Sabine Berninger

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte sachverständige Kommissionsmitglieder, liebe Interessierte hier im Haus und am Livestream! Die Enquetekommission entstand aus der einstimmig formulierten Empfehlung des ersten Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, demzufolge eine Enquetekommission Maßstäbe setzen und beispielsweise Vorschläge für die öffentliche Auseinandersetzung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entwickeln sollte. Die Kommission hat dies umgesetzt. Das Ergebnis liegt Ihnen mit dem Abschlussbericht vor.
Lassen Sie mich gleich zu Beginn – dann habe ich es hinter mir – auf die Beteiligung der autoritär-nationalradikalen Fraktion hier im Thüringer Land zu sprechen kommen. Die AfD lehnte die Einsetzung der Enquetekommission ab, bezeichnete sie als den „Versuch, auf Steuerzahlerkosten Ihr Ideologieprojekt buntes Thüringen zu realisieren“, als „Gesinnungsschnüffelei“, als „institutionalisierten Kampf gegen staatstragende Bürgerlichkeit“. Nun wird es niemanden verwundern, dass die rechte Fraktion dabei geblieben ist. Man liest es direkt zu Beginn ihres sogenannten Sondervotums, mit dem sie unter anderem die wissenschaftlich längst widerlegte Existenz von Menschenrassen verteidigt. Sie bezieht sich in ihrem Pamphlet auf Rassismusdefinitionen unter anderem von 1947 und offenbart damit ganz genau ihren eigenen Rassismus. Sie versucht, jegliche wissenschaftliche und analytische Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung ins Lächerliche zu ziehen und zu diskreditieren, mit pseudointellektuellen Formulierungen ihre rassistische und wissenschaftsfeindliche Sichtweise zu propagieren. Auch wenn sie die Kosten beklagt, die durch die Arbeit der Kommission entstanden sind, so hat sie die für die Sitzungen zur Verfügung gestellten Getränke immer gern genossen, ohne tatsächlich Arbeit in die Kommission zu stecken oder auch nur aufzupassen oder sich an vereinbarte Fristen zu halten.
Sie nutzt jetzt die Ressourcen der Kommission und des Landtags für eine 92-seitige Veröffentlichung, in der sie alle rassistisch motivierten Fake News und Falschbehauptungen gegen Geflüchtete untergebracht hat, mit der sie seit Jahren Vorurteile und Ressentiments schürt und Stimmung gegen Ein
wanderung und Flüchtlingspolitik macht. Mehr ist zur „Mitarbeit“ der AfD-Fraktion in der Kommission nicht zu sagen oder vielleicht doch, dass es schon unangenehm genug war, diese Fraktion in der Kommission zu erleben und dass ihre Mitarbeit, Nichtmitarbeit dann doch das Unbehagen abmildern konnte, meistens – bis auf gelegentliche rassistische Ausfälle, wie zum Beispiel die Behauptung, Juden seien eben von Natur aus so, so sei das genetisch ererbt.
Meine Damen und Herren, die Kommission hat im Juni 2017 ihre Arbeit aufgenommen und sie hat gut gearbeitet. Wir hätten noch ein bisschen mehr Zeit gebraucht, aber wir haben gut gearbeitet. Mit dem Zwischen- und dem Abschlussbericht liegen der Thüringer Öffentlichkeit nun grundlegende Dokumente für die gesellschaftliche und die staatliche Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung vor. Die Beratungen sind auch gut dokumentiert. Alle Anhörungen und fast alle Beratungen erfolgten in öffentlicher Sitzung. Fast alle Dokumente, Zuschriften, Sitzungsprotokolle stehen der Öffentlichkeit, Journalistinnen/Journalisten, Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern und sonstigen Interessierten zur Verfügung und können für die Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung zurate gezogen werden.
In den Anhörungen mit mehr als 200 Vertreterinnen/Vertretern aus Zivilgesellschaft, staatlichen Einrichtungen und Interessenvertretungen von Betroffenen von Rassismus und Diskriminierung wurden die Ursachen, die Erscheinungsformen und Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung von allen Seiten beleuchtet und diskutiert. Daraus entstanden sind nun, dem Einsetzungsauftrag folgend, konkrete Handlungsempfehlungen für die öffentliche Verwaltung, die Justiz, den Polizeibereich etc. zur Zurückdrängung von Rassismus und Diskriminierung auf administrativer Ebene.
Nachdem der Vorsitzende seinen Entwurf des Abschlussberichts ohne konkrete Handlungsempfehlungen der Kommission vorgelegt hatte, haben die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke mit einem Änderungsantrag den Teil D – Handlungsempfehlungen – vorgelegt, der die in den Beratungen der Kommission mit zahlreichen Expertinnen/Experten diskutierten Vorschläge für Maßnahmen zur Zurückdrängung in konkrete Empfehlungen fasst. Denn was wäre die zweieinhalb Jahre lange Arbeit der Kommission wert, wenn aus den Analysen nicht auch konkrete Schlussfolgerungen gezogen würden, die in Empfehlungen für Regierungshandeln münden? Nur die Hälfte, meinen wir.
Bereits mit den Beratungen zu den für die Arbeit der Kommission wichtigen Begriffsbestimmungen und dann dem Zwischenbericht und der Debatte um den Zwischenbericht wurden die Unterschiede zwischen der CDU und den Koalitionsfraktionen sichtbar. Die CDU leugnet institutionellen und strukturellen Rassismus und Diskriminierung. Sie ließ sich weder durch die Analyse der Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung, die wir von den sachverständigen Kommissionsmitgliedern erbeten hatten, umstimmen noch durch die Erfahrungsberichte von Rassismus betroffener Menschen. Nach wie vor hält die CDU Rassismus und Diskriminierung für individuelle Phänomene. Bereits im Sondervotum zum Zwischenbericht und wieder im Sondervotum zum Abschlussbericht der Kommission wird davon ausgegangen, rassistisches und diskriminierendes Handeln von oder in Institutionen sei ausschließlich Ausdruck illegitimen Denkens Einzelner – ungeachtet der Erkenntnisse inzwischen mehrerer NSU-Untersuchungsausschüsse, ungeachtet der zahlreichen Beispiele, die Anzuhörende der Kommission berichteten, ungeachtet vorhandener Studien und Evaluationen.
Meine Damen und Herren, es mutet wie die drei Affen an oder die verbreitete Auffassung: Was ich nicht sehe, das gibt es auch nicht. Das könnte aber auch schlicht wahltaktisch motiviert sein oder ideologisch. Dafür zumindest spricht die Weigerung, für gemeinsame Handlungsempfehlungen nach Kompromissen zu suchen. Wir haben das Angebot mehrfach gemacht und hätten auch welche finden können – vielleicht nicht bezüglich des Phänomens Racial Profiling oder der Polizeivertrauensstelle oder der Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, sicherlich aber hinsichtlich etwa bildungspolitischer oder arbeitsmarktpolitischer Handlungsempfehlungen.
Allein es fehlte der Wille. Nicht einmal eine Antwort bekamen wir auf unsere Anfragen und Angebote. Stattdessen wartete die CDU-Fraktion mit einem eigenen Handlungsempfehlungsantrag auf, von dem sie wusste, dass kaum etwas darin für die Koalitionsfraktionen zustimmungsfähig war, so wie es dort formuliert worden ist, etwa die Diskreditierung von Betroffenenvertretungen als „private Interessengruppen“ oder dass mit „Auch dürfen nicht diejenigen, die meinen Opfer zu sein, selbst das Opferdasein definieren“ selbst epistemische Gewalt ausgeübt wird. Im Zwischenbericht ist epistemische Gewalt auf Seite 32 erläutert. Ich will das kurz zitieren: „Rassismuserfahrenen Gruppen werden ihre
Diskriminierungserfahrungen abgesprochen, rassistische Realitäten geleugnet, nivelliert, bagatellisiert, die Relevanz oder gar Existenz des Wissens und der kollektiven Erfahrungen von rassismuserfahrenen Gruppen verneint.“ Das genau macht die CDU.
Exemplarisch für diese wohl wahlkampftaktisch motivierte Darstellung der Kommission ist – neben der durch die CDU teilweise vollzogenen Kehrtwende in den Schlussfolgerungen, die noch im Sondervotum zum Zwischenbericht ganz anders formuliert waren, zum Beispiel hinsichtlich der Studie zu Diskriminierungs- und Viktimisierungserfahrungen oder der Einführung einer Justizverlaufsstatistik. Exemplarisch ist auch folgender Abschnitt im Sondervotum: Die CDU behauptet, Zitat: „Teile der den Koalitionsfraktionen angehörenden Mitglieder der Enquetekommission agierten, ob ihrer ideologischen und einem Absolutheitsanspruch unterworfenen Argumentation, zuletzt zum Teil eher als verlängerter Arm der linksextremen Antifa. Wissenschaftlich und sachlich fundierte Abwägungsprozesse – gerade hinsichtlich der Handlungsempfehlungen im Teil D – wurden dadurch unterbunden.“ Das ist absurd, meine Damen und Herren von der CDU.
Hier würde mich doch tatsächlich interessieren, Herr Tischner, Herr Wirkner und Frau Lieberknecht: Wer genau von den Mitgliedern der Enquetekommission ist denn gemeint? Wie genau äußerte sich denn dieser durch Sie behauptete angebliche Absolutheitsanspruch? Darin, dass wir unsere Maßnahmenvorschläge zur Debatte stellten, von anzuhörenden Expertinnen/Experten bewerten ließen und uns dann in den Handlungsempfehlungen in Teil D des Berichts auch noch nach der Debatte und vielen Zuschriften richteten? Wie genau unterbanden wir denn die sachlich fundierten Abwägungsprozesse? Wahrscheinlich indem wir nicht Ihren Formulierungen, Abwiegelungen, nicht dem „Was ich nicht erlebt habe, gibt es auch nicht“ zustimmten.
Ich persönlich finde es sehr schade und sehr bezeichnend, wie die CDU-Fraktionsvertreterinnen/ CDU-Fraktionsvertreter zum Abschluss in der Kommission agiert haben. Auch dass Sie, Herr Tischner, jetzt gerade eben anhand der prozentualen Beteiligung in den Anhörungsverfahren die Relevanz des Themas infrage stellen. Das finde ich infam.
Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, meine Damen und Herren der CDU, dass einige Ihrer sachverständi
gen Mitglieder Ihre Anträge zum Schluss gar nicht mehr mit abstimmten, sondern sich zurückgezogen haben? Sachverständige Kommissionsmitglieder, die sich sehr lange, sehr interessiert, sehr engagiert und konstruktiv an den Anhörungen, Analysen und Debatten beteiligt hatten und am Ende augenscheinlich nicht einmal Ihr Sondervotum mittragen, meine Damen und Herren der CDU.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den im Abschlussbericht in Teil D vorliegenden Handlungsempfehlungen ist die Arbeit der Kommission nicht beendet. Eigentlich müsste die Kommission weiterarbeiten und die nach wie vor bestehenden Lücken füllen. Noch einige Themengebiete, zum Beispiel „Wohnen“ oder „Religion“, sind nicht abschließend und empfehlungsreif beraten. Und es beginnt jetzt hoffentlich schnell die Umsetzung der Handlungsempfehlungen, die ebenfalls eine Begleitung auf parlamentarischer Ebene verdient und braucht. Ich kann für die Fraktion Die Linke versprechen: Die Linke wird auf deren Umsetzung drängen. Wir haben sie in unserem Landtagswahlprogramm verankert und werden die Ergebnisse der Enquete „Rassismus“ in Koalitionsverhandlungen einbringen. Wir wollen, dass die Arbeit der Enquetekommission fort- und ihre Ergebnisse umgesetzt werden. Ich hoffe, dass die Kommission einen Beitrag dazu leisten kann, dass nicht Abwehrreaktionen die Folge sind, wenn das Wort Rassismus gesagt wird, sondern Nachdenken, genaues Hinschauen und Handeln.
Bevor ich zum Schluss komme, gestatten Sie auch mir, Danke zu sagen: an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung,
die Kolleginnen/Kollegen Kommissionsmitglieder und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter der demokratischen Fraktionen und ganz besonders an die Menschen aus der Zivilgesellschaft, die die Arbeit der Kommission verfolgt und begleitet haben. Und natürlich an die sachverständigen Mitglieder der Kommission, Herr Aikins, Frau Schellenberg und Frau Schmidtke, Iman Attia und Ozan Keskinkılıç, Ayşe Güleç und Koray Yılmaz-Günay – danke für eure Analyse, danke für eure Nachfragen, danke für eure Erfahrung und wissenschaftliche Expertise
und für die gute Zusammenarbeit. Ohne euch wäre die Kommission nur halb so weit.
Zum Abschluss möchte ich noch mal die Definition hervorheben, die die Kommission zu Rassismus und Diskriminierung gefunden hat und mit der inzwischen auch über Thüringen hinaus gearbeitet wird. Die für mich wichtigsten Sätze möchte ich zitieren: „Rassismus konstruiert Rassen, sodass (zu- geschriebene) körperliche, kulturelle oder religiöse Aspekte oder Besonderheiten (Neigungen, Charak- tereigenschaften, Talente) als genuine Gruppenmerkmale erscheinen, die für alle Gruppenmitglieder zentral bedeutsam seien und einen grundsätzlichen Unterschied zur ‚eigenen Gruppe‘ markierten. Die Konstruktion von ‚Rassen‘ hat zum Ziel und/ oder als Effekt, dass eine eigene Gruppenidentität durch Abgrenzung von anderen geschaffen wird und dass Aggressionen, Ausschlüsse und Privilegien damit legitimiert werden.“ Dem stellen wir uns entgegen! Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich muss noch mal auf den Innenminister reagieren und das, was er hier gesagt hat. Georg Maier, das klang alles so, wie ich das schon häufiger gehört habe: Was nicht sein darf, das kann nicht sein, wir haben keine rassistischen Einstellungen in der Thüringer Polizei, zumindest sind mir keine bekannt.
Ich habe vorhin in Bezug auf die CDU die drei Affen bemüht oder gesagt: Was ich nicht selbst erlebt habe, das gibt es auch nicht. Herr Maier, vielleicht müssen Sie sich auch mal mit Betroffenengruppen unterhalten und zur Kenntnis nehmen, welche Erfahrungen Betroffene von rassistischer Diskriminierung unter anderem auch hinsichtlich der Thüringer Polizei machen, welche Erfahrungen Leute in Thüringen auch mit Racial Profiling gemacht haben, und dann können wir gern noch mal darüber reden, ob das falsch ist, was die Kommission aufgeschrieben hat oder nicht. Aber was Sie jetzt eben gemacht haben, das ist genau die epistemische Gewalt, die ich vorhin schon mal beschrieben habe. Vielen Dank.
Danke schön, Frau Präsidentin.
Schutzausrüstung bei der Thüringer Polizei
Zwischen 2015 und 2019 hat die Landesregierung eine Reihe von Investitionen durchgeführt, um die Eigensicherung der rund 6.000 Thüringer Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten zu verbessern, darunter auch moderne Schutzwesten und Helme sowie andere Ausrüstungs- sowie Kleidungsgegenstände.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welcher Höhe hat die Landesregierung zwischen 2015 und 2019 finanzielle Mittel in Schutzausrüstungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Thüringen investiert bzw. ausgegeben?
2. Welche Dienststellen wurden zwischen 2015 und 2019 insbesondere mit ballistischen Schutzwesten, Schockabsorbern und Stichschutz sowie ballisti
schen Schutzhelmen und Körperschlagschutz ausgestattet bzw. werden noch ausgestattet?
3. In welcher Höhe sind im Landeshaushalt 2020 finanzielle Mittel für die Schutzausrüstungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Thüringen vorgesehen?
4. In welchem Umfang spielt das Thema „Eigensicherung und Schutz vor tätlichen Angriffen“ eine Rolle im Bereich der Aus- und Fortbildung bei der Thüringer Polizei?
Ich hätte eine Nachfrage, Frau Präsidentin.
Danke schön. Herr Staatssekretär Götze, wenn ich Ihre Ausführungen zu Frage 2 – welche Dienststellen – richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, einsatzübergreifend wurde ausgestattet. Bedeutet das, dass es alle Dienststellen betrifft oder dass Sie das jetzt nicht aus den Unterlagen herauslesen können, welche Dienststellen da ausgestattet wurden?
Herr Götze, mich interessiert noch zur Antwort auf die Frage 4, ob Sie die Konkurrentenklagen auch den einzelnen Bereichen – LKA, Landespolizei – zuordnen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen,
sehr geehrte Damen und Herren auf den Zuschauerrängen! „Für ein Europa der Menschenrechte – Thüringen wird sicherer Hafen“ heißt der Antrag, über den wir jetzt reden. Nicht erst mit der tagelangen Odyssee der 53 vor dem Ertrinken geretteten Menschen auf der Sea-Watch 3 und der Verhaftung der Kapitänin, die diese Menschen schließlich Ende Juni in einen rettenden Hafen brachte, oder mit
dem Drama um die „Eleonore“ und ihren Kapitän Claus-Peter Reisch vor wenigen Tagen wird deutlich, tagtäglich spielen sich humanitäre Katastrophen in Europa ab. Geflüchtete werden innereuropäisch, zum Beispiel in Kroatien oder Ungarn, völkerrechtswidrig behandelt, zurückgedrängt und gequält. Tagtäglich ertrinken Menschen im Mittelmeer und Europa schaut zu. Die rot-rot-grünen Regierungsfraktionen wollen ein Europa, das Menschenrechte achtet, statt sie im Mittelmeer zu versenken. Das ist der Hintergrund unseres Antrags.
Wir begreifen Thüringen als Teil Europas und wollen unser Mögliches tun, die europäische Politik zu ändern, deshalb ist dieser Antrag mit diesem symbolträchtigen Titel eben auch mehr als nur ein Symbol. Thüringen soll nicht nur sicherer Hafen sein, sondern wir wollen mit dem Beschluss die Bundesregierung auffordern, sich auf europäischer Ebene für die Menschen einzusetzen, für deren Fluchtursachen wir selbst auch mitverantwortlich sind.
Mit dem Beschluss des Antrags wollen wir uns dem Osterappell der 223 Bundestagsabgeordneten, aber auch den Forderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen und privater Initiativen, wie etwa dem Appell der 21 Professor/-innen der BauhausUni in Weimar oder der Seebrücke Erfurt, anschließen und uns auf Bundesebene unter anderem dafür einsetzen, dass die Bundesregierung sich für die Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen einsetzt, dass sie selbst die Aufnahme geretteter Menschen anbietet und von den europäischen Partnerinnen und Partnern verlangt, dass Schiffe mit geretteten Personen an Bord uneingeschränkt an europäischen Häfen anlanden dürfen und dass die Kriminalisierung der Seenotrettung endlich beendet wird. Aber auch darüber hinaus wollen wir mit einem Landesaufnahmeprogramm konkret werden und außerhalb der über den Königsteiner Schlüssel festgelegten Aufnahmequoten aus Seenot gerettete Menschen in Thüringen aufnehmen und Kommunen, die sich der Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“ anschließen und sich für die Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen entscheiden, aktiv unterstützen.
Vielen herzlichen Dank dafür, dass dieser Antrag heute beraten und entschieden werden kann. Das nehme ich so ein bisschen als kleines Geburtstagsgeschenk für mich
und es wird Sie nicht überraschen, meine Damen und Herren, dass ich Sie bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Damen und Herren, das mit dem Vertrag von Lissabon gegebene Versprechen, aus Europa einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu machen, wird nicht umgesetzt. Die Europäische Union, die eigentlich für Humanismus, Gerechtigkeit und Solidarität steht – das ist die eigentliche europäische Idee –, setzt leider nicht um, was dieses Versprechen mit Leben füllen würde. Leider setzen nicht alle Entscheiderinnen in Berlin und Brüssel diese Ideen um, sie verweigern sich. Leider liegen auch dort die Hauptkompetenzen, um Zuwanderung und Asyl zu regeln, zum Beispiel bei der Bundesregierung unter Führung der CDU, die für eine unsolidarische Verteilung von Geflüchteten in der EU gesorgt hat und weiterhin dafür sorgt. Bis heute streiten sich die Mitgliedstaaten darüber, staatliche Seenotrettung zu organisieren. Im Gegenteil, die staatliche Seenotrettung, die durch die EU-Mission „Sophia“ durchgeführt wurde, wird sogar ausgesetzt, bloß weil sich ein rechtspopulistisches, rechts geführtes Italien gegen die Verlängerung der Mission gestellt hat. Stattdessen wird nun dem Ertrinken nur noch aus der Luft, von oben, zugeschaut. Das ist der Europäischen Union nicht würdig, meine Damen und Herren.
Die Bundesregierung als wichtiger Player in der EU macht dabei mit. Sie steht für Abschottung an den Außengrenzen der EU, sie ist es, die mit ihrem sogenannten Migrationspakt – den Flüchtlingsorganisationen „Hau-ab-Gesetz“ nennen – die Einreise für Geflüchtete weiter erschwert, die die gelingende Integration verhindert und den Menschen Leistungen, die bereits am Existenzminimum oder gar darunter liegen, streicht.
