Protokoll der Sitzung vom 21.02.2018

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Ministerin Keller)

Die Menschen, gerade junge Menschen, nutzen Cannabis trotzdem als Genussmittel. Die Strafverfolgung zeigt also in dem Fall keine Wirkung. Sie verhindert vielmehr eine aktive und offene Debatte über eine Droge, die, wenn sie verstärkt eingenommen wird, durchaus schädliche Wirkungen hervorrufen kann. Aber das tun auch andere, auch legale Drogen wie Alkohol und Nikotin.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen auch, dass Cannabis eine Einstiegsdroge sein und gerade bei jungen Menschen das Gedächtnis schädigen oder Psychosen auslösen kann. Aber das wird durch ein Verbot nicht besser. Gerade die Legalisierung wird helfen, mit Jugendlichen offen über Drogenkonsum zu sprechen und Suchtgefährdete besser zu erreichen. Außerdem sollen gerade junge Menschen vor Kriminalisierung geschützt werden.

Wie ist die aktuelle Lage? Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland nicht verboten. Er gilt als straffreie Selbstschädigung. Allerdings sind der Erwerb, Verkauf, Anbau und Besitz, jedenfalls wenn kein ärztliches Attest vorliegt, das besagt, dass Cannabis medizinisch notwendig ist, verboten. Strafverfahren wegen des Erwerbs geringer Mengen, also solche, die offensichtlich für den Eigenbedarf sind, werden normalerweise auch in Thüringen eingestellt. Aber auch das gilt nur für Gelegenheitskonsumentinnen. Eine Legalisierung von Cannabis und damit eine Entkriminalisierung von Konsumentinnen würden, wenn man dem Gesetzesvorschlag der Grünen-Bundestagsfraktion folgen würde, etliche Ressourcen freimachen. Durch staatlichen Anbau, Zugang und Abgabe könnte man eine tatsächliche Qualitätskontrolle einführen. Der Staat könnte Steuereinnahmen nutzen, um unter anderem die Suchtberatungsangebote und Aufklärungsprogramme zu finanzieren. Diese brauchen wir in Thüringen, und das nicht nur, weil andere gefährliche Drogen wie zum Beispiel Crystal Meth auf dem Vormarsch sind. Das Suchthilfesystem in Thüringen könnte sich durch eine Entkriminalisierung von Cannabiskonsumentinnen und mehr staatlichen Mitteln besser aufstellen und auf aktuelle Entwicklungen besser eingehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wären aus grüner Sicht die Auswirkungen, die es in Thüringen gäbe. Es wäre im Bereich der Cannabis-Entkriminalisierung ein Perspektivwechsel weg von Verbotskultur hin zur Realität.

Wir brauchen eine fachlich untersetzte und umfassende Präventionsstrategie, sehr gute Beratungsstrukturen und eine Entkriminalisierung von Konsumenten. Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Engel für die Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen! Warum drehen wir die Sachlage nicht einfach mal um und fragen uns, welche Argumente heute eigentlich überhaupt noch für ein Cannabis-Verbot sprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Geschichtlich gesehen ist die Kriminalisierung von Cannabis nur eine recht kurze Episode unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Wir haben gelernt!)

