Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da muss ich mehr bezahlen.)

Die Begründung, die Einstellung sei dem Gesundheitszustand und dem Umstand, dass die Vorwürfe bereits über zehn Jahre zurücklägen, geschuldet, trägt vor dem Hintergrund des massiven politischen und Vertrauensschadens, den Herr Dr. Roewer während seiner Amtszeit angerichtet hat, auch aus Sicht der Kommission nicht.

(Beifall SPD)

Besondere Aktualität erlangte die Verfahrenseinstellung erneut im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten Zurverfügungstellung des Gasser-Berichts an die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission und der in diesem Bericht dargestellten Situationsbeschreibung im Landesamt für Verfassungsschutz aus dem Jahre 2000. Die Kommission erinnert an die Bedeutung des Landesamts für Verfassungsschutz für die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegenüber den Feinden der Verfassung einschließlich eines effektiven Schutzes der in der Verfassung verankerten Menschenrechte. Für einen wirksamen Beitrag des Landesamts für Verfassungsschutz als Teil der Sicherheitsarchitektur trägt auch jeder - qua Gesetz ein politischer Beamter Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz eine große persönliche Verantwortung. Die Parlamentarische Kontrollkommission unterstützt alle Anstrengungen, diese auch mit den Mitteln des Rechts einzufordern.

Die finanzielle Förderung von zwei einschlägig bekannten Rechtsextremisten durch die landeseigene Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung veranlasste die Kommission, diesen Umstand und die Förderpraxis in Gänze zu hinterfragen. Wieso war es möglich, dass im Verfassungsschutzbericht benannte Personen in den Genuss staatlicher Förderung gekommen sind? Wie erfolgte der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen staatlichen und quasi staatlichen Stellen? Warum wurden öffentlich zugängliche Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht nicht stärker genutzt? Wo lagen und liegen konkret die Informationsdefizite? In mehreren Sitzungen ließ sich die Kommission durch die Vertreter des Thüringer Finanz- bzw. Wirtschaftsministeriums unterrichten. Eingehend erörtert wurden die Möglichkeiten, wie zukünftig auch unerwünschte finanzielle Förderungen verhindert werden können. Wenngleich die gesetzlichen Möglichkeiten zur Informationsübermittlung nach dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz begrenzt sind, so fordert die Kommission die Landesregierung auf, zukünftig die Zusammenarbeit zwischen Landesamt für Verfassungsschutz und anderen öffentlichen Stellen des Landes zu verbessern und zu standardisieren. Ziel muss es sein, die finanzielle

Förderung extremistischer Personen und Vereinigungen aus Landesmitteln wirksam und dauerhaft zu verhindern.

Im Berichtszeitraum musste zudem wiederholt zur Kenntnis genommen werden, dass es rechtsextremistischen Kreisen erneut gelungen war, Immobilien in Thüringen zu erwerben, um sie für ihre Zwecke, beispielsweise für Schulungsobjekte, zu nutzen. Umso mehr stieß auf Kritik, dass auch eine Landesliegenschaft darunter war. So wurde das ehemalige Rittergut Guthmannshausen Mitte des letzten Jahres durch das Thüringer Liegenschaftsmanagement an eine einschlägig bekannte weibliche Person veräußert. Kritisch hinterfragten die Kommissionsmitglieder, weshalb es durch die THÜLIMA nicht zu einer Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz gekommen ist. Die Kommissionsmitglieder begrüßen es, dass vonseiten der Landesregierung auch auf ihre eindringliche Aufforderung hin, nunmehr auf gerichtlichem Wege eventuell versucht wird, den Kaufvertrag rückabzuwickeln.