Das Signal „Ihr seid hier nicht gewollt!“ soll gesendet werden. Solche zynischen Reden wie eben von Herrn Herrgott, der die Zahlen derer, die sich über das Mittelmeer auf den Weg machen, dafür verwendet, um gegen unseren Antrag zu argumentieren, senden auch das Signal „Ihr seid hier nicht gewollt!“ aus. Menschen, die bereits hier sind, sollen so gegängelt werden, dass sie freiwillig wieder gehen, zurück in unsichere Herkunftsländer, zurück in Kriegsgebiete, zurück in eine Situation, in der sie Diskriminierungen ausgesetzt sind und häufig um Leib und Leben fürchten müssen. Dieses Klima überträgt sich so weit, dass es in Seenot geratene Menschen trifft. Lieber lässt man Menschen ertrinken, als das Natürlichste und Menschlichste zu tun, nämlich sie zu retten und an das sichere Ufer, in einen sicheren Hafen zu bringen.
Wir wollen aus Thüringen ein anderes Signal senden. Wir wollen dieser Haltung entgegensteuern und selbst Haltung zeigen, meine Damen und Herren. Ich habe schon gesagt, was wir mit unserem Antrag bezwecken, und will daraus nur wenige Punkte noch mal nennen. Die Bundesrepublik soll die Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen selbst anbieten. Denn alle schönen Worte bleiben leere Phrasen, wenn daraus nicht auch Taten werden. Vom Bundesaußenminister waren in den letzten Monaten immer mal wieder schöne Worte zu hören. Ich will ihn zitieren. Mit „Das Geschachere um die Seenotrettung muss endlich ein Ende haben“ hatte er Mitte Juli eine Initiative der Bundesregierung angekündigt. Und: Deutschland wolle eine Vorreiterrolle übernehmen. – Aber leider ist es dabei geblieben. Die Vorreiterrolle besteht bislang lediglich darin, dass europäische Partner zwar Zustimmung signalisiert haben, aber darüber hinaus noch nichts passiert ist. Mit unserem Antrag geht ein ganz klarer Auftrag an Heiko Maas: Nicht länger reden, Herr Maas! Nicht länger ankündigen, Herr Maas, sondern einfach machen, Herr Maas!
Ich habe schon gesagt, wir wollen auch auf Landesebene aktiv werden. Deswegen ist unser Antrag nicht lediglich Symbolpolitik. Wir wollen, dass Thüringen sich bereit erklärt, außerhalb der vorgesehenen Aufnahmequote aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen, ein Landesprogramm für in Seenot gerettete Geflüchtete aufzuerlegen, darin enthalten die aktive Unterstützung von Kommunen, die sich für die Aufnahme geretteter Menschen entscheiden. In diesem Aufnahmeprogramm muss beispielsweise geregelt werden, dass die Kosten, die für die Aufnahme, Unterbringung und auch die Integrationsmaßnahmen für diese Geflüchteten entstehen, durch das Land übernommen werden.
Damit erhoffen wir uns, dass Kommunen, die im Moment darüber nachdenken, ob sie der Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“ beitreten, eine Entscheidungserleichterung haben, dass unser Landesprogramm, das dann schnell aufgelegt werden muss – darüber will ich auch nicht monatelang reden –, die Entscheidung erleichtert, sich für die Aufnahme vor dem Ertrinken geretteter Menschen zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, Thüringen braucht selbst keinen Hafen im Wortsinne, um sicherer Hafen zu sein. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu!
Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, der in Drucksache 6/6744 heute zur zweiten Beratung vorliegende Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes, wurde mit Datum vom 1. Februar 2019 in den Thüringer Landtag eingebracht. Am 28. Februar 2019 fand die erste Beratung hier im Plenum statt.
Einziger inhaltlicher Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist die Ergänzung des Gerichtsverfassungsausführungsgesetzes um einen neuen § 13a, in dem ein ausdrücklicher und detaillierter Auskunftsanspruch über mögliche Gefährdungen für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher festgeschrieben wird. Es geht ganz konkret darum, im Vorfeld vermutlich schwieriger Vollstreckungsmaßnahmen Informationen zu möglichen Gefährdungslagen zu bekommen, so zum Beispiel zur Frage des Waffenbesit
zes der Schuldnerinnen und Schuldner oder psychischer Problemlagen bezogen auf deren Person.
Die einbringende CDU-Fraktion verwies in der ersten Lesung darauf, dass sie sich bewusst an einer schon in Sachsen bestehenden Regelung orientiert hat. In der ersten Lesung waren sich alle Akteure einig, dass für die Sicherheit der Gerichtsvollzieher auch in Thüringen solche Auskunftsmöglichkeiten sehr wichtig sind. Allerdings gingen in der Debatte die Meinungen darüber auseinander, ob in Thüringen eine solche neue Regelung notwendig ist. Vor allem die Landesregierung plädierte dafür, die bestehenden Möglichkeiten des Ordnungsbehördengesetzes bzw. des Polizeiaufgabengesetzes oder auch der Zivilprozessordnung auszuschöpfen.
Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Dort wurde am 22. März eine mündliche Anhörung beschlossen. Über die Anhörungsliste befand der Ausschuss in der Sitzung am 28. März. Die mündliche Anhörung fand in der 79. Sitzung des Ausschusses am 7. Juni 2019 statt. An der Anhörung beteiligten sich sowohl mündlich als auch schriftlich der Bundesverband des Deutschen Gerichtsvollzieher Bunds und die Landesverbände des Verbands aus Thüringen, Sachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz, außerdem der Thüringer Richterbund, die Thüringer Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, die DPolG und die Gewerkschaft der Polizei Thüringen. Der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beteiligte sich ebenfalls. Die beiden Thüringer kommunalen Spitzenverbände, der Gemeinde- und Städtebund und der Thüringische Landkreistag, hatten in der Anhörung schriftlich erklärt, sich zum Gesetzentwurf nicht ausführlicher äußern zu wollen, da der Gesetzentwurf keine kommunalrelevanten Aspekte enthalte. Der Thüringische Landkreistag regte aber an, die Einfügung einer entsprechenden Rechtsnorm im Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz zu prüfen. Alle Gerichtsvollzieherverbände begrüßten den vorliegenden Gesetzentwurf. Ein solcher Rechtsanspruch auf eine Gefahrenabfrage sei grundsätzlich notwendig. Zur Untermauerung ihrer Position trugen sie – selbstverständlich anonymisiert – viele Beispiele aus der praktischen Vollstreckungsarbeit vor, die belegten, wie ein solcher Auskunftsanspruch geholfen hat oder wie schlimme Folgen hätten verhindert werden können, wenn ein Auskunftsanspruch zur Verfügung gestanden hätte.
Von den Anzuhörenden wurde auch betont, dass die Regelung so gefasst sein müsse, dass die Beurteilung der Gefahreneinschätzung eben auch von den Gerichtsvollzieherinnen selbst vorgenommen
werden kann. Mehrere Anzuhörende, so zum Beispiel der Landesverband Sachsen der Gerichtsvollzieherinnen, betonten, dass der Auskunftsanspruch nur ein Baustein der Gefahrenvorsorge sei; andere, wie zum Beispiel ein Deeskalationstraining, müssten noch dazukommen. Alle Beteiligten an der Anhörung waren sich einig, dass der Auskunftsanspruch so ausgestaltet sein muss, dass Schuldnerinnen und Schuldner nicht per se unter einen Generalverdacht der Gefährlichkeit gestellt würden, dass die Regelung also keinen uferlosen Auskunftsanspruch begründe und dass für den Umgang mit persönlichen Daten, gerade auch sehr sensiblen, zum Beispiel zum Gesundheitszustand Betroffener, das notwendige Datenschutzniveau gewahrt sein müsse.
Der Thüringer Datenschutzbeauftragte wies mit Blick auf den Grundsatz der Datensparsamkeit darauf hin, dass ein solcher Auskunftsanspruch im Thüringer Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes nur zulässig sei, wenn er zur Schließung von Schutzlücken tatsächlich notwendig ist. Die anwesenden Praktikerinnen aus dem Bereich der Vollstreckung bestätigten, dass die derzeit bestehenden Thüringer Regelungen solche Schutzlücken aufwiesen, zumal die Entwicklung zu beobachten sei, dass es bei immer mehr Vollstreckungen zu unliebsamen Überraschungen, zum Beispiel in Form von Gewaltanwendung, komme. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf verwiesen, dass die entsprechende Regelung in Sachsen Problemen mit diesen sogenannten Reichsbürgern geschuldet sei.
In der 80. Ausschusssitzung am 28. Juni fand die Auswertung der Anhörung statt. Sowohl die CDU als auch die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen kündigten als Konsequenz aus der Anhörung Änderungen zum Gesetzentwurf an. Die AfD beteiligte sich übrigens inhaltlich nicht an der Diskussion im Ausschuss. In der 81. Sitzung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz am 6. September 2019 wurde ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Vorlage 6/5948 in die Beratung eingebracht. Auf Einwand der Landtagsverwaltung haben wir am 06.09. in der Sitzung des Ausschusses die Frage der Notwendigkeit einer nochmaligen Anhörung der kommunalen Spitzenverbände wegen des Auskunftsanspruchs zu gefährlichen Tieren sowie die Formulierung in § 13a Abs. 1 Satz 2 Buchstabe g, da geht es um den Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung – kurz besprochen. Nach Auskunft von Justizminister Dieter Lauinger zu dem zweiten Punkt ist gerade dieser Begriff von der Rechtsprechung schon sehr häufig definiert und auch inhalt
lich konkretisiert worden. Deswegen wurden die Einwände der Landtagsverwaltung besprochen, aber es gab daraufhin keine Änderung.
Der Änderungsantrag wurde in der Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf in Drucksache 6/7670 beschlossen, die Ihnen heute zur Abstimmung vorliegt. Vielen Dank.
Was für ein freundlicher Mensch, der Professor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Frau Präsidentin, zum Antrag der rechtspopulistischen Fraktion ist nicht viel zu sagen – es ist ja schon einiges gesagt worden. Es genügt, die infame Unterstellung zurückzuweisen und sich dem entgegenzustellen, was eigentlich hinter diesem Antrag steckt.
Die Einbringerin hat schon ganz deutlich gemacht, worum es ihr geht, nämlich darum, Menschen gegeneinander aufzuhetzen und beispielsweise zu behaupten, dass unter den Bahnhofsklatschern nur Wohlhabende wären, dass sich nur wohlhabende Menschen für die Solidarität mit Geflüchteten interessieren und dass das nichts für die kleinen Leute wäre. Dem ist nicht so, meine Damen und Herren. Ich kenne so unendlich viele Leute, die am Ende des Monats nicht wissen, wie sie noch einkaufen gehen sollen, die überlegen müssen, wie sie ihre Miete bezahlen, und die dennoch Menschen helfen,
die in ihrer Umgebung wohnen und die Hilfe brauchen.
Der Antrag unterstellt, die Behörden hätten die Flüchtlingspaten über die finanziellen Verpflichtungen nicht ausreichend beraten. Ich kenne solche Geschichten nicht, wie Frau Rothe-Beinlich sie ge
rade erzählt hat. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass die Verpflichtungsgeberinnen sehr genau wissen, worauf sie sich einlassen. Das hat in den Gesetzen und Regelungen auch ganz deutlich gestanden. Die Rechtspopulisten wissen das. Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat sehr ausführlich für jede einzelne Behörde in Thüringen beschrieben, wie die Beratung läuft, nämlich in der Drucksache 6/7020 Anfang April dieses Jahres. Das müssen die rechtspopulistischen Abgeordneten gelesen haben, es war ja die Antwort auf ihre Große Anfrage.
