Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Abgeordnete Gentele. Damit sind diese Ziffern auch inhaltlich abgelehnt worden.

Jetzt kann ich diesen Tagesordnungspunkt schließen und Sie in die Mittagspause entlassen, aber Sie noch kurz daran erinnern, dass sich 5 Minuten nach Beginn der Mittagspause zum einen der Innen- und Kommunalausschuss im Raum F 002 und zum Weiteren der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ebenfalls in 5 Minuten im Raum F 004 zusammenfinden soll. Um 14.15 Uhr setzen wir mit dem Tagesordnungspunkt 23 fort.

Wir setzen das Plenum fort. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23

Familienzusammenführung fördern – Altersfeststellung in Thüringen verbessern Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/4656

Zur Einbringung hat die AfD das Wort gewünscht, und zwar durch Abgeordneten Möller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Warum haben wir diesen Antrag gestellt?

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Gute Frage!)

Sie wissen es auch nicht. Gut, dann erkläre ich es Ihnen, Herr Hey.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aus rassistischen Grün- den!)

In Schweden hat man herausgefunden, dass von 581 geprüften minderjährigen Migranten 442 volljährig waren. Jetzt können Sie sagen, das war in Schweden so. Aber Schweden ist migrationspolitisch durchaus mit Deutschland vergleichbar. Auch in Deutschland finden Sie solche Fälle, natürlich. Wenn Sie beispielsweise den berühmt-berüchtigten Mordfall in Freiburg angeschaut haben, dort gibt es also mit Hussein K. einen Asylbewerber, der der mutmaßliche Täter ist, der eine Studentin umgebracht hat. Er ist sozusagen der berühmt-berüchtigtste minderjährige unbegleitete Flüchtling, jedenfalls ist er so vom Staat behandelt worden. Tatsächlich, das hat sich jetzt im Laufe des Prozesses herausgestellt, anhand einer Aussage des Vaters beispielsweise, der Mann ist nicht, wie angegeben und angenommen, 17 Jahre alt, sondern er ist tatsächlich 33 Jahre alt. Solche gravierenden Diskrepanzen, solche unglaublichen Ergebnisse, die kommen zustande, wenn man sich entweder grob fahrlässig mit völlig unzureichenden Begutachtungen zufrieden gibt oder indem man sich sogar vorsätzlich von solchen Leuten veralbern lässt und wenn man der Verwaltung beispielsweise nach Anweisung durch die Landesregierung oder entsprechenden Regelungen die Möglichkeit nimmt, statt auf eine rein gutachterliche Inaugenscheinnahme, die ja erwiesenermaßen unfähig ist, das Problem ordentlich zu erkennen, auf andere Erkennungsmethoden zurückzugreifen. Diese Beispiele, die ich gerade genannt habe, lassen sich beliebig erweitern. Viele kennen die Bilder von vermeintlichen Kindern, die da gezeigt werden, die aber tatsächlich, zumindest teilweise, eher zur Altersklasse der 20- bis 40-Jährigen zählen. Das ist nicht einfach nur eine Peinlichkeit, meine Damen und Herren, das kostet richtig Geld. Deutschlandweit werden für minderjährige oder für sogenannte minderjährige unbegleitete Flüchtlinge 175 Euro pro Tag und pro Kopf ausgegeben, also 5.250 Euro im Monat. Das führt dazu, dass unsere Landesregierung einen Betrag von sage und schreibe 73.233.400 Euro für das Jahr 2018 für sogenannte minderjährige unbegleitete Flüchtlinge einplant. Diese 73 Millionen und ein paar Zerquetschte fehlen an anderer Stelle. Die fehlen bei den Schulgebäuden im Freistaat, die marode sind, die fehlen aber auch bei den Kitaplätzen. Da hat es

(Vizepräsidentin Marx)

nur für ein ganz billiges wahltaktisches Manöver gereicht, was sie da gestern verabschiedet haben,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganz billig?)

weit unterhalb der 73 Millionen Euro, die Sie für Ausländer hier einplanen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das sind auch Kinder und Jugendliche!)

