Das mag Ihnen ideologisch nicht gefallen, aber das ist nun mal Recht und Gesetz, und deswegen haben wir auch
vernünftigerweise mit der SPD diese Einführung der AnKER-Einrichtungen besprochen, in den Koalitionsvertrag geschrieben und dort wird dann künftig das Stufenverfahren durchgeführt, und zwar recht zügig. Wenn nach der Einsichtnahme in die Ausweispapiere, der qualifizierten Inaugenscheinnahme und der ärztlichen Untersuchung, wenn sie notwendig ist – nur wenn sie notwendig ist und nicht als ganz normaler Bestandteil, wie die AfDFraktion es hier gern für jeden durchsetzen möchte –, geklärt ist, dass eben dieses Kind und dieser Jugendliche unter 18 Jahre ist, dann wird er vom Jugendamt in Obhut genommen. Er verbleibt nicht 18 Monate in der AnKER-Einrichtung, sondern wenn geklärt ist, wie alt er ist, wird er vom Jugendamt in Obhut genommen, Frau Berninger. Und das ist nicht menschenunwürdig, sondern es ist ein klares Verfahren, wie ich hier diese ankommenden Asylbewerber und Flüchtlinge behandele, entsprechend die Angaben prüfe und dann nach unseren gesetzlichen Vorschriften verfahre.
Das ist nicht rassistisch, sondern das ist einfach Handeln nach Gesetz. Dennoch, ich will es noch mal betonen, ich habe es in der Weihnachtssitzung schon mal klar ausgeführt und danach war auch sehr viel Ruhe hier drüben: Egal welches ärztliche Verfahren wir anwenden, wir haben nur einen Näherungswert. Herr Kollege Hartung hat es ja auch noch mal fachlich untermauert, wir haben einen Näherungswert. Und hier zu suggerieren, dass wir mit einer obligatorischen ärztlichen Untersuchung das Alter eines Jugendlichen auf genau einen Monat und auf den Geburtsmonat eingrenzen können, ist
Wir haben einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren, wo wir im Zweifelsfall auch immer im Sinne des Kindes entscheiden, dass das Kind eben dem jüngsten möglichen Datum entspricht, um nicht auch bei einer fachlichen, wie gesagt, schwierigen Entscheidung – hier mit einem Zweijahreszeitraum – gegen das Kind zu entscheiden. Aber wenn wir klar feststellen, das Kind ist über 18 Jahre, auch nach der ärztlichen Untersuchung, dann wird es nicht vom Jugendamt in Obhut genommen, sondern dann wird es ganz normal wie ein Erwachsener behandelt. Alles andere ist fachlicher Mumpitz. Auch wenn Frau Kollegin Herold zahnmedizinisch sehr bewandert sein mag, im Bereich der Altersfeststellung scheint es dann mit der Merkfähigkeit und auch der fachlichen Kompetenz, was man in vielen wissenschaftlichen Journalen nachlesen kann, nicht so weit her zu sein. Also, Frau Kollegin Herold, bitte noch einmal intensiv nachschauen
Abschließend will ich noch mal eines klarstellen, weil das von Frau Kollegin Herold auch gerade hier in einem Brustton der Überzeugung verdeutlicht wurde, es gebe echte und unechte Kinder und man müsse sich da um die echten Kinder kümmern: Es gibt keine echten und unechten Kinder.
Es gibt Kinder und Jugendliche und es gibt Erwachsene. Punkt. Aus. Ende. Entweder sind diese Kinder und Jugendlichen Deutsche oder es sind ausländische Kinder und Jugendliche. Aber es sind weder echte noch unechte Kinder, sondern es sind Kinder und Jugendliche, Frau Kollegin Herold.
Wenn Sie das in diesem Duktus hier vorn so im Brustton der Überzeugung vortragen, brauchen Sie sich dann auch nicht wundern, wenn Ihnen von Kollegen dieses Hauses Menschenverachtung und Rassismus vorgeworfen wird, weil das wirklich einfach nur peinlich ist, so was hier zu äußern.
Die Kollegen von Rot-Rot-Grün kann ich trotzdem einladen, auch wenn Frau Berninger das schon abgelehnt hat: Unterstützen Sie uns als künftige Koalition zwischen CDU/CSU und SPD im Bund bei der Einrichtung von AnKER-Einrichtungen. Das entlastet Thüringen und das führt zu einem beschleunig
ten und menschlichen, zügigen Verfahren in diesen Einrichtungen, wo wir zügig den Status klären und die Menschen dann entsprechend dem Gesetz auch entweder in Deutschland mit dem korrekten Aufenthaltsstatus über die Länder verteilen oder wieder zügig in ihre Heimatländer zurückführen, wenn sie eben die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen. Den Kollegen der SPD-Fraktion kann ich noch mal ans Herz legen: Stimmen Sie für den Koalitionsvertrag, es hilft.
