Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Heute vor 29 Jahren gegen halb elf Uhr abends öffnete sich am Grenzübergang Bornholmer Straße zwischen den Bezirken Wedding und Prenzlauer Berg der erste Schlagbaum im geteilten Deutschland. Menschen fielen sich vor Freude über dieses unfassbare Glück in die Arme, sie tanzten auf der Berliner Mauer und feierten den freien Grenzübertritt. Es war der vorläufige Höhepunkt der Friedlichen Revolution, die von mutigen Bürgerinnen und Bürgern in ihrem unbändigen Drang nach Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße getragen wurde.
Fast über Nacht stürzten die Menschen den SEDStaat und brachen auf in eine neue Zukunft. In dieser Zeit des umfassenden Neuanfangs für unser Land wurde Altes abgerissen und Neues aufgebaut. Das bedeutete viele Chancen, aber auch Risiken. Einige Fragen blieben in dieser Zeit der rasanten Wiedervereinigung unbeantwortet. Über die Zukunft von sicher geglaubten Karrierechancen und Lebensentwürfen brach zuerst eine große Ungewissheit und später die Realität ein. Heute steht unser Land trotz dieser Startschwierigkeiten im ostdeutschen Vergleich sehr gut da. Im Beschäftigungsgrad, Verkehrsausbau, im Kulturangebot wie auch im Bildungsniveau hat Thüringen schnell aufgeholt – dank der vielen fleißigen Bürgerinnen und Bürger, die mit Entschlossenheit dieses Land aufgebaut haben.
Wir können heute ohne jeden Zweifel sagen, dass der Aufbruch in eine von Frieden und Freiheit geprägte Zukunft gelungen ist, Widerspruch und Kritik wird nicht wie einst unterdrückt, sondern öffentlich ausdiskutiert in einer freien Presse wie auch hier im freien Parlament. Hier äußert sich der Wille des Souveräns, hier sitzen wir Abgeordneten in Verantwortung vor den Bürgerinnen und Bürgern und in Verantwortung vor jenen, die im Herbst 1989 für die Demokratie auf die Straße gegangen sind, die diesen Namen auch verdient.
In Anerkennung und Respekt gedenken wir der Opfer, die für ihren Freiheitsdrang mit dem Leben bezahlen mussten. Gleichsam sind wir all jenen zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet, die mit ihrem Mut und ihrer Durchsetzungskraft diesen Tag möglich gemacht haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die
ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne, die Zuschauer am Livestream und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Herr Abgeordneter Gruhner Platz genommen, die Redeliste führt Herr Abgeordneter Schaft.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Gentele, Herr Abgeordneter Hey zeitweise, Herr Abgeordneter Höcke zeitweise, Herr Minister Lauinger und Herr Minister Maier.
Zu Tagesordnungspunkt 4 wurde ein Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe in Drucksache 6/ 6409 verteilt.
Thüringer Gesetz über das Nationale Naturmonument „Grünes Band Thüringen“ (Thürin- ger Grüne-Band-Gesetz – ThürGBG –) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4464 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz - Drucksache 6/6357
dazu: Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6388
Ich möchte Ihnen noch mitteilen, dass die Schutzgebietskarte und die Flurstücksliste zur Einsicht hier hinten an dem Tisch ausliegen.
Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Becker aus dem Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz zur Berichterstattung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher! Durch Beschluss des Thüringer Landtags in seiner 95. Sitzung am 28. September 2017 wurde der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz federführend sowie an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten überwiesen. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz hat den Gesetzentwurf in seiner 33. Sitzung am 25. Oktober 2017, in seiner 34. Sitzung am 2. November 2017, in seiner 36. Sitzung am 6. Dezember 2017, in seiner 37. Sitzung am 17. Januar 2018, in seiner 38. Sitzung am 14. Februar 2018, in seiner 39. Sitzung am 14. März 2018, in seiner 40. Sitzung am 22. März 2018, in seiner 41. Sitzung am 18. April 2018, in seiner 42. Sitzung am 27. April 2018, in seiner 44. Sitzung am 13. Juni 2018, in seiner 46. Sitzung am 22. August 2018, in seiner 47. Sitzung am 28. August 2018, in seiner 48. Sitzung am 30. August 2018, in seiner 49. Sitzung am 19. Oktober 2018, in seiner 50. Sitzung am 17. Oktober 2018 und in seiner 51. Sitzung am 24. Oktober 2018 beraten und zwei mündliche Anhörungsverfahren in öffentlicher Sitzung zu dem Gesetzentwurf in seiner 36. Sitzung, also am 6. Dezember 2017, und in seiner 44. Sitzung am 13. Juni 2018 durchgeführt.