Die Flüchtlingspatinnen kennen die Rechtslage und handeln dennoch. Bei ihnen handelt es sich nämlich um Menschen, die helfen wollen und die dafür unseren unendlichen Dank verdienen,
unseren Dank, nicht nur den der Familien, denen sie das Zusammensein ermöglichen, sondern unseren Dank für diesen Akt gelebter Solidarität. Aber das mit der Solidarität verstehen Rechtspopulistinnen ja nicht, zumindest nicht, wenn sie nicht national ist.
Was steckt hinter dem Antrag? Zunächst die Unterstellung, es ginge nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln zu. Dahinter steckt die unterschwellige Behauptung, Recht würde verbogen, um Geflüchtete ins Land zu holen. Eine Legende, die die AfD nun schon seit einigen Jahren strickt. Es ist aber gerade andersherum. Es wurden rechtliche Grundlagen geschaffen, damit Familien wieder zueinander finden können, Familien, die wegen des Bürgerkriegs in Syrien getrennt worden waren.
Familienangehörigen schutzberechtigter syrischer Geflüchteter wird durch diese Aufnahmeprogramme ermöglicht, mit einem Visum zu ihren Angehörigen zu kommen, legal und auf sicherem Weg. Aber mit Familien hat es die rechtspopulistische Fraktion ja auch nicht so, wenn sie nicht deutsch sind.
Ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie das Thüringer Landesaufnahmeprogramm bis 2020 verlängert hat. Sie ist eine der wenigen Landesregierungen, die das gemacht hat. Familienpolitik darf nämlich nicht von der Herkunft der Menschen abhängig gemacht werden, meine Damen und Herren.
Hinter dem Antrag steckt die Absicht, Menschen aufzustacheln gegen die humanitär begründete Aufnahme von Familien aus Kriegsgebieten und unsicheren Regionen, und die Absicht, Flüchtlings
patinnen abzuschrecken. Und das ist in Gänze selbstverständlich abzulehnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, wenn man das ernst nimmt, was Herr Worm gerade zu Anfang seiner Rede gesagt hat, dann bekommt man den Eindruck, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Gleichstellungsgesetz und alle gesetzlichen Regelungen, die die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen regeln, müssten abgeschafft werden, wenn es nach der CDU Thüringen geht.
Und wenn man das ernst nimmt, was Sie zum Schluss sagen, dann müsste man Ihren Satz fortsetzen mit: Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Enquetekommission zu Rassismus ersatzlos abgeschafft wird. Beides ist mit der Fraktion der Linken und auch den Koalitionspartnern nicht zu machen, meine Damen und Herren.
„Eigentlich haben wir gedacht, dass wir in den letzten vier Jahren […] schon alles erlebt hätten, was man erleben kann, was es betrifft, […] mit Unterstellungen zu arbeiten.“ Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat, leicht verkürzt, weggelassen habe ich die Worte „durch die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen“ und die Worte „Einschätzung gegenüber den Landesbediensteten“. Mit diesem Satz leitete der Abgeordnete Geibert seine Dringlichkeitsbegründung in der 145. Plenarsitzung ein.
Der Antrag der CDU-Fraktion „Befähigung und Eignung als ausschlaggebende Kriterien für den öffentlichen Dienst erhalten. Geplante Studie ,Vielfalt entscheidet Thüringen‘ stoppen“ und Ihr Gebaren um diese Studie „Vielfalt entscheidet Thüringen“ ist das beredte Beispiel dafür, dass eine Oppositionspartei jedwede Contenance und Verantwortung vermissen lässt und nur darauf aus ist, den politischen Mitbewerber zu diskreditieren, Menschen aufzuwiegeln und Beschäftigte zu verunsichern, meine Damen und Herren.
Der Antrag unterstellt, die Landesregierung plane, Landesbedienstete zu kontrollieren und die Einstellungskriterien an ethnischer und sexueller Orientierung auszurichten. Von „Ausforschung von Ethnie, von sexueller Orientierung“ der Bediensteten ist die Rede, und das gipfelt in der Unterstellung, die Vorgesetzten sollten mit den konkreten Daten arbeiten oder – so Herr Geibert im Mai hier im Plenum – die „ethnische und sexuelle Orientierung [würde dann] darüber entscheiden, ob man fähig ist, eine Aufgabe wahrzunehmen oder nicht“, und zwar ohne dass Leistung, Eignung und Befähigung berücksichtigt wurden. Alle entgegengesetzten Beschwichtigungsversuche, Erklärungsversuche, Informationen, die es aus der Thüringer Staatskanzlei gegeben hat, werden einfach ignoriert und es wird so getan, als wären die nicht vorhanden
oder als würden wir lügen. Weiter wurde behauptet, Methode und Sinnhaftigkeit der Studie seien fragwürdig, der Datenschutz sei nicht gewährleistet, und die Anonymität und Freiwilligkeit der Studie wurden in Frage gestellt. Es wurde gesagt, der Hauptpersonalrat habe sich gegen die Studie ausgesprochen, der Landesdatenschutzbeauftragte sei nicht einbezogen worden – alles wider besseres Wissen, meine Damen und Herren.
Ich sagte es schon im Mai, als ich gegen die angebliche Dringlichkeit des Antrags gesprochen habe: Das Schreiben an den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zur Prüfung der Befragung ging Ende März an das Haus des Herrn Dr. Hasse und am 9. April 2019 hat es ein Gespräch mit Mitarbeiterinnen des Herrn Dr. Hasse gegeben. Auch der Hauptpersonalrat ist einbezogen worden, er hat sogar Vorschläge zur Erweiterung der Fragen gemacht.
Auch die große Verwunderung über und die Abwehr gegen die Studie, die eine wichtige Vorarbeit für die Umsetzung des Diversity-Management-Konzepts darstellt, welche die Fraktion der CDU mal wieder äußert, ist reine Show, eine Wahlkampfshow, die dem Ansinnen des Monitorings von Diversitätsdaten null gerecht wird, meine Damen und Herren. Diese Verwunderung ist nur gespielt. Bereits 2018 hat die Staatskanzlei in der EnqueteKommission zu Rassismus über den Beschluss zum Diversity Management im Rahmen des Personalentwicklungskonzepts berichtet. Dass die Studie „Vielfalt entscheidet Thüringen“ seit August 2018 konzipiert und erarbeitet wird, darüber wurde die Enquetekommission im Februar 2019 ausführlich schriftlich unterrichtet, auch darüber, dass Citizens For Europe als Projektträger mit der Durchführung beauftragt ist.
Ja, es handelt sich um die bislang größte und umfassendste geplante Studie zu Diversitätsdaten. Das, meine Damen und Herren, ist aber nicht negativ, sondern positiv zu bewerten. Thüringen wird damit Vorreiter, was das Monitoring und die Analyse betrifft, um Diskriminierungen auszumachen und öffentliche Verwaltung so gestalten zu können, dass Diversität nicht benachteiligend wirkt, meine Damen und Herren.
Ich möchte noch zwei, drei Dinge aus dem Zwischenbericht der Enquetekommission zitieren. Erstes Zitat: „Ausgehend von der Annahme, dass es sich beim Rassismus um das Zusammenspiel von
komplexen Elementen handelt, die gleichzeitig oder auch unabhängig auftreten können: individuell, kommunikativ, imaginativ (Gefühle/Befürchtungen), sowie strukturell oder gar institutionell, so können sowohl Polizistinnen und Polizisten als Personen als auch die Polizei als Struktur und Institution betroffen sein. Jedoch muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Datenlage mager ist und empirische Studien kaum vorhanden sind – das gilt sowohl für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt als auch für das Bundesland Thüringen.“ Das steht auf Seite 229 ff. des Zwischenberichts.
Nächstes Zitat: „Das Fehlen differenzierter Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten behindert nicht zuletzt eine menschenrechtskonforme Rechtsfolgenabschätzung.“, zu finden auf Seite 243 des Zwischenberichts.
Nächstes Zitat: „Um strukturelle Diskriminierung zu vermeiden, müssen behördliche Praktiken in Thüringen analysiert werden. Diese sind ggf. an die CERD- und ECRI-Empfehlungen anzupassen. […] Wichtig ist es zudem, diskriminierende Regelungen und Novellierung abzuschaffen – bzw. müssen Regelungen angepasst werden, die für bestimmte Gruppen diskriminierend wirken.“, Seite 262 des Zwischenberichts.
Letztes Zitat: „Die größte Hürde besteht darin, dass zusammenlaufende Monitorings über alle Ressorts und über alle Verwaltungsebenen hinweg fehlen. So lässt sich die Situation von Betroffenen, die Rassismus und Diskriminierung im Behördenkontext erfahren, nicht ausführlich beschreiben und erfassen. Nicht möglich ist es daher auch, noch zu ergreifende Maßnahmen fachgerecht zu beurteilen. Das gilt für Rassismus und Diskriminierung innerhalb der Behörden sowie für den Umgang der Behörden mit der Gesellschaft.“, Seite 260 f.
Alle diese Zitate stammen aus dem Zwischenbericht der Enquetekommission. Das erste, das mit der Polizei, hat die CDU-Fraktion selbst formuliert. Die drei anderen hat die CDU in ihr Sondervotum übernommen, aus dem, was in der Enquetekommission mehrheitlich beschlossen wurde. Und wie wir aus dem Redebeitrag des Kommissionsvorsitzenden, Herrn Tischner, aus dem Plenum im Mai, glaube ich, wissen, wurden jene Passagen in das CDU-Sondervotum übernommen, die Konsens zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU sind. Es ist also Konsens, dass die Datenlage mager ist. Es ist Konsens, dass eine Analyse gebraucht wird, damit greifbare Maßnahmen entwickelt werden können, um Diskriminierung auch in den Behörden abzubauen. Es wird also auch aufseiten der CDU durchaus die Notwendigkeit der Datenerhebung anerkannt, zumindest in Texten, von denen Sie offen
bar annehmen, dass sie keiner weiter liest. Wenn es aber dann an die Umsetzung des Monitorings, der Analyse geht, damit Diversity Management in Verwaltung konkret werden kann, dann wird das nicht nur unterschlagen, sondern die größten Geschütze dagegen aufgefahren. Und jeder weiß, was hinter Ihrem „das ist ethnische Ausforschung“ steckt – eine Diskreditierung insbesondere der linksgeführten Staatskanzlei als Stasibehörde. Das ist so durchsichtig, wie es unwürdig ist, Herr Geibert und sehr geehrte Damen und Herren der CDUFraktion, zumindest für eine demokratische Opposition, die diesen Namen verdient.
