Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Ich danke ausdrücklich der Fraktion Die Linke für diese Aktuelle Stunde, denn öffentlicher Nahverkehr ist für uns Grüne eine Herzensangelegenheit. Es ist ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge. Ohne Mobilität geht es nicht. Und Mobilität ohne eigenes Fahrzeug geht nur mit ÖPNV. Damit dieser auch für möglichst viele nutzbar ist, brauchen wir eine durchgängige Verfügbarkeit, Barrierefreiheit und verständlich gestaltete soziale Preise. Dafür haben wir bereits viel getan. Mit der Einführung der Förderung von landesbedeutsamen Buslinien haben wir erreicht, dass kreisüberschreitende Buslinien in hoher Qualität gesichert und neu geschaffen wurden.
Nun gilt es, dieses Netz enger zu knüpfen. Die Zugangsbedingungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Mit der schrittweisen Einführung des Zwei-Sinne-Prinzips, also der akustischen und visuellen Ausgabe von Informationen, haben alle die Möglichkeit, sich besser zu orientieren. Mit der Gründung des Verkehrsverbundes Mittelthüringen und dessen Erweiterung konnten wir einen ersten Schritt aus der Kleinstaaterei machen.
Heute kann man mit einem Ticket in Gera mit der Straßenbahn zum Bahnhof fahren, mit dem Zug nach Gotha und dann mit dem Bus weiter.
Doch das reicht nicht. Denn gleichzeitig braucht man immer noch drei Tickets, wenn man mit dem Bus von Ilmenau zum Skifahren nach Gehlberg fahren will – nur mit dem Bus. Ohne eine verlässliche flächendeckende Zusammenarbeit aller Verkehrsunternehmen in Thüringen werden wir die Erwartungen der Menschen an ein modernes öffentliches Mobilitätsangebot nicht erfüllen können. Wir werden deshalb weiter daran arbeiten, dass die knappen Mittel im öffentlichen Nahverkehr für die Menschen effizient ausgegeben werden. Die Bereitschaft zu konstruktiven Gesprächen bei allen Verantwortlichen, insbesondere in den Landkreisen, fordere ich hiermit ausdrücklich ein. Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Für die Kollegen Abgeordneten liegt keine weitere Wortmeldung vor, sodass ich Frau Ministerin Keller das Wort für die Landesregierung gebe.
Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr selbst motiviert darf ich hier in der Aktuellen Stunde zu diesem Thema
als die zuständige Ministerin das Wort ergreifen. Ich bedanke mich sehr dafür, denn der Ausbau des öffentlichen Personen- und des Schienenverkehrs ist die Basis einer sozial verantwortlichen und umweltverträglichen Verkehrswende. Unsere Aufgabe als Landesregierung ist es, den ÖPNV – den öffentlichen Personennahverkehr – als echte Alternative zum Auto stärker zu positionieren. Darin besteht weitgehende Einigkeit. Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag klar dazu bekannt, dem ÖPNV Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr zu geben und ihn entsprechend zu fördern. Ein besonderes Augenmerk legen wir dabei auf den Ausbau und die weitere Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs gerade im ländlichen Raum. Denn der ÖPNV trägt dazu bei, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen zu sichern. Damit wir unser Ziel erreichen können, ist es notwendig, den ÖPNV finanziell ausreichend auszustatten, durch gute Angebote das Image von Bus und Bahn weiter zu verbessern sowie die berechtigten Bedürfnisse aller Akteure abzuwägen.
Sehr geehrte Damen und Herren, hier kann ich berechtigterweise sagen, dass die Landesregierung in der aktuellen Legislaturperiode viel erreicht hat. Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen. Einen wichtigen Impuls für die Entwicklung im öffentlichen Personenverkehr hat das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit VDE Nr. 8“ gegeben. Die Landesregierung hat ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme dafür gesorgt, dass alle Thüringer Regionen besser erreichbar werden, indem das Nahverkehrsangebot ab Dezember 2017 weiter verbessert wurde. Damit wir den Schienenpersonennahverkehr attraktiver gestalten konnten, haben wir das bestehende Fahrplangefüge optimiert. Eine besonders wichtige Rolle hat auch die weitere Abstimmung und Verknüpfung der Verkehre gespielt. Die öffentliche Verkehrsinfrastruktur ist in Thüringen gut ausgebaut. In allen Regionen profitieren die Bewohner davon. Vorhandenes gilt es zu erhalten, aber auch zu verbessern und zu ergänzen.
Von besonderer strategischer Bedeutung für Thüringen ist der Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung, insbesondere natürlich ihre Elektrifizierung. Die Landesregierung hat auch Dank des persönlichen Einsatzes des Ministerpräsidenten erreicht, dass das Bundesverkehrsministerium im Frühjahr 2017 die Elektrifizierung der MDV von Weimar bis Gößnitz in den vordringlichen Bedarf
eingestuft hat. Mit dieser Entscheidung ist die Finanzierung der Elektrifizierung bis zum Jahr 2030 gesichert.
