Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Dann sprechen Sie in Ihrem Bericht weiterhin davon, dass Sie es als Verpflichtung ansehen, dass die Bevölkerung umfangreich informiert und einbezogen wird. Das finde ich gut, nur hätte ich mir dann auch gewünscht, dass Sie auch mal mit der BI „Masse gegen Trasse“, die es in Ostthüringen gibt, in den Dialog gehen. Ich habe Ihnen bereits im Dezember einen Brief geschrieben, da ist aus Ihrem Ministerium nur Funkstille zu hören. Ich kann nur sagen, gehen Sie endlich zu der Bürgerinitiative vor Ort, reden Sie mit denen. Herr Adams hat heute gesagt, man würde die Telefonnummer der Bürgerinitiative nicht kennen. Ich kann Ihnen gern die Telefonnummer des BI-Vorsitzenden geben.

(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Die habe ich!)

Die haben Sie? Dann kann ich Sie nur auffordern, vor Ort zu gehen und mit den Menschen dort zu sprechen und für Klarheit zu sorgen.

Ich will es noch mal zusammenfassen. Der Bericht, den die Landesregierung heute zum Thema „380-kV-Trasse“ vorgelegt hat, enthält wenig Neues, ist aber ein Dokument eines massiven Glaubwürdigkeitsproblems Ihrer Energiepolitik von Anfang an, denn Sie haben, und das will ich noch mal wiederholen, innerhalb weniger Wochen eine astreine 180-Grad-Wende Ihrer Politik vorgenommen. Das nennen manche, positiv gesagt, „politische Flexibilität“. Wir nennen es ganz einfach „Wortbruch“. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gruhner. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Harzer für die Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, werte Damen und Herren Kollegen! Herr Gruhner, wie ich Ihrem Lebenslauf entnommen habe, sind Sie evangelisch und da fällt mir nach Ihrer Rede nur noch das achte Gebot ein: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“

(Beifall DIE LINKE)

Das war, denke ich, durchgängig zu spüren. Sie versuchen, Ihre Schuld an einer Umweltzerstörung, an einem Naturraub, den Sie zu verantworten haben als CDU, Bundes- und Landesregierung, der neuen Koalition in die Schuhe zu schieben.

(Beifall DIE LINKE)

Wie hat gestern so treffend das „Freie Wort“ in einem Bericht unter dem Titel „Rot-Rot-Grün kämpft mit den Altlasten“ zur 380-kV-Trasse geschrieben: Gerade die Umweltministerin hat einen Großteil der Altlasten, für die frühere Regierungen verantwortlich sind. Das schreibt das „Freie Wort“.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, das „Freie Wort“ hat recht. Wir baden aus, was Sie unserer Natur, unserer Umwelt antun. Wenn Sie mal anschauen wollen, wie Landschaftsentwicklung, Naturraumentwicklung à la CDU aussieht, dann fahren Sie mal von Gehren in Richtung Ilmenau, dann sehen Sie dies bei Langewiesen hervorragend. Da hat man die Umgehungsstraße, dann hat man eine ICE-Brücke, dann hat man die 380-kV- und daneben hat man noch die 110-kVLeitung von der Bahn. Das sieht fantastisch aus! Dieses Tal ist für sein Leben, für unser Leben geprägt. Dort wird sich nichts wieder verändern. Das ist Politik à la CDU. Das haben Sie zu verantworten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Bürgerinitiativen – Frau Siegesmund hat es angesprochen –, die vor Ort aktiv waren, haben mehrfach belegt, dass diese Leitung energiepolitisch nicht notwendig ist – unter anderem durch das Jarass-Gutachten und durch Lastflussanalysen –, dass der überdimensionierte Netzausbau Klimaschutzziele konterkariert, dass dieser Netzausbau nicht zum zeitnahen Absenken des Kohlestroms beiträgt, dass der Windstromausbau im Norden für den Trassenbau widerlegt worden ist. Das hat sogar 50Hertz vor dem Bundesverwaltungsgericht in

(Abg. Gruhner)

Leipzig zugeben müssen. Durch Gutachten wurde dargestellt – hatte ich schon gesagt –, dass diese Leitung unsinnig ist. Es gab gemeinsame Bündnisse aus Landkreisen, Kommunen, IGs, BIs, Bürgern usw. aus Thüringen und Bayern, die jahrelang dafür gekämpft haben, diese Trasse zu verhindern. Ich will nur einmal kurz daran erinnern: Bereits 2007 – da haben Sie noch studiert, deswegen können Sie das nicht wissen, sonst hätten Sie nachlesen können, wenn Sie sich wirklich dafür interessieren würden – gab es unter der Drucksache 4/3509 – können Sie sich aufschreiben, gibt es auch im Protokoll vom 08.11.2007 – einen Antrag der Fraktion der Linken „380-kV-Höchstspannungsleitung vom Raum Halle über Erfurt nach Nordbayern“. Dort wurde der Landtag aufgefordert festzustellen, „a) dass die Überprüfung der energiewirtschaftlichen und versorgungsseitigen Notwendigkeit der 380-kVHöchstspannungsleitung vom Raum Halle über Erfurt nach Nordbayern vor dem Hintergrund des § 1 des Thüringer Landesplanungsgesetzes zwingend Inhalt und Gegenstand des noch ausstehenden Raumordnungsverfahrens für den Abschnitt Altenfeld–thüringisch-bayerische Landesgrenze sein muss, b) dass die 380-kV-Höchstspannungsleitung vom Raum Halle über Erfurt nach Nordbayern weder energiewirtschaftlich noch versorgungsseitig notwendig ist“ – 2007. Bereits damals hat dies Ihre Regierung – da waren Sie noch allein an der Regierung – abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wird Zeit, dass es wieder so weit ist!)

