Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Das Unterstützungsquorum für Volksbegehren soll halbiert werden – auf nur noch 4 Prozent bei der Amtsstubensammlung und auf 5 Prozent bei freier Sammlung. Die Sammlungsfristen von zwei bzw. vier Monaten bleiben unangetastet. Es ist auch schon gesagt worden: Bisher ist die Schwelle un

glaublich hoch: Wir brauchen 200.000 Unterschriften. 100.000 ist auch noch ganz schön viel, aber da kann man auch nicht sagen, das wäre unangemessen wenig. Wer da schon mal mitgesammelt hat, der weiß, dass die nicht so schnell zusammenkommen. Und wir müssen unsere direkten Mitwirkungsmöglichkeiten auch so schwellenniedrig, sage ich mal, gestalten, dass sie auch kein Abschreckungsinstrument, sondern wirkliche Mitwirkungsinstrumente sind.

Jetzt komme ich abschließend auch noch mal zu dem Bürgerantrag, der zu einem Einwohnerantrag weiterentwickelt werden soll. Die AfD hat ja wieder lautstark getönt, das wäre ganz furchtbar, wenn da nicht nur deutsche Staatsbürger stimmberechtigt wären.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Deutscher Schäferhund, der dürfte bei der AfD wählen!)

Zunächst einmal: Es geht um einen Antrag, um einen bloßen Antrag. Es geht nicht um die Delegation von Mitbestimmungs- oder Wahlgewalt an Leute, die keine deutschen Staatsbürger sind, sondern es geht darum, dass Anregungen vorgebracht werden, mit denen sich der Landtag beschäftigen kann. Und wenn wir 10.000 Unterschriften sammeln, warum das dann nur auf Deutsche beschränkt sein soll, das kann uns keiner hier richtig erklären.

Im Übrigen müssten Sie ja schon vollkommen verzweifelt sein, denn wir haben das kommunale Wahlrecht für EU-Ausländer eingeführt, auch aus guten Gründen, und auch da werden Sie doch nicht ernsthaft behaupten, dass hier eine …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Auf kommu- naler Ebene!)

Ja, auf kommunaler Ebene.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie reden von der Landesebene, das ist etwas anderes!)

Nein, das ist eben nichts anderes. Wieso ist da Ihr völkischer Begriff dann irgendwie einmal so und einmal anders? Das verstehe ich jetzt nicht.

(Unruhe AfD)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Jetzt wird es peinlich!)

Das Kommunalwahlrecht für EU-Ausländer haben wir aus gutem Grund eingeführt, weil die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung ihre Lebensbedingungen mitbestimmen. Und beim Einwohnerantrag geht es doch um nichts anderes.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da habe ich ein bestimmtes Anliegen und die Leute, die in einer Region oder in einem Land wie Thü

ringen leben, haben dazu eine Meinung und da können sie sich an so einem Einwohnerantrag beteiligen. Wo ist denn das Schändliche? Wo ist denn da das Fürchterliche? Und dann kommen sie mit dem Anliegen in den Landtag und dann können Sie ja sagen: Das Anliegen ist uns nicht völkisch genug, das lehnen wir ab. Und wir prüfen den Sachzusammenhang bzw. ob es sachlich gerechtfertigt ist, und dann werden wir uns danach verhalten. Da haben wir doch keinen Grund, da einen Numerus Clausus einzuführen und zu sagen, es gibt hier Einwohner erster und zweiter Klasse. Deswegen ist auch gerade dieser Punkt unseres Vorhabens, den Bürgerantrag zu einem Einwohnerantrag weiterzuentwickeln, sehr zielführend und demokratisch geboten und auch eine Selbstverständlichkeit für uns. In diesem Zusammenhang sehen wir auch eine weitere Senkung des Mitwirkungsalters als gerechtfertigt an und denken, dass man sich auch ab dem 14. Lebensjahr sehr gut Gedanken machen kann, wie es im Gemeinwesen zugeht. Wir haben Jugendfeuerwehren, wir haben ganz viele ehrenamtlich tätige junge Menschen, die wir loben und die wir verehren und die wir für ihr Engagement schätzen und die können sich selbstverständlich an so einem Einwohnerantrag beteiligen. Wenn das alles in Abrede gestellt wird, dann heißt das, dass Sie eigentlich von einem unmündigen Bürger ausgehen wollen, dass Sie Beschränkungen einführen, die wir nicht brauchen.

