Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Carius. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer II? Das sind alle Fraktionen, sehe ich das richtig? Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer II und gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu den Nummern I und III des Antrags. Es hat sich zu Wort gemeldet zunächst die Abgeordnete Lukin für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte gleich vorwegschicken, ich würde es begrüßen, wenn wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen würden, um dann noch konkreter diskutieren zu können. Auf der einen Seite hat der Minister versucht, die Situation darzustellen, auch die Fragen der zukünftigen Straßenentwicklung, des Straßenneu- und -ausbaus bzw. der Sanierung. Wir alle kennen die Situation im Land. Die Mittel für die Infrastrukturentwicklung sinken. Unser Landesstraßennetz und auch das kommunale Straßennetz sind an vielen Punkten sanierungsbedürftig. Über den Ausbau haben wir nur punktuell im Moment zu sprechen. Es ist klar, wir haben bereits einen Paradigmenwechsel, dass Sanierung vor Aus- und Neubau geht. Aber selbst dort sind die Mittel, die bei uns im Haushalt dafür bereitstehen, begrenzt. Ich sehe auch nicht, dass der nächste Haushalt eine wesentliche Erhöhung bringen wird.

Zum Thema: Ich denke, die gegenwärtige Situation des Landesstraßennetzes und auch des kommunalen Straßennetzes kann uns schon deswegen nicht befriedigen, weil Schlaglöcher nicht nur ein unschönes Bild geben, die Kommunen sich zum Teil mit Verkehrsschildern behelfen, die eine Temporeduzierung vorsehen oder die Unfallstellen oder die Dellen markieren, sondern weil auch die Frage der Unfallgefahr eine ernst zu nehmende Rolle dabei spielt. Ich will ein Beispiel aus Berlin bringen, für Thüringen liegen mir die Zahlen im Moment nicht vor. Vielleicht wäre es mal interessant, das auch mit nachzuschauen. In Berlin haben in manchen Jahren die Polizeiinspektionen bis zu 80 Prozent der Unfälle auf den Zustand des dortigen Straßennetzes bzw. überhöhte Geschwindigkeit zurückgeführt.

(Minister Carius)

Die hiesigen Punkte, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag vorgestellt haben, lassen allerdings auch noch einige Fragen offen. Zumindest Punkt I ist für mich ein bisschen ungewöhnlich. Einmal ist er sehr pauschal und zum Zweiten ist es, denke ich, schwierig, den Landtag schon vor der Berichterstattung und Diskussion zur Feststellung von Fehlzuteilungen bei Investitionsmitteln aufzurufen. Ich will nicht bestreiten, dass es solche gibt, auf jeden Fall. Ich denke, jedem fällt mindestens eine Fehlinvestition ein.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir sagen ja nicht alle, eini- ge.)

Aber man müsste dann schon konkreter werden und bzw. erst am Ende der Debatte als Resümee erscheinen.

Dann würde ich fragen, vielleicht sollten wir die Diskussion noch erweitern, das heißt, nicht nur über die Priorisierung von Straßenbauprojekten reden, sondern über eine integrierte Gesamtplanung von Bahn und Straße; Radwege gehören für mich auch dazu. Dort hat Nordrhein-Westfalen - Sie kennen das sicher - ein interessantes Diskussionsangebot entwickelt und hat eine Gesamtbetrachtung der Verkehrsinfrastrukturprojekte vorgenommen. Ich denke, gerade wenn wir den Landesentwicklungsplan entwickeln oder wenn wir eine zukünftige Mobilitätsplanung auch bei uns im Freistaat vornehmen wollen, dann wäre eine solche Diskussion noch effizienter als der hier vorgeschlagene Weg.

