Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

(Beifall CDU, AfD)

Jetzt hat die Abgeordnete Marx das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und alle anderen, die uns zu dieser schon fortgeschrittenen nachmittäglichen Stunde noch zuhören, es gibt kein analoges Leben mehr in der digitalen Welt. Das ist eine Weisheit, die schon länger gilt, und deswegen ist natürlich die Digitalisierungsstrategie 2020 ein wichtiges Thema, mit dem sich die Landesregierung und auch alle anderen Ebenen der Politik sicherlich schon länger beschäftigen, ohne dass man jetzt einer besonderen Aufforderung dazu bedürfte. Wir haben jetzt so einen Flickenteppich gehört, auch zuletzt vom Kollegen Voigt, was es da so alles Interessantes gäbe, nur, diese ganze Palette wird nicht abgedeckt in Ihrem Antrag und deswegen ist er nicht so unbedingt förderlich für die Weiterentwicklung, weil er eigentlich selbstverständliche kleine Basiselemente enthält, aber auf die drängenden Zukunftsprobleme, die sich aus der Digitalisierung ergeben, gar nicht eingeht. Der Ergänzungsantrag oder der Entschließungsantrag der AfD geht da ein bisschen weiter, ist da ein bisschen breiter, aber letztendlich werden auch nicht alle Problemfelder gestreift.

(Zwischenruf Abg. Krumpe, AfD: Hätten Sie mal einer Enquete zugestimmt!)

Wir haben acht Bereiche, die wir im digitalen Leben betrachten müssen. Das Erste ist der Bereich einer guten Arbeit in der digitalen Gesellschaft. Wie soll die denn eigentlich künftig aussehen? Die Digitalisierung ermöglicht eine Entgrenzung von Privatund Arbeitswelt. Die herkömmlichen Arbeitsstrukturen werden durcheinanderkommen. Wenn man sich nicht mehr in einem Unternehmen befindet, wo herkömmliche Dienstund Befehlsempfangsund -ausführungsstrukturen herrschen, kommt es zu neuen Herausforderungen, beispielsweise wird die Abgrenzung von Arbeitszu Auftragsverhältnis wichtig und muss prägnanter geklärt werden. Die Frage ist: Wo verrichtet jemand seine Arbeit, hat er denn überhaupt noch private Freizeit oder wird er zu einer Art Freiwildselbstständigem, der rund um die Uhr irgendwelche Leistungen zu erbringen hat?

(Abg. Dr. Voigt)

All das sind wichtige soziale Fragen, die auch mit der Digitalisierung verbunden sind und verbindlich geregelt werden müssen. Digitale Wirtschaft, dazu fällt jedem immer etwas ein, 4.0 – dazu wird viel gearbeitet. Aber wir haben digitale Wirtschaft natürlich nicht nur in Großindustrien und in Megastrukturen. Wir haben digitale Wirtschaft auch in ganz klein und digitale Wirtschaft ermöglicht auch die Umstellung von privaten Initiativen in den Bereich einer kleinen wirtschaftlichen Tätigkeit. Bereiche von Tauschringen, Nachbarschaftshilfen, alles kann einer Digitalisierung zugänglich gemacht werden. Auch das werden neue Formen digitalen Wirtschaftens sein.

Im dritten Bereich kommen wir zur digitalen Bildung, Familie und Teilhabe. Dazu ist auch einiges gesagt worden. Aber das ist weit mehr, als jetzt einfach nur ein frei zugängliches WLAN-Netz zu schaffen oder sich um mehr Medienkompetenz zu kümmern. Wir stehen mit diesem rasanten Fortschritt in der Digitalisierung auch vor der Gefahr eines gesellschaftlichen Digital Divide, also einer digitalen Spaltung, in der sich unterschiedliche Zugänge zu solchen modernen Zivilisationstechniken, so kann man es ja mal nennen, dann auch in einer Chancenungerechtigkeit neuer Art auswirken können, wenn man da nicht entsprechend vorbeugt. Deswegen gehört die Teilhabe, also quasi die digitale Teilhabe, als neues Grundrecht auch in die Agenda einer Digitalisierungsstrategie 2020. Da brauchen wir nicht nur Grund- und Fortbildung in der Schule, da sind auch Senioren anzusprechen, da sind die Lehrer selbst Adressat von Fortbildung, da gibt es auch ein paar weiße Flecken, die gut zu füllen wären.

