Als zweiten Punkt, meine Damen und Herren, möchte ich den Kolleginnen und Kollegen in den Jugendämtern danken, die eine verantwortungsvolle Arbeit leisten, auch im Zusammenhang mit der Betreuung der geflüchteten Jugendlichen, aber auch in Bezug auf die Altersfeststellung. Und ich möchte meinen Appell an die Demokratinnen und Demokraten dieses Hohen Hauses richten – und nicht nur an die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, sondern auch an die CDU –, das ganz besondere Augenmerk auf das Wohl der Kinder zu richten und ihnen in schwierigen Situationen beizustehen. Hier, bin ich der Überzeugung, sollten alle Akteure an einem Strang ziehen. Deswegen mein herzlicher Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Thüringer Jugendämter, die für die tägliche Bewältigung häufig komplexer und umfangreicher Herausforderungen vieles leisten.
An dieser Stelle könnte ich tatsächlich meine Ausführungen beenden, denn es gibt ja noch keinen Beschluss. Aber ich will Ihnen Folgendes mitteilen: Mit dem Stichtag 17. Januar 2018 haben sich im Freistaat Thüringen 1.203 unbegleitete minderjährige Jugendliche aufgehalten. Der gesetzliche Auftrag zur Altersfeststellung begründet sich – wir haben es gehört – nach § 42f Sozialgesetzbuch VIII. Dieser Auftrag ist beim öffentlichen Träger der Jugendhilfe verortet. Es handelt sich also um eine Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Kommunen im Sinne von § 1 des Thüringer Kinderund Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes. Die Thüringer Praxis zur Altersfeststellung gestaltet sich im Wesentlichen so, dass bei Zweifelsfällen – und darauf kommt es an – über das angegebene Alter eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch zwei qualifizierte Fachkräfte stattfindet. Erst wenn diese qualifizierte Inaugenscheinnahme weiter Zweifel hervorruft, kann eine zweite qualifizierte Inaugenscheinnahme durch zwei weitere unabhängige Fachkräfte erfolgen. Ärztliche Untersuchungen zur Feststellung werden nur dann durchgeführt, wenn das Alter weder aus Ausweispapieren noch durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme entsprechend § 42f Abs. 1 SGB VIII zweifelsfrei festgestellt werden kann.
Ich halte die derzeitigen Regelungen und die Umsetzung in der Praxis für absolut ausreichend, da sie einen menschenwürdigen Umgang mit den jungen Geflüchteten gewährleisten. Eine Veränderung dieses Verfahrens halte ich für nicht notwendig. In den Thüringer Jugendämtern gibt es bisher wenige Einzelfälle, wonach bei Zweifeln eine medizinische Begutachtung durchgeführt wurde. Bei allen unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern, die ab dem 1. November 2015 in Thüringen vorläufig in Obhut genommen worden sind, ist eine Altersfeststellung nach § 42f Abs. 1 SGB VIII durchgeführt worden. Seien Sie gewiss, dass den Jugendämtern in Thüringen die Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen, die in der 122. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 26. bis 28. April 2017 in Saarbrücken beschlossen wurden, sowie die Handlungsempfehlungen zur Alterseinschätzung des Bundesfachverbands für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bekannt sind und dort auch entsprechend angewendet werden. Ich bin der Überzeugung – und ich gehe davon aus, dass sowohl die Kolleginnen und Kollegen der CDU als auch die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen Vertrauen in die Arbeit der Jugendämter in Thüringen haben –, wir sollten Ihnen nicht mit Misstrauen begegnen, wie es die AfD macht. Sie haben Vertrauen verdient, denn sie erledigen
Herr Minister, einen Moment noch. Ich bin jetzt etwas unschlüssig und es ist rechtlich relevant für die Debatte. War das ein Sofortbericht oder war das keiner? Angekündigt war ein Sofortbericht. Er hat aber mehrfach gesagt, er möchte keinen Bericht geben, deswegen frage ich.
Okay, gut. Dann treten wir in die Debatte ein. Da es ein Sofortbericht war, reden wir dann auch in doppelter Redezeit. Ich frage, wer die Beratung dazu wünscht. Das sind alle Fraktionen. Dann beraten wir zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags in der Drucksache 6/4939 wie auch zu Nummer II aus diesem Antrag sowie auch zu dem Alternativantrag in der Drucksache 6/5338. Als Erste hat Abgeordnete Berninger für die Fraktion Die Linke das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, neben einer Reihe von Fragen, nicht nur nach statistischen Daten, und auch Falschinformationen zu unbegleiteten Minderjährigen oder Mängeln in Verfahren in den Jugendämtern, die diese Fragen suggerieren sollten, wiederholt die rechtspopulistische Fraktion Forderungen zur Altersfeststellung, die bereits im Rahmen der Ablehnung des Antrags zur Familienzusammenführung am 15. Dezember 2017 mit großer Mehrheit abgelehnt wurden. Damals war abgelehnt worden – Zitat –, „alle Maßnahmen umzusetzen [...], die einer verbesserten Altersfeststellung [...] dienen.“ Die rechtspopulistische Fraktion hatte, das war sowohl in der Begründung des damaligen Antrags als auch in der Debatte deutlich geworden, medizinische – auch invasive – Methoden gemeint. Die Forderung im vorliegenden Antrag ist, medizinische Untersuchungen zur Altersbestimmung obligatorisch im Rahmen eines bundesweit einheitlich standardisierten Verfahrens zu regeln, und die Landesregierung soll dazu im Bundesrat initiativ werden – so der Antrag.
