Sehr geehrte Damen und Herren, bis 2011 waren Stromnetze ein Thema, welches hinter verschlossenen Türen besprochen und entschieden wurde, beteiligt ausschließlich Netzbetreiber, Energiekonzerne, Bundesnetzagentur und manchmal ein bisschen die Regierungsvertreter. Die Bürgerinnen und Bürger wurden nur dann beteiligt, wenn die fertigen Planungen in die Tat umgesetzt wurden. Die Beteiligung der in der Regel unvorbereiteten Öffentlichkeit beträgt dann nur wenige Wochen. Wer soll sich als Bürgerin und Bürger in so kurzer Zeit in solche komplexen Themen einarbeiten?
Auch 2009 wurde von der CDU-Bundesregierung im Bund mit dem Energieleitungsausbaugesetz ein Prozess auf ausgetretenen Entscheidungspfaden in Gang gesetzt. 23 Leitungsbauvorhaben im Übertragungsnetz mit einer Länge von 1.855 Kilometer sollten beschleunigt umgesetzt werden. Das ist die Last, mit der wir auch in Thüringen umgehen müssen. Erreicht werden sollte das erstens dadurch, dass energiewirtschaftlicher Bedarf für diese Leitung als vordringlich eingestuft und per Gesetz festgeschrieben wurde. Damit sollten langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen während des Planfeststellungsverfahrens entfallen.
Zweitens sollten Bürgerinnen und Bürger nur noch vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen können, das heißt, die Beteiligung wurde behindert. Aber die Rahmenbedingungen haben sich geändert, die Macht der alten Stromkonzerne bröckelte, denn mit den erneuerbaren Energien hatte sich auch ein neues Selbstbewusstsein in der Bevölkerung breitgemacht. Ich möchte deshalb heute ganz ernsthaft den Bürgerinitiativen unter dem Dach der Interessengemeinschaft „Achtung Hochspannung“ ausdrücklich danken. Sie haben durch ihre konstruktive Kritik eine deutschlandweite Diskussion über die Notwendigkeit und den Verlauf neuer Höchstspannungsleitungen erzwungen. Damit wurde der Planungsprozess für neue Stromnetze aus dem Nebel geholt, in dem bisher Energieversorger, Netzbetreiber und Bundesbehörden nahezu im Alleingang über die Entwicklung des Stromnetzes entschieden haben.
Bezogen auf den aktuellen Planfeststellungsbeschluss zum 3. Bauabschnitt bleibt festzuhalten: Der fahrende Zug wäre ohne Rechtsbruch und Entschädigungszahlungen nicht aufzuhalten gewesen. Dennoch hat Frau Ministerin Siegesmund mit dem Netzbetreiber 50Hertz und trotz enormen Zeitdrucks maßgebliche Erfolge erzielt. Dafür mein ausdrücklicher Dank.
Erstens mildert nunmehr das Ökologische Schneisenmanagement den Eingriff im Wald, indem Struktur und Artenvielfalt auf der Trasse kontinuierlich erhöht werden und Zerschneidungseffekte der Schneisen verringert werden.
Zweitens haben die Umweltministerin und der Ministerpräsident sehr deutlich gemacht: Mit der rotrot-grünen Koalition wird es einen Leitungsabzweig nach Grafenrheinfeld auf Thüringer Boden nicht geben.
Drittens haben die Landesregierung und unsere Fraktion eine klare Meinung zum Leitungsausbau in Ostthüringen. Während die CDU dem Netzausbau schon auf Bundesebene zugestimmt hat,
den Ausbau von Braunkohlegebieten in Briefen an die sächsischen Kollegen befürwortet hat und im Landesentwicklungsplan nichts gegen die Trasse in Ostthüringen unternahm, hat Frau Ministerin Siegesmund mit 50Hertz eine Alternative erarbeitet, die bestehende Trassen nutzt und den Menschen in Ostthüringen neue Leitungstrassen erspart.
