Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP)

Danke schön. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch ich möchte mich bei der SPD bedanken, dass sie dieses Thema heute hier gesetzt hat, ein Thema, das uns - Wolfgang Lemb sagte es bereits - zum zehnten Mal beschäftigt. Immerhin ist es das zehnte Hassfestival, zu dem Neonazis aus ganz Deutschland nach Gera eingeladen sind. Ich habe schon vor einigen Wochen eine Kleine Anfrage gestellt, in der ich dargelegt habe, was auf dieser Veranstaltung in diesem Jahr geplant ist. Ich bin gespannt auf die Beantwortung durch die Landesregierung, wie sie diejenigen, die dort auftreten, be

wertet und wie sie deren Agieren in Gera sieht. Meine Vorredner haben völlig recht mit dem, was Sie hier sagen, wenn es heißt, man kann eine rechtsextreme Gesinnung mitnichten verbieten. Das ist wahr. Wir brauchen Aufklärung, wir brauchen Prävention und vor allen Dingen brauchen wir eine Stärkung der Demokratie und der zivilgesellschaftlichen Kräfte, die sich seit vielen Jahren und immer und immer wieder im wahrsten Sinne des Wortes den Nazis widersetzen. Das ist ganz entscheidend.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen gerade junge Menschen für die Demokratie begeistern, wir müssen sie dazu einladen, sich für demokratische Werte zu engagieren, und das heißt auch, nicht zu schweigen, wenn Nazis zu derartigen Veranstaltungen einladen und dafür mobil machen. Das meiste ist hier schon gesagt worden. Herr Kellner, ich freue mich sehr darauf, dass auch Sie beispielhaft beim Protest mit vor Ort sein werden, denn so eine Veranstaltung, da sind wir uns völlig einig, darf es nicht geben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich auch, wir müssen natürlich alle Möglichkeiten nutzen, diese Veranstaltung zuerst zu verbieten. Denn sie ist nichts anderes als menschenverachtend. Sie will Menschen für die rechtsextreme Szene gewinnen, für ihre Ideologie ködern. Eine Gruppe aus Brandenburg hat es sehr treffend auf Postkarten formuliert - diese Grußpressung ist dankenswerterweise verboten worden - „Wir sind keine Demokraten. Na und?“ Wir alle wissen, dort versammeln sich keine Demokraten unter dem Deckmäntelchen der NPD, sondern dort versammeln sich genau die, die die Demokratie abschaffen wollen. Das können und dürfen wir niemals zulassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Aufruf für die Gegenaktivitäten zum zehnten „Rock für Deutschland“ ist überschrieben mit „Gera - aufwachen, aufstehen“. Ich sage nicht nur „Gera - aufwachen, aufstehen“, sondern „Thüringen - aufwachen, aufstehen“. Wir brauchen die Solidarität aller, sowohl der Nachbarinnen und Nachbarn, wir brauchen aber auch den sogenannten Aufstand der Zuständigen. In diesem Sinne schließe ich mich den Aufrufen des Bündnisses an, dass wir geschlossen, und zwar alle, als Demokratinnen und Demokraten, selbstverständlich Gesicht zeigen sollten, dass wir aber auch keine Kriminalisierung des Protestes gegen das „Rock für Deutschland“ zulassen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Hitzing)

wie es in den letzten Jahren leider immer wieder an der Tagesordnung gewesen ist. Wir alle wissen, dort treffen sich sogenannte Hardcore-Nazis, die ganz unverblümt zum Hass und zu Gewalt aufrufen, wie es auch der Film „Blut muss fließen“ - Wolfgang Lemb hat ihn erwähnt - sehr deutlich eingefangen hat, die es überhaupt nicht verstecken, was sie meinen. Sie rufen nämlich auf zu Hass, sie rufen auf zu Mord, sie rufen auf zu Totschlag und sie rufen dazu auf, diese demokratische Gesellschaft zu überwinden. Besonders exemplarisch zeigt sich das in diesem Spruch, der auch schon genannt wurde, dass wir eines Tages froh sein werden, wenn sie nicht nur Musik machen. Bezeichnend ist im Übrigen auch in der Einladung der NPD der Vermerk, dass die ersten tausend Besucher eine FreiCD mit Liedern von „Wege des Schicksals“, „Fight tonight“, „Exzess“, „Projekt Vril“ und „Frontalkraft“ erhalten werden. Auch das sind alles Bands, die schon in diversen Verfassungsschutzberichten auftauchen. Wir dürfen nicht so tun, als ob es sich dort um eine politische Veranstaltung wie jede andere handeln würde, sondern dort treffen sich die, die unsere Demokratie überwinden wollen. Wir werden uns widersetzen, und zwar immer und immer wieder.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür braucht die Stadt Gera auch die Unterstützung des Landes, damit sie weiß, sie hat die Rückendeckung, alles dafür zu tun, dieses Nazi-Festival überhaupt nicht erst zuzulassen. Dafür sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, um ein Verbot zu erreichen für dieses Nazispektakel, bei dem es um nichts anderes als um Aufstachelung und auch um antidemokratische Einstellungen geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam Zeichen setzen und lassen Sie uns vor allem denen danken, die sich seit zehn Jahren jedes Jahr immer und immer widersetzen und Ihnen den Rücken stärken. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Das Wort hat der Innenminister. Bitte schön, Herr Geibert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit Schreiben vom 5. August 2011 meldete der NPD-Kreisverband Gera, vertreten durch den Kreisvorsitzenden Gordon Richter, für mehrere Termine im Jahr 2012 das zehnte „Rock für Deutschland“ mit