(Beifall SPD)

Für ihre Besorgnis, dass damit der repräsentativen Demokratie in irgendeiner Weise das Wasser abgegraben wird, finden Sie überhaupt keine Rechtfertigung in den konkreten Dingen, die wir hier vorgeschlagen haben.

Lange Rede kurzer Sinn: Wir überweisen diesen Antrag heute an den zuständigen Fachausschuss und werden uns da noch weiter bemühen, Sie von der Richtigkeit unseres Anliegens zu überzeugen. Ich hoffe auch, dass sich unsere Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne, auf jeden Fall auch die jungen Menschen, freuen würden, hier mehr Mitwirkungsrechte, mehr direkte Mitwirkungsrechte im Freistaat Thüringen zu erhalten. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Debatte sind einige Aussagen und Thesen getroffen worden, die einer Erwiderung bedürfen, sowohl hinsichtlich der Richtigstellung als

(Abg. Marx)

auch hinsichtlich der Positionen der Linken, aber auch der Koalition.

Herr Scherer, es ist immer spannend, eine juristische, verfassungsrechtliche Debatte zu führen. Mit Ihrer Autorität und auch mit Ihrer beruflichen Vita versuchen Sie hier natürlich Ihre Meinung durchzusetzen. Wir vertreten dort aber eine andere Auffassung und die will ich hier noch mal darlegen, damit die Öffentlichkeit sich dann selbst ein Bild machen kann. Es ist immer schwierig, wenn verschiedene Positionen aufeinanderprallen; da ist auch das Plenum nicht immer der geeignete Ort der rechtlichen Auseinandersetzung. Das kann man dann in den Ausschüssen sicherlich besser machen.

Sie haben die These aufgestellt, dass das Volksbegehren/der Antrag Volksbegehren gegen das Vorschaltgesetz zulässig gewesen wäre, weil es keine Auswirkungen auf den Haushalt gehabt hätte, weil im Ergebnis, wenn es erfolgreich gewesen wäre, das Land kein Geld ausgegeben hätte. Ich darf dazu auf die Formulierung in Artikel 82 Abs. 2 der Verfassung verweisen. Dort steht: „Volksbegehren zum Landeshaushalt […] sind unzulässig.“ Der Landeshaushalt besteht aus Einnahmen und Ausgaben.

(Beifall DIE LINKE)

Das Recht zu bestimmen, was ausgegeben wird, haben nur wir als Parlament. Die Landesregierung macht dazu einen Vorschlag und wir entscheiden. Insofern hat natürlich auch ein Antrag auf ein Volksbegehren, das darauf abzielt, uns zu hindern, etwas zu machen, etwas auszugeben, Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Im Übrigen war ich selbst ein Vertreter eines Antrags auf ein Volksbegehren, bei dem es um die Abschaffung der Abwasser- und Straßenausbaubeiträge ging. Das enthält einen Vorschlag, der für den Landeshaushalt aufkommensneutral war. Dazu hat das Verfassungsgericht gesagt: Das Finanztabu in Artikel 82 Abs. 2 ist so eng auszulegen, dass selbst eine Verschiebung der finanziellen Belastungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein darf. Wir als Parlament dürfen das machen. Wir hätten Beiträge abschaffen können und damit gegebenenfalls die Gebührenzahler höher belasten können. Die Richter haben gesagt: Das Volk darf darüber nicht entscheiden.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Da war Bayer dabei!)

Deswegen haben wir von Anfang an immer wieder gesagt, appelliert, auch an die CDU: Lasst uns das Finanztabu so ausgestalten, dass solche Volksbegehren möglich sind. Wir haben da keine Bedenken. Aber Sie hatten diese Bedenken bisher und haben Sie offenbar immer noch. Im Übrigen hat die CDU mit ihrer Klage gegen das Vorschaltgesetz verhindert, dass sich das Verfassungsgericht ab

schließend zum Antrag auf das Volksbegehren positioniert.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie so hohes Vertrauen in das Volksbegehren und den Erfolg und die Zulässigkeit gehabt hätten, dann hätten Sie doch nicht Ihre Klage eingereicht und damit

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Sie haben es doch stehen lassen!)