Handeln statt leerer Versprechungen – dafür steht die rot-rot-grüne Koalition auch in Fragen des Netzausbaus. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kobelt. Das Wort hat nun Abgeordneter Möller für die Fraktion der AfD.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Damen und Herren Kollegen – Gäste haben wir keine mehr –, zunächst einmal muss ich Herrn Gruhner in seiner Feststellung widersprechen. Er hat gesagt, er hat eine klare Meinungsänderung der neuen Landesregierung und von Frau Siegesmund pro Netzausbau vernommen. Ich muss ihm sagen: Ja, ich habe das am Anfang auch so wahrgenommen, aber als sie dann zum P44-Projekt und zur HGÜ-Verbindung kam, die durch Ostthüringen geht, da kam wieder der alte Widerstand gegen Leitungsausbau hoch. Ich denke, so sehr weit ist das Umdenken doch noch nicht gekommen.
Der Bericht des Umweltministeriums zum Planfeststellungsverfahren der Südwestkuppelleitung ist und bleibt ein Beleg für die Widersprüchlichkeit der rot-rot-grünen Energiepolitik. Von den 13 Seiten beschäftigen sich viereinhalb Seiten des Berichts damit, welche negativen rechtlichen Folgen die Aussetzung des Planfeststellungsverfahrens für den 3. Bauabschnitt hat. Diese Ausführungen, Frau Siegesmund, sind vermutlich für diejenigen gedacht, die Sie zu Oppositionszeiten noch zum Widerstand gegen den Neubau von Stromtrassen ermuntert haben.
(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Das ist Be- standteil der Verabredungen zum Koalitions- vertrag!)
Immer wieder haben Vertreter der heutigen Koalitionäre gegen den Bau der Südwestkuppelleitung Stellung genommen und das Motto damals wie heute lautet: für erneuerbare Energien – gegen Stromleitungen. Ich sage Ihnen eins: Das ist energiepolitischer Populismus. Diesen argumentativen Hammer wollte ich auch einmal schwingen.
Hier passt er auch. Dank dieses energiepolitischen Populismus haben Sie es geschafft, jetzt die Landesregierung zu stellen, und nun kommen Sie aber an den Fakten nicht mehr vorbei. Da muss man dann im Bericht leider konstatieren, dass die zu Oppositionszeiten und heute auch von der Kollegin Mühlbauer geforderten Maßnahmen zur Netzoptimierung, wie etwa das Freileitungs- oder Temperaturmonitoring oder der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen, den Leitungsneubau für die anstehenden Übertragungsaufgaben doch nicht ersetzen können. Und auch die zu Oppositionszeiten noch viel gepriesene Möglichkeit der Erdverkabelung stellt sich bei Lichte betrachtet nun alles andere als ökologisch, effizient und systemsicher dar. Da gibt es mittlerweile auch Pilotprojekte und man weiß, dass diese Erdkabelschneisen dann doch eher keinem Biotop, sondern vielmehr einem Todesstreifen nahekommen. Ich denke, da wird sich auch in Zukunft bei aller technischen Innovation nicht viel ändern.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Viel- leicht sollten Sie sich mal mit den neuesten technischen Entwicklungen befassen!)
Doch, doch. 50Hertz hat das sehr schön ausgebreitet. Der Widerstand von Linken und Grünen gegen die Südwestkuppelleitung, Herr Harzer, der war nie besonders glaubhaft, weil Sie ja vorhin auch darauf herumgeritten haben. Insbesondere die von Ihnen zu verantwortende sogenannte Energiewende – wir haben es vorhin schon gehabt, aber die Wiederholung ist ja die Mutter des Lernens –, die sogenannte Energiewende, welche auf einen möglichst großen Anteil der von Wind und Wetter abhängigen erneuerbaren Energien setzt, führt geradezu zwangsläufig zu einem hohen Bedarf an Aus- und Neubau von Stromnetzen. Aber Ihnen hat stets der Mut gefehlt, diese negative Tatsache deutlich auszusprechen. Schließlich könnte das ja die Akzeptanz des Lieblingsprojekts der Grünen, der Energiewende, erheblich unterminieren.
(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Falsch, unser Lieblingsthema ist der Klimaschutz!)
Na ja, ich weiß nicht. Wenn ich mir so Ihre Wählerklientel angucke, denke ich, da sind die doch ein bisschen pragmatischer veranlagt und dann ist es eben doch die Energiewende. Darum versucht die Landesregierung auch nach wie vor, die Stromtrassengegner in unserem Land mit angeblichen Aussagen des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz zu beruhigen, wonach es im gesamten Ostthüringer Bereich keine Neutrassierung geben wird und da eben auch keine HGÜ-Verbindung kommen wird, obwohl es für eine solche Aussage von 50Hertz eigentlich gar keine belastbare Information gibt. Das haben Sie auch im vorletzten Plenum auf unsere Nachfrage so eingestehen müssen.