Es ist ein sinnvolles Signal für Deutschland und mit ihrer Stimme für den Koalitionsvertrag können Sie zu einer beschleunigten Einrichtung dieser AnKEREinrichtungen im Bund beitragen und zu einer guten Regierung für Deutschland. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Herrgott. Als Nächster hat Abgeordneter Hartung für die SPDFraktion das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zuschauer sind nicht mehr viele da. Die AfD beantragt mal wieder ein Verfahren, das – ich habe es beim letzten Mal, vor zwei Monaten, ausgeführt – technisch nicht sicher möglich und ethisch nicht vertretbar ist. Das ist nicht nur meine Meinung – das können Sie abtun als politisch motiviert –, das ist auch durchaus die Meinung von Fachgremien. Ich möchte hier mal die internationale Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik zitieren. Das ist also sicher nichts, was parteipolitisch instrumentalisierbar ist, sondern tatsächlich ein Fachleutegremium. Dieses Gremium hat sich mit der Altersfeststellung für Flüchtlinge befasst und bereits in der Präambel steht da: „Eine Altersfeststellung über die Inaugenscheinnahme und die psychologische Beurteilung hinaus im Zivil- und Asylrecht ist nicht legitimiert.“ Dem kann ich mich nur anschließen. Dann werden die ganzen Methoden aufgeführt, also Inaugenscheinnahme, die ärztlichen Untersuchungen, die unterschiedlichen Röntgenverfahren und das Für und Wider wird referiert. Wie gesagt, ein internationales Expertengremium. Man kommt am Ende zu dem Schluss: „Eine Feststellung des chronologischen Alters mit medizinischen Methoden ist nicht möglich.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, aber ich möchte mal von der internationalen Ebene zur deutschen Ebene zurückkommen. Ich zitiere mal aus einem Artikel des „Ärzteblatts“. Das „Ärzteblatt“, wer es nicht permanent liest, sollte sich darüber im Klaren sein, das ist nicht unbedingt Vorkämpfer linker Ideologie, son
dern gesetzt, bürgerlich und eher konservativ. Aber dieser Artikel beginnt mit dem Satz: „Es ist ein Irrglaube, dass Ärzte das Alter exakt definieren können.“ Auch hier ganz klare Sache.
Eine sehr intensive Beschäftigung mit dem Thema folgt, zum Beispiel mit dem Handwurzelknochenröntgen. Da stellt man fest, dass im Alter von 16 bis 20 Jahren, also das Alter, um das es hier geht, „die Abweichung“ – und ich korrigiere Sie nur marginal, Herr Herrgott – nicht bei Monaten liegt, sondern bei 28 Monaten. Also 16 bis 20 Jahre, 4 Lebensjahre, eine Abweichung von fast 2,5 Jahren. Das ist meines Erachtens sehr wohl beachtlich und das „Ärzteblatt“, also damit die Bundesärztekammer, kommt zu dem Schluss, ich zitiere wörtlich: „Das Handröntgen ist also per se ungeeignet, eine Volljährigkeit sicher nachzuweisen.“ Vergleichbar – ich habe mich noch ein bisschen weiter belesen – ist das mit der Studie von Hackman und Black aus Schottland aus dem Jahr 2013.
Ein weiteres Verfahren ist das Untersuchen der Schlüsselbeine mittels Computertomografie. Hier macht das „Ärzteblatt“ darauf aufmerksam, dass es keine sichere Datenlage zu dem in Rede stehenden Alter gibt. Es gibt keine Erfassung in Deutschland, es gibt keine Erfassung außerhalb von Deutschland. Und – darauf wird explizit hingewiesen – es gibt bei ein und demselben Individuum bei CT-Untersuchungen des Schlüsselbeins zwei unterschiedliche Alter, die teilweise drei Jahre auseinanderliegen. So groß ist die Streubreite. Das ist nichts, womit man tatsächlich ein Alter feststellen kann. Auch hierzu möchte ich Ihnen weiterführende Literatur empfehlen, zum Beispiel die Studie von Ponocny aus dem Jahr 2013.
Die AfD hat es sehr gern mit Einzelbeispielen, das haben wir heute wieder feststellen dürfen. Auch das „Ärzteblatt“ wartet mit einer ganzen Reihe von Einzelbeispielen auf, bei denen Menschen, die geflüchtet sind, Unrecht getan worden ist, weil man sie fälschlicherweise für älter als minderjährig hielt. Ich möchte hier ein Beispiel zitieren. Ich lasse es wirklich bei einem bewenden, es ist eine ganze Reihe, die aufgeführt wird. Es stammt aus Bayern, es ging um die Kommune Rosenheim, wo ein 17-Jähriger gegen seinen Willen einer Röntgenuntersuchung unterzogen worden ist. Dort kam man zu dem Schluss, er wäre 19 und steckte ihn fünf Wochen lang in Abschiebehaft. Er hatte einen guten Anwalt. Der Anwalt hatte veranlasst, nicht dass man die Untersuchung noch mal durchführen musste, sondern sie einfach ordentlich bewertet. Die neue Untersuchung kam zu dem Schluss, er ist zwischen 15,5 und 16,5 Jahre alt.
Schauen Sie, das ist genau der Punkt. Sie wissen es nicht, das ist mein Eingangsstatement. Sie wissen es nicht, sie können es eben nicht belegen.