Ich will noch mal auf das Eingangszitat zurückkommen: „Eigentlich haben wir gedacht“, meine Damen und Herren, „dass wir in den letzten vier Jahren [...] schon alles erlebt hätten“, was Unterstellungen betrifft, aber das Gezeter und die Skandalisierung dieser Studie übertrifft so einiges. Opposition geht anders, meine Damen und Herren der CDU.
Ausbildung und Einstellung von Anwärterinnen und Anwärtern bei der Polizei in Thüringen
In den Jahren 2009 bis 2018 wurden unterschiedlich viele Anwärterinnen und Anwärter bei der Polizei ausgebildet und eingestellt.
Herr Dittes fragt die Landesregierung:
1. Wie viele Bewerberinnen und Bewerber haben jeweils in den Jahren 2009 bis 2018 ihre Ausbildung im Polizeidienst Thüringens begonnen – bitte nach Jahren darstellen –?
2. Wie viele Anwärterinnen und Anwärter wurden zwischen 2009 und 2018 nach erfolgter Ausbildung zu Polizisten auf Probe ernannt beziehungsweise in den Dienst eingestellt – bitte nach Jahren darstellen –?
Ich muss der rassistischen Dreckschleuder schon noch was entgegensetzen.
Wofür?
„Rassistische“ habe ich gesagt.
Dem möchte ich etwas entgegensetzen: Die sogenannte Zuwanderung in die Sozialsysteme wird erstens dadurch befördert, dass es integrationsverhindernde Gesetzgebung gibt, die nämlich Integration dadurch verhindert, dass Geflüchteten beispielsweise der Zugang zum Erwerbsleben verunmöglicht wird oder große Hürden gesetzt werden.
Die rassistische Fraktion hier im Haus
Sie erteilen keine Ordnungsrufe!
Ich habe das Gefühl, das bin ich. – will natürlich schlechtreden, dass wir den Schwerpunkt unserer flüchtlingspolitischen Arbeit auf Integration und Angebote und Willkommenskultur legen. Aber genau das ist es, was Zuwanderung in Sozialsysteme verhindert,
dass wir von Anfang an den Menschen, die hier herkommen, Angebote zur Integration machen, zur Sprachförderung, zum Zugang zu Ausbildung und Erwerbsarbeit etc. Ich kann einfach nicht mehr hören, wie hier gegen Menschen gehetzt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst einmal zum Vorwurf der Lüge. Der Datenschutzbeauftragte, Herr Dr. Hasse, irrt, wenn er sagt, er sei mit der Befragung nicht befasst gewesen.
Wow, die ganz Rechte qualifiziert sich wieder super mit ihren Zwischenrufen.
Das Schreiben an den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zur Prüfung der Befragung ging Ende März an das Haus des Herrn Dr. Hasse und am
9. April hat es ein Gespräch mit Mitarbeiterinnen von Herrn Dr. Hasse gegeben. Möglicherweise hat er das vergessen oder nicht gewusst, als Herr Kendzia ihn dazu befragt hat.
Meine Damen und Herren, zur Dringlichkeit: In der Begründung steht, Medienberichten zufolge sei von dieser Absicht einer solchen Befragung informiert worden. Ich würde den Damen und Herren der Fraktion der CDU einfach empfehlen, in der Enquetekommission Rassismus ein bisschen besser aufzupassen. Nämlich im letzten Jahr, als wir die
Staatskanzlei genau wie alle anderen Ministerien in der Enquetekommission zu den Maßnahmen gehört haben, die es bereits gibt und die geplant sind, über das geplante Projekt „Vielfalt entscheidet Thüringen – VET“, über das im Personalentwicklungskonzept verankerte Diversity Management, was wir für die Thüringer Landesverwaltung entwickeln wollen, hat Herr Prof. Dr. Hoff selbst berichtet.
Zum Zweiten möchte ich darauf verweisen, dass wir im Zwischenbericht der Enquetekommission – nämlich ab Seite 168 – über die Notwendigkeit einer soliden Datenbasis für Diversity Management als eines der Erkenntnisse aus der Enquetekommission Rassismus berichtet haben. Ich möchte die Damen und Herren der CDU-Fraktion zum Beispiel auch auf Seite 230 in ihrem Sondervotum zum Zwischenbericht hinweisen, wo sie für den Bereich der Polizei die magere Datenlage zur Kenntnis genommen haben.
Ich möchte die CDU sehr herzlich darum bitten, die Bemühungen um Diversity Management nicht länger zu diskreditieren, die Arbeit und die Ergebnisse
der Enquetekommission Rassismus nicht länger zu diskreditieren, indem Sie behaupten, wir würden der Verwaltung pauschal rassistisches Verhalten unterstellen. Dem ist nicht so! Herr Geibert, lesen Sie einmal den Zwischenbericht der Enquetekommission, dann werden Sie das bemerken.
Es geht mit der Befragung weder um Ausforschung noch darum, dass nicht nach Eignung und Befähigung in den Landesdienst eingestellt werden soll. Googeln Sie einmal „Diversity Management“, dann werden Sie das selbst sehen. Die Befragung wird freiwillig und anonym sein, es ist nicht die Rede von Ausforschung. Hören Sie auf, solche Bemühungen in den Dreck zu ziehen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist zu diesem schäbigen Antrag der rechtspopulistischen Fraktion schon fast alles gesagt worden, aber ich will noch mal auf das eigentliche Ziel dieses Antrags zurückkommen. Die rechtspopulistische Fraktion weiß ja genau, dass dieser Antrag hier im Hohen Haus keine Mehrheit findet. Ich bin sehr froh darüber, dass auch der Ab
geordnete Herrgott für die CDU-Fraktion da ganz klar gewesen ist,
wenn mir auch nicht alles gefällt, was er zur Bundespolitik gesagt hat, aber da wissen wir ja, wo die Differenzen liegen.
Das eigentliche Ziel der AfD-Fraktion ist ja nur, das Thema hier wieder und immer wieder aufzurufen. Das eigentliche Ziel ist das Framing, wie über Asylsuchende und auch über ausreisepflichtige Asylsuchende gesprochen wird. Und das Framing verfängt. Die Behauptung, es sei dazu gekommen, dass Menschen untergetaucht sind, weil keine Abschiebehaftplätze zur Verfügung stünden, hat verfangen bei dem größten Medium, was wir hier in Thüringen haben, nämlich dem MDR. Diese Behauptung wurde ungeprüft vom MDR übernommen und es hat mich fast zwei Tage gekostet, bis der MDR eingestanden hat, dass es dafür keinerlei Beleg gibt, weder in irgendwelchen Zahlen, die das Ministerium gesagt hat, noch in Diskussionen, die wir im Ausschuss hatten, noch in diesem jetzt schon zweimal als Beleg angeführten Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen hier aus dem Haus.
Weder die Anfrage des AfD-Abgeordneten Möller noch die Antwort auf die Anfrage des Herrn Walk hat diesen Schluss herleiten lassen, dass Leute untergetaucht seien, weil keine Abschiebehaftplätze vorhanden gewesen sind. Ich bin sehr froh, dass der MDR eingestanden hat, dass es keine Quelle gibt für diese Behauptung. Und ich will es auch einfach hier noch mal deutlich sagen: Es ist blankes Framing, es sind Fake News, die die AfD-Fraktion verbreitet. Es geht einzig und allein darum, Menschen zu diskreditieren. Man sieht das auch an der Begründung dieses schäbigen Antrags. Dort wird nämlich davon gesprochen, dass es in normalen Haftanstalten bei gewöhnlichen Strafgefangenen nicht erlaubt sei, Abschiebehäftlinge unterzubringen, und damit wird suggeriert, ausreisepflichtige Geflüchtete seien Strafgefangene. Es sind keine Strafgefangenen!
Die AfD-Fraktion möchte, dass es immer leichter wird, unverhältnismäßige Mittel als Mittel der Politik zu propagieren. Sie will nämlich möglichst alle ausreisepflichtigen Gefangenen möglichst schnell in Haft nehmen, damit sie möglichst schnell abgeschoben werden können. Und das ist unverhältnismäßig und das gibt es weder in unserem Rechtsstaatssystem, das unverhältnismäßige Mittel die ersten Mittel sein sollen, noch in der sogar aufge
führten EG-Richtlinie. Auch dort wird in den Gründen, mit denen die Richtlinie hergeleitet wird, davon gesprochen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein muss, und dass immer mildere Mittel zuerst geprüft werden müssen. Für Abschiebehaft muss es ganz besondere Begründungen geben, deswegen gibt es auch den Richtervorbehalt für Abschiebehaft.
Und das dritte Framing, was die AfD-Fraktion bedienen will, ist das der illegalen Menschen. Und auch wenn das Wort „illegal“ in der Richtlinie benutzt wird, in der EG-Richtlinie: Kein Mensch ist illegal, meine Damen und Herren,
es handelt sich – Frau Rothe-Beinlich hat die Zahlen gesagt – bei 2.800 oder 2.900 Personen der Ausreisepflichtigen, die hier in Thüringen sind, um Menschen mit einer Duldung. Die halten sich nicht unrechtmäßig hier in Thüringen auf, sondern es gibt Gründe, warum diese Menschen eine Duldung haben, und sie sind keine Kriminellen und sie sind keine Illegalen. Kein Mensch ist illegal! Wir wollen nicht, dass das Framing der AfD-Fraktion unwidersprochen bleibt und hier im Hohen Haus verfängt.
Und danke, Herr Herrgott, mich macht das positiv gestimmt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Zuhörerinnen am Livestream, liebe Romy und liebe Gäste hier auf den Zuschauerrängen, vielleicht haben Sie am Montag im Ersten – im Fernsehen – die Dokumentation „Heimatland – Oder die Frage, wer dazugehört“ gesehen. Dort wird am Ende der Dokumentation die 1975 in Celle geborene Schauspielerin İdil Baydar vorgestellt, die vielleicht einigen von Ihnen als Kunstfigur Jilet Ayşe bei YouTube bekannt ist. Frau Baydar ist – wie gesagt – in Celle geboren, hat die Waldorfschule besucht, in Berlin ihr Abitur gemacht und am Hamburger Schauspielhaus gespielt. Ihre Eltern sind türkischer Herkunft.