Im Kern ist es so, diese unstete Energiepolitik, die Sie da aus einseitiger Bevorzugung bestimmter Technologien, aus Ausblendung unangenehmer Fakten, aus der Verteilung von Beruhigungspillen und nicht zuletzt auch aus einem Schuss Feindseligkeit gegenüber großen konventionellen Energieerzeugern betreiben, diese unstete Energiepolitik schadet unserem Land enorm. Sie schadet ihm nicht nur wirtschaftlich, sondern sie schadet ihm eben auch, was das Landschaftsbild angeht.
Es ist daher höchste Zeit umzudenken. Wenn die rot-rot-grüne Energiepolitik auch weiterhin wie bisher unter Außerachtlassung des regionalen Erzeugungsbedarfs den Zubau stark fluktuierender erneuerbarer Energien fördern möchte und diesen
dann auch mit Einspeisevorrang gewährt, dann sollte man auch so ehrlich sein und sagen, dass dieses Konzept zwangsläufig auch die Errichtung der erforderlichen Infrastruktur für den Transport des Stroms erfordert. Da muss ich Ihnen, sehr geehrte Frau Kollegin Mühlbauer, sagen,
da kommen Sie auch mit dezentraler Versorgung nicht weiter, denn dezentrale Versorgung und Einspeisevorrang passen eben nicht zusammen. Wenn Sie Ihr Konzept so veranlagen, dass der Strom sonst wo produziert werden kann, wo er eben überhaupt nicht benötigt wird, dann müssen Sie andererseits auch dafür sorgen, dass Sie diesen sonst wo erzeugten Strom mit Leitungen sonst woandershin, wo er abgenommen wird, transportieren müssen.
Ja, genau, ich habe es verstanden, Herr Harzer. Da muss man eben auch den Mut haben, den Menschen in diesem Land zu sagen, dass der Neubaubedarf, der übrigens von der Bundesregierung auf 2.750 Kilometer Stromleitung geschätzt wird, um Thüringen mit seiner zentralen Lage kaum einen Bogen machen kann. Das gehört auch dazu. Denn die stark fluktuierenden Erzeugungsleistungen der erneuerbaren Energien sind weder in signifikanter Größenordnung und zu wirtschaftlichen Bedingungen speicherbar, auch das ist eigentlich eine Binsenweisheit, noch – und das möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten, diese Weisheit – kann man den Strom ohne Leitung einfach so durch die gute Thüringer Waldluft übertragen.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie schon mal was von technischer Entwicklung gehört?)
Wer daher glaubt, er könne erneuerbare Energien befürworten, aber gleichzeitig gegen die erforderliche Stromleitung sein, der hat sich – ich darf das mal so sagen – ganz tief in seinem Energiewendezauberwald verlaufen.
(Zwischenruf aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie sich schon mal unser Monitoring-Programm angesehen, Herr Möller?)
Eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Reduzierung des auch im Weiteren absehbaren Netzausbaus wird es daher nur geben, wenn Sie eine Abkehr von der nicht zu Ende gedachten Energie
wende in Erwägung ziehen und eine konzeptionelle Neuausrichtung der Energiepolitik vornehmen. Das können wir dann alles mal im Detail erörtern. Dafür reicht mir leider meine Redezeit nicht, ich sehe es hier schon.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo wollen Sie denn hin? Sagen Sie doch mal, was Ihr Ziel ist!)
Was ich noch sagen möchte, Herr Harzer: Ich weiß gar nicht, warum Sie vorhin so auf der CDU herumgehackt haben, was Langewiesen und die Leitungen angeht, die dort gebaut worden sind. Sie wollen es noch viel bunter treiben. Ich habe doch in Ihren Koalitionsvertrag reingeguckt. Da stehen doch noch ganz andere Ausbauziele drin. Die Leitungen, die dafür benötigt werden, da möchte ich aber Thüringen nicht mehr sehen.