Etwas anders - jedoch nicht weniger bedenklich stellen sich weitere Immobilienveräußerungen dar. So wurden im Oktober 2011 in Marlishausen im Ilm-Kreis die dortige Bahnhofsgaststätte und im Dezember 2011 in Crawinkel im Landkreis Gotha ein Wohnhaus mit angeschlossener Gaststätte durch Rechtsextremisten erworben. Da es sich hierbei um Veräußerungen von privat zu privat handelte, war es ungleich schwieriger, dies gegebenenfalls zu verhindern. Allerdings ist es äußerst bedenklich, dass das Landratsamt des Ilm-Kreises im Vorfeld der Veräußerung der Immobilie in Marlishausen auf eine Nachfrage des Bürgermeisters keinerlei Bedenken äußerte. Dabei hätte ein Blick in die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre genügt, um festzustellen, dass der Kaufinteressent der rechtsextremistischen Szene angehört.

Die Parlamentarische Kontrollkommission begrüßt das Bemühen der Landesregierung, mittels Sensibilisierung der zuständigen Stellen und der Herausgabe von Merkblättern, die Praxis bei der Vergabe von Fördermitteln und das Vorgehen bei beabsichtigten Immobilienveräußerungen zu harmonisieren. Es muss uns daneben auch gelingen, Kommunen und Verantwortlichen vor Ort jegliche Unterstützung anzubieten und auch Privatpersonen so zu sensibilisieren, dass solche Veräußerungen zukünftig nicht mehr vorkommen. Umso erfreulicher war es, zu erfahren, dass das 2003 durch die Wilhelm-TietjenStiftung erworbene Schützenhaus in Pößneck, welches zur Durchführung rechtsextremistischer Konzerte und als logistische Basis genutzt wurde, im Juni letzten Jahres durch die Stadt zurückgekauft wurde und die NPD das Roemer-Haus in Langensalza nicht wie vorgesehen erwerben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich im zweiten Teil meines Berichts nunmehr zu dem Themenkomplex kommen, der unter den Schlagworten Zwickauer Terrorzelle, Jenaer Terrortrio und Nationalsozialistischer Untergrund seit November letzten Jahres die nationale Agenda maßgeblich bestimmt.

Zu Beginn meiner Ausführungen darf ich nochmals darauf hinweisen, dass die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission geheim sind. Von daher bitte ich Sie um Verständnis, dass ich Ihnen über den Inhalt der Beratungen leider keine näheren Ausführungen machen kann. Viele Umstände sind inzwischen auch durch die Presse bekannt geworden. Zunächst darf ich Folgendes in Erinnerung rufen. Ich zitiere als Kern des Vorgangs aus der Broschüre „Nachrichtendienst“, Ausgabe 11/11, einer Publikation des Landesamts für Verfassungsschutz, die die Ereignisse in wenigen Sätzen zusammengefasst hat: „Am 4. November überfielen zwei maskierte Männer eine Filiale der Sparkasse in Eisenach und erbeuteten mehrere Tausend Euro. Die flüchtigen Täter wurden bald darauf tot in einem Wohnmobil festgestellt. Zuvor hatte sich eine Polizeistreife dem Fahrzeug genähert und aus diesem heraus mehrere Knallgeräusche vernommen. In der Folge geriet das Wohnmobil in Brand. Die in dem Wrack aufgefundenen Leichen wurden später als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt identifiziert. In diesem Fahrzeug befanden sich zudem Schusswaffen, darunter auch die Dienstwaffe von zwei im Jahre 2007 in Heilbronn überfallenen Polizisten sowie Munition. Ebenfalls am 4. November kam es in Zwickau zu einer offensichtlich vorsätzlich herbeigeführten Explosion in einem Wohnhaus. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass es sich um eine durch Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe unter Falschidentitäten genutzte Wohnung gehandelt hatte. In den Trümmern wurden ebenfalls Waffen und Munition sowie Propagandamaterial gefunden. Letzteres deutet auf die Existenz einer rechtsterroristischen Gruppierung namens Nationalsozialistischer Untergrund, kurz NSU, hin. Aus den aufgefundenen Waffen sowie dem Propagandamaterial ergaben sich deutliche Hinweise auf eine Verstrickung der drei Personen in weitere schwere Straftaten. So wurden in Zwickau die bei dem genannten Überfall auf die beiden Polizeibeamten in Heilbronn und bei der sogenannten Döner- oder Ceská-Mordserie verwandten Tatwaffen aufgefunden. Das Propagandamaterial wies auch auf einen Sprengstoffanschlag im Januar 2001 und einen Nagelbombenanschlag 2004 jeweils in Köln hin. Außerdem werden Mundlos und Böhnhardt mit einer Vielzahl von Banküberfällen in Verbindung gebracht. Zschäpe stellte sich am 8. November in der Polizeidirektion Jena. Am 11. November übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen und erließ bereits am 13. November Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Verdachts der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereini

gung sowie der besonders schweren Brandstiftung. In den folgenden Wochen wurden weitere Personen in die Ermittlungen des Generalbundesanwalts einbezogen. Mehrere Personen wurden festgenommen, darunter auch der Jenaer Rechtsextremist Ralf Wohlleben. Er ist dringend verdächtig, durch Beschaffung einer Schusswaffe nebst Munition Beihilfe zu sechs vollendeten Morden und einem versuchten Mord der terroristischen Vereinigung NSU geleistet zu haben. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe stammten ursprünglich aus Thüringen. In den 1990er-Jahren gehörten sie hier der rechtsextremistischen Szene an und waren insbesondere in der ‚Sektion Jena’ des ‚Thüringer Heimatschutzes’ (THS) aktiv. Im April 1996 wurde an einer Autobahnbrücke bei Jena ein Puppentorso mit der Aufschrift ‚Jude’ aufgefunden. An ihm waren zwei Bombenattrappen befestigt. Böhnhardt wurde als Täter ermittelt und im Oktober 1997 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Haftantritt war noch nicht angeordnet worden. Die Tat reihte sich in eine Folge von aufgefundenen Bombenattrappen im Raum Jena ein. So wurden zum Jahreswechsel 1996/1997 Briefbombenattrappen an Behörden in Jena versandt. Am 2. September 1997 wurde auf dem Theaterplatz in Jena jedoch ein Koffer mit aufgebrachten Hakenkreuzen aufgefunden, der eine geringe Menge Sprengstoff enthielt. Im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen durchsuchte die Polizei am 26. Januar 1998 in Jena mehrere Garagen und Wohnungen. Dabei wurden in einer von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe genutzten Garage Sprengstoff und funktionsfähige Rohrbomben festgestellt. Die drei Verdächtigen entzogen sich der drohenden Verhaftung durch Flucht und tauchten unter.

In den folgenden Jahren gingen von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden umfangreiche Ermittlungen zur Feststellung der Untergetauchten aus. Es gelang jedoch nicht, der Flüchtlinge habhaft zu werden. Im Juli 2003 trat die Verfolgungsverjährung ein.“ Hier muss man wieder mal Luft holen. „Das anhängige Strafverfahren wurde eingestellt.“ So viel zunächst in einer Zusammenfassung zu den Ereignissen der vergangenen Monate.

Ergänzend darf ich auch darauf hinweisen, dass bereits in den Jahren 2005 bis 2008 unter anderem die Sonderkommission Bosporus der bayerischen Polizei versuchte, die Mordserie aufzuklären. Eine Übernahme der Ermittlungen durch das Bundeskriminalamt wurde damals - im Rückblick wohl unverständlicherweise - abgelehnt, obwohl sich die Mordserie auf fünf Bundesländer erstreckte. Bereits wenige Tage nach dem Sparkassenüberfall und vor dem Hintergrund der sich überschlagenden weiteren Ereignisse und Presseinformationen trat die Parlamentarische Kontrollkommission am 11. November 2011 erstmals zusammen, um sich durch die Landesregierung über die Umstände des oben

genannten Überfalls und die Bezüge zur rechtsextremistischen Szene unterrichten zu lassen.