Der Antrag dient – und das wird in der Begründung sehr deutlich – einzig und allein dem Ziel der Skandalisierung und Pauschalisierung des Ereignisses in Kandel, bei dem ein als unbegleiteter Minderjäh
riger eingereister Flüchtling in einer Beziehungstat ein junges Mädchen getötet hat, der sich im Nachhinein nach Medienberichten – und inzwischen liegt wohl auch ein Gutachten vor – als nicht minderjährig herausstellte.
Die Rechtspopulisten konstruieren daraus ein Szenario, in dem sich erwachsene Männer „quasi inkognito auf Schulhöfen unter Minderjährigen tummeln“ und man „deutsche Kinder mutwillig der Gefahr“ aussetze. So steht es im Wortlaut in der Begründung. Abgeordnete Herold hat ja eben auch gesagt, dass es um „richtige“ und „echte“ Kinder geht. Es ist sehr deutlich geworden, dass es darum geht, jugendliche Geflüchtete als kriminell, als gefährlich zu stigmatisieren und Angst zu machen. Der gewaltsame Tod, durch einen Geflüchteten verursacht, der gewaltsame Tod einer jungen Frau wird für das Schüren von Ressentiments, für Hetze gegen minderjährige Geflüchtete missbraucht und für das Pflegen der eigenen Legenden der Rechtspopulistinnen benutzt, während gleichzeitig – und diesen Ausflug in ein anderes Thema müssen Sie mir gestatten – die AfD hier im Landtag einen Gesetzentwurf eingebracht hatte, der am 13.12.2017 durch alle anderen Fraktionen abgelehnt worden war, mit dem Mittel für Präventions- und Schutzmaßnahmen bezüglich der Gewalt gegen Frauen gekürzt werden sollten. Zitat: „Dass die AfD tatsächlich vorhat, Frauenzentren die Finanzierung zu entziehen, daraus macht deren sozialpolitische Sprecherin Corinna Herold indes gar keinen Hehl.“ Sie ist in einem Interview mit der „TLZ“ zitiert mit: „Das dient der Herstellung von Gleichbehandlung.“ Es handele sich bei dem Entwurf um die Forderung nach zusätzlichen Schutzräumen für Männer und nicht um das Ziel, Frauenhäuser abzuschaffen, dennoch – so schreibt die „TA“ – „bleibe das Vorhaben, die Finanzierung abzuschaffen, bestehen. Es müsse darum gehen, langfristig von der Sichtweise wegzukommen, dass die Männer immer die Täter und die Frauen immer die Opfer seien.“ Nachzulesen in der „TA“ vom 2. November 2017.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, fast täglich wird in Deutschland eine Frau vom Partner oder Ex-Partner getötet, 2016 insgesamt 357. Fast 12.000 Frauen wurden 2016 lebensgefährlich verletzt. „Skandal“ schreien die Rechtspopulistinnen und Rassistinnen aber immer nur dann, wenn Tatverdächtige oder überführte Täter Menschen nicht deutscher Herkunft sind.
Umso bedauerlicher finde ich es, dass gerade nach der fachlich sehr bemerkenswerten Rede des Abgeordneten Herrgott am 15.12., die er auch sehr emotional vorgetragen hat und in der er auch ein
großes Augenmerk auf das Kindeswohl legte, die CDU nun mit dem vorliegenden Alternativantrag an diesen rassistisch motivierten und begründeten AfD-Antrag andockt.
Das finde ich tatsächlich sehr bedauerlich und befremdlich. Die benannten AnKER-Einrichtungen – ausgesprochen: Zentrale Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen – haben zum Ziel, reibungslos abzuschieben, und zwar möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit.
Sie haben zum Ziel, dass Geflüchtete isoliert werden. Bis zu 18 Monate sollen Geflüchtete in diesen Lagern bleiben, Familien mit Kindern bis zu sechs Monate. Sie sollen die Residenzpflicht festlegen, es soll dort Sachleistungen geben, Kinder haben in diesen sechs Monaten nicht das Recht, eine Schule zu besuchen, es gibt dort keine Integrationsmöglichkeiten, es besteht ein Arbeitsverbot. PRO ASYL spricht von einer Desintegrationspolitik. Ich will PRO ASYL auch zitieren. Sie nennen diese Lager ein „stigmatisierendes Zeichen der Ausgrenzung“ und sagen, „eine solche Politik der Kasernierung von Schutzsuchenden hat mit einer menschenwürdigen Aufnahme von Flüchtlingen nichts [...] zu tun“. Derselben Meinung sind wir auch. Deswegen lehnen wir auch diese AnKER-Lager ab.
Sehr geehrte Damen und Herren der CDU, Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, dass unsere Koalition, die sich