Damit können nunmehr die Planungen, wie mir das gestern Abend noch einmal bestätigt wurde, ohne weiteren Verzug aufgenommen werden. Unsere Bemühungen um diese wichtige Schienenverbindung haben Früchte getragen. Damit stärken wir nicht nur den Schienenpersonenverkehr, sondern eben auch eine ganze Region.
Für die Lebensqualität im ländlichen Raum – davon war hier die Rede – ist es enorm wichtig, dass die Gemeinden mit dem ÖPNV möglichst gut miteinander vernetzt sind und eine gute Anbindung an den Schienenverkehr haben. Deshalb ist einer unserer Schwerpunkte für den regionalen Straßenpersonennahverkehr die Förderung des landesbedeutsamen Busnetzes. Seit 2017 stellen wir für die Finanzierung des landesbedeutsamen Busnetzes zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung. Damit hat die Landesregierung erreicht, dass Buslinien mit einem angebotsorientierten Taktfahrplan ausgestattet wurden und eine Verknüpfung mit der Bahn hergestellt wurde. Auch 2018 werden wir diese Entwicklung weiter vorantreiben.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung möchte den bestehenden Verkehrsverbund Mittelthüringen zu einem thüringenweit einheitlichen Tarifverbund erweitern.
Das wird den ÖPNV attraktiver und bürgerfreundlicher machen. Sehr geehrte Frau Kollegin Abgeordnete Pfefferlein, genau das ist die Krux. Genau das ist der Grund, warum wir das durchführen müssen. Sie haben dafür plakative Beispiele angeführt. Derartige Beispiele finden wir im gesamten Land Thüringen vor.
Seit geraumer Zeit führen wir Gespräche mit den Beitrittskandidaten sowie den Landräten und Oberbürgermeistern in ganz Thüringen. Die Finanzierungsvoraussetzungen liegen mit dem Beschluss zum Doppelhaushalt vor. Die Chancen stehen gut, dass spätestens ab Ende 2019 der Aufgabenträger Zweckverband ÖPNV Saale-Orla und das Verkehrsunternehmen „KomBus“ dem VMT beitreten und wir dem Ziel eines landesweiten Tarifverbunds ein Stück näher kommen. Sehr geehrter Abgeordneter Malsch, das ist der Weg, den wir sehen, der für uns auch gangbar ist. Kein Diktat, keine Zentralisierung in Erfurt werden uns ermöglichen, den Verkehrsverbund oder den einheitlichen Tarifverbund durchzuführen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich viele Anträge in den Stadträten und Kreistagen sehen würde, die dazu führen, diesen einheitlichen Tarifverbund herzustellen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Erfolg des ÖPNV misst sich natürlich nicht nur an seiner Reichweite, sondern auch an seiner Erreichbarkeit für möglichst viele Menschen. Ein barrierefreier ÖPNV ist deshalb ein sehr wichtiges verkehrspolitisches Ziel der Landesregierung. Barrierefreiheit erhöht die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs und bewegt mehr Menschen dazu, die Bahn oder den Bus zu nutzen. Wir unterstützen daher die kommunalen Aufgabenträger und die Kommunen bei Investitionen in den barrierefreien Ausbau.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch auf das Azubi-Ticket eingehen – ein Thema, das uns sehr wichtig ist und in das wir – auch wenn es in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen wird – von Anfang an viel Arbeit und Engagement gesteckt haben. Aufgrund der vielfältigen Thüringer Tariflandschaft im ÖPNV ist ein Azubi-Ticket in Form eines verkehrsträgerübergreifenden Fahrscheins kurzfristig nicht umsetzbar. Ich habe das an der Stelle schon mehrfach erklärt. Die Kritik, die wir dafür geerntet haben, ist meines Erachtens nicht berechtigt.
Denn wir haben alle möglichen Optionen geprüft und prüfen derzeit alternative Übergangsmodelle mit dem Ziel, den Auszubildenden ein kostengünstigeres Angebot für den Weg vom Wohnort zur Berufsschule und zum Arbeitsort anzubieten. Das Solidarmodell, wie es beim sogenannten Semesterticket für Studierende bekannt ist und vielerorts für Azubis gefordert wird, kann aus rechtlichen Gründen leider nicht realisiert werden. Dazu fehlen die Voraussetzungen. Derzeit verhandeln wir mit den Unternehmen des Eisenbahnverkehrs über neue Angebote für Azubis mit möglichst thüringenweiter Nutzung des Schienenpersonennahverkehrs. Bis Ende März werden uns konkrete Angebote dazu vorgelegt. Mit Nachdruck prüfen wir auch andere Modelle, die es ermöglichen, zusätzlich zu den bereits bestehenden Fördermöglichkeiten aus dem Bildungs- und Arbeitsmarktbereich Berufsschüler bei den Fahrkosten zu unterstützen, die auf ihrem Weg zur Berufsschule mit Bus und Bahn entstehen. Hier werden wir weiter mit Kammern und Wirtschaftsverbänden im Gespräch bleiben, denn wir sehen auch die Wirtschaft in der Pflicht, für gute Ausbildungsbedingungen zu sorgen.