Rede- und Musikbeiträgen sowie diversen Informationsständen an. Diese Anmeldung wurde am 25. Januar 2012 durch den NPD-Kreisverband nochmals präzisiert und um einen Aufzug durch das Stadtgebiet Gera erweitert. Die Veranstalter erwarten nach eigenen Angaben 800 bis 1.200 Teilnehmer. Als Veranstaltungsort wurde wiederum die sogenannte Spielwiese in Gera angegeben. Im Rahmen der durchgeführten Kooperationsgespräche hat die Stadt Gera als zuständige Versammlungsbehörde mit dem Anmelder den 7. Juli 2012 als Veranstaltungstermin vereinbart. Aufgrund der Änderung der Grünanlagensatzung wurde als Veranstaltungsort statt der Spielwiese der Bahnhofsvorplatz festgelegt. Als Reaktion auf die NPD-Veranstaltung liegen gegenwärtig sechs Anmeldungen für Kundgebungen und einen Aufzug von demokratischen Parteien und Organisationen vor, welche ihren Protest hiermit zum Ausdruck bringen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Stadt Gera diese Veranstaltung der NPD als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes bewertet. Da die Rechtsordnung das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ohne inhaltliche Bewertung des Anliegens der Demonstranten schützt, genießen - so schwer erträglich dies im Einzelfall auch erscheinen mag selbst rechtsextremistische Versammlungen grundsätzlich den Schutz des Artikels 8 Grundgesetz und des Artikels 10 der Verfassung des Freistaats Thüringen. Dieses Recht auf Versammlungsfreiheit darf aber nicht für rechtswidrige oder gar strafbare Handlungen missbraucht werden. Deshalb beabsichtigt die Stadt Gera wie auch in den vergangenen Jahren, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem Anmelder einen Auflagenbescheid zu erteilen. Es entspricht ständiger Praxis, dass neben den üblichen baurechtlichen, gewerberechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Auflagen weitere versammlungsrechtliche Auflagen erteilt werden, wie etwa Einschränkung der Kundgebungsmittel, Untersagung von Liedtexten und Reden mit strafbarem, rassistischem und volksverhetzendem Inhalt sowie das Tragen von uniformähnlicher Kleidung, Anordnung eines Alkoholverbots und Ausschluss alkoholisierter Versammlungsteilnehmer, Einsatz von Ordnern, die vorab auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Beschränkungen rechtsextremistischer Versammlungen und Veranstaltungen sind das eine, sie bilden aber nur die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Behörde ab. In der Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Gedankengut sind darüber hinaus aber auch Gesellschaft und Politik gefordert. Die Thüringer Landesregierung tritt ebenso wie alle im Thüringer Landtag vertretenen Parteien für ein tolerantes, weltoffenes und demokrati

(Abg. Rothe-Beinlich)

sches Thüringen ein. Wir lehnen das von rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen getragene rassistische, antisemitische, geschichtsverfälschende und autoritär orientierte Weltbild entschieden ab. Aus diesem Grund begrüßt die Thüringer Landesregierung das zivilgesellschaftliche Engagement gegen die menschenverachtenden Positionen des Rechtsextremismus und unterstützt die von einem breiten demokratischen Bündnis getragene Initiative gegen das diesjährige „Rock für Deutschland“. Ich hoffe ebenso wie Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, dass sich am 7. Juli in Gera neben Ihnen und mir

(Beifall Abg. Metz, SPD)

viele Menschen den Rechtsextremisten friedlich entgegenstellen und damit ein deutliches Zeichen auch über die Landesgrenze hinaus für Demokratie, Meinungsvielfalt und Völkerverständigung sowie gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz setzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit schließe ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf den zweiten Teil der Aktuellen Stunde

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „‚Meine Daten gehören mir!’ - Sind die Daten Thüringer Bürger in sozialen Netzwerken noch sicher?“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4555

Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat das Wort der Abgeordnete Bergner aus der FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Aktuelle Stunde eingebracht, da uns das Thema Datenschutz bzw. Recht auf informationelle Selbstbestimmung ganz besonders am Herzen liegt. Die Nachrichten über das Vorhaben der SCHUFA, Daten aus sozialen Netzwerken zu nutzen, um die Kreditwürdigkeit zu beurteilen, haben medial in der Öffentlichkeit, aber auch in der Politik zu Unverständnis und Entsetzen geführt. Nicht nur der öffentliche Aufschrei, meine Damen und Herren, hat uns gezeigt, wie wichtig die erneute Debatte dieses Themas ist.