Schnell wurde im Rahmen der Unterrichtung deutlich, dass das Ausmaß der Ereignisse sehr viel komplexer war, als es zunächst den Anschein hatte. Die Arbeit der Kommission gestaltete sich umso schwieriger, als im Verlauf immer wieder neue Akteure und Sachverhalte bekannt wurden und einer Bewertung zugeführt werden mussten. Zudem stieß die mangelnde Informationsbereitschaft der Bundesanwaltschaft als verfahrensleitende Behörde auf die Kritik der Parlamentarischen Kontrollkommission. Die Landesregierung begründete ihre Zurückhaltung hinsichtlich einer umfänglichen Unterrichtung teils mit der Verfahrensherrschaft der Bundesanwaltschaft. Dem Gesetzesauftrag folgend, die Landesregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz zu kontrollieren, beschränkte sich die Kontrolle allein - und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen auf das Handeln sowie mögliches Fehl- oder Nichthandeln des Landesamts für Verfassungsschutz bzw. der zuständigen Stellen im Innenministerium, beispielsweise auch hinsichtlich des Umgangs mit Verschlusssachen.

Dieser Aspekt ist mir wichtig, da die Parlamentarische Kontrollkommission für die parlamentarische Kontrolle anderer Behörden und Stellen, wie das Landeskriminalamt oder die Staatsanwaltschaft, eben keine Zuständigkeiten besitzt - dafür haben wir einen Untersuchungsausschuss.

Wie Sie wissen, beschäftigen sich zwischenzeitlich eine ganze Reihe parlamentarischer und Regierungsgremien mit der Aufklärung der Umstände im Zusammenhang mit dem Nazi-Trio, so der Innenausschuss, der Justiz- und Verfassungsausschuss, die Schäfer-Kommission sowie der Untersuchungsausschuss 5/1. Hinzu kommen entsprechende Gremien auf Bundesebene. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit es der Vielzahl der Gremien gelingen wird, die Sachverhalte umfänglich aufzuklären.

Für die Parlamentarische Kontrollkommission sind allein die Kenntnisse und Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz Kontrollmaßstab und an der Schwelle des Innenministeriums endet unsere Zuständigkeit - noch, denn diese Beschränkung wird mit in die Diskussion über die Erweiterung der Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission einfließen müssen. Um die Kontrolle effektiver gestalten zu können, muss es die Möglichkeit geben, von anderen Behörden und der Landesregierung Auskünfte abzufordern. Eine umfassende Kontrolle im Vorfeld polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen kann nicht nur eine freiwillige Selbstkontrolle durch die Regierungskommissionen sein.

Seit dem 11. November 2011 traf sich die Parlamentarische Kontrollkommission bis zum 29. Mai

2012 in insgesamt 11 Sitzungen. Der Gesamtberatungszeitraum belief sich dabei auf ca. 45 Stunden. Unsere Sitzungen am 16. November 2011, am 24. November 2011 und am 8. Dezember 2011 haben wir vollständig bzw. teilweise im Landesamt für Verfassungsschutz durchgeführt. Einige Sitzungen fanden auch als ein Ausdruck der besonderen Situation zum Teil parallel zur Plenarsitzung statt was einmal mehr das hohe Aufklärungsinteresse verdeutlicht - und endeten zudem erst in den späten Abendstunden. Während der Sitzungen bestand die Möglichkeit, die sachbezogenen Akten des Landesamts für Verfassungsschutz einzusehen. Zudem übersandte uns das Landesamt für Verfassungsschutz auf Anforderung umfangreiches Aktenmaterial. Neben der Befragung der Landesregierung, namentlich des Innenministers, des Staatssekretärs im Innenministerium, des für Verfassungsschutz zuständigen amtierenden Abteilungsleiters und Referatsleiters im Innenministerium sowie des Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz haben wir in mehreren Sitzungen insgesamt 16 weitere Personen befragt, die dem Landesamt für Verfassungsschutz Ende der 1990erund Anfang der 2000er-Jahre angehörten bzw. zum Teil heute noch angehören. Konkret handelt es sich um den ehemaligen Vizepräsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz, um Referatsleiter, Referenten und Sachbearbeiter sowie Observationskräfte, die aktiv in die Nachrichtenbeschaffung und -auswertung sowie in die Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden bzw. Strafverfolgungsbehörden eingebunden waren. Ich darf an dieser Stelle anmerken, dass uns die Befragung einen vertieften und sicherlich noch exklusiven Einblick in die Arbeitsabläufe und die Arbeitsweise des Landesamts für Verfassungsschutz ermöglicht, uns aber auch gleichzeitig die engen rechtlichen und personellen Grenzen nachrichtendienstlicher Tätigkeit aufgezeigt haben.