Den Paradigmenwechsel von Aus- und Neubau zum Erhalt habe ich schon erwähnt. Ich denke, auch hier sollten wir darauf achten, es gibt ja nicht nur die Mittel für die Sanierung, die begrenzt sind, sondern das Land nimmt auch zahlreiche Abstufungen von Landesstraßen wahr. Hier sollten wir aufpassen, dass die Kommunen da nicht noch weiter belastet werden, als sie es ohnehin schon sind. Ich würde auch noch feststellen wollen, dass der Antrag nicht weit genug geht, um es positiv zu formulieren. Die Landesregierung wird lediglich aufgefordert, einmal zu berichten, und zum anderen zur Erstellung eines Verfahrens- und Kriterienkatalogs zur Ermittlung der Reihenfolge von Baumaßnahmen aufgefordert. Für solche Kataloge und Kriterien - Sie haben das Beispiel Baden-Württemberg schon genannt - und für die Ermittlung einer Prioritätenliste gibt es schon Beispiele. Ich fände es aber gut, dass wir ebenso wie in Baden-Württemberg auch das Parlament an der Diskussion, an einer Meinungsbildung mit beteiligen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine, es fällt nicht allen Abgeordneten leicht. Ich denke, jeder hat wichtige Probleme und Vorhaben in seinem Wahlkreis, die er unbedingt auch realisieren möchte und für die er kämpft. Trotzdem

sollten wir - so wie in Baden-Württemberg - das Ministerium auffordern, laut Landtagsbeschluss dem Parlament einen Maßnahmenplan Landesstraßenbzw. Verkehrsinfrastrukturentwicklung vorzulegen, ihn zu diskutieren, mit den Betroffenen eine Anhörung zu vereinbaren und dann gleichzeitig auch einen mehrjährigen Plan zu beschließen. Die dortige Verzahnung mit weiteren Infrastrukturmaßnahmen wie mit dem Radwegebau, der Elektrifizierung von Schienenstrecken und wichtigen ÖPNV- und Güterverkehrsprojekten finde ich ebenfalls sehr gut. Davon abgesehen, das Fazit ist in Baden-Württemberg wie in Thüringen fast das Gleiche. Bis 2015 werden kaum Neubauvorhaben angefasst und die Verschiebung von Aus- und Umbaumaßnahmen, die Sanierung gibt dort ein gewisses Sparpotenzial, das auch wieder für Straßen- und Infrastrukturausbau eingesetzt wird. Aber wir sollten diesen Antrag weiter diskutieren, vielleicht auch noch erweitern. Wir sollten uns als Parlament an der ernsthaften Diskussion über die Frage, wie gehen wir mit der Infrastruktur, mit den beschränkten Haushaltsmitteln in den nächsten Jahren um, langfristig beteiligen. Schönen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Lukin. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Tasch für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich wäre so gern nach Ihnen drangekommen, Frau Schubert, um mal zu hören, was alles für Unsinn angeblich in Thüringen gebaut worden ist. Wir sprechen jetzt über den Antrag der GRÜNEN, die uns auffordern, ein Priorisierungsverfahren für Straßenbauprojekte einzuführen. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Beim Lesen des Punkts I Ihres Antrags, liebe Frau Schubert, kann der Eindruck entstehen, dass in Thüringen in den letzten 20 Jahren vollkommen falsche Schwerpunkte bei der Investition in die Verkehrsinfrastruktur gesetzt worden sind und Straßen geradewegs vorbei am Bedarf der Bürger und Kommunen gebaut worden sind.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nicht alle, Frau Tasch, nicht alle.)

Dem widersprechen wir energisch. Sie versuchen schon öfter hier mit Anträgen im Plenum, uns zu zeigen, dass wir zu viel Geld in den Straßenbau gesteckt haben, und suchen immer nach Begründungen, die Sie nicht finden oder uns nicht davon überzeugt haben. Insgesamt sind bis heute 8,5 Mrd. € in den Bau von Bundesfern- und Landesstraßen investiert worden und damit ist ein Großteil der Ver