Wir sollten also aufhören, die Forderung nach der Entkriminalisierung auf den Prüfstand zu stellen, und beginnen, dieses kurze Experiment der Kriminalisierung zu beleuchten. Welche positiven Aspekte hat uns denn das Cannabisverbot bisher gebracht? Das hehre Ziel einer abstinenten Gesellschaft ganz ohne Cannabiskonsum konnte ja augenscheinlich nicht erreicht werden. Weder konnte das Angebot merklich eingeschränkt werden, noch ist die Nachfrage merklich zurückgegangen. Inzwischen ist bekannt, dass für die Ablehnung von Drogen andere Gründe als die Strafverfolgung ausschlaggebend sind. Es gibt eben keine belastbaren Untersuchungen, die belegen, dass Drogenverbote den Konsum einschränken oder eine Legalisierung den Drogenkonsum steigern würde. Dies kann man leicht belegen, indem man zum Beispiel die Konsumraten von Deutschland und den Niederlanden vergleicht. Trotz des Verbots konsumieren etwa drei Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Cannabis. Die positiven Ergebnisse des Cannabisverbots sind also nur eine leichte Hemmschwelle im Gebrauch und in der Beschaffung. Diesen geringen positiven Erfolgen stehen jedoch etliche negative Folgen gegenüber. Durch das Verbot stigmatisieren wir Konsumentinnen. Ansonsten unbescholtene Bürger und Bürgerinnen werden kriminalisiert, was oftmals eine Zäsur im Lebenslauf und beruflichen Werdegang nach sich zieht. Dadurch entstehen doch erst kriminelle Karrieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einem Verbot fördern wir illegale Strukturen sowie die organisierte Kriminalität. Diese haben wiederum durch fehlende legale Konkurrenz das Monopol inne und können die Preise hochtreiben, wie

(Abg. Pfefferlein)

sie wollen. Künstlich hohe Preise führen aber zur Beschaffungskriminalität und belasten damit wiederum die Gesellschaft. Ebenso fördern hohe Preise in Verbindung mit einer kurzfristigen Angebotsverknappung oftmals einen gesundheitsschädlichen Mischkonsum mit Tabak, Alkohol oder anderen Drogen. Hinzu kommt, dass durch fehlende staatliche Kontrollen die Qualität der Droge starken Schwankungen unterliegt. Für die Konsumentinnen bedeutet das nicht nur einen ungewissen Wirkstoffgehalt, sondern auch oftmals die Gefahr gesundheitlicher Schäden durch Streckstoffe. Außerdem ist es dem Dealer an der Ecke nicht nur egal, was er verkauft, sondern auch, wem er es verkauft. Durch eine staatlich regulierte Abgabe wäre hier ein verlässlicher Verbraucher- und Jugendschutz möglich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ja, alles raus! Viel Erfolg!)

Ein Verbot geht immer auch einher mit einer Tabuisierung. Ein ehrlicher und offener Diskurs über Konsum wird erschwert. Schülerinnen zum Beispiel können kaum ihre Erfahrungen mit Eltern oder Lehrerinnen angstfrei reflektieren. Die Kriminalisierung belastet die Polizei, die Justiz, die Gefängnisse. Es werden Kapazitäten gebunden, welche in anderen Bereichen fehlen. Selbst der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten, André Schulz, fordert ebenfalls eine Entkriminalisierung. Er meinte, ich zitiere: Aus polizeilicher Sicht stellt sich die Drogenbekämpfung als extrem personalaufwendig dar und leider als wenig zielführend. – Zwar gibt es mittlerweile eine Eigenbedarfsgrenze – in Thüringen liegt diese bei zehn Gramm –, dennoch werden in der Regel erstmal eine Strafanzeige erstattet, ein Verfahren angelegt, Asservate eingetütet usw. Mehrere Beamte beschäftigen sich also mit dem Vorgang, welcher am Ende häufig eingestellt wird. Das kostet Zeit und Geld. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, hat 2015 ausgerechnet, dass die Strafverfolgung von Cannabiskonsumentinnen die Steuerzahlerinnen jährlich bis zu 2 Milliarden Euro kostet. Aber weder die kriminellen Machenschaften noch lebensbedrohliche Beimischungen würden dadurch verhindert.