Der vierte Bereich ist Staat und Gesellschaft. Durch die Digitalisierung bekommen wir auch eine Neudefinition von Partizipation und Teilhabe – Open Data, Open Government sind die Stichworte. Wir haben uns in unserer Koalitionsvereinbarung dazu verpflichtet, ein neues Transparenzgesetz zu schaffen, das alle diese Elemente mit aufnimmt.

Als fünften Bereich möchte ich das Thema „Kultur“, speziell „Medien und Öffentlichkeit“, ansprechen. Der Kulturbereich ist auch stark betroffen und auch hier gibt es nicht etwa nur Urheberrechtsfragen, sondern allgemein die Fragen, die sich mit Digitalisierung von Kunst, mit Kunstwerken auch hier mit dem Austausch stellen.

Als Sechstes: Infrastruktur, Städtebau, ländliche Räume und Umwelt. Hier geht es nicht nur um technische Equipments und die Aufrüstung, etwa Verkehrsleitsysteme und was sich alles denken lässt, hier kommt vor allen Dingen, und das ist sehr, sehr wichtig, auch der Bereich der Sicherheit kritischer Systeme ins Spiel. Mit der zunehmenden digitalen Überwachung und Verortung, also angefangen vom Digitalfunk bei der Polizei, bei der es ja immer mal Probleme gibt, bis hin zu komplizierten Leitsystemen oder auch elektronischen Abfragen,

erhöht sich auch entsprechend die Gefahr, dass dort Störungen auftreten können. Die Frage ist: Wie greift man dort rechtzeitig ein, wie verhindert man solche Störungen, wie macht man solche kritischen Systeme angriffssicher? All das sind sehr, sehr wichtige Fragen.

Der siebente Punkt ist natürlich, dass alles das nur in einem Europäischen Verbund möglich ist. Das wäre sehr merkwürdig, wenn wir uns hier auf Thüringen oder nur auf Deutschland begrenzen wollten, und deswegen muss die Digitalisierungsstrategie natürlich auch in einen Europäischen Rahmen gestellt werden. Und es ist wichtig, dass wir hier auch von Deutschland aus unsere Standards mit einbringen.

Jetzt kommt der letzte Punkt und das ist einer, der eigentlich als Querspange über allem liegt, das ist der Punkt „Datenschutz“. Ich habe mich doch sehr gewundert, dass dieses Wort bei Ihnen überhaupt nicht aufgetaucht ist, in Ihren ganzen Redebeiträgen nicht und in den Anträgen nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, Datenschutz ist das zentrale Bürgerrechtsproblem oder die zentrale Bürgerrechtsfrage der digitalen Gesellschaft, denn wenn Sie sich diese ganzen Bereiche mal vor Augen halten, dann haben Sie diesen berühmten Begriff am Ende von Big Data, der nicht mehr und nicht weniger meint, als dass unser ganzes Leben von Daten erfasst und von Daten durchdrungen ist. Wir werden sozusagen rund um die Uhr gescannt, mit Algorithmen werden perfekte Persönlichkeitsprofile von uns geschaffen, jeder weiß fast in Echtzeit, wo der andere ist, was er macht, wo er sich gerade aufhält. Deswegen sind diese Datenschutzfragen bei all diesen Entwicklungsherausforderungen zentral, damit der Mensch sozusagen nicht am Ende der Diener der Maschine wird und nicht nur substituiert wird, wie es der Minister gesagt hat, im Bereich der Wirtschaft 4.0, der digitalen Wirtschaft, sondern möglicherweise dann auch noch nur als ein kleines Lenkungsobjekt zurückbleiben kann. All diese Dinge sind umfassend zu klären.

Der Minister hat schon gesagt, dass die Landesregierung daran arbeitet. Wir haben, wie gesagt, eine extra Ministeriumszuordnung geschaffen. Die muss natürlich interdisziplinär verstärkt werden. Das nächste Wirtschaftsforum in Weimar wird sich auch schon dem Thema der digitalen Wirtschaft widmen. Wir haben hier sehr, sehr viel zu tun. Aber die beiden Anträge greifen mir viel zu kurz und deswegen brauchen wir sie nicht in dieser vereinfachten Form weiterzubehandeln und zu beraten. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Krumpe, AfD: Kein An- trag!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat sich der Abgeordnete Krumpe zu Wort gemeldet.