(Abg. Dr. Lukin)

kehrsprojekte realisiert. Wir sind der Auffassung, dass sich dadurch die günstige Lage Thüringens in der Mitte Deutschlands zu einem echten und dauerhaften Standortvorteil entwickelt und Thüringen attraktiv gemacht hat für Investitionen. Für uns als CDU-Landtagsfraktion haben der Auf- und Ausbau der Infrastruktur im Freistaat immer noch höchste Priorität. Mit dem Blick auf die Landeshaushalte 2011 und 2012 müssen wir natürlich feststellen, leider, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen 50 Mio. € für den Erhalt der Landesstraßen nicht eingestellt worden sind.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Muss kommen, genau. Mit dem Verweis auf die gut 2.000 km Landesstraßen in schlechtem bzw. sehr schlechtem Zustand möchte ich noch einmal dafür werben, dass im Doppelhaushalt 2013/2014 die vereinbarte Summe auch einzustellen ist

(Beifall CDU)

und dass die Einsparungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung nicht zulasten des Bauhaushalts gehen dürfen,

(Beifall CDU)

denn das Fahren auf Verschleiß wird in Zukunft teurer, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber lassen Sie mich nun zu Ihrem Antrag kommen. Zu Punkt II hat Minister Carius eben in vollem Umfang berichtet. Vielen Dank für diese Informationen. Wir haben auch gehört, wie sich die finanziellen Spielräume des Bundes verengen, was meines Erachtens ebenso ein falsches Signal ist.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was heißt Signal, das ist eine Tatsache.)

Alle prioritären Vorhaben unter Kategorie C im Investitionsrahmenplan werden einer erneuten Prüfung unterzogen. Das heißt im Klartext: Selbst wenn der Planfeststellungsbeschluss bereits rechtskräftig ist, heißt das noch lange nicht, dass auch die Straße oder die Ortsumfahrung gebaut wird. Auf diese Entscheidung haben wir leider wenig Einfluss. Deshalb möchte ich Sie, lieber Herr Minister Carius, eindrücklich noch einmal ermutigen, sich im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz Anfang Oktober auch weiterhin für eine solide Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Thüringen einzusetzen.

Im Punkt III Ihres Antrags fordern Sie die Landesregierung auf, ein Verfahren einzuführen, das die Reihenfolge der Beginne der Maßnahmen an einem Kriterienkatalog ausrichtet. Neben dem Kosten-Nutzen-Verhältnis sollen weitere Faktoren Berücksichtigung finden. Dazu möchte ich ganz allgemein sagen, dass alle Baumaßnahmen im Bereich Straße bereits heute unterschiedlichen und teilweise hochgewichtigen Kriterien unterliegen. Zum Beispiel

müssen Baumaßnahmen zu einer Verbesserung der regionalen Erreichbarkeit führen, das heißt, insbesondere die Anbindung der zentralen Orte an die Autobahn und die Landeshauptstadt muss gewährleistet sein. Eine bessere Erreichbarkeit der Wirtschaftsstandorte hat Priorität, zudem hat der Nachweis eines positiven Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu erfolgen. Des Weiteren haben sowohl Landesals auch Bundesstraßenbauprojekte ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen, welches erfolgreich abgeschlossen sein muss.

Die von Ihnen geforderten zusätzlichen Kriterien sind meines Erachtens bereits im Planfeststellungsverfahren verankert. Einige wichtige Punkte möchte ich hier nennen: Bei einem Feststellungsverfahren für eine Bundes- oder Landesstraße wird die Verkehrsstärke, die Verkehrsbelastung von Kommunen im Zuge der Beseitigung von Lärm und Schadstoffen berücksichtigt. Unfallschwerpunkte müssen entschärft werden, eine Verbesserung der Linienführung muss eintreten, die Beseitigung von Engstellen für einen besseren Verkehrsfluss und die Trennung von Verkehrsarten muss berücksichtigt werden.

