Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

stellen Sie sich das vor -, die am Samstag arbeiten wollen, weil sie Geld verdienen wollen, weil sie Geld verdienen müssen. Das gehört zum Leben dazu. Auch wenn Sie es ihnen in der Schule nicht mehr beibringen wollen, dass das zum Leben dazugehört,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber es ist nun mal so. Wenn ich mir dann anhöre natürlich, ja. Die versammelte Empörung des Hauses ist mir gewiss

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und es ist auch richtig, dass Sie das tun, aber besser wird es davon nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn

(Unruhe SPD)

die große Empörung, dass das alles nur arbeitgeberfreundlich sei, hält bei genauerer Betrachtung nicht Stand, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Unruhe SPD)

Ein großes Unternehmen berichtete in einem Pressegespräch, was wir durchgeführt haben, davon, dass der Betriebsrat,

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Waren die Arbeitnehmer denn auch da?)

(Abg. Eckardt)

als er von der Gesetzesregelung gehört hat, dass die Arbeitnehmer an zwei Samstagen im Monat nicht mehr arbeiten dürfen - und so kommt es an -, dass der Betriebsrat zum Geschäftsführer kommt und sagt, können wir dagegen nicht eine Betriebsvereinbarung schließen? Der Betriebsrat kommt zum Geschäftsführer und fragt, können wir gegen das Gesetz nicht eine Betriebsvereinbarung schließen?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie mit dem Be- triebsrat gesprochen?)

Das geht natürlich erkennbar nicht. Frau RotheBeinlich, wenn Sie in Ihrem Leben schon mal gearbeitet hätten,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wüssten Sie vielleicht auch, dass es notwendig ist, dass es Menschen gibt, die aufstehen müssen und arbeiten gehen. Sich hier hinzusetzen und die Empörte zu spielen, das ist natürlich leicht. Aber wenn man arbeiten gehen muss

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unglaublich. Sie haben einen großen Mund, Herr Barth. Ich weiß, was es heißt, zu arbeiten …)

ja, das ist unglaublich, da haben Sie völlig recht, es ist absolut unglaublich, wie Sie an dieser Stelle mit den Arbeitnehmerrechten umgehen.

(Beifall FDP)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich haben auch Arbeitgeber an der Stelle entsprechende Interessen.

Herr Kollege Ramelow, ich würde das gern auf das Ende meiner Redezeit verschieben, weil die kurz ist, wir sind in der verkürzten Redezeit.

Herr Abgeordneter, vielleicht den leichten Hinweis, auch die Tätigkeit eines Abgeordneten ist Arbeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Präsidentin. Wenn Frau Kollegin Rothe-Beinlich also außerhalb der Abgeordnetentätigkeit schon mal gearbeitet hätte. Dann präzisiere ich das so.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Frau Kollegin Rothe-Beinlich also außerhalb der Abgeordnetentätigkeit schon mal gearbeitet hätte, dann würden Sie sicherlich das...

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat sie! Wer sind Sie überhaupt, dass Sie sich anmaßen, solche Sprüche von sich zu geben?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass es gegen diese gesetzliche Regelung einen breiten Widerstand gibt bei kleinen Einzelhandelsunternehmen,

(Beifall FDP)

bei großen Einzelhandelsunternehmen, und zwar bei den Unternehmern und bei den Mitarbeitern. Natürlich gibt es auch Mitarbeiter, die das gut finden, natürlich gibt es auch Gewerkschaftskräfte, die das gut finden, das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen, aber das Bild hier zu malen, dass eine ganze Branche nur auf diese Regelung gewartet hat und beglückt ist davon, dass es jetzt so ist, wie es ist,

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: So etwas habe ich in dem Haus noch gar nicht gehört, Herr Barth.)

das ist schlicht und ergreifend weit neben der Realität und Sie alle werden es erleben, wenn die Befürchtungen eintreten - Frau Leukefeld hat ja gesagt, wir warten jetzt ein Jahr und schauen mal -, das sind nicht meine Befürchtungen, sondern das sind die Befürchtungen der Unternehmen. Die IHK sagt, 64 Prozent der Südthüringer Einzelhändler sind gegen diese Regelung, 53 Prozent kritisieren sie als zusätzliche Belastung und ein Drittel sieht sich in seiner Existenz bedroht. Ich hoffe nicht, dass diese Befürchtungen eintreten, aber wenn Sie eintreten, werden wir in einem Jahr hier sitzen und sagen, schön, jetzt haben wir ein Drittel weniger Einzelhandelsunternehmen und das haben wir der Regelung zu verdanken. Das ist Trial-and-Error in einer Form, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall FDP)

wie ich es nicht für richtig halte. Deswegen will ich Sie ausdrücklich dazu auffordern, machen Sie das einzig Konsequente, nämlich die Regelung - und die ist inhaltlich fast identisch -, es geht nur um die Frage, auf Verlangen des Arbeitnehmers oder nicht, das ist der einzige Unterschied. Sie gehen eigentlich sogar noch weiter mit Ihren Ausnahmen, indem Sie nämlich die kleinen Unternehmen mit weniger als fünf Mitarbeitern auch noch ausnehmen. Inhaltlich dieselbe Regelung - es geht nur darum, sie nicht in die Verordnung, sondern in das Gesetz zu schreiben und damit auch gesetzestheoretischen und rechtlichen Fragen vorzubeugen und nicht eine Verordnung zu schaffen, die das Gesetz völlig außer Kraft setzt, denn Sie haben am Ende kaum noch ein Unternehmen, auf welches die Regelung, die Sie im Gesetz getroffen haben, am Ende wirklich zutrifft.

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Das werden wir se- hen, ob die alle ehrlich sind.)

Deswegen bitte ich Sie herzlich, unseren Gesetzentwurf in die im Ausschuss stattfindende Anhörung mit aufzunehmen und ihn deswegen natürlich notwendigerweise vorher an den Ausschuss zu überweisen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Danke schön. Die Redezeit ist aber zu Ende.

Dann müssen wir das beim Kaffee klären. Entschuldigung.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich wollte wissen, ob der Betriebsrat bei der FDP-Sitzung auch dabei war oder nur die Geschäftsleitung.)

Als Nächste hat die Frau Abgeordnete Anja Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Barth, was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich muss Kritik erlaubt sein zur Sache. Natürlich muss es darum gehen, dass wir uns darüber auseinandersetzen, was ist das Beste für die Thüringer Bürgerinnen und Bürger. Aber was wohl nicht angehen kann, ist, dass Sie hier über persönliche Diffamierungen den Scherbenhaufen FDP in Thüringen retten wollen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das Ihr einziger Weg ist, den Sie strategisch für sich noch zu gehen sehen, dann wissen wir, wie es um die FDP und den Liberalismus in Thüringen bestellt ist. Das Zweite, was mich wirklich an der Stelle ärgert, ich habe Liberalismus immer so verstanden, dass es vor allen Dingen darum geht, das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen. Und nur weil es hier mindestens drei Fraktionen gibt, die der Ansicht sind, dass Sie bei dem Thema Ladenöffnung vor allen Dingen Unternehmer in den Mittelpunkt stellen und man mit Ihnen die sachliche Auseinandersetzung dazu sucht, treten Sie hier völlig

neben sich. Ich muss sagen, das zeigt, dass Sie Ihre Urväter, die den Liberalismus mal gestrickt und sich da viele Gedanken gemacht haben,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

verraten, und die FDP steht für mich seit heute auch in Thüringen nicht mehr für die liberale Idee, die es ohne Zweifel nicht nur in der politischen Ideengeschichte, sondern auch darüber eigentlich braucht.