Demgegenüber stehen massive Steuerausfälle, die wir hätten haben können: Genussmittelsteuer, Umsatzsteuer, Gewinnsteuer, Lohnsteuer sowie der Einnahmeausfall bei den Sozialkassen durch die Illegalisierung der Arbeitsplätze. Würde man Cannabis legalisieren, könnte man also nicht nur 2 Milliarden Euro in der Strafverfolgung sparen, es kämen sogar zusätzlich bis zu 2 Milliarden Euro an Steuereinnahmen hinzu, wenn man eine ähnliche

Besteuerung wie in den US-Bundesstaaten vornehmen würde.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Es gibt auch andere illegale Stoffe, die Sie als Staat ver- ticken können!)

Frau Abgeordnete Engel, ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Das Cannabisverbot hat also nicht nur sein eigentliches Ziel verfehlt, sondern hat auch eine Vielzahl neuer Problemlagen geschaffen. Das Experiment ist gescheitert. Die Politik hat nicht die Aufgabe, Menschen zu erziehen, sondern eine informierte und risikobewusste Konsumentscheidung zu ermöglichen. Ich hoffe, dass morgen viele Abgeordnete parteiübergreifend im Bundestag dies im Kopf haben und dem Antrag von FDP, Linke und den Grünen zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Frau Abgeordnete Herold für die AfD-Fraktion, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Anwesende, liebe Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne, aus verschiedenen Gründen habe ich schon längere Zeit das Gefühl, in einer Realität gewordenen parasozialistischen Dystopie zu leben, und zwar in „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley.

(Beifall AfD)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Das Thema dieser Aktuellen Stunde ließe sich danach auch beschreiben mit „Soma für alle“. Schon in der Begründung dieses waghalsigen Konzepts gibt es erste Fehler bei der Erwähnung des Bundes der Kriminalbeamten, den gibt es nämlich nicht. Diese Vereinigung heißt „Bund Deutscher Kriminalbeamter“.

(Beifall AfD)

Da sind den lieben Grünen wohl wieder ihre antinationalen Ressentiments durchgegangen.

Wir von der AfD können nicht erkennen, welche Vorteile diese sogenannte Entkriminalisierung des Cannabiskonsums für die Thüringer Gesamtbevölkerung haben soll. Dass Polizei und Justiz entlastet werden möchten, ist natürlich nachvollziehbar, sind

(Abg. Engel)

sie doch in den letzten zwei Jahren durch den Anstieg der verschiedensten Arten von Kriminalität und die seit vielen Jahren aufgelaufenen strukturellen und organisatorischen Defizite hoffnungslos überlastet.

(Beifall AfD)

Wem es ernst damit wäre, Polizei und Justiz im Kampf gegen illegale Drogen zu entlasten, der könnte andere Wege gehen, als mit der Legalisierung des Kiffens das Kind mit dem Bade auszuschütten.

(Beifall AfD)

Der Gebrauch von Marihuana ist alles andere als harmlos.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Die Rechtsextremisten auch!)

Schon der Einstieg in die Drogennutzung ist mit vielfältigen Erscheinungen vegetativer Dysregulation verbunden. Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen, Angst- und Panikzustände werden von jungen Erstkonsumenten in diversen Foren im Internet beschrieben. Langzeitgebrauch verursacht Antriebsarmut, Verminderung der geistigen Leistungsfähigkeit, Stoffwechselstörungen durch den Verlust der Kontrolle über die Nahrungsaufnahme. Eine beträchtliche Anzahl regelmäßiger Konsumenten erleidet ein Abgleiten in Psychosen und Störungen

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das haben Sie ja nicht!)

aus dem schizophrenen Formenkreis. Das heißt, sie sehen dann weiße Mäuse. Dass der MarihuanaGebrauch dafür auslösend oder förderlich war, ist wissenschaftlich unumstritten.

(Beifall AfD)

Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen belegt mittlerweile auch, dass regelmäßiger Marihuana-Gebrauch im Jugendalter, in der Pubertät die Gehirnentwicklung beeinträchtigt.

(Beifall AfD)

Daher ist es meiner Ansicht nach das völlig falsche Signal, den Gebrauch von Marihuana zu legalisieren.