Ich glaube, wir haben sehr klug im Koalitionsvertrag überlegt, wie wir das Azubi-Ticket positionieren. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir das formulieren. Es ging im Koalitionsvertrag darum, ein kos
tengünstiges Azubi-Ticket anzustreben, wohl wissend, dass es nicht so leicht über eventuelle GEZGebühren – was immer das bedeutet – einzuführen sein wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, für die Landesregierung haben Bus und Bahn Vorfahrt vor dem motorisierten Individualverkehr. Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr aus sozialen, aus umweltpolitischen und wirtschaftlichen Gründen noch attraktiver gestalten und stetig verbessern. Der Doppelhaushalt 2018/2019 spiegelt unsere politischen Ziele wider. Wir haben dafür gesorgt, dass unser Weg mit den erforderlichen Finanzierungsmitteln abgesichert ist. Mein Ziel, wieder originäre Landesmittel für den ÖPNV bereitzustellen, ist erreicht. Im Haushaltsplan ist diese zusätzliche Finanzierung in Höhe von 16,1 Millionen Euro vorgesehen.
Zudem hat die Landesregierung dafür gesorgt, dass die Finanzhilfe an die kommunalen Aufgabenträger erhöht und bei 23 Millionen Euro pro Jahr verstetigt wird. Gestatten Sie mir das: Das war in der vergangenen Legislaturperiode nicht der Fall. Ich bin dennoch dankbar, dass wir hier inzwischen einstimmig im Parlament der Auffassung sind, dass die Einführung des Azubi-Tickets und einheitlicher Tarife wahrscheinlich nur über die Erweiterung des mitteldeutschen Verkehrsverbundes möglich sind und wir hier breite Unterstützung erhalten. Im Haushaltsplan 2018/2019 stehen für 2018 erheblich mehr Mittel für die Finanzierung des Thüringer ÖPNV bereit als im Jahr 2017. Für 2019 ist eine weitere Steigerung geplant. Sie sehen also, die Landesregierung arbeitet nicht nur kontinuierlich, sondern auch erfolgreich.
Wir haben die nötigen Grundlagen geschaffen, um den öffentlichen Nahverkehr in Thüringen auch langfristig gut aufzustellen. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam hier bis zum Ende der Legislaturperiode weitere gute Ergebnisse bei der Gestaltung eines guten öffentlichen Verkehrs erzielen, der dann weit über das Jahr 2019 für die Menschen in Thüringen gut sein wird. Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den nächsten Teil
c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Entkriminalisierung von Cannabis und Auswirkung auf Thüringen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5329
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde „Entkriminalisierung von Cannabis und Auswirkung auf Thüringen“ beschäftigt uns Grüne und viele Menschen in diesem Land schon sehr lange. Im Februar dieses Jahres hat sich aktiv der Bund der Kriminalbeamten dazu geäußert und wiederholt Aspekte in die Debatte eingebracht, die wir als Grüne sehr überzeugend finden. Außerdem gibt es zu diesem Thema derzeit auch eine Debatte im Bundestag. Gleich drei Bundestagsfraktionen, wir Grüne, die FDP und Die Linke, wollen den Cannabis-Konsum entkriminalisieren. Natürlich gibt es da noch inhaltliche Unterschiede in der Ausrichtung. Dabei ist das weitgehendste Konzept von Bündnis 90/Die Grünen. Wir haben einen umfassenden Gesetzentwurf zur kontrollierten Cannabisfreigabe vorgelegt. Auf die Entscheidung des Bundestags sind wir gespannt.
Der Bund der Kriminalbeamten fordert eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Einer der Gründe sind aus seiner Sicht die Ressourcen, die im Bereich Polizei und Justiz entstehen, welche gezielt für wichtige gesellschaftliche Dinge eingesetzt werden können/sollen. Ein weiterer Grund ist außerdem, dass das Verbot von Cannabis keine Wirkung zeigt.
jeder Jugendliche auch in Thüringen kann ziemlich einfach einen Joint erwerben. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, durch die Entkriminalisierung steigt die Zahl der Konsumentinnen von Cannabis so gut wie gar nicht. Es steigen auch nicht mehr Menschen auf harte Drogen um. Vom Verbot profitiert nur eine Gruppe: die illegalen Dealer.