Das ist die Frage, ob es Kinder und Jugendliche sind, Frau Rothe-Beinlich. Das ist eben genau die Frage.

Es reicht auch nicht für ein Azubi-Ticket, es reicht auch nicht für eine Meisterausbildung und es ist auch kein Geld für genügend Polizisten da,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir stellen so viele ein wie lange nicht mehr!)

weil die Landesregierung Thüringen multikulturalisieren möchte und dabei den Zustrom sogenannter minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge instrumentalisiert. Deshalb haben Sie auch gar kein Interesse, trotz Nachfrage kein Interesse, mutmaßlich vorhandenen Missbrauchsfällen nachzugehen. Dass Sie diese minderjährigen oder scheinbar minderjährigen Ausländer instrumentalisieren, das wird auch an anderer Stelle klar. Echte Minderjährige brauchen nicht irgendeinen Sozialbetreuer für 5.250 Euro, sondern die brauchen vor allem ihre Eltern, ihre echten Eltern.

(Beifall AfD)

Eine am Wohl dieser Menschen orientierte Politik würde also darauf Wert legen, dass man Familienzusammenführung erreicht. Familienzusammenführung müsste aber nicht in Deutschland stattfinden, wo die Versorgungskosten hoch sind.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zynisches Reden von Ih- nen, wie erwartet!)

Man könnte beispielsweise durchaus auch herausfinden, wo Eltern leben, in Herkunftsländern, die als sicher gelten, beispielsweise in den Balkanstaaten, beispielsweise in der Türkei, beispielsweise in Marokko und Tunesien. Doch das geschieht nicht, Sie machen das Gegenteil,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie? Beim Meldeamt in Syrien?)

Sie versuchen über den Weg der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge auch noch deren Eltern im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland zu bringen,

(Beifall AfD)

damit die Steuerzahler zu belasten, um Ihre Politik, Ihre Asylpolitik umzusetzen. Das ist nicht im Interesse unserer Thüringer Wähler. Deswegen haben wir diesen Antrag eingereicht. Ich freue mich auf die Debatte.

(Beifall AfD)

Als erster Rednerin erteile ich Abgeordneter Berninger von der Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe gerade getwittert „No AfD“. Die AfD sagt „Familiennachzug“ und meint „Kinder abschieben“. Widerlich finde ich das.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, nach einem flüchtigen Blick auf diesen Antrag könnte man meinen, das Ansinnen – Zitat – „Familienzusammenführung fördern“, das im Titel formuliert ist, könne man ja nicht ablehnen, so einem Ansinnen könne man nicht widersprechen. Aber der Titel des Antrags ist eine höhnische Verkürzung dessen, was die rechtspopulistische AfD tatsächlich beabsichtigt. Hinter dieser Verkürzung, meine Damen und Herren, steht die Absicht, Kinder und Jugendliche schlechter zu behandeln als andere Kinder und Jugendliche, eben weil sie geflüchtete Kinder und Jugendliche sind. Hinter dieser Verkürzung steht auch die Absicht, das Asylrecht dieser Kinder und Jugendlichen auszuhöhlen, indem man ihnen verwehrt, ihren Asylantrag in der Bundesrepublik sorgfältig prüfen zu lassen. Hinter dieser Verkürzung steht die Absicht – das habe ich schon getwittert –, geflüchtete Jugendliche und Kinder ohne Eltern oder nahe Verwandte abzuschieben. Diese hinter dieser Verkürzung stehende Absicht hat der sogenannte Abgeordnete Möller ja auch gerade in seiner Einführungsrede sehr, sehr deutlich gemacht, deutlicher könnte ich das wahrscheinlich auch nicht.

Frau Kollegin, „sogenannter Abgeordneter“ geht nicht. Also Herr Möller ist Abgeordneter.