Frau Baydar wird von der Filmcrew in einem Café in der Karl-Marx-Straße in Neukölln interviewt – Zitat aus dem Film –: „für viele das Symbol für das
andere, neue Deutschland, dominiert von Zuwanderern. İdil Baydar mag die Cafés hier“, das erzählt die Sprecherin. Weiter sagt sie, „trotzdem ärgert sie, dass Filmteams ihr immer wieder Orte wie diesen vorschlagen, nie schicke Hotels oder Theatersäle – auch wir.“ İdil sagt dann: „Das ist so tief drin, dass man den anderen darstellen möchte in dem, was man denkt, was er ist“. Weiter sagt Frau Baydar, sie fragt ihr Publikum ganz oft: Sag mir mal fünf gute Sachen über Türken – und sie meint nicht den Dienstleistungsbereich oder nicht den guten Döner –, sag mir was aus der Kunst, aus der Wissenschaft, aus der Architektur oder aus der Literatur. „Das kann dir keiner beantworten, weil die Assoziation dahin überhaupt nicht geht. Das heißt, wir werden nie so erzählt.“
Dieses „wir werden nie so erzählt“ fand seine schlimmste Entsprechung in deutschem Behördenhandeln, seit im September 2000 die rassistische Mordserie des NSU begann. Barbara John, die Ombudsfrau für die Opfer und die Opferangehörigen des NSU, hat es im März 2012 auf den Punkt gebracht: Die Familien der Mordopfer seien nicht nur jahrelang alleingelassen, sondern – Zitat – „aus dem Kreis der Anständigen ausgeschlossen“ worden, indem man sie selbst verdächtigt hat, die Taten in irgendeiner Weise mitverursacht zu haben.
Diese Richtung der Ermittlungen – Sie erinnern sich alle, es wurde von „Dönermorden“ gesprochen, eine Soko „Bosporus“ eingerichtet, nach dem Mord an Michèle Kiesewetter wurde von einer „heißen Spur ins Zigeunermilieu“ gesprochen – begann unmittelbar nach dem Mord an Enver Şimşek, dem ersten Mordopfer der Jenaer Gruppe. Sie setzte sich dann bei allen folgenden Morden und Anschlägen fort. Es waren rassistische Ermittlungen im Fall NSU.
Nach gründlicher Ursachenforschung und Fehlersuche kam der erste Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss 2014 zu der einstimmig verabschiedeten Empfehlung: „Neben der Fortsetzung der Aufklärung sollte eine Enquetekommission ‚Rassismus‘ Maßstäbe setzen und beispielsweise Vorschläge für die öffentliche Auseinandersetzung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entwickeln.“ Genau das versuchen wir in der Enquetekommission „Rassismus“ seit Sommer 2017. Der heute endlich vorliegende Zwischenbericht dokumentiert den Beratungsverlauf und erste Schlussfolgerungen.
Die wichtigste Etappe war, dass wir in der Kommission eine Basis für die Arbeit finden, eine Verständigung darüber, worüber wir eigentlich reden, wenn wir „Rassismus“ und „Diskriminierung“ sagen. Nach kurzem Disput, wie wir zu einer solchen Diskussionsbasis kommen – vorgeschlagen war einer
seits, dass die Fraktionen einen Textvorschlag unterbreiten, andererseits wurde vorgeschlagen, die sachverständigen Kommissionsmitglieder um ihre Expertise zu bitten –, entschieden wir uns für die parteipolitisch unabhängige Expertise und baten die sachverständigen Mitglieder um Stellungnahmen zu Ursachen, Formen und Folgen von Rassismus und Diskriminierung. Wir haben diese Stellungnahmen dann in der Enquetekommission in öffentlicher Sitzung diskutiert – wie übrigens alle Anhörungen, die wir durchführen, in öffentlicher Sitzung stattfinden. Sie sind alle herzlich eingeladen, die Arbeit der Enquetekommission zu beobachten.
Kurz gefasst beschreibt der Begriff „Rassismus“ die Unterscheidung von Menschen aufgrund zugeschriebener Gruppenmerkmale und dient der Ableitung oder der Konstruktion von Ungleichwertigkeiten aus Unterschieden. „Rassismus konstruiert Rassen, sodass (zugeschriebene) körperliche, kulturelle oder religiöse Aspekte oder Besonderheiten […] als genuine Gruppenmerkmale erscheinen, die für alle Gruppenmitglieder zentral bedeutsam seien und einen grundsätzlichen Unterschied zur ‚eigenen Gruppe‘ markierten“ – der Unterschied zwischen dem „wir“ und dem „die“, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Person der zugeschriebenen Gruppe tatsächlich angehört oder nicht.
Die Konstruktion von Rassen hat zum Effekt, dass eine eigene Gruppenidentität durch Abgrenzung von anderen geschaffen wird und dass Aggressionen, Ausschlüsse und Privilegien damit legitimiert werden. Zu institutionellem Rassismus kommt es, wenn durch Normen und Verhaltensweisen bestimmte Gruppen regelmäßig in alltäglichen Routinen im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen zum Nachteil der von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen behandelt werden.
Die Debatte um Rassismus in Deutschland ist durch epistemische Gewalt gekennzeichnet, also dadurch, dass den von Rassismus Betroffenen ihre Diskriminierungserfahrungen abgesprochen werden, dass sie geleugnet oder bagatellisiert werden, etwa wenn behauptet wird, die Juden seien einfach nur zu empfindlich, oder wenn man das N-Wort damit rechtfertigt, es sei überhaupt nicht böse gemeint, zum Beispiel wenn man über Schaumküsse spricht.
Bei der Diskriminierung handelt es sich um eine illegitime Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Zuordnung in bestimmte kulturelle oder soziale Kategorien. Zu institutioneller oder struktureller Diskriminierung kommt es, wenn durch Normen und Verhaltensweisen bestimmte Gruppen regelmäßig
in alltäglichen Routinen im Zusammenspiel mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen zum Nachteil der Diskriminierten behandelt werden, zum Beispiel wenn Kinder ausländischer Herkunft regelmäßig schlechtere Schullaufbahnempfehlungen bekommen als Kinder ohne Migrationshintergrund.
Diskriminierung läuft den Grundsätzen von Gleichheit und Gerechtigkeit zuwider und stellt eine Menschenrechtsverletzung dar. Im Gegensatz zum Rassismus ist die Diskriminierung nicht auf der Einstellungsebene angesiedelt, sondern auf der Handlungsebene. Die grundlegende Differenz zwischen der CDU-Fraktion und den Kommissionsmitgliedern der rot-rot-grünen Fraktionen bestand bei dieser Festlegung der Begriffsdefinition darin – und aus diesem Grund stimmten die CDU-Mitglieder auch nicht den getroffenen Begriffsbestimmungen zu –, dass die konservative Seite Rassismus und Diskriminierung eher als individuelles und nicht als institutionelles oder strukturelles Problem versteht und dass sie eine sozialpsychologische Herangehensweise präferiert. Sie versucht, die gefundene Definition als ideologisch motiviert zu diskreditieren, obgleich auch die Stellungnahmen der durch die CDU benannten sachverständigen Kommissionsmitglieder in diese Begriffsbestimmungen einbezogen wurden.
Der rot-rot-grüne Rassismusbegriff, um es einmal parteipolitisch zu sagen, wird von der CDU als umfassender oder erweiterter Rassismusbegriff bezeichnet, der auf – Zitat – „subjektiven Theorien“ beruhe, in die teilweise eigene Erfahrungen und solche von Teilen der Bevölkerung eingeflossen seien, von denen eine Verabsolutierung stattfinde und die nicht empirisch überprüfbar seien. Woran da eine individuelle Prävention anschließen solle, erschließe sich für die CDU nicht, so wurde argumentiert. Sie behauptet – Zitat –: „Wenn Rassismus und Diskriminierung als flächendeckende Probleme angenommen werden, ist die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen gegen wirkliche Formen von Rassismus und Diskriminierung zunehmend erschwert.“ Das Stichwort „epistemische Gewalt“ hatte ich schon erwähnt, Sie erinnern sich sicher.
Die CDU weiter: „Formen von Rassismus und Diskriminierung werden demzufolge als ein ‚fehlgeleitetes Verlangen‘ einiger Menschen verstanden, bei denen es gilt, Rahmenbedingungen zu schaffen, um dieses Verlangen abzustellen oder nicht-rassistisch zu entkräften.“ Rassismus und Diskriminierung werden als fehlgeleitetes Verlangen definiert; gleichzeitig unterstellt die CDU der Mehrheit in der Kommission, sie würde unwissenschaftlich arbeiten. Ich halte das für einen Antagonismus. Wir hätten uns wirklich gewünscht, die CDU-Abgeordneten
hätten einmal die Stellungnahmen ihrer sachverständigen Mitglieder Abou-Taam und Mannewitz gründlich gelesen oder zur Kenntnis genommen, was in der wissenschaftlichen Debatte aktuell diskutiert wird.
Meine Damen und Herren, die Kommission hat sich viel Zeit genommen, zivilgesellschaftliche Initiativen, Betroffenengruppen, Expertinnen anzuhören, die sich sowohl auf der wissenschaftlichen als auch der alltäglichen Ebene mit den Ursachen und Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung beschäftigen und auch viele Anregungen und Vorschläge in die Debatte eingebracht haben. Wir haben Behörden und Institutionen befragt, uns mit der Landesregierung über bereits bestehende Maßnahmen zur Prävention ausgetauscht und über institutionelle Rahmenbedingungen gesprochen, die Rassismus und Diskriminierung entgegenstehen oder aber möglicherweise befördern. Wir haben mit dem Zwischenbericht erste Schlussfolgerungen getroffen. Vorgeschlagene Maßnahmen diskutieren wir derzeit mit Expertinnen in einem weiteren Anhörungsprozess. Am übernächsten Dienstag zum Beispiel stehen die Themen „Gesundheit“, „Kultur“ und „Medien“ auf der Tagesordnung – in öffentlicher Sitzung übrigens, fühlen Sie sich alle herzlich eingeladen.
Einige der Schlussfolgerungen wurden im Übrigen auch schon im Landtag beraten, zum Beispiel gestern mit dem Antrag zur Fachkräfteentwicklung und seit Dezember mit der Schulgesetznovelle. Die Koalition hatte sich vorgenommen, Vorschläge der Kommission noch in dieser Legislatur zu implementieren. Durch den sehr verspäteten Start der Kommission würde das nichts werden, wenn wir damit auf den Abschlussbericht warten müssten. Aber das brauchen wir nicht, denn einige Aspekte sind ausdiskutiert und die Maßnahmen können umgesetzt werden. Dem dient unser Entschließungsantrag.
Daraus möchte ich noch einen Punkt herausgreifen, den Punkt 1 in den Forderungen: „Der Landtag bittet die Landesregierung, eine unabhängige und niedrigschwellig erreichbare Antidiskriminierungsberatungs- und Fachstelle einzurichten und deren Ausstattung und Arbeit entsprechend der Empfehlungen und Standards des Antidiskriminierungsverbands Deutschland und ECRI“ – das ist die Europäische Anti-Rassismus-Kommission – „anzupassen“. Die Betonung bei dieser Anti-Rassismus-Beratungs- und Fachstelle liegt in den Attributen „unabhängig“ und „niedrigschwellig erreichbar“. Von Beginn der Kommissionsarbeit an zog sich die dringende Bitte nicht allein der Betroffeneninitiativen durch, dass von Rassismus und Diskriminierung
Betroffene eine Stelle bräuchten, die nicht staatlich ist, die sich nicht hinter den dicken Mauern der Staatskanzlei versteckt und die nicht durch eine staatliche Person, eine bei der Landesregierung oder einer Behörde beschäftigte Beamtin, repräsentiert wird. Eine Stelle, bei der die Betroffenen ihr Problem vortragen können und die dann gemeinsam mit ihnen schaut, wie das Problem, die Diskriminierung behoben werden kann, an wen man sich wenden kann, welche Stelle für eine Beschwerde oder eine Petition zuständig ist. Eine von Verwaltung und Behörden unabhängige Fachstelle, die empathisch beraten und vermitteln kann, die wollen wir mit unserem Entschließungsantrag schon in den Gang bringen, damit wir sie spätestens nächstes Jahr haben.