Ganz kurz zu Frau Marx, um Ihre Schlagwortliste zu komplettieren: Smart Cities kam nicht vor, Kryptografie kam nicht vor, Big Data Analytics kam auch nicht vor. Was ich damit sagen wollte, ist, kein Antrag hier im Plenum zum Thema „Digitalisierungsstrategie 2020“ – oder wie auch immer – wird vollumfassend sein. Deshalb ist es doch wohl völlig logisch, dass man die Kompetenzen aus allen Fraktionen in einem Ausschuss vereint, um über eine Digitalisierungsstrategie 2020, die wirklich zukunftsgewandt und wirklich nachhaltig ist, zu sprechen, nicht mehr und nicht weniger. Dann verstehe ich nicht, dass Sie hier wirklich mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten versuchen, drei Anträge abzuschmettern. Also das verschlägt mir jetzt wirklich die Sprache.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Die Linke hat sich die Abgeordnete König zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Kamera läuft!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren – online und offline –, zum Antrag der CDU-Fraktion: Als Erstes, ich finde es gut, dass es diesen Antrag der CDU-Fraktion gibt, dass sich die CDU-Fraktion jetzt auch mal aus inhaltlicher Perspektive mit diesem Thema im Gesamten beschäftigt. In der letzten Legislatur, da möchte ich nur auf Ihr Abstimmungsverhalten verweisen, dass beispielsweise der Antrag zum „Modellprojekt für kostenloses öffentliches WLAN“ als Kommunismus abgetan und dann eben auch entsprechend abgeschmettert wurde, auch wenn der in Ihrer Fraktion dafür zuständige Fachabgeordnete viel versucht hat, um die CDU-Fraktion von der Sinnhaftigkeit des Ganzen zu überzeugen. Insofern, wenn die Oppositionsrolle dazu führt, dass bei der CDU der Kommunismus ausbricht – in Ihrer Logik verbleibend –, wünsche ich der CDU mehr Opposition in mehr Bundesländern, um dann eben auch entsprechend die nach Ihrer Wahrnehmung kommunistischen Verhaltensweisen selber als Antrag zu stellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht grundsätzlich mal eines, bevor ich im Detail an einigen Punkten des CDU-Antrags darstellen

möchte, warum wir heute hier diesen Antrag ablehnen. Mit der Ablehnung des CDU-Antrags haben sich dann auch der Entschließungsantrag und der Änderungsantrag erledigt. Ich glaube, was viele nicht verstehen, ist, dass digitale Gesellschaft faktisch die Gesellschaft, wie wir sie so im – ich nenne es einmal – realen Offline-Leben kennen, im Internet stattfindet und dass ein Großteil der Menschen, die nach 1980 geboren wurden, gar nicht mehr die Unterscheidung vornehmen zwischen dem digitalen Leben und der digitalen Welt und der realen Welt, der sogenannten Offline-Welt. Es wäre notwendig, dass dieses Verständnis des Internets – das Netz als digitaler Kultur- und Lebensraum – eben so in allen Fraktionen, aber generell auch im Ministerium Einzug hält und entsprechend eine Digitalisierungsstrategie daraufhin ausgerichtet wird. Da geht es mir jetzt gar nicht um die einzelnen Begrifflichkeiten und die einzelnen Schlagwörter, die hier zum Teil schon gefallen sind. Es ist richtig, all diese Begrifflichkeiten und Schlagwörter umfassen nicht das, was digitale Gesellschaft meint. Digitale Gesellschaft ist das Leben, wie wir es leben, nur sozusagen auf einer anderen Ebene. Dieses Verständnis muss, glaube ich, in fast allen Fraktionen noch umgesetzt werden. Da sollten sich die Netzpolitiker oder Netzpolitikerinnen der jeweiligen Fraktionen nichts vormachen, da haben wir in unseren eigenen Reihen einiges dafür zu tun, dieses Verständnis überhaupt erst einmal in unserer – ja – Nachbarschaft hier im Plenarsaal entsprechend umzusetzen und dann auch im Ministerium und mit dem Ministerium dafür zu kämpfen, dass dieses Verständnis hier auf Landesebene Einzug hält und dann optimalerweise natürlich auch auf Bundesebene entsprechende Entscheidungen getroffen werden, die die digitale Gesellschaft nicht nur begünstigen, sondern sie praktisch auch mit Gesetzgebungsmaßnahmen umsetzen. Dazu gehört eines, Herr Minister Tiefensee, danke schön für Ihren Sofortbericht, aber ich glaube, worüber wir uns noch einmal werden unterhalten müssen, ist die Beurteilung der Störerhaftung in Bezug auf die freien WLAN-Anbieter, auf die Privaten, die planen, ihr privates WLAN, was sie zu Hause haben, zu öffnen. Da ist nämlich die Störerhaftung alles andere als gut, da ist nämlich die Störerhaftung noch vorhanden. Als solche – so haben wir es ja auch im Koalitionsvertrag formuliert – soll die Störerhaftung abgeschafft werden, und zwar nicht nur für Betriebe, nicht nur für öffentliche Einrichtungen, sondern eben auch so, dass jeder Mensch, der das will, sein WLAN offen, frei zur Verfügung stellen kann und nicht haftbar ist für das, was jemand anderes, der dieses WLAN nutzt, damit macht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern setze ich einfach einmal darauf, dass diejenigen, die sich heute hier vorne am Rednerpult