Ja, und die Kinder, die er als „sogenannte Kinder und Jugendliche“ bezeichnet, sind Kinder und Jugendliche.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Möller)

Aber ich will nicht Ihre Sitzungsleitung kommentieren.

(Unruhe AfD)

Man kann das, was der Herr Möller hier abgeliefert hat, auch gut und gerne und ganz zu Recht als rechtspopulistische Hetze beschreiben. Die Absicht will die AfD begründen, indem sie, wie wir das schon lange kennen, auf die bekannten Mittel setzt, auf Aufbauschen, auf Dramatisieren, auf Hochspielen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das sind Ih- re Worte, oder?)

Sie stellt die Zahlen unbegleiteter Minderjähriger in der Begründung dieses Antrags aus 2013 – da handelt es sich um 13 Kinder und Jugendliche – und 2014 – da waren es ein bisschen mehr als 50 – den Zahlen in 2017 gegenüber. Sie „vergisst“ dabei ganz zufällig, zu erwähnen, dass es zum 1. November 2015 eine ganz wesentliche Gesetzesänderung gegeben hat,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nämlich dass seit dem 1. November 2015 unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach dem Königsteiner Schlüssel auf alle Bundesländer verteilt werden und nicht, wie das vorher war, auf nur wenige Stadtstaaten. Die rechtspopulistische AfD stellt einfach mal so um der Effekthascherei willen die Summe von über 70 Millionen Euro in den Raum, die für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aufgewendet worden sei, ohne jedoch zu erwähnen – das ist auch „vergessen“ worden –, dass das Kindeswohl, das Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Grundgesetz, die Menschenwürde für alle Kinder und Jugendlichen gelten, nämlich nicht nur für die deutschen oder die hier geborenen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und dass unbegleitete geflüchtete Kinder eben besondere Bedarfe haben können, beispielsweise hervorgerufen durch traumatische Erlebnisse auf der manchmal wochen-, monate- oder sogar jahrelangen Flucht oder durch die Trennung von ihrer Familie. Die rechtspopulistische AfD-Fraktion formuliert in den ersten zwei Punkten als oberste Priorität die Suche nach Erziehungspersonen, Sorgeberechtigten und die Familienzusammenführung und meint damit natürlich die Familienzusammenführung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall AfD)

Oberste Priorität für den Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen hat aber das Kindeswohl, meine Damen und Herren, ganz im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, aus dem ich zitieren will, aus dem § 1 Abs. 1 – Zitat –: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung [...]“.

Absatz 3: „Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere 1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, [...] 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“ Das ist oberste Priorität im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Die Familienzusammenführung gehört dazu, aber eben nicht an erster Stelle und schon gar nicht im Ausland, womöglich unter unmöglichen Lebensbedingungen an den Außengrenzen der EU.

Im dritten Punkt wird gefordert, alle möglichen Maßnahmen zur Altersfeststellung anzuwenden, also auch invasive Maßnahmen, Maßnahmen die körperlich verletzend sind. Dass dem zu widersprechen ist, steht bereits in der UN-Kinderrechtskonvention in Artikel 3, wortgleich auch in der Grundrechtecharta der EU in Artikel 24. Auch das will ich zitieren: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Dementsprechend sind die Maßstäbe auch für die Altersfeststellung. Das konstatiert beispielsweise auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter – Zitat –: „das Kindeswohl, die Achtung der Menschenwürde und die körperliche Integrität.“ Die körperliche Integrität oder Unversehrtheit schließt nicht nur invasive Maßnahmen aus, die im Übrigen keine hundertprozentige Altersfeststellung ermöglichen – es gibt nämlich keine Methode, die eine hundertprozentige Altersfeststellung ermöglicht –,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern das schließt auch solche Maßnahmen aus, die die Kids auch in ihrer psychologischen Entwicklung beeinträchtigen könnten.