Nachrichtendienste in Deutschland haben aus guten Gründen keine Exekutivbefugnisse. Ihr Auftrag besteht allein im Beobachten entsprechender Strukturen. Dieser Fakt wurde in der Vergangenheit und wird in der politischen Auseinandersetzung leider des Öfteren außer Acht gelassen und führt daher regelmäßig zu falschen Schlussfolgerungen. Es bleibt die Fragestellung: Was soll und was darf ein Nachrichtendienst können dürfen? Reichen die bestehenden Befugnisse aus, um auf die Gefahren für unser freiheitliches Gemeinwesen wirksam reagieren zu können? Zu fragen bleibt aber auch, ob eine erfolgreiche Auswertung und Nutzung der Informationen durch Verbesserung von Arbeitsabläufen und Informationswegen hätten erreicht werden können.

Leider muss ich an dieser Stelle auch kritisch anmerken, dass es uns die Landesregierung trotz mehrfacher Aufforderung nicht ermöglicht hat, die

Klarnamen von Vertrauenspersonen zu erhalten. Aussagegenehmigungen für die zu Befragenden waren diesen nur entsprechend eingeschränkt erteilt worden. Eine schlüssige und ausführliche Begründung blieb uns die Landesregierung bis heute schuldig. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am 24. November 2011 vor dem Gebäude des Landesamts für Verfassungsschutz haben wir die Öffentlichkeit hierüber informiert. Gerade vor dem Hintergrund der Arbeitsmöglichkeiten der Schäfer-Kommission, deren offenem Bericht und den verweigerten Auskünften gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission zeigt sich die Verbesserungsmöglichkeit der gesetzlich angeordneten Kontrolle der Landesregierung. Das gesamte Parlament ist aufgefordert, hier Verbesserungen durch die Novellierung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes zu bewirken.

Schwerpunkte der Beratung waren die Sprengstofffunde im Januar 1998 in Jena, die damit im Zusammenhang stehenden und durch das Landesamt für Verfassungsschutz gewonnenen Erkenntnisse sowie die weiteren eingeleiteten Maßnahmen zum Zwecke der Feststellung möglicher Aufenthaltsorte der Flüchtigen. Im Weiteren wurden die Gründe und die Umstände des Eintritts der Verfolgungsverjährung im Jahre 2003 und die Hintergründe für den Erlass von Haftbefehlen erst im Laufe des 26. Januar 1998 einer tiefgehenden Erörterung unterzogen. Konkret ging es um die Frage, ob die Durchsuchung der Garagen und die Ausstellung von Haftbefehlen zeitlich hätten synchronisiert und auch so eine Festnahme bereits am 26. Januar 1998 hätte ermöglicht werden können. Es wurde dabei deutlich, dass sich sowohl das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und andere Verfassungsschutzbehörden intensiv bemüht haben, Informationen über mögliche Aufenthaltsorte und Kontaktpersonen zu ermitteln.

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz erhielt bei seinen Maßnahmen zudem umfangreiche personelle, technische und logistische Hilfe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es wurde nach unserer Auffassung auch deutlich, dass das Landesamt für Verfassungsschutz frühzeitig die notwendigen Informationen erhoben und weitergegeben hatte, die es ermöglicht hätten, die drei späteren Flüchtigen im Jahre 1998 festzunehmen. Auch hat die Kommission bisher keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass, wie in der Vergangenheit behauptet, die drei Flüchtigen in irgendeiner Weise Unterstützung durch Angehörige des Landesamts für Verfassungsschutz erhalten haben oder polizeiliche Fahndungsmaßnahmen durch das Landesamt für Verfassungsschutz sabotiert wurden. Die eine oder andere öffentliche Äußerung des ehemaligen Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz, Herrn Dr. Roewer, war auch in diesem Zu

sammenhang sicherlich nicht hilfreich, sehr freundlich ausgedrückt.