Der Thüringer Landtag hat sich also alles in allem in 18 Ausschusssitzungen und in zwei Plenarsitzungen mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Zudem hat der federführende Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz zwei schriftliche Anhörungsverfahren sowie ein ergänzendes schriftliches Anhörungsverfahren zu dem Änderungsantrag in Vorlage 6/ 4526 – Neufassung – durchgeführt. Der Gesetzentwurf war Gegenstand einer Online-Diskussion gemäß § 96 Abs. 2 der Geschäftsordnung. Die Zuschriften im Anhörungsverfahren wurden an die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz sowie an die Fraktionen und die Landesregierung zur inhaltlichen Auseinandersetzung verteilt.
Die Protokolle aller 18 Ausschusssitzungen liegen den Mitgliedern des Landtags vor. Diese und sämtliche weitere Beratungsunterlagen wurden auch im AIS für alle Abgeordneten bereitgestellt. Diesbezüglich verweise ich auf die Vorlage 6/4837 und deren Ergänzung in Vorlage 6/4847.
Der mitberatende Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten hat den Gesetzentwurf in seiner 55. Sitzung am 18. Oktober 2018 und in seiner 56. Sitzung am 30. Oktober 2018 beraten. Er hat empfohlen, den Gesetzentwurf in Drucksache 6/4464 mit dem vom federführenden Ausschuss für Umwelt und Naturschutz in Vorlage 6/ 4784 in korrigierter Fassung empfohlenen Änderungsantrag anzunehmen.
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz empfiehlt, den Gesetzentwurf mit zahlreichen und wesentlichen Änderungen anzunehmen. Die diesbezügliche Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/6357 hat einen Umfang von 65 Seiten, wobei allein die Liste der zum Geltungsbereich gehörenden Flurstücke gemäß § 2 Abs. 3 des Gesetzentwurfs 54 Seiten in Anspruch nimmt.
Zur Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses gibt es zudem heute noch zwei Änderungsanträge, den Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen in Drucksache 6/6388 und den Änderungsantrag in Drucksache 6/6372. Letzterer empfiehlt eine Evaluation des Gesetzes nach circa fünf Jahren. Über beide Anträge muss heute noch im Plenum beraten und entschieden werden. Der Änderungsantrag von Rot-Rot-Grün beinhaltet die Klarstellung, dass die zuständigen staatlichen Behörden, das heißt die Grundbuchämter sowie die Kataster- und Liegenschaftsämter, bei der Ermittlung der Betroffenheit von Gesetzes wegen mitzuwirken haben, zweitens die Verpflichtung, dass das für Naturschutz zuständige Ministerium die Karte, die die zum Geltungsbereich gehörenden Grundstücke umfasst, im Internet öffentlich zugänglich macht, und drittens die notwendige Ergänzung in § 8 Abs. 2, der Ausnahmen von den Verboten regelt – mit der Ergänzung wird klargestellt, dass nicht nur bergrechtliche Zulassungen gemeint sind, sondern auch bergrechtliche Berechtigungen.
Allein an der Dauer meiner Berichterstattung können Sie erahnen, dass es sich der Thüringer Landtag, allen voran die Mitglieder des federführenden Ausschusses, nicht leicht mit diesem Gesetzentwurf gemacht hat.