Ich möchte mich abschließend dem Dank des Vorsitzenden bei allen Kommissionsmitgliedern – also denen, die demokratisch mitgearbeitet haben – anschließen, ganz besonders den sachverständigen Mitgliedern und all denen, die uns mit ihren Stellungnahmen und in den Anhörungen unterstützt und beraten haben. Das Ergebnis, der Zwischenbericht, kann sich sehen lassen, finde ich. Ich freue mich, dass es durch ein Lektorat gelungen ist, eine halbwegs verständliche Sprache zu finden. Ich freue mich auch darüber, dass der Zwischenbericht noch ins Englische und Arabische übersetzt werden wird. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Tischner. Ich will genau dazu noch mal nachfragen: Was wäre denn an der Überprüfung von Lehrinhalten und Lernmitteln auf beispielsweise Sichtbarkeit von betroffenen Gruppen oder rassismuskritische Inhalte noch zu diskutieren oder was wäre denn noch mit Anzuhörenden daran zu diskutieren, dass wir ein Normenscreening Thüringer Rechtsvorschriften und Gesetze auf rassismuskritische Inhalte durchführen wollen?
Danke schön, Frau Präsidentin.
Abschiebung eines jungen Afghanen aus Thüringen
Eine der Personen, die am 18. Februar 2019 mit einem Sammelabschiebeflug nach Afghanistan abgeschoben wurden, war ein erst kürzlich 18 Jahre alt gewordener, als unbegleiteter minderjähriger Ausländer nach Thüringen eingereister junger Mann. Der Betroffene soll strafrechtlich in Erscheinung getreten sein.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welchen Stand hatte das Asylverfahren des jungen Mannes, wurde gegebenenfalls gegen einen ablehnenden Asylbescheid Klage erhoben und ein Verwaltungsgerichtsverfahren durchgeführt?
2. Welche erzieherischen Maßnahmen sehen Jugendhilfe- und Jugendgerichtshilfesystem – etwa die Jugendgerichtshilfe und der Jugendarrest – vor, um straffällig gewordene junge Menschen zu unterstützen?
3. Welche der in Frage 2 erfragten Maßnahmen wurden in dem konkreten Fall angewandt beziehungsweise umgesetzt?
4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Aufnahme der Person in Afghanistan, vor dem Hintergrund, dass sich seine Familie nach den Behörden vorliegenden Informationen dauerhaft in Indien aufhalten soll?
Es ist jetzt aus der Antwort, Herr Staatssekretär, nicht deutlich geworden, ob die zuständige Jugendgerichtshilfe den Hilfebedarf geprüft und beispielsweise Maßnahmen empfohlen hat.
Herr Staatssekretär, mit Verlaub, wie das System geregelt ist und was in den Paragrafen steht, das weiß ich alles. Ich habe ein Diplom als Sozialarbeiterin. Können Sie mir bitte die Antwort auf meine konkrete Frage vielleicht schriftlich und nicht öffentlich zukommen lassen?
Das ist schon nicht schlecht, wenn die Populisten Populismus eingestehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, Frau Präsidentin, ich möchte darüber sprechen, wie eine kleine Personengruppe versucht, die öffentliche Wahrnehmung zu verzerren.
Meine Damen und Herren, damit wir alle miteinander, auch die Zuhörerinnen und Zuhörer, diesen Antrag der CDU-Fraktion einordnen können, will ich kurz den Werdegang skizzieren, wie die CDU mit dem Thema „Umgang mit straffälligen Ausländern“, der möglichst lautstark und möglichst schlagwortartigen Forderung nach harter Hand und Durchgreifen – der Begriff Rechtsstaat kommt da eher seltener vor – seit inzwischen fast einem Dreivierteljahr umgeht, wie sie dieses Thema für sich und für das Schüren von Unsicherheiten, für die Verzerrung der öffentlichen Wahrnehmung benutzt und ausschlachtet. Im Mai hat die CDU einen Berichtsantrag im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zur Verteilung straffälliger oder gewaltbereiter Asylbewerber gestellt. Abgefragt wurden mit diesem Antrag eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Asylbewerber seit 2015. Abgefragt wurden wohlgemerkt Beschuldigte, nicht Verurteilungen. Im August reichte die CDU-Fraktion einen Alternativantrag zu dem Antrag der Rechtspopulisten ein, Asylsuchende in Lagern zu internieren. Die Anhalte des CDU-Antrags waren damals die Forderung nach Ankerzentren, die Geflüchtete isolieren würden, wie wir alle wissen, und die Forderung nach einem Gewaltschutzkonzept für die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl. Im Übrigen wurden Gewaltschutzkonzepte für kommunale Einrichtungen dann vom Abgeordneten Herrgott am 26.11. abgelehnt, was zeigt, es geht Ihnen überhaupt nicht um Sicherheit oder Gewaltschutz, sondern einerseits um Stimmungsmache, andererseits um Vorwürfe gegen die rot-rot-grüne Landesregierung. Das ist der blanke Wahlkampf, den Sie hier seit Mai betreiben, meine Damen und Herren.
Im Oktober dann hat die CDU mit Presseverlautbarungen und im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz den Vorfall beim Zwiebelmarkt aufgegriffen, den der Abgeordnete Hartung eben schon kurz erwähnt hat. Die CDU forderte eine umfassende Berichterstattung und hat diese auch bekommen, meine Damen und Herren. Im November reichte die CDU eine Aktuelle Stunde ein mit dem Titel „Straffällig gewordene Asylbewerber und Integrationsverweigerer schnell und konsequent abschieben – Wer rechtsstaatliche Grundsätze ablehnt, hat sein Gastrecht verwirkt“. Hier ist dann erstmals der Begriff „Integrationsverweigerer“ bei der CDU-Fraktion in Thüringen eingeführt worden. Ebenfalls im November reichte die CDU einen Antrag „Informationsfluss zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Ausländerbehörden verbessern – Kriminelles Verhalten von Asylbewerbern konsequent ahnden“ in das Plenum ein. Dieser Antrag war schon im September als Dringlichkeitsantrag eingereicht worden. Die Fragen, die da als dringlich
gestellt waren, hatte die Landesregierung bereits am 16. Oktober, nämlich durch Herrn Staatssekretär von Ammon und Herrn Staatssekretär Götze, in einer Pressekonferenz beantwortet, andere in Sitzungen des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Dennoch beharrte die CDU auf Aufrechterhaltung dieses Antrags und bekam die Fragen erneut beantwortet. In der Novemberausgabe der CDU-Fraktionszeitung wurde dann der heute vorliegende Antrag angekündigt und für die Dezembersitzung eingereicht. Nach den Worten des CDUInnenpolitikers Raymond Walk „richtet die vergleichsweise kleine Gruppe der Mehrfach- und Intensivtäter oder Integrationsverweigerer unter den Migranten großen Schaden an. Sie verzerren die Wahrnehmung und erschweren damit die Integration der viel größeren Gruppe friedlicher und anpassungsbereiter Ausländer.“ Wer mit „Integrationsverweigerer“ gemeint sein soll, das beantwortet die CDU-Fraktion nicht.
Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.
Sie postulieren, sehr geehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie wollten den Rechtsstaat schützen – Zitat –: „Ereignisse dieser Art schwächen in besonderem Maße das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat […]“. Das behaupteten Sie in der Begründung zur Aktuellen Stunde im November. Ich glaube, Herr Geibert ist es gewesen. Aber im Gegenteil, Sie sind es, die den Rechtsstaat schwächen. Ihre stetig wiederholten Forderungen – „klare Kante“, „aus der Haft direkt zum Flughafen“, „straffällig gewordene Ausländer konsequent abschieben“ – immer wieder in den unterschiedlichsten Varianten und Formulierungen, möglichst lautstark und möglichst schlagwortartig! Es ist direkt ein Wunder, meine Damen und Herren der CDU, dass Sie solche Anträge nicht inzwischen in Großbuchstaben schreiben und mit vielen, vielen Ausrufezeichen versehen, wie wir das bei solchen Schlagwortdingen in den sozialen Medien gewöhnt sind.
Ich dachte, Sie nehmen das Thema ernst, aber diese Zwischenbemerkung zeigt ganz klar, dass es Ihnen wirklich nur um Krachmachen geht. Auch im vorliegenden Antrag machen Sie bei Ihren Fragen nach der Anzahl der Ermittlungsverfahren, beispielsweise nach der Anzahl der eröffneten Hauptverfahren, nach der Anzahl der wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilten Asylsuchenden, keinerlei qualitativen Unterschied zum Beispiel hinsichtlich
der Art der Vergehen, der Schwere der vorgeworfenen Tat, des Strafrahmens oder dergleichen. Ohne Sinn und Verstand Zahlen abzufragen, bloß um dann mit möglichst großen Zahlen den Teufel an die Wand malen zu können, ohne irgendeine Einordnung oder qualitative Wertung, wissen Sie, was das ist, meine Damen und Herren der CDU? Das ist eine AfD-Manier. Sie spielen das Spiel der Rechtspopulistinnen und ich bin froh, dass die Landesregierung Sie in diesem Spiel nicht mit Zahlen bedient. Im Übrigen ist Ihnen ja die Polizeiliche Kriminalstatistik zugänglich wie allen anderen auch.
Sie suggerieren in Ihrem Antrag im Begründungstext, „derartige Vorfälle“ – ich nehme an, Sie meinen den während des Weimarer Zwiebelmarktes – würden nicht mit allen rechtsstaatlichen Mitteln schnell und konsequent geahndet. Sie waren dabei – Herr Hartung hat es erwähnt –, als Minister Lauinger sowohl im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz als auch während Ihrer Aktuellen Stunde am 7. November über die Ermittlungen berichtet und die zwischenzeitlich ermittelten Fakten dargestellt und damit einige Falschmeldungen und Falschaussagen – Frau Holbe erinnert sich sicherlich – richtiggestellt hat.
