Protokoll der Sitzung vom 24.01.2018

Wie viele Kommunen gibt es denn unter 10.000? Es ist heute schon gesagt worden. Die Wiederholung tut trotzdem gut: 80 Prozent von 849 – nur 33 Orte sind größer als 10.000 Einwohner. Das Argument, größere Einheiten sind effizienter, effektiver, scheitert schon beim Blick auf die Landeshauptstadt. Trotz höchsten Veredelungsfaktoren für Umlandaufgaben, überzentral örtliche Aufgaben, Kulturaufgaben und anderes mehr bekommen die Erfurter kaum einen Haushalt aufgestellt. Ist groß aber auch gleich wirtschaftlicher? Ich glaube nicht. Man könnte noch viele Beispiele einer schlechten Finanzausstattung benennen.

Eines ist noch hervorzuheben: Ihnen ist sicher aufgefallen, dass es eine Reihe von Gutachten gibt, die verschiedene Aspekte belegen. Beim Soziallastenausgleich steht nur ein Satz im Gesetz – Änderung zum Korridor. Die obere Grenze wird von 105 auf 110 Prozent erhöht. Das ist eine klare Benachteiligung des ländlichen Raums. Die Summe im Topf bleibt die gleiche, 220 Millionen Euro, und wie

der einmal anders aufgeteilt sind die größten Profiteure die kreisfreien Städte wie Erfurt und Jena.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die haben auch die größten Sozialausgaben!)

Aus dem KFA werden weitere 7,6 Millionen Euro für die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung, für die neu zu bildenden Gewässerverbände herausgelöst. Diese gehen in das Umweltministerium und werden über besondere Zuweisungen zweckgebunden an die Kommunen verteilt. Wieder entfällt ein Stück kommunaler Selbstverwaltung. Auch hier verweise ich auf unseren Änderungsantrag in Drucksache 6/4981.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass der vorgelegte KFA keine angemessene Finanzausstattung darstellt,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Falsch!)

mit dem die Kommunen im Freistaat ihre Aufgaben im eigenen Wirkungskreis erfüllen können. Gerade der ländliche Raum wird gegenüber den großen Städten deutlich schlechtergestellt.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Auch falsch!)

Da helfen Ihnen auch keine Bekundungen auf Parteitagen. Im Ergebnis des Landeshaushaltsplans ist der ländliche Raum tatsächlich und perspektivisch abgehängt. Das hat unser Land nicht verdient, aber vielleicht wollen Sie so die missglückte Gebietsreform nachholen. Danke schön.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Kalich, Fraktion Die Linke, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als Erstes mal zur Rede von Frau Holbe: Ich muss Sie schon mal darauf hinweisen, dass Sie hier Äpfel mit Birnen vergleichen. In Brandenburg und SachsenAnhalt sind die Mittel des SGB II und des SGB XII im KFA vorhanden. Das sind 200 Millionen Euro mehr. Wenn wir die in Thüringen einrechnen, sind wir auf Platz 2. So einfach kann man sich das in der Kritik nicht machen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe mich ja im September 2017 ausführlich bei der Einbringung des KFA hier von dieser Stelle gemeldet. Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, welcher ein Volumen von 1,96 Milliarden Euro umfasst, zusätzlich 60 Millionen im Vergleich zum Vorjahr. Noch

mals ein Vergleich zum Jahr 2014 – Sie hören das ja immer nicht ganz gerne bei der CDU –, im letzten Jahr Ihrer geführten Koalition: Hier betrug das Volumen der Finanzausgleichsmasse insgesamt 1,85 Milliarden Euro.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Falsch, Junge!)

Hinzu kommen im Übrigen die in Anlage 3 des Gesetzentwurfs ausgewiesenen fast 1,2 Milliarden Euro Zuweisungen an die Kommunen außerhalb des KFA,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ge- nau, das ist die Wahrheit!)

was nach Beschluss des Haushalts auf der Grundlage der Änderungsanträge nochmals erhöht wird. Dort sind übrigens auch die 97 Millionen Euro eingestellt, die die Landkreise für Unterkunft, Krankenversicherung und Betreuung von Flüchtlingen brauchen und eingefordert haben.