schon geäußert haben, auf all den Ebenen und mit all den Menschen und öffentlichen Stellen und Ministerien usw., mit denen sie in Kontakt stehen, sich dafür einsetzen, dieses Verständnis einer digitalen Gesellschaft weiter voranzutreiben und dann eben auch die entsprechenden Maßnahmen, Umsetzungen dazu voranzutreiben.

Frau Marx hat allerdings eine Sache erwähnt, die ich sehr entscheidend finde, nämlich Bürgerrechte in der digitalen Welt. Es wird immer sehr schnell vergessen, wenn man die ganzen Begrifflichkeiten, die technischen Darstellungen – Industrie 4.0, EGovernment, Open Data usw. – hier erwähnt, Kryptografie ganz wichtig übrigens angesichts der zunehmenden Überwachungsformen durch diverse Geheimdienste. Ja, über die Bürgerrechte im Internet müssen wir dringend reden. Ihr Antrag von der CDU wird dem wirklich nicht gerecht. Wer von einer Digitalisierungsstrategie ausgeht, wer eine Digitalisierungsstrategie fordert und das vom Ministerium für Digitale Gesellschaft, welches zumindest hier in Thüringen erstmalig so besteht, fordert, der muss eigentlich zwangsläufig auch die Bürgerrechte zumindest mit erwähnen. Das finde ich schade, gerade weil Dr. Voigt nicht derjenige ist, der zu dem Themenfeld überhaupt keine Ahnung hat, sondern im Gegenteil einer derjenigen ist, mit dem man sich – ich mich – in der letzten Legislatur hier sehr gern und sehr gut zum Thema „Netzpolitik“ streiten konnte. Ich finde es schade, dass Sie diesen meines Erachtens entscheidenden Punkt vergessen. Es ist einer der Hauptpunkte, warum wir Ihren Antrag ablehnen.

Den Antrag abzulehnen bedeutet nicht, das Themenfeld abzulehnen, bedeutet auch nicht, keine Digitalisierungsstrategie für Thüringen umzusetzen, sondern bedeutet nur, dass die Beschlussform, wie sie jetzt vorliegt, auch in der Form der Ergänzung der AfD-Fraktion, überhaupt nicht dem gerecht wird, was wir uns unter einer Digitalisierungsstrategie vorstellen. Das ist kein Widerspruch dazu. Wir arbeiten im Ausschuss gemeinsam daran und versuchen gemeinsam im Sinne eines – ja, ich nenne es einmal – positiven Vorangehens für Thüringen, da etwas zu verbessern. Das soll eher ein – ich nenne es mal – Anreiz sein, nämlich sich erst mal darüber zu verständigen, was digitale Gesellschaft bedeutet. Es bedeutet nicht nur Wirtschaft, es bedeutet auch nicht nur E-Government und Open Data, es bedeutet auch nicht nur Bürgerrechte im Internet, sondern es bedeutet eben den Lebens- und Kulturraum, in dem all das, wie ich es vorhin schon erklärt habe, was wir in der normalen Offline-Welt kennen, auch in der Online-Welt stattfindet.