Ja, das mag – also der Wähler mag da einen Riegel vorschieben, weil wir ja Thüringen vorwärts gestalten wollen und nicht rückwärts, lieber Kollege Mohring.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Vorwärts im- mer, rückwärts nimmer!)

(Beifall DIE LINKE)

Die Frage ist doch auch: Wer hat im Bundesrat EnLAG und NABEG, diesen Lobbygesetzen, zugestimmt? Ihre Landesregierung! Damit hat sie die Grundvoraussetzung geschaffen, dass diese Leitung gebaut worden ist, dass den Kommunen die kommunale Selbstverwaltungshoheit entzogen worden ist, dass die rechtlichen Möglichkeiten für Bürgerinnen, für Kommunen, für Regionale Planungsgemeinschaften beschnitten worden sind. Wie ernst nimmt man dann noch Kommunen und Bürger? Wie ernst nimmt man sein eigenes Tun, wenn man dann einer Regierung, die dieses vorfindet, vorwirft, sie hätte Wahlversprechen gebrochen, sie würde die Bürger veralbern, sie würde ihnen Sand ins Getriebe streuen? Wie ernst nimmt man dann sein eigenes Tun aus den vorangegangenen 15 Jahren, lieber Herr Gruhner? Das müssen Sie sich einfach fragen lassen. Sie sind verantwortlich für diese Naturzerstörung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn immer abgestellt wird auf den Stand der Technik, was Sie auch gemacht haben: Es war schon damals Stand der Technik, dass man auch einen Tunnel durch den Thüringer Wald für die Leitungen hätte bohren können, wenn sie denn überhaupt gebraucht worden wäre.

In Spanien machen sie es vor, die bauen für ihre Hochspannungsleitung durch die Pyrenäen einen Tunnel, um dieses zu transportieren. Das ist etwas teurer, klar, aber es schützt Natur, es schützt Umwelt, es schützt die Menschen in den betroffenen Gebieten. Fahren Sie mal nach Schalkau, schauen Sie sich mal an, was dort gebaut werden soll mit dieser unsinnigen Trasse, was dort noch entstehen soll mit diesem Abzweig nach Grafenrheinfeld.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Schauen Sie es sich an, reden Sie mit den Bürgern, dann wissen Sie, was Sie verbrochen haben hier in Thüringen, und Gott möge uns davor beschützen, dass Sie wieder allein an die Regierung hier in diesem Lande kommen.

(Beifall DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viele technische Möglichkeiten, Strom zu transportieren, und es gibt zum Beispiel auch die Möglichkeiten, liebe Kollegen, wenn Sie es noch nicht wissen, durch Lastmanagement in den bestehenden Leitungen, durch Hochtemperaturseile entsprechend auch den Strom in größerer Kapazität zu transportieren.

(Unruhe CDU)

Dieses alles wurde hier von der Kollegin Enders, die Sie zitiert haben, gesagt. Ich finde es frech, dass Sie ausgerechnet Frau Enders zitieren, die Ihre Fraktion hier im Landtag ausgelacht hat für Ihre Vorschläge, wie man 380-kV-Leitung verhindern kann, wie man 380-kV-Leitung anders bauen kann. Das sind alles Tatsachen, die hier benannt werden müssen, wenn man über diesen Bericht redet. Ich danke der Landesregierung, auch der Ministerin, dass sie, was Sie niemals fertiggebracht hätten, das ökologische Trassenmanagement durchgesetzt haben, was bei Ihnen nie auf der Agenda stand, dass man zumindest keine freigehaltenen Trassen im Thüringer Wald hat. Aber ich bitte Sie, zukünftig regelmäßig über den Thüringer Wald zu gehen und Ihr Bauwerk zu betrachten. Ich habe auch noch einen Vorschlag von den Bürgern aus der Region Sonneberg. Ihr Fraktionsmitglied, der Henry Worm, war ja in der zurückliegenden Legislatur der energiepolitische Sprecher, Ihr Vorgänger, Herr Gruhner. Er kommt ja aus der Region, und die Bürger haben mir vorgeschlagen, aufgrund der Nachhaltigkeit, um auch dem Henry Worm eine entsprechen

