Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

Dazu wollen wir Aussagen hören. Die Krönung des Ganzen war dann wohl die Erkenntnis des Untersuchungsausschusses, dass einer der zentralen Zeugen selbst in dieser Kommission tätig ist und dort auch noch die Funktion ausübt, mit anderen Zeugen ins Gespräch zu kommen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Un- glaublich.)

Da steht der Verdacht der Zeugenbeeinflussung im Raum

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und wenigstens hätten Sie hier, wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, diesen Verdacht an vielen Stellen dezidiert widerlegen müssen. Aber Sie haben zu diesem Thema „AG Kommission“ lieber gar kein Wort verschwendet.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das war die „Operation Schmierenkomödie“.)

Ich finde es - und das ist ein generelles Problem nicht akzeptabel, wie mit Beamten umgegangen wird, die Kritik äußern oder zum Untersuchungsausschuss

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

oder den Ermittlungsbehörden als Zeugen geladen werden. Sie verletzten mit dieser AG Kommission nicht nur die Prinzipien der Transparenz, der Gewaltenteilung; was viel schwerer wiegt, Sie verletzten die Rechte ihrer Beamten, frei von Druck und Überwachung Parlament und Ermittlungsorgane nach bestem Wissen und Gewissen zu informieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich stehe auch hier, weil ich etwas anderes wissen möchte. Warum werden wesentliche Aktenvorlagen, die vom Untersuchungsausschuss in Aktenvorlage- und Beweisanträgen schon im Februar be

schlossen wurden, bis heute nicht erfüllt? Da hatte die Schäfer-Kommission schon im letzten Jahr Unterlagen bekommen, zum Beispiel die Organigramme des LKA - Herr Adams nickt, er weiß, worüber ich rede - und auch auf diese Unterlagen wartete der Untersuchungsausschuss entweder sechs Monate oder wartet noch bis heute. Wenn die SchäferKommission diese Unterlagen bekommen kann, warum kann der Untersuchungsausschuss sie nicht bekommen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und dann stimmt es nicht, Herr Geibert, wenn Sie hier sagen, wir werden weiterhin alles Erforderliche tun, um die Arbeit der Ausschüsse und Institutionen effektiv zu unterstützen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Verhöhnung.)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist eine Verhöhnung, genau. Auf jeden Fall fühlen wir uns so. Das Gefühl müssen Sie uns zugestehen. Wenn das tatsächlich Ihr Wille ist und vielleicht ist das auch Ihr Wille - ich kann Ihnen den nicht absprechen und ich will Ihnen den nicht absprechen -, dann tun Sie etwas gegen die Bremser und Bedenkenträger in Ihren Behörden, die dafür Verantwortung tragen, dass der Untersuchungsausschuss die Akten nicht bekommt und nicht vollständig bekommt. Tun Sie etwas, Herr Geibert!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es kann auch nicht angehen, dass jetzt der Untersuchungsausschuss die Akten der Schäfer-Kommission bekommt und dort Leerzettel eingeheftet sind. Akten, die der Schäfer-Kommission für ihre Arbeit zur Verfügung standen, bekommt der Untersuchungsausschuss nicht. 60 Seiten sind entnommen worden und ein Leerblatt ist eingeheftet.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit welchem Recht?)

Mit welchem Recht machen Sie so etwas? Wieso werden Schäfer-Kommission und Untersuchungsausschuss, wieso werden Exekutive und Legislative so unterschiedlich behandelt? Dazu hätten wir heute etwas hören wollen. Dazu haben wir nichts gehört. Und nach gestern wollten die Medien heute, wollte die Öffentlichkeit heute hier noch etwas anderes wissen: Warum hat das Landesamt eine Pressemitteilung mit einer offenkundigen Lüge verbreitet?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Man hätte, so die Aussage, die PKK zur „Operation Rennsteig“ informiert. Und gestern tobte, so konnte

man lesen, die PKK und behauptete das Gegenteil. Ich glaube meinen Abgeordnetenkollegen und nicht dem Landesamt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie haben sich vorhin vor einer Aussage gedrückt, haben auf das Bundesamt verwiesen. Da sollen wir mal nachschauen. Mit diesem Hinweis versuchen Sie uns erneut, ich will es mal etwas lax sagen, hinter den Busch zu führen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die „Operation Rennsteig“ war eine gemeinsame Operation des Landesamts Thüringen, des Bundesamts und des MAD. Es gab ein regelmäßiges Berichtswesen, es gab regelmäßig Treffen zur Auswertung. Wo sind diese Berichte? Wo sind die Berichte von den Treffen? Die sind auch in den Akten des Landesamts. Das Landesamt war gleichberechtigter Teil dieser „Operation Rennsteig“. Wenn Sie jetzt behaupten, das Landesamt Thüringen hat keine Akten mehr, dann sage ich Ihnen: Entweder stimmt dies nicht oder Sie werden selbst angelogen oder die Akten sind mittlerweile vernichtet, was auch ein Skandal wäre. Aber auf jeden Fall ist es ein Skandal, dass PKK und Untersuchungsausschuss erst durch die Veröffentlichung der Medien von dieser Operation erfahren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zehn Spitzel im THS, das ist etwas anderes als nur über Tino Brandt zu reden, das wissen Sie auch selbst und deswegen hat das Landesamt genau diese Operation bis jetzt nicht zur Kenntnis gegeben.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da tun sich Abgründe auf.)