Zu Ihrem Antrag möchte ich wenigstens noch zwei Punkte sagen. Als Erstes: Die Unterstellungen, so nenne ich es jetzt mal, die zum Teil mitschwingen, halte ich schon für schwierig, wie beispielsweise unter II.5: „die vom Bund bereitgestellten Mittel für

den Ausbau der Breitbandnetze uneingeschränkt und zweckentsprechend zu verwenden“. Ich weiß nicht, woher Sie diese Unterstellung nehmen – ob das Erfahrungen der letzten Legislatur sind, wo in Ihrer Regierungszeit damals die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet wurden.

Ich kann nur eines garantieren: Das wird nicht passieren, dass die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet werden. Sie werden nicht nur dafür zur Verfügung gestellt, sondern dafür soll auch mit entsprechenden Maßnahmen geworben werden, um zu verhindern, dass Millionen übrig bleiben, die nicht abgerufen werden, was damit dem Breitbandausbau letztendlich nicht gerecht wird.

Das Zweite: Ich glaube, alle, die sich ein bisschen intensiver mit dem Themenfeld beschäftigen, wissen, dass auch 50 Mbit/s bis zum Jahr 2018 in 2018 dem Ganzen sehr wahrscheinlich überhaupt nicht mehr gerecht werden. Wir reden momentan davon, dass es 50 Mbit/s mindestens bräuchte – allerdings ist das der jetzige und aktuelle Stand. Wenn wir ehrlich sein würden und wenn die finanziellen Mittel dafür vorhanden wären, wenn der Bund auch entsprechend Mittel mit bereitstellen würde, weil Thüringen das allein gar nicht finanzieren kann, dann müssten wir sagen: bis 2018 100 Mbit/s – vielleicht sogar noch mehr, denn die Umformatierung, nenne ich es jetzt einmal, des Offline-Lebens auf das Online-Leben wird zunehmen, es wird immer mehr in der sogenannten digitalen Welt stattfinden. All das erfordert eine viel höhere Bandbreite als das, was a) jetzt vorhanden ist, als das, was b) bis 2018 auch mit dem Antrag – bzw. die CDU hat ja noch 2019 drinstehen –, auch mit ihrem Antrag dann praktisch umgesetzt sein wird.

Zuletzt muss ich mir doch noch einen kleinen Disser in Richtung CDU-Fraktion erlauben: Ich finde es ja Wahnsinn, was Sie hier jetzt für Anträge zum Thema „Digitalisierung“ stellen und was Sie jetzt aus der Opposition heraus alles fordern. Die letzten zehn Jahre – mindestens die letzten zehn Jahre – haben Sie das Themenfeld hier in Thüringen ganz schön verschlafen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da meine ich nicht Sie persönlich, Herr Dr. Voigt, sondern da meine ich die CDU-Fraktion. Ich finde es schon schade, sich dann hier hinzustellen, Dinge zu fordern, die mit den irrwitzigsten Begründungen abgelehnt wurden, wie: das wäre ja Kommunismus, plötzlich den Koalitionsvertrag in gewissen Teilen in einen Antrag der CDU-Fraktion zu gießen und zu fordern, dass man das jetzt umsetzt, dabei aber entscheidende Punkte, die aus unserer Sicht eben wichtig sind, wie Bürgerrechte in der digitalen Welt usw., zu vergessen.