Schauen Sie, Herr Zippel, lesen Sie doch mal nach. Sie beanspruchen doch für sich, dass Sie so etwas verstehen können. Lesen Sie es doch mal nach. Lassen Sie mich vielleicht ausreden, Sie können doch dann vorkommen. Sie haben doch genügend Redezeit.
Das „Ärzteblatt“ verweist auch auf das Problem dieser Untersuchung. Die Beurteilung der Handwurzelknochen, der Verknöcherung der Handwurzelknochen, nach Greulich und Pyle beruht auf einer Datenerhebung aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Das ist 80 Jahre her. Seit diesen 80 Jahren gab es keine Anpassung an die Entwicklung der Gesellschaft, es gab keine Anpassung an die Erkenntnis, dass sich unterschiedliche Ethnien unterschiedlich entwickeln. 80 Jahre ohne irgendeine Entwicklung, auch irgendeine geistige Entwicklung – man könnte also sagen, dieses Verfahren ist die AfD unter den Diagnoseverfahren.
Es geht dann noch weiter mit vielen weiteren Beispielen. Ich möchte, wie gesagt, keine weiteren zitieren.
Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinaus: Frau Herold hat hier erzählt – auch beim letzten Mal ist es erzählt worden –, es ginge darum, dass das ganz einfache Methoden sind, die nicht weiter schädlich sind und bei denen es nicht zu irgendwelchen Komplikationen kommen könnte. Ich möchte auch hierzu auf einige Studien verweisen, zum Beispiel zur Computertomografie im Kindes- und Jugendalter. Da möchte ich Ihnen mal empfehlen, bei Brenner aus dem Jahr 2010 oder bei Miglioretti aus dem Jahr 2013 nachzulesen. Besonders interessant finde ich die Studie von Matthews et al. aus dem Jahr 2013 mit einer Datengrundlage von 11 Millionen Menschen, darunter 680.000 Kinder. Dort ist nachgewiesen, in welchem Maße sich bei CT-Untersuchungen im Kindes- und Jugendalter das Krebsrisiko erhöht.
ist die Beschreibung der Wirkung bei röntgenologischen Zahnuntersuchungen. Ich verweise auf Memon et al. aus dem Jahr 2010 und besonders auf Schonfeld et al. zum Thema „Schilddrüsenkrebs nach zahnmedizinischen Röntgenuntersuchungen“. Auch das ist sehr interessant. Frau Herold, Sie haben als Zahnärztin eine Weiterbildungspflicht. Lesen Sie doch das beim nächsten Mal nach.
Das deutsche Aufenthaltsgesetz sagt in § 49, der Flüchtling muss alle die Untersuchungen über sich ergehen lassen, die nicht zu einer Gefährdung seiner Gesundheit führen. Die Ärztekammer kommt dazu, dass diese letztgenannten Bedingungen bei Röntgenuntersuchungen zur Altersdiagnostik nicht gegeben sind. Die Ärztekammer stellt fest, dass Röntgenuntersuchungen eine invasive Diagnostik sind, die nicht gerechtfertigt sind, um einfach nur für das Asyl- oder für das Zivilrecht Untersuchungen zum Alter aufzunehmen. Darüber hinaus sagt die Bundesärztekammer ganz klar an anderer Stelle, als Handreichung für die organisierten Ärzte: „Ausländerrechtliche Fragestellungen“ – das ist ein wörtliches Zitat – „können auf keinen Fall medizinische Indikationen von den Körper belastenden Verfahren, wie z. B. Röntgen legitimieren.“ Ich bin mir sicher, so was Ähnliches gibt es auch bei der Bundeszahnärztekammer. Und ich bin mir auch sicher, Frau Herold, Sie werden das finden, wenn Sie sich ein wenig bemühen.
Ich möchte als Letztes von den ganzen Zitaten den Medizinethiker Prof. Dr. Urban Wiesing zitieren, der von 2004 bis 2013 die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer leitete, ich zitiere wörtlich: „Röntgen ohne medizinische Indikation ist mit dem ärztlichen Berufsethos grundsätzlich nicht vereinbar. Das ethische Prinzip ‚Nihil nocere‘ gilt für alle, insbesondere für schutzbedürftige Menschen wie unbegleitete jugendliche Flüchtlinge.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen und deswegen muss man diesen AfD-Antrag einfach ablehnen.
Noch drei Worte zur CDU: Sie zitieren den Koalitionsvertrag, das macht es mir jetzt sehr einfach, Herr Herrgott: Da ich den Koalitionsvertrag ablehne, muss ich auch Ihrem Antrag nicht zustimmen. Vielen Dank.
Danke schön, Herr Abgeordneter Dr. Hartung. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, ich bin all denen schon sehr dankbar, die noch einmal klargestellt haben, dass es nur Kinder und Jugendliche gibt – danke, Herr Herrgott, an dieser Stelle –, und zwar unabhängig
davon, woher sie kommen, und dann gibt es natürlich auch noch Erwachsene. Kinderrechte kennen glücklicherweise keine Grenzen und sind für uns auch nicht verhandelbar.