Meine Damen und Herren, wir haben den Titel „’Meine Daten gehören mir!’ …“ gewählt, da die Aussage nach meinem Verständnis vor allem zwei Zielrichtungen hat. Zum einen bedeutet es, dass ich meine Daten jedem frei zur Verfügung stellen kann und darf, wenn ich es will. Zum anderen bedeutet es aber auch, dass kein Dritter, egal auf welche Art und Weise auch immer, auf meine privaten Daten zugreifen darf, wenn ich es eben nicht will, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Die Politik schafft die Rahmenbedingungen, in denen die Bürger sich frei entfalten sollen und bewegen können. Dies gilt auch und gerade beim Datenschutz. Der Staat soll nicht bis ins letzte Detail bestimmen, was der mündige Bürger darf und was nicht. Das ist das Motto von uns Liberalen und dort grenzen wir uns auch ausdrücklich von anderen politischen Richtungen ab, die vorschreiben, diktieren und anderen ihre vermeintliche Lebensweisheit aufzwingen wollen.

(Beifall FDP)

Der Staat ist aber nicht dafür da, jegliche Fürsorgepflicht zu übernehmen. Er kann jedoch eines machen, er kann aufklären, die Bürger darauf hinweisen und aufmerksam machen, und genau das, meine Damen und Herren, will ich heute mit dieser Aktuellen Stunde erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, auch wenn jetzt der Vertrag zwischen SCHUFA und dem Forschungsinstitut aufgelöst worden ist und der erste Aufschrei sich wieder gelegt hat, es glaubt doch niemand wirklich, dass das Interesse an Ihren Daten, an unseren Daten, an unser aller Daten gesunken ist; natürlich nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Nicht nur, aber auch private Unternehmen werden weiterhin versuchen - egal für welche Zwecke, sei es für Werbung, sei es, um Arbeitnehmer zu überwachen oder, oder, oder -, auf möglichst viele Daten zurückzugreifen. Aber es gibt einen Bereich, der geht niemanden etwas an, und das sind die privaten Daten jedes Einzelnen. Solange man private Daten nicht freiwillig, öffentlich oder durch Einwilligung jemandem zur Verfügung stellt, müssen sie vor dem Zugriff von Dritten geschützt werden.

Es zeigt sich, meine Damen und Herren, dass wir ein deutlich intensiveres Bewusstsein in dieser Richtung auch in der Wirtschaft brauchen. Ich will heute einmal bewusst provozieren und warnen und will eines klar und deutlich sagen: Derjenige, der seine Daten freiwillig öffentlich, ohne Einschränkungen in soziale Netzwerke oder sonst wohin ins Internet stellt, der legt den Grundstein dafür, dass diese Daten auch missbraucht werden können. Die

(Minister Geibert)

Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes lassen es teilweise zu. Dies muss uns allen bewusst sein, da nimmt uns niemand unsere eigene Verantwortung ab.

(Beifall FDP)

Der Titel der Aktuellen Stunde enthält auch eine Frage, die ich versuchen will, zu beantworten. Die Frage lautet: Was brauchen wir in Thüringen, damit in Zukunft die privaten Daten sicher sind? Hier gibt es für mich eine Antwort, die alle Akteure einschließt, Politik, Unternehmen und Bürger. Wir brauchen Bürger, die verantwortungsbewusst mit ihren Daten umgehen. Wir brauchen ein modernes Datenschutzrecht, welches der technischen Entwicklung und der immer stärkeren Digitalisierung aller Lebensbereiche, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen ist und die den Unternehmen und Behörden Grenzen aufzeigt. Wir brauchen einen Freistaat, der sich mit dem Thüringer Datenschutzbeauftragten ebenfalls seiner Verantwortung bewusst ist.

Der Thüringer Datenschutzbeauftragte, meine Damen und Herren, hat die Kontrolle über die öffentlichen Stellen und seit gut einem halben Jahr über die nichtöffentlichen Stellen. Er hat am 8. Juni 2012 seinen Tätigkeitsbericht vorgestellt und ich will Ihnen eines sagen: Die Aussage, dass Thüringen bei der Aufsicht im privaten Bereich nahe null anfängt, ist auch für uns in diesem Haus beschämend, denn dieser Verantwortungsbereich unterliegt eben der Politik.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, ich will mit Blick auf die Uhr das Thema an dieser Stelle auf sich beruhen lassen, komme zum Ende und fasse zusammen: Wir brauchen eine Stärkung des privaten Datenschutzes. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung für Datenschutz und wir brauchen vor allem auch eine Stärkung des Bewusstseins in der Wirtschaft. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Schröter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, das Gedächtnis kann, das Internet kann es nicht: Vergessen. Es klingt paradox, aber eine der größten Leistungen unseres Gehirns ist, dass Dinge auch vergesslich sind. Genau diese Eigenschaft des Vergessens unterscheidet unser Hirn vom Internet und damit den sozialen Netzwerken, denn im Gegensatz zu unserem Gehirn merkt sich das Internet - unser digitales Gedächtnis - alles.