Wir lehnen Ihren Antrag ab. Trotzdem stehen im Ausschuss nicht nur wir, die regierungstragenden Fraktionen, sondern natürlich auch das Ministerium zum Thema „Digitalisierungsstrategie“ für eine sachorientierte Debatte zur Verfügung, nicht nur zur Verfügung, sondern wir wollen und fordern das natürlich auch, weil wir es nicht nur in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, dass wir das möchten und dass wir das umsetzen werden, sondern weil wir dazu stehen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass das Ministerium nicht nur für Wirtschaft und Wissenschaft eingerichtet wurde, sondern eben auch für digitale Gesellschaft. Was digitale Gesellschaft ist, hoffe ich Ihnen gerade erklärt haben zu können. Wenn nicht, können Sie gern noch mal auf mich zukommen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Henfling das Wort.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es ist schon viel Wichtiges hier gesagt worden von der Kollegin Marx, von Herrn Voigt und von Katharina König. Herr Voigt, wir werden Ihnen den Gefallen tun und die Einzelstellung in Ihrer Fraktion in der Regierung umsetzen. Sie sind herzlich eingeladen, daran mitzutun. Ich glaube, da kommen wir ganz gut zueinander.

Lassen Sie mich zwei Sachen ganz kurz noch mal anschneiden, weil sie mir einfach wichtig sind und weil ich da einen Widerspruch sehe. Die Kollegin König hat es angesprochen: In Ihren Anträgen fehlt völlig die Frage der Bürgerrechte, völlig die Frage des Datenschutzes – das hat Dorothea Marx gesagt. Wir haben heute Morgen in der Debatte mitbekommen – Herr Fiedler hat das am Rande erwähnt –, die Vorratsdatenspeicherung wird insbesondere von der CDU im Bund gerade besonders hochgejazzt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja, aber auch die SPD!)

Das ist genau das Problem, was ich hier sehe. Da sind Sie einfach im Kopf noch gar nicht so weit, dass wir überhaupt ernsthaft darüber reden können. Ich glaube, da müssen wir noch ein ganzes Stück vorankommen, bis auch Sie erkennen, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht mal eben so was ist, was man lapidar am Rande machen kann, sondern das ist eine grundsätzliche Infragestellung von Bürgerrechten und das ist ein erster Schritt zu einer Telekommunikationsüberwachung. Sie erlauben mir diesen ganz kurzen Schwenk. Ich höre hier

auch immer: „Nie wieder Stasi!“, und so was aus Ihrer Fraktion und da frage ich mich dann tatsächlich, wie ernst Sie das wirklich nehmen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie müssten eigentlich über diese ganze Frage relativ gut informiert sein. Soweit ich weiß, ist der Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski auch im NSA-Untersuchungsausschuss auf Bundesebene. Ich glaube, wenn man in diesem Untersuchungsausschuss sitzt, dürfte einem klar sein, was das bedeutet, was da gerade passiert. Wenn Sie sich mit der Wirtschaft zum Thema „Geheimdienste“, zum Thema „BND“ unterhalten würden und wenn Sie da mit den Kollegen im Gespräch ständen, wüssten Sie wahrscheinlich auch, dass insbesondere die Wirtschaft große Probleme damit hat, was da gerade läuft. Der Abgriff zum Beispiel am Glasfaserknotenpunkt in Frankfurt – vielleicht sollten Sie einmal mit den Kollegen ins Gespräch kommen, was die in diesem Ausschuss diskutieren und was das heißt. Nicht umsonst sprechen viele davon, dass wir da gerade durchaus ein Endspiel mit den Geheimdiensten auf Bundesebene spielen. Diese Tragweite ist bei Ihnen, glaube ich, noch nicht angekommen.

Noch zwei Sätze zum Thema „Telemediengesetz“. Ich glaube, dieser Referentenentwurf, der hier vorliegt, ist definitiv nicht weitgehend genug und wir haben da eine klare Formulierung im Koalitionsvertrag stehen, nämlich dass wir uns für die Abschaffung der Störerhaftung einsetzen. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Gesellschaft, die den Zugang zum Internet als grundsätzliche Daseinsvorsorge versteht. Und um dafür zu sorgen, dass alle Menschen, egal, wie hoch ihr Einkommen ist, und egal, wie sie sich in dieser Gesellschaft bewegen, Zugang zum Internet haben, ist das ganz wichtig. Ich glaube, die Freifunkinitiativen haben hier schon etwas angefangen, was wir politisch definitiv unterstützen sollten, weil es meines Erachtens der richtige Weg in eine digitale Gesellschaft ist, die für alle da ist und nicht als Privileg für bestimmte Gruppierungen gilt.

Frau Abgeordnete Henfling, gestatten Sie eine...