundespräsident Köhler, wir erinnern uns alle daran, richtigerweise gesagt hat, Wirtschaftswege in aller Welt für Deutschland sichert, die unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt, die Tanklaster in Afghanistan zerbombt und damit Hunderte Tote fordert, wie diese für Gewaltfreiheit an Thüringer Schulen stehen kann. Ich frage mich, wie eine Organisation wie der Verfassungsschutz, der mit geheimdienstlichen Mitteln arbeitet, der falsche und völlig nicht akzeptable Informationen auch über Neonazis verbreitet, an Thüringer Schulen politische Bildung machen kann.

(Beifall Abg. Bärwolff, DIE LINKE)

Und wer hier von demokratischer Kontrolle des Verfassungsschutzes spricht, da kann ich nur sagen, schauen wir uns das letzte halbe Jahr an, das ist ja wohl ein Witz.

(Beifall DIE LINKE)

Demokratie erkämpft man nicht mit Krieg und Militär und ich habe keine Lust, Kinder, Schülerinnen und Schüler, Jugendliche in der Schule vors Korn einer militärischen Organisation zu setzen. Sie können sich dem nicht entziehen und da, muss ich sagen, muss das politische Bekenntnis auch von einer Landesregierung erfolgen, dass Bundeswehr und Verfassungsschutz an Thüringer Schulen nichts zu suchen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Fiedler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man das hört, Frau Hennig, was Sie hier gerade gesagt haben, kann man nicht einfach sitzen bleiben. Ich will Sie daran erinnern, dass in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Regierung entscheidet, wo die Bundeswehr hingeht, sondern das Parlament, und das ist der Deutsche Bundestag

(Beifall CDU, FDP)

und niemand anderes. Dass Ihre Fraktion dort nicht zustimmt, ist Ihr gutes Recht, aber noch immer entscheidet der Deutsche Bundestag, wie im Interesse der Bundesrepublik Deutschland hier gehandelt wird. Und dass es Fehler gegeben hat, Sie haben Afghanistan angesprochen mit dem verheerenden Tanklastzug und dass danach auch Konsequenzen erfolgt sind.

(Unruhe DIE LINKE)

Da sind Konsequenzen erfolgt, in denen die Leute zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Fehler begangen haben.

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Die sind doch nicht tot.)

Aber deswegen ist doch das ganze System nicht verkehrt und steht nicht etwa auf dem Boden des Grundgesetzes. Genauso haben Sie jetzt immer wieder den Verfassungsschutz ins Spiel gebracht. Wenn Einzelne Fehler begehen, dann müssen die abgestellt werden, aber nichtsdestotrotz stehen sie auf dem Boden des Grundgesetzes und der Verfassung und das auch in Thüringen. Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden könnte. Deswegen sind wir ja gerade in der Diskussion, wo wir entsprechende Gesetze und Kontrollmöglichkeiten verbessern wollen und müssen. Es stellt sich doch niemand her und sagt, es ist alles wunderbar und es läuft alles, sondern ganz kritisch setzen wir uns damit auseinander und sagen, da, wo Fehler begangen werden, werden sie aufgedeckt und es wird abgestellt. Das ist doch das Entscheidende, es gibt eine parlamentarische Kontrolle.

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Wel- cher Fehler ist denn abgestellt? Nennen Sie mir einen!)

Ach, Frau Hennig, ich will Ihnen nur sagen, Sie haben doch mitbekommen, es gibt die Schäfer-Kommission, es gibt die Diskussion, die wir hier schon geführt haben, es wird weitere Diskussionen dazu geben und es wird auch noch andere Dinge dazu geben, ob Ihnen das passt oder nicht. Ich will nur

(Abg. Hennig)

einfach darauf hinweisen, es gibt noch die Kontrolle des Verfassungsschutzes durch dieses Hohe Haus. Und da kann man sich nicht hier herstellen und sagen, es gibt keine Kontrolle. Wo sind wir denn nur eigentlich? Sie können sich doch nicht einfach so herstellen. Deswegen sage ich Ihnen, wenn es Fehler gibt, werden die aufgedeckt. Ich bin dem Minister ausdrücklich dankbar, dass er das gesagt hat, dass die Bundeswehr und der Verfassungsschutz auf dem Boden der Verfassung stehen, unter den Gesetzen stehen. Da wird entsprechend danach gehandelt.

(Beifall FDP)

Die Schulkonferenzen entscheiden das vor Ort. Wir sind hier nicht in einem zentralistisch geleiteten Staat, wo Margot Honecker was vorgibt und die anderen müssen unten folgen, sondern es ist die Mitverantwortung unserer Leute vor Ort gefragt. Das sind natürlich in erster Linie auch die Eltern, die mit zu fragen und einzubeziehen sind, das sind die Schüler und das sind die Lehrer. Da gibt nicht der Minister Matschie oder der Staatssekretär vor, wo es langgeht. Das ist doch nun mal die Freiheit, die wir haben. Wir sollten nicht alles immer wieder auf so eine Ebene bringen, als ob da alles schlecht ist. Wenn wir den Verfassungsschutz nicht hätten, wenn Hass-CDs und Ähnliches...