das Volksbegehren ins Leere laufen lassen. Ich hätte mich sehr auf dieses Volksbegehren gefreut, denn wir haben gute Argumente. Ich vertrete nach wie vor die Auffassung, dass ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger die Reform, die wir nach wie vor verfolgen, für richtig und notwendig erachtet. Dass in der Öffentlichkeit oftmals die Kritiker im Mittelpunkt stehen, das muss man zur Kenntnis nehmen. Aber es ist anmaßend, wie das hier immer die rechte Seite macht, wenn Sie immer für alle in diesem Land sprechen. Also ich bitte Sie: Für mich zum Beispiel sprechen Sie gar nicht und für viele andere auch nicht – für einen Teil unbestritten.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Scherer hat auch auf das Minderheitenvotum des Herrn Bayer abgestellt. Auch das wird ganz verschieden interpretiert. Ein wesentlicher Unterschied ist – darauf möchte ich noch mal verweisen – dass Herr Bayer auch in vorherigen Entscheidungen, die er mitgetragen hat, selbst mittelbare Auswirkungen auf den Landeshaushalt als Grund für die Unzulässigkeit eines Volksbegehrens definiert hat. Deshalb ist seine These bei Weitem sehr gewagt, der jetzt vorliegende Antrag hätte keine Auswirkungen auf den Haushalt; er hätte sogar Auswirkungen auf kommende Haushalte gehabt. Wir regeln, dass künftig nur noch direkte Auswirkungen auf den laufenden Haushalt ein Volksbegehren unzulässig machen würden, aber niemals Auswirkungen auf künftige Haushalte. Da können Bürgerinnen und Bürger mit entscheiden. Das ist ein großer und wesentlicher Unterschied und damit auch ein wesentlicher Fortschritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Meine Redezeit ist zu Ende, sodass ich auf weitere Aspekte dann in der Ausschussberatung eingehe. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Möller hat sich für die AfD-Fraktion gemeldet.

(Abg. Kuschel)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, zunächst einmal muss ich mich an Frau Marx wenden. Frau Marx, Sie haben geendet mit den Worten „lange Rede – kurzer Sinn“. Damit haben Sie Ihre Rede gut zusammengefasst, denn Sie haben so ziemlich alles zusammengewürfelt, was erkennen lässt, dass es bei Ihnen an staatsrechtlichen Grundkenntnissen fehlt:

(Beifall AfD)

Kommunalwahlrecht, Einwohnerantrag, Bürgerantrag – für Sie ist das alles dasselbe. Ich sage Ihnen: Lesen Sie noch mal nach, im Degenhart zum Beispiel. Es sind grundlegend unterschiedliche Dinge. Aber, Frau Marx, da sind Sie in guter Nachbarschaft mit Ihrer ganzen Koalition, denn da hat das Unverständnis ja auch mehrfach herausgerufen – unter anderem mit dem Hinweis, dass Einwohneroder Bürgeranträge keine Staatsgewalt sind. Natürlich ist das keine Staatsgewalt.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Warum behaupten Sie das dann?)

Der Punkt ist aber, und das steht in der Verfassung: Die „Staatsgewalt geht vom Volke aus“ – vom Volk und nicht von jedermann. So, und jetzt überlegen wir mal: Wie geht die Staatsgewalt vom Volk aus?

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Bei Wahlen!)

Sie geht aus über Wahlen und Abstimmungen. Mit Abstimmungen sind die direktdemokratischen Elemente gemeint. Direktdemokratische Elemente, das sagt Ihr eigener Gesetzentwurf, sind unter anderem auch das, was Sie jetzt Einwohnerantrag nennen. Und genau da ist des Pudels Kern. Das steht nur dem Volk zu, dem Souverän,

(Beifall AfD)

dem, der Ihr Dienstherr ist, und nicht irgendwem, der zufällig gerade in Erfurt oder hier in Thüringen ist. Das ist der springende Punkt und das haben Sie nicht verstanden. Es geht darum, wer Ihnen die Macht leiht, wer Sie bei der Ausübung von Macht anleitet. Darum geht es. Das ist das Volk, das sagt die Verfassung. Das können Sie hier als völkisch diskreditieren, da diffamieren Sie im Grunde nur die Verfassung. Die Verfassung selbst sagt, das ist das deutsche Volk. Das ist es nämlich. Es ist nämlich kein Menschenrecht, an Wahlen und an Abstimmungen teilzunehmen. Es ist ein Staatsbürgerrecht, Frau Marx. Und das sollten Sie als Juristin wissen.