de Würdigung zukommen zu lassen, die Strombrücke von Altenfeld nach Schalkau „Henry-WormTrasse“ zu benennen. Danke schön, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Hat der nicht gewonnen gegen Sie?)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wahlkreis- verlierer!)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Mühlbauer von der SPD-Fraktion. Frau Mühlbauer, Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine werten Kollegen, bitte seid friedlich. Es ist 19.00 Uhr und 5 Minuten. Wir haben doppelte Redezeit, ich habe also für mich auch dieses Thema hier in der notwendigen Breite darzustellen. Als Erstes möchte ich mich bei der Ministerin recht herzlich bedanken. Danke schön, liebe Anja Siegesmund.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist ein sehr, sehr schweres Thema und sehr schweres Thema, hier nach 100 Tagen die Dinge zu korrigieren, zu heilen, die 15, 20 Jahre im Argen lagen. 15, 20 Jahre, ja, meine Herren und Damen der CDU-Fraktion, das sage ich Ihnen auch in der Deutlichkeit. Trassenmanagement, Leitungsmanagement zusammen, der Kollege Harzer hat es Ihnen gesagt, wären möglich gewesen. Wir haben zwei Tunnel, wir haben zwei Röhren für den ICE und für die Autobahntrasse in den zurückliegenden Jahrzehnten gebaut. Das ist der politische Wille, dort eine Kombination der Leitungssysteme mit zu finden und durchzusetzen. Da ist zu wenig passiert und das ist bedauerlich. Baulich ist genauso, dass Erdverkabelung viel zu spät noch einmal ins Auge genommen worden ist und hier berücksichtigt werden konnte. Leider können Sie es in dem Bereich nicht mehr.

Es ist heute auch der Abend, um einmal Danke zu sagen, Danke an die Menschen, die sich aktiv im bürgerlichen Engagement beteiligt haben für die Natur, für unser Land und auch für die erneuerbare Energie und für den Ausbau dessen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum brauchen wir denn Leitungen? Weil wir viel zu spät über dezentrale Versorgungen sprechen. Dezentrale Versorgung – wir haben uns vor nicht einmal einer Stunde die Köpfe zum Thema Wind, Stromerzeugung … – ist die Schlüssellösung gegen diesen Transittransport, gegen diese Macht der Energie

konzerne, die auf Kosten des Transitlandes Thüringen und der Menschen und unserer Natur hier die Leitungen ausgebaut haben.

(Beifall AfD)

2009, ich kam zu dem Zeitpunkt neu in den Thüringer Landtag, hat hier eine Anhörung stattgefunden – eine Anhörung, die über 12, 14 Stunden gedauert hat und an der ich die ganze Zeit über teilgenommen habe, wo ich hier an diesem Punkt Danke sagen möchte. Danke der jetzigen Landrätin des IlmKreises Petra Enders, danke dieser mutigen Frau, die damals zu technischen Lösungen ausgelacht worden ist, die heutzutage Standard in unserer Diskussion sind.

(Beifall DIE LINKE)

Ich war dabei – und ich bin selbst Ingenieurin –, mit welcher Arroganz des Wissens man dort umgegangen ist, um die Techniken – ob es jetzt die heißen Leitungen sind, ob man Leitungs-Monitoring mit betrachtet –, wie man fast versucht hat, sie ins Lächerliche zu ziehen. Das ist doch heute Grundlage dieser Politik. Deswegen noch einmal Danke von dieser Stelle aus an eine mutige Politikerin, die sich auf den Weg gemacht hat, in einer Region, wo es nicht unbedingt gleich bei jedem auf Gegenliebe gestoßen ist, auch neue Techniken zu diskutieren, die uns eine Grundlage mitgeliefert hat für unsere Politik, auf die wir aufbauen können, aber auch den Kampf nicht vergessen dürfen und den Dialog mit den Menschen, weil die Menschen recht haben: Unsere Natur ist einmalig, die müssen wir erhalten und die haben wir zu erhalten.

Wie gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist heute der Tag, wo man sagen muss, die normative Kraft des Faktischen hat uns eingeholt, ja, die 380-kV-Leitung ist nicht mehr zu stoppen. Wir müssen sehen, dass sämtliche Auswirkungen ökologisch, ökonomisch vertretbar sind, mit den Menschen vor Ort gebaut, umgebaut, realisiert werden und unsere/meine Verpflichtung heute an diesem Abend ist: So etwas – in so einer Katastrophe am Bürger vorbei – darf in Thüringen nie wieder passieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür haben Sie heute mein Wort, wir sind auf dem richtigen Weg. Dezentrale Versorgung ist die Lösung gegen Mammutleitungen. Lassen Sie uns dort mutig weitermachen, auch wenn die Wege steinig sind. Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Mühlbauer. Nun hat das Wort der Abgeordnete Kobelt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Abg. Harzer)