Wir fragen uns an mancher Stelle, nehmen Sie das Parlament überhaupt ernst?

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Gar nicht.)

Ja, werden Sie sagen, natürlich, wir nehmen das Parlament ernst. Aber dann müssen Sie uns unser Gefühl schon lassen, wir verlieren langsam den Glauben und die Geduld.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weder ihre Beamten lassen sich den Kontrolldruck, die Gängelung, das Misstrauen länger gefallen, auch die Abgeordneten werden aufbegehren, das versprechen wir Ihnen heute, und wenn nicht mithilfe des Parlamentsrechts, dann mithilfe der Justiz.

Das Verjährungsproblem steht, das wissen wir. All die Strafvereitelungen, all der Geheimnisverrat, all

der Amtsmissbrauch der Spitzelführer und deren Leiter können, so heißt es, nicht mehr geahndet werden. Aber es geht um fortwirkende Strukturen in der Neonazi-Szene und Serien von Gewalt und Straftaten, die bis in die Gegenwart reichen. Ich erinnere an die Ermittlungen der Soko „Feuerball“ in 2010. Es ging um Sprengstoff und Anschlagspläne bei der Nachfolgeorganisation des THS, dem Freien Netz in Thüringen. Wenn also die kriminellen Neonazi-Strukturen mit personellen Überschneidungen und Kontinuitäten aus den 90er-Jahren bis in die aktuelle Zeit reichen, dann steht die Frage, ob die Unterstützung durch behördliches Handeln ein fortgesetztes Verbrechen ist, das durchaus auch heute noch in ein Ermittlungsverfahren seitens der Staatsanwaltschaften oder gar der Generalbundesanwaltschaft münden kann. Kriminell ist nicht nur der Neonazi, sind nicht nur die militanten Strukturen, sondern auch die, die gewusst, gedeckt, gezahlt, besorgt, gebahnt, geführt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, am Ende möchte ich noch auf eine weitere Fehleinschätzung in der Regierungserklärung eingehen. Ich glaube, hier offenbart sich ein weiteres Problem fehlender Analysefähigkeit im Innenministerium. Das beharrliche Bezeichnen des Kerns des NSU als Zwickauer Trio, diese Bezeichnung

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dieses Problem lässt sich nicht einfach wegschieben.)

ist aus einem Grund völlig falsch, ebenso wie die Bezeichnung Jenaer Trio völlig falsch gewesen wäre. Denn es handelt sich erstens nicht um ein Trio, auch nicht um eine kleine Gruppe, wie Sie in Ihrer Regierungserklärung sagen, die einzig einem Ort im Bundesgebiet zuzuordnen wäre. Das Trio war Kern eines neonazistischen Terrornetzwerks, das seine Unterstützer in der Tat hauptsächlich in Thüringen und in Sachsen gefunden hatte, aber nur in einem bundesweiten Netzwerk agieren konnte. Die Reduktion auf ein Trio, die Reduktion auf eine Stadt in Sachsen ist daher wiederum ein Teil der Unterschätzung der Gefahren, die von den vorhandenen gefestigten neonazistischen Strukturen ausgehen.

Sich diesen Gefahren zu stellen, sie offen zu analysieren, Handlungsperspektiven zu eröffnen und zivilgesellschaftliche Gegenwehr zu stärken, ist neben allen Fragen der Gesetze, Behördenstrukturen, Personalien die zentrale Aufgabe, die Politik und Parlament annehmen müssen. Für die Freiheit, für das Leben ist die Antwort auf Naziterror, die wir als LINKE geben wollen: Demokratische Grund- und Bürgerrechte und die Garantie der Menschenwürde müssen Kern einer Sicherheitspolitik, einer offenen Gesellschaft sein. Damit entziehen wir auf lange Sicht den Neonazis viel eher den Boden als mit Ge

heimdiensten, Superbehörden, Lauschangriff und Vorratsdatenspeicherung. Das ist unsere Überzeugung und dafür werden wir in der Thüringer Politik streiten und kämpfen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Jörg Kellner.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, als Erstes möchte ich mal dem Minister danken für seine Regierungserklärung,

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Der Innenminister soll zurücktreten.)

(Beifall DIE LINKE)

danken für seine Regierungserklärung zu dem Thema, das wir heute hier in diesem Hohen Hause diskutieren wollen. Ich denke, das Thema ist ernst genug. Ich freue mich, dass der Minister diese Regierungserklärung auch so umfassend abgegeben hat.