Im Rahmen der Beratung gab es zudem zwei Abstimmungsgespräche mit dem Leiter der auf Initiative des Innenministers eingerichteten Schäfer-Kommission, Herrn Bundesrichter a.D. Dr. Gerhard Schäfer. An dieser Stelle darf ich auch im Namen meiner Kommissionsmitglieder Herrn Dr. Schäfer für seine Berichterstattung in der Kommission und die gute Zusammenarbeit danken.

Die Schäfer-Kommission hat am 15. Mai 2012 ihren sehr aufschlussreichen Abschlussbericht vorgelegt. Die Parlamentarische Kontrollkommission hat diesen Bericht in ihre Beratungen einbezogen. Sie weist darauf hin, dass ihr nicht alle der SchäferKommissionen zugänglichen Auskünfte vorlagen auch infolge der Berufung der Landesregierung auf § 19 Abs. 4 Satz 1 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes. Dies betrifft insbesondere die personenscharfe Zuordnung von Informationen der VLeute (Klarnamen). Unabhängig davon nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission positiv zur Kenntnis, dass die Landesregierung die SchäferKommission auch personell und logistisch unterstützt hat.

Mit einer gewissen Genugtuung konnten wir dann Anfang Mai auch zur Kenntnis nehmen, dass der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz in einem Interview mit dem Thüringen Journal erstmals Fehler bei der Suche nach dem Neonazi-Trio eingeräumt hat. Danach habe es Defizite bei der Informationssteuerung und der fachlichen Koordinierung gegeben. Dem können wir nur zustimmen.

Die Parlamentarische Kontrollkommission wird sich über die weiteren Verfahrensschritte im organisatorischen Bereich und den internen Verfahrensabläufen auch im personellen Bereich weiter berichten lassen. Sie begrüßt auch, dass Dr. Schäfer diesen Prozess weiter begleiten wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der Beratung zur NSU wurde auch bekannt, dass der Verbleib einiger Exemplare des sogenannten Gasser-Berichts im Thüringer Innenministerium nicht mehr feststellbar sein soll. Zur Erinnerung: Bei dem Gasser-Bericht aus dem Jahre 2000 handelte es sich um eine Zusammenstellung seinerzeitiger Missstände im Landesamt für Verfassungsschutz und Empfehlungen an die Landesregierung zur Behebung dieser. Der Gasser-Bericht war bis vor Kurzem noch als geheim eingestuft. Erst durch mehrfaches Insistieren der Kommission erfolgte eine Herabstufung auf „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ und der Parlamentarischen Kontrollkommission wurde ein Exemplar zur Verfügung gestellt. Dieser Umstand ändert jedoch nichts an der Kritik der Parlamentarischen Kontrollkommission hinsichtlich des Umgangs mit Verschlusssachen durch das Thüringer Innenministerium. Umso mehr,

als im Rahmen der Durchsuchung des Wohnhauses von Minister a.D. Christian Köckert am 23. Februar 2012 ein weiteres, bislang als verschollen geglaubtes Exemplar dieses Berichts aufgetaucht ist, welches ganz offensichtlich ebenfalls nicht entsprechend der geltenden Verschlusssachenanweisung des Freistaats Thüringen behandelt wurde.

Die Parlamentarische Kontrollkommission fordert die Landesregierung eindringlich auf, mit eingestuften Unterlagen zukünftig sorgsamer und rechtlich korrekt umzugehen und die Bestimmungen der Verschlusssachenanweisung auch tatsächlich zu befolgen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese auch für Minister und Staatssekretäre Geltung entfalten.