Ich kann anhand dieser Kriterien wirklich nicht feststellen, liebe Frau Schubert, wo in der Vergangenheit Wunschkonzerte einzelner Straßenbauämter durchgeführt wurden oder wo es zu Fehlinvestitionen gekommen ist. Deshalb werden wir Ihren Antrag - es wird Sie nicht verwundern - ablehnen, weil wir der Meinung sind, Ihr Antrag ist realitäts- und lebensfern und die Freude der Weiterberatung können wir Ihnen nicht machen. Aber Sie haben ja schon öfters ähnliche Anträge im Ausschuss gestellt, das werden Sie dann sicher auch machen und dann werden wir uns das alles noch mal anhören.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Danke für den Tipp.)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Punkt aufgreifen, und zwar möchte ich noch mal auf zwei Pressemitteilungen von Ihnen eingehen, die mich verwundert haben oder nicht verwundert haben, je nachdem. Frau Schubert, Sie haben Anfang Mai dieses Jahres die feierliche Ortsumfahrung WorbisWintzingerode kritisiert, Sie waren ja auch extra dort und haben sich das alles angeschaut. Sie unterstellen, dass dieses Projekt eine Fehlinvestition sei, und begründen das mit einer Verkehrsbelastung von lediglich 7.000 Kfz in 24 Stunden. In einer anderen Pressemitteilung vom 17. Juli setzen Sie sich für die Ortsumfahrung Großengottern ein, und sagen, die hätte schon längst gebaut werden müssen, wo aber noch gar kein Baurecht vorliegt,

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich komme noch dazu. Das ist das, was man unter Priorisierung versteht.)

und das Baurecht fällt ja nicht vom Himmel.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Lass dich nicht wuschig machen.)

Ich lasse mich nicht wuschig machen.

Es gibt ja auch Kleine Anfragen, die ordentlich beantwortet sind, wo das Verkehrsaufkommen auch dargestellt worden ist.

Ich muss noch mal sagen, für Wintzingerode lag der Planfeststellungsbeschluss vor, für Großengottern nicht, und ohne Planfeststellungsbeschluss kann eben keine Straße gebaut werden. Das ist natürlich dann Doppelzüngigkeit, einmal Ortsumfahrung ja, wo es einem reinpasst, einmal nein, und das darf man von dieser Stelle auch mal kritisieren. Entweder ist man für Ortsumfahrungen oder man ist nicht dafür.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau darum geht es.)

Im Nachgang zu sagen, das eine hätte eher sein müssen als das andere, das ist dann auch immer leichter gesagt, wenn man die ganzen Dinge, die ich eben gesagt habe, ausblendet. Für uns als CDU-Fraktion haben alle Ortsumfahrungen Priorität.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist das Problem.)

(Unruhe im Hause)

Wir spielen nicht Kallmerode gegen Großengottern aus. Für uns hat das Priorität und wir setzen uns dafür ein und tun das auch mit unserer Kraft, damit der Bundeshaushalt hier auch mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, damit die Ortsumfahrungen gebaut werden können. Wir haben Verständnis für die Menschen, die in diesen Orten wohnen und eine hohe Verkehrsbelastung haben. Wenn man vom Eichsfeld nach Erfurt fährt mit dem Auto, muss man durch Großengottern fahren und dann weiß man, wie die Verkehrsbelastung ist und dass dort dringend etwas getan werden muss.

Prinzipiell, möchte ich zum Schluss sagen, begrüßen wir, liebe Frau Schubert, dass DIE GRÜNEN auch für den Bau von Ortsumfahrungen sind.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gut, dass das auch noch mal angekommen ist bei Ihnen.)

Wenn Sie Ihre ideologischen Scheuklappen fallen lassen, dann werden Sie sehen, dass neben einer gut ausgebauten Schienenstruktur auch Ortsumfahrungen dazugehören. Beides gehört zu einer modernen Infrastruktur. Wir werden uns für beides einsetzen, für eine gute Schienenverbindung und vor allen Dingen auch für eine gute Straßenverbindung und für den Bau von Ortsumfahrungen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Dann sagen Sie das mal Kallme- rode.)

Wenn Sie uns dabei unterstützen wollen, vielen Dank, aber Ihren Antrag lehnen wir ab.

(Unruhe DIE LINKE)