Der 2015 ermittelte Bedarf unter Berücksichtigung der Einnahmen wurde durch Berücksichtigung der Kostenentwicklungen fortgeschrieben. Neue Bedarfe wurden ebenfalls berücksichtigt. Der Mindestbedarf wurde durch Gutachten auf rund 1,75 Milliarden Euro bestimmt. Festgesetzt wurden, wie bereits erwähnt, durch die Landesregierung 1,96 Milliarden Euro.

Aufgrund zahlreicher Hinweise und Forderungen der Kommunen hat die Landesregierung mit ihrem Entwurf Veränderungen in der Verteilung der Finanzausgleichsmasse vorgenommen, um so besondere Bedarfe einzelner Kommunen besser zu berücksichtigen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Langsa- mer vorlesen, damit Sie es auch verstehen!)

Diese Veränderungen wie die stärkere Gewichtung der Kreisaufgaben bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen und die Erhöhung der Einwohnerpauschale bei den Finanzzuweisungen im Rahmen des Mehrbelastungsausgleichs von 89 auf 95 Euro haben zwangsläufig eine Umverteilungswirkung. So erhalten unter anderem die Landkreise mehr Schlüsselzuweisungen. Diese Umverteilung ergibt sich aus den unterschiedlichen Belastungen im Rahmen der Aufgabenwahrung.

Welche Änderungen sind durch die Anträge der rotrot-grünen Koalition vorgesehen? Mit der Einführung des § 7a wird der Ausgleich des Verlustes von Gemeinden in den unteren Größenklassen durch die Anpassung der Hauptansatzstaffel bereitgestellt. Berücksichtigt werden Verluste bei den individuellen Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben gegenüber einer Forderung der bis zum Jahr 2017 geltenden Hauptansatzstaffel nach § 9 Abs. 1 Thüringer Finanzausgleichsgesetz. Die an die Kommunen auszuzahlende Finanzausgleichs

(Abg. Holbe)

masse wird sich somit den rot-rot-grünen Änderungsanträgen zufolge im Jahr 2018 um insgesamt 29,4 Millionen Euro und im Jahr 2019 um insgesamt 37,95 Millionen Euro steigern. In den Steigerungen enthalten sind die zusätzlichen Mittel zur Finanzierung des neuen Unterhaltsvorschussgesetzes, die bereits benannten finanziellen Abfederungen der vorgesehenen Änderungen bei der Verteilung der gemeindlichen Schlüsselzuweisungen, mehr Geld für den Kulturlastenausgleich sowie eine Erhöhung der kindbezogenen Landeszuschüsse für die Kindertagesbetreuung.

Zahlreiche weitere Änderungsanträge dienen dem Ziel, in den Thüringer Kommunen zusätzliche Investitionen zu ermöglichen. Insgesamt fließen 1,7 Milliarden Euro in Schulgebäude, Sportanlagen, Orchester, Schienen und Straßen. Im Vergleich: 2014 waren es 1,1 Milliarden Euro. So wird das rotrot-grüne Schulbauprogramm insgesamt um weitere 10 Millionen Euro erhöht.

Nun ein Satz zu den KFA-Anträgen der CDU: Sie sind ein weiterer Beleg dafür – und Frau Holbe hat es ja hier auch gesagt –, dass die CDU für Stillstand auch im Bereich der Entwicklung der kommunalen Landschaft im Freistaat steht.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dass Rot-Rot-Grün zuhört und handelt, zeigt sich auch bei der Einbringung des Antrags für ein kommunales Investitionsprogramm. Im Zuge der Beratungen hat die rot-rot-grüne Koalition mit Blick auf erhebliche Steuermehreinnahmen ein solches Programm in Höhe von insgesamt 200 Millionen Euro in den Jahren 2018 und 2019 auf den Weg gebracht. Hinzu kommen 40 Millionen Euro für zusätzliche Investitionen in Krankenhäuser, Abwasseranlagen und gesundes Schulessen. Das ist ein weiterer Schritt, um den riesigen Berg abzubauen, den uns die CDU an Investitionsstau im Bereich der kommunalen Infrastruktur hinterlassen hat. Das ist gut und nachhaltig angelegtes Geld. Ich bin den kommunalen Spitzenverbänden für ihre konstruktive, kritische Begleitung dieses Vorhabens auch angesichts der sehr eng gestrickten Fristen außerordentlich dankbar und sehe es auch als Signal dafür, dass wir bei weiteren geplanten Reformvorhaben in diesem Land eine solche neue Form des Dialogs weiter pflegen werden.