Herr Abgeordneter Fiedler, ich wollte Sie an irgendeiner Stelle mal unterbrechen, jetzt habe ich es geschafft. Frau Abgeordnete König möchte nämlich eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Bitte, Frau König.

Danke schön. Danke auch, Herr Fiedler. Ich möchte mich auf Ihre Äußerung bezüglich des - Sie nennen es - Unglücks beziehen mit der Bundeswehr. Vielleicht für diejenigen, die sich nicht daran erinnern, zwei Tankwagen...

Ich weiß es. Mir wollen Sie doch eine Frage stellen, mir.

Sie sagen, das war ein Unglück. Ich würde gern von Ihnen wissen, ob Sie sich erinnern, dass im Anschluss an das von Ihnen so bezeichnete Unglück

in dem Bundeswehrlager, das unter anderem dort mit zuständig war, T-Shirts auftauchten mit dem Aufdruck über zwei aufeinander zufahrenden Lastwagen „Du sollst nicht stehlen“, welche zumindest von Teilen auch Ihrer damaligen Bundestagsfraktion als zynische Reaktion in Konsequenz dieses von Ihnen so benannten Unglücks eingeordnet wurden?

Ich weiß nicht, Frau Kollegin König, wie Sie die Verbindung herstellen wollen. Wenn irgendwo Fehler passieren, das habe ich versucht deutlich zu machen, wird dem nachgegangen von den zuständigen Stellen und nichts anderes. Wir haben auch schon leider Gottes in der Bundeswehr erleben müssen - obwohl es sonst dort hervorragend zugeht und ich und meine Fraktion stehen zur Bundeswehr -, da sind auch dort in der Ausbildung Fehler gemacht worden, die sind geahndet worden und die Leute sind zur Verantwortung gezogen worden. Genauso ist es in den Camps, die außerhalb von Deutschland sind. Wenn dort Fehler passieren, werden sie durch die zuständigen Verantwortlichen aufgedeckt. Das ist gut so und richtig so. Deswegen gibt es auch die parlamentarische Kontrolle. Deswegen gibt es auch vom Bundestag die entsprechenden Verantwortlichen, die für die Bundeswehr parlamentarisch zuständig sind, wo sich alle hinwenden können. Wir haben doch die Demokratie, Gott sei Dank haben wir die. Da kann man nicht immer nur einseitig was herauspacken.

Deswegen, Herr Minister, ich denke, wie Sie es gesagt haben, das ist der vollkommen richtige Weg. Und wenn es Fehler in irgendeiner Form gibt, ich wollte nur sagen, da haben Sie mich gerade unterbrochen, wenn wir teilweise den Verfassungsschutz nicht hätten, wenn die Hass-CDs, die an den Schulen verbreitet werden, dass das über den Verfassungsschutz aufgedeckt wird und wir das verhindern können, das ist doch eine gute Arbeit, die sie leisten. Da sollten wir ihnen nicht irgendwas ans Zeug flicken.

Es gibt eine weitere Redemeldung seitens der Abgeordneten Hennig von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Fiedler, vielleicht ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wenn der Verfassungsschutz einen Fehler macht oder wenn die Bundeswehr einen Fehler macht, ist es in der Regel damit verbunden, dass Hunderte oder auch nur ein Mensch sein Leben verliert. In der Bauverwaltung wird eine falsche Entscheidung getroffen und ein Haus kann nicht gebaut werden, da geht es um Menschenleben, da geht es um Zukunftsperspekti

(Abg. Fiedler)

ven, da geht es um Perspektiven ganzer Länder. Genau das ist der Punkt, wo DIE LINKE ihre Kritik auch an der Bundeswehr immer und immer wieder anbringen wird und es nicht verstehen kann, wie vier deutsche Parteien im Bundestag immer wieder Auslandseinsätzen zustimmen können.

(Unruhe CDU)

Und Konsequenzen ziehen heißt doch nicht, wie im Fall NSU, dass ein LKA-Ermittler versetzt wird. Das ist die einzige Konsequenz, die ich bisher kenne, außer dass es einen Bericht gibt.

(Unruhe CDU)

Ich habe nicht gesagt, es gibt keine Kontrolle des Verfassungsschutzes, ich habe gesagt, die Kontrolle ist ein Witz. Und Sie wissen selbst als PKK-Mitglied, was Sie alles nicht wussten. Weil der Verfassungsschutz in Thüringen versagt hat, haben wir zehn Morde. Jetzt kann man noch mal darüber nachdenken, was eine Versetzung des LKA-Ermittlers gegen zehn Tote ist.