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider können wir das Parlament und die Öffentlichkeit nicht in dem auch von uns gewünschten Umfang über unsere gewonnenen Erkenntnisse und die Beratungsergebnisse informieren. Auch hier bleibt zu überlegen, wie es zukünftig ermöglicht wird, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes über bestimmte Aspekte der Kommissionsarbeit näher zu informieren. In der Parlamentarischen Kontrollkommission gehen die Vorstellungen über die Novellierung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes bekanntlich weit auseinander. Gemeinsam fordern wir jedoch eine Rechts- und Amtshilfe für Gerichte und Behörden, Zugang zu Unterlagen anderer Behörden und der Landesregierung, welche für die parlamentarische Kontrolle nötig sind, die Hinzuziehung von Sachverständigen und das Einsetzen von Sonderermittlern durch die Parlamentarische Kontrollkommission, die Veröffentlichung von Sondervoten sowie eine dauerhafte ausreichende Personalausstattung der Kommission.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ja, da darf es nicht am Geld scheitern, dass wir dann sagen, wir haben kein Geld, um jemanden einzusetzen.

Abschließend kann ich nochmals feststellen, dass die Parlamentarische Kontrollkommission ihre Aufgaben in dem Berichtszeitraum mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten stets erfüllt hat. Für die zurückliegende Zeit möchte ich meinen ganz persönlichen Dank an meine Kollegen Kommissionsmitglieder, die Abgeordneten Schröter, Gentzel, Hausold und Adams richten. Insbesondere im letzten halben Jahr haben wir viele Stunden gemeinsam zugebracht. Die Arbeit war trotz oder gerade wegen unterschiedlicher politischer Sichtweisen stets konstruktiv, von großer Sachlichkeit sowie gegenseitigem Respekt geprägt. Hierfür gebührt Ih

nen meine dankbare Anerkennung. Da kann man ruhig mal klatschen, dass sie mitgemacht haben.

(Beifall im Hause)

Mein Dank gilt auch dem früheren Geschäftsführer der Parlamentarischen Kontrollkommission und jetzigen stellvertretenden Geschäftsführer, Herrn Dr. Klaus Seidel, seinem Nachfolger als Geschäftsführer, Herrn Dr. Thomas Poschmann, sowie dem Mitarbeiter der Geschäftsstelle, Herrn Michael Apel, und vor allem auch Frau Helga Huxhagen als Protokollantin.

(Beifall im Hause)

Sie hat nämlich viele Wortprotokolle angefertigt.

Meine Damen und Herren, das war der offizielle Bericht. Ich möchte kurz noch anfügen, wie Sie gehört haben, ist der Bericht vom 29.05.2012. Ich sage jetzt mal, die Aktion „Rennsteig“ ist ja hinlänglich zumindest schon benannt worden, auch die Kommission hat sich damit beschäftigt, wir werden uns weiter damit beschäftigen und weiter dranbleiben.

Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass es in der Bundesrepublik Deutschland - ich nenne nur mal drei Punkte - damals in der alten Bundesrepublik die RAF-Anschläge gab, da war die Bundesrepublik nicht mehr so, wie sie vorher war. Der 11. September, den wir gemeinsam erlebt haben, danach war die Bundesrepublik nicht mehr so, wie sie war. Und jetzt die NSU, seitdem dieses auf dem Tisch liegt, ist die Bundesrepublik nicht mehr so, wie sie war. Wir erwarten offenes Vorgehen der Landesregierung und der Mitarbeiter gegenüber dem Parlament.

(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, eine parlamentarische Kontrolle kann nur gelingen und nur erfolgreich sein, wenn wir gemeinsam mit der zuständigen Landesregierung und den zuständigen Behörden vertrauensvoll miteinander umgehen, uns vertrauensvoll informieren, denn wir haben den Auftrag des Parlaments, hier zu kontrollieren. Das werden wir auch weiterhin wahrnehmen. Ich danke den Abgeordneten, dass Sie so lange dem Vortrag geharrt haben.

(Beifall im Hause)

Vielen Dank natürlich an Sie als Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission für diesen umfänglichen Bericht über die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission.

(Beifall im Hause)