Abschließend bleibt festzustellen: Rot-Rot-Grün hält Wort. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Koalition anstrebt, die finanzielle Situation der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Das geschieht mit diesem Haushalt und dem neuen Kommunalen Finanzausgleich für 2018 und 2019 ein weiteres Mal. Im Vertrag ist zudem enthalten, dass gleichzeitig strukturell belasteten Kommunen eine nachhaltige Zukunftsperspektive geboten werden soll. Das Leitbild der Landesregierung, der Be

schluss des Landtags zu Eckpunkten des Leitbildes und zu Leitlinien für die Neugliederung der Gemeinden in Thüringen und die jetzt im Haushalt enthaltenen finanziellen Mittel bilden eine solide Grundlage für die kommunale Familie, um weitere Schritte zur Schaffung leistungsfähiger kommunaler Strukturen in unserem Land zu gehen. Ich ermuntere alle, die sich auf den Weg gemacht haben, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen.

Noch mal ein Wort zu Herrn Kowalleck: Die Schuldentilgung, die Sie hier genannt haben, beträgt nicht 59 Millionen Euro, sondern 113 Millionen Euro, wie man unseren Änderungsanträgen entnehmen kann. Ich danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Scheerschmidt das Wort.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist aber nicht unparteiisch, was Sie gerade ma- chen!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Mohring, ich würde das auch mal in Ihre Fraktion übermitteln.

Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Arro- gante Überheblichkeit!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Gäste – die letzten haben wir gerade vergrault …

(Heiterkeit CDU)

Die Zuweisungen des Landes an die Kommunen sind seit jeher umstritten. Das erleben wir auch heute wieder. Das gilt nicht nur für Thüringen, auch außerhalb unserer Landesgrenzen wird da mit sehr harten Bandagen um Geld für Kommunen gekämpft. Ich habe allerdings in Thüringen bei der Diskussion um den KFA immer mehr den Eindruck, es geht nicht mehr um Fakten, sondern viel mehr ums Prinzip. Der frühere Kommunale Finanzausgleich folgte einer Anfang der 90er-Jahre ausverhandelten und dann ab und an wieder modifizierten Verbundquote. Diese Verbundquote wurde 2005 – Frau Holbe erwähnte es schon – vom Thüringer Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. 2008 wurde von der damaligen Regierung Althaus der erste Versuch unternommen, einen bedarfsorientierten Kommunalen Finanzausgleich zu gestalten. Das Ergebnis war nicht unbedingt zufriedenstellend, weshalb die schwarz-rote Koalition mit dem damaligen CDU-Finanzminister Voß für die Zeit ab 2013 neue Regelungen für den Kommuna

(Abg. Kalich)

len Finanzausgleich auf den Weg gebracht hat, die bis heute weitgehend auch fortgelten.

Ich bin auch davon überzeugt, dass das kein schlechter Finanzausgleich ist.

(Beifall SPD)

Er wird immer schlechtgeredet, aber so schlecht ist er gar nicht.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Fragen Sie mal den Vorredner!)

Vor allem eines ist wichtig, Herr Mohring! Wurden bis einschließlich 2012 alle eigenen Steuereinnahmen sofort auf den kommunalen Finanzbedarf angerechnet, passiert das heute nicht mehr. Das ist angesichts der dynamisch steigenden kommunalen Steuereinnahmen – und das ist so – ein immens wichtiger Punkt, der in den zurückliegenden Jahren zusätzlich dazu beigetragen hat, dass sich die Finanzausstattung der Thüringer Gemeinden deutlich verbessert hat und auch weiter verbessern wird. Leider – das ist nun mal so und das liegt in der Natur der Sache – werden die eigenen kommunalen Steuereinnahmen bei der Betrachtung der kommunalen Finanzausstattung von den kommunalen Spitzenverbänden, von vielen Kommunalvertretern und auch leider von den Damen und Herren der Opposition immer gern ausgeblendet. 2014 haben die Thüringer Kommunen 1,357 Milliarden Euro an eigenen Steuereinnahmen gehabt. 2019 sollen es nach aktuellen Prognosen sogar 416 Millionen Euro mehr sein. Und trotz der guten Steuerprognosen für die Kommunen sollen die Finanzausgleichsleistungen im Jahr 2019 auf 1,994 Milliarden Euro steigen. Das sind immerhin 154 Millionen Euro mehr als unter Finanzminister Voß im Jahr 2014.

(Beifall DIE LINKE, SPD)