Dennoch bleiben Sie bei der Forderung – Zitat –: „Nach Auffassung der Fraktion der CDU muss der Freistaat insbesondere in solchen Fällen künftig gezielter und schneller die straffällig gewordenen Personen abschieben.“ Sie fordern das in Ihrer Begründung in direktem Bezug auf den Vorfall in Weimar. Das, meine Damen und Herren der CDU, ist quasi eine Aufforderung zum Rechtsbruch, eine Aufforderung, das rechtsstaatliche Verfahren auszusetzen, wenn es um Geflüchtete geht. Was anderes ist das denn sonst, meine Damen und Herren, als Rechtspopulismus? Sie greifen mit solchen rechtspopulistischen Forderungen direkt und unverhohlen den Rechtsstaat und die freiheitliche demokratische Grundordnung an.
Sie behaupten, es gebe in Thüringen rechtsfreie Räume. Für Sie zum Mitschreiben, Herr Herrgott: Die gibt es nicht.
Aber ganz offensichtlich wollen Sie solche rechtsfreien Räume schaffen. Sie wollen nämlich ganz offenbar die in den §§ 53 und 54 des Aufenthaltsgesetzes formulierten Voraussetzungen für eine Ausweisung abschaffen. Ganz offensichtlich und unverhohlen wollen Sie das universell geltende Grundrecht auf Asyl zu einem irgendwie gearteten Gastrecht erklären und Sie wollen offensichtlich auch
völkerrechtliche Vorgaben außer Kraft setzen, das Abschiebungsverbot in Folterstaaten etwa oder in Verfolgung oder in Staaten, in denen für die Menschen eine andere erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Meine Damen und Herren, ich habe es wirklich satt, immer und immer wieder diese Ihre Angriffe auf den Rechtsstaat und die grundlegenden Menschenrechte abzuwehren. Aber ich werde nicht damit aufhören, immer wieder auf Rechtsstaatlichkeit zu verweisen,
die universelle Geltung der Menschenrechte, auch für kriminelle Menschen übrigens, und das Grundrecht auf Asyl, das eben kein Gastrecht ist, hochzuhalten.
Ich will mit einem Zitat aus Ihrem Begründungstext zum Schluss kommen. Ich habe es schon angedeutet, das Zitat heißt: „Zudem verzerrt diese kleine Personengruppe die öffentliche Wahrnehmung […]“. Das schreiben Sie und meinen die tatsächlich sehr kleine Gruppe straffällig werdender Ausländer. „Zudem verzerrt diese kleine Personengruppe die öffentliche Wahrnehmung“ ist aber ein Satz, der für Parteien wie die AfD und andere Rechtspopulisten und Nazis zutrifft – eine kleine Gruppe, die es laut schreiend schafft, immer wieder mit Tabubrüchen von Medien wahrgenommen und reproduziert zu werden und so Scheindebatten großmacht und die öffentliche Wahrnehmung verzerrt.
Sie, werte CDU-Fraktion des Thüringer Landtags, sind auf dem Weg, eine eben solche kleine Gruppe zu sein – nach meiner Einschätzung allein zu Wahlkampfzwecken. Hören Sie bitte auf, Stimmung zu machen, hören Sie bitte auf, Unsicherheit zu schüren, und hören Sie bitte damit auf, die öffentliche Wahrnehmung zu verzerren. Das tut nämlich nichts gegen Kriminalität, das tut nichts für Prävention, das tut nichts für mehr Sicherheit und das tut auch nichts für Sie selbst, meine Damen und Herren. Das schürt nur Ängste und ebnet Rechtspopulistinnen den Weg. Verantwortungsvolle Politik geht anders und verantwortungsvolle Opposition geht auch anders.
Mein lieber Herr Herrgott, es ist schon ein bisschen perfide, wenn Sie hier so tun, als hätten Sie meine Kritik intellektuell nicht verstanden. Ich redete nicht wider die Transparenz, die wir bei Verwaltung und Behörden und auch hier im Landtag einfordern. Ich redete nicht darüber, dass Sie keine Zahlen abfragen dürften. Gern können Sie Zahlen erfragen.
Dann tun Sie das aber bitte nicht ohne Sinn und Verstand, nicht ohne die gegebenen Antworten, wie ich es Ihnen gesagt habe, im Ausschuss, in der Pressekonferenz etc., immer wieder zu ignorieren und nicht ohne die Zahlen einzuordnen und zu werten. Dazu sind Sie ja in der Lage, Sie können ja Zahlen nach Ermittlungsverfahren abfragen, Zahlen nach Verurteilungen, Zahlen nach Tatbeständen, Schwere der Taten oder Strafzumessungen.
Sie reagieren hier so, wie wir das aus sozialen Medien gewohnt sind, dass Sie nämlich, sobald Ihnen Kritik und Argumente entgegengehalten werden, sagen, man wolle Ihnen das Wort verbieten. Ich schränke nicht Ihre Meinungsfreiheit ein, wenn ich Ihren Argumenten meine dagegensetze und Ihre Argumente und Ihre Vorgehensweise kritisiere. Das ist doch gerade der Sinn und der Wert von Meinungsfreiheit, dass wir diskutieren und uns auseinandersetzen können.
Das ist nicht „das Wort verbieten“ oder Ihre Meinungsfreiheit einschränken.
Was ich aber jetzt wirklich ganz erschreckend und sehr bezeichnend finde, ist, dass Sie jetzt quasi hier vorn darum gebuhlt haben, dass die AfD Ihren Antrag als inhaltlich okay anerkennt, dass sich die AfD entweder entscheidet, ihren eigenen Antrag als populistisch einzuschätzen und den, den Sie angeblich abgeschrieben haben, auch, also dass Sie darum buhlen, Ihren Antrag von der AfD inhaltlich gut eingeordnet zu wissen. Das ist echt bezeichnend.
Danke schön, Frau Präsidentin.
Praxis der Erteilung elektronischer Aufenthaltstitel für Geflüchtete
Nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 und der Einführung der Wohnsitzregelungen nach § 12a Aufenthaltsgesetz sah sich das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz aufgrund der Praxis einiger Ausländerbehörden veranlasst, per Rundschreiben klarzustellen, dass „bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 AufenthG grundsätzlich ein elektronischer Aufenthaltstitel (eAT) auszustellen“ ist. „Die Verwendung von Klebeetiketten aus Kostengründen und zur Eintragung einer Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels stellt keinen Härtefall im Sinne von § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dar und ist auch von der Regelung des § 105b AufenthG nicht gedeckt“, so das Ministerium in dem Schreiben vom 7. März 2017.
Nach mir vorliegenden Informationen hält jedoch zum Beispiel die Ausländerbehörde der Stadt Erfurt an der veralteten Form der Aufenthaltstitel („Aus- weisersatz“ in Form eines Faltblattes bzw. Verwen- dung von Klebeetiketten) fest und verweigert die Ausstellung der eAT-Plastikkarte.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen halten derzeit immer noch an veralteten „Ausweisersatz“-Formen fest?
2. Gegen welche Auswirkungen dieser Praxis können sich betroffene Personen wie wehren?
3. Welche Einflussnahmemöglichkeiten hat die Landesregierung, diese Praxis zu beenden?
4. Ist auch bei der Erteilung (nach positivem Asyl- bescheid) bzw. Verlängerung des Schutzstatus grundsätzlich (umgehend) ein elektronischer Aufenthaltstitel auszustellen oder bedarf es erst einer Bestätigung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge?
Herr Minister, vielen Dank. Sie haben in der Antwort auf die Frage 2 nach den Auswirkungen dieser Praxis gesagt, rechtlich gäbe es überhaupt keine Auswirkungen. Aber es sind ja andere Auswirkungen denkbar, beispielsweise dass ein Familienmitglied eben kein eigenes Dokument hat, wenn der Ausweisersatz, also dieses Papier mit dem Klebeetikett beim Haushaltsvorstand ist und beispielsweise das jugendliche Familienmitglied in der Stadt von der Polizei kontrolliert wird. Das kann dann schon Auswirkungen haben. Gibt es Möglichkeiten, sich gegen das Nichtausstellen des elektronischen Aufenthaltstitels zu wehren?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen hier im Haus, auch wenn es die Rechtspopulisten gern hätten, das Asylrecht ist ein Menschenrecht.
Da widerspreche ich auch nicht, Frau Präsidentin, ich unterstelle nur, dass in einer der demokratisch gewählten Fraktionen anti- oder undemokratische Personen sitzen.
Genau, so ist das.
Also, noch mal. Auch wenn es die Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten gern hätten, Asylrecht ist ein Menschenrecht. Und die Gewährung von Menschenrechten erfordert keine Gegenleistung für die Menschen, die den Rechtsanspruch auf Gewährung dieser Menschenrechte haben.
So viel zu dem Satz mit dem Aufenthaltsrecht und den Bedingungen, die der Abgeordnete Möller dafür definieren will.
Und auch gleich noch eine Vorbemerkung zu den sogenannten Vollzugsdefiziten: Wir wissen es alle, die Vollzugsdefizite bei Integration lagen in der Vergangenheit nahezu ausschließlich in der Ausgrenzung bestimmter Personengruppen von Integrationsangeboten und im Mangel an Integrationsangeboten wie Sprach- oder Integrationskursen, meine Damen und Herren.
Da wird mir wohl kaum jemand widersprechen.
„In der Schule könnte man sagen: Thema verfehlt, setzen. Für dieses Gesetz muss man konstatieren, dass es durch seine disziplinierende und pauschal mangelnden Integrationswillen unterstellende Ausrichtung gesellschaftlich desintegrierend wirkt, Vorbehalte und Vorurteile befördert und verfestigt. Exakt das Gegenteil von dem, was man vorgibt, erreichen zu wollen.“ Das ist ein Zitat, nämlich aus meinem Statement zum vom Bundestag am 7. Juli 2016 beschlossenen Integrationsgesetz. Und das kann man auch für den vorliegenden Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, überschrieben mit „Integrationsgesetz“ konstatieren. Ich charakterisiere es genau wie damals das Integrationsgesetzes des Bundes
als „ein ausschließendes, diskriminierendes Gesetz – bestehend aus Zwangsmaßnahmen und Sanktionsandrohungen – beschlossen […] mit ausgrenzenden Signalwirkung“ – auch ein Zitat aus meinem Statement von vor zweieinhalb Jahren.
Integration, meine Damen und Herren, braucht nicht Vorschriften und Verbote, sondern Integration braucht Angebote, meine Damen und Herren. Und der vorliegende Entwurf verdient meines Erachtens den Namen Integrationsgesetz nicht, meine Damen und Herren.
Ein Regelwerk, das Angebote für Integration in Thüringen formuliert, gibt es bereits, nämlich das Thüringer Integrationskonzept für ein gutes Miteinander. Am Integrationskonzept wurde häufig kritisiert, dass es nicht schnell genug vorgelegt wurde, nachdem im Sommer 2016 durch das Kabinett die Eckpunkte beschlossen worden waren. Das stimmt, es hat seine Zeit gedauert – über ein Jahr nämlich –, bis das Konzept präsentiert werden konnte. Das war aber einem umfassenden Beteiligungsprozess geschuldet, dessen Ergebnis sehr viel umfassender und konkreter ist als das, was uns die CDUFraktion heute hier vorlegt.