Die Zahl – ich hoffe, dass ich mich nicht verzählt habe – von 129 Zuschriften im Rahmen der verschiedenen Anhörungen verdeutlicht dies ebenso eindrucksvoll wie die Zahl von 32 gewichtigen Beratungsunterlagen wie erfüllten Berichtsersuchen. Wir haben, und zwar alle gemeinsam, in vorbildlicher Art und Weise beraten, angehört und letztlich auch entschieden. Es sei mir an dieser Stelle auch gestattet, dass ich den fraktionslosen Abgeordneten Jens Krumpe namentlich erwähne, der uns mit seinen Hinweisen und Nachfragen und seinem Wissen in puncto Digitalisierung/Vermessung/Liegenschaften sehr bei den Beratungen geholfen hat, uns manchmal auch aufgehalten hat.
Von Beginn an, das heißt mit Übermittlung des Gesetzentwurfs an den Thüringer Landtag, haben uns Fragen rund um die Art und Weise der Veröffentlichung der vom Gesetzentwurf betroffenen Grund
stücke beschäftigt. Einige von Ihnen erinnern sich bestimmt an den riesigen Ordner in einem speziellen, recht großen Format mit farbig ausgedruckten Kartenabschnitten in insgesamt 854 Seiten, der allen Abgeordneten zu Beginn des Verfahrens zugestellt wurde; er liegt ja auch da hinten aus. Dabei handelt es sich um Schutzgebietskarten für das Nationale Naturmonument „Grünes Band“. Letztlich hat uns diese Frage in unzähligen Variationen von Beginn an bis zur Einreichung des Änderungsantrags von Rot-Rot-Grün in Drucksache 6/6388 vorgestern beschäftigt. Auch die Frage, ob der Gesetzentwurf verfassungsmäßig oder verhältnismäßig ist und den Voraussetzungen des Bundesnaturschutzes hinsichtlich seiner Umsetzung richtig entspricht, hat uns wesentlich beschäftigt. Alle diese Fragen wurden letztendlich mit Ja beantwortet. Dabei hat uns die Landtagsverwaltung sehr unterstützt, wofür ich mich im Namen aller Beteiligten und auch der vom Gesetzentwurf Betroffenen herzlich bedanke. Ich freue mich auf eine gute Beratung.
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung ihres Entschließungsantrags? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Beratung. Das Wort hat Abgeordnete Tasch aus der Fraktion der CDU.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte beginnen mit einem Zitat des Forstsekretärs Johann Karl Ludwig Schulze aus dem Jahre 1848: „Mächtig wie keiner ist der Zeitgeist. Nach ihm soll alles sich bequemen was auf der Erde hauset und seine breiten, gewaltigen Schwingen dehnen über das ganze Naturreich, über Menschen, Tiere und Pflanzen und leblose Dinge sich aus.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Zeitgeist ist neuerdings grün und will sich Denkmäler setzen und um nichts anderes handelt es sich hier bei Ihrem Gesetzentwurf.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der deutschen Einheit wollen wir ein Denkmal setzen!)
Meiner Meinung nach hat dieses mit verantwortungsvoller Naturschutzarbeit nichts zu tun und entspricht Ihren Idealvorstellungen von Naturschutz, die Sie als Stadtgrüne, die weltfremde und romantische Vorstellung vom Leben auf dem Lande haben,
(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Das meinen Sie doch nicht so!)
Das Gesetz führt zu einer grünen Mauer zwischen Thüringen und den Nachbarländern und für seine Anwohner, die zwar nicht mehr so offensichtlich wie der ehemalige Grenzzaun mit Todesstreifen ist, aber es wird hier nach 30 Jahren eine neue Trennlinie aufgebaut. Wenn ich Ihren Zwischenruf höre, lieber Herr Adams: Dass gerade die Wichtigkeit des 9. November, des Tags der Grenzöffnung, hier genutzt wird und Sie mit dem Gesetz wieder Trennlinien, grüne Trennlinien, schaffen, dann haben Sie einiges nicht verstanden, was der Todesstreifen und die innerdeutsche Grenze für die Menschen bedeutet haben.
An dieser Stelle denke ich heute auch an die Zwangsausgesiedelten und die, die im ehemaligen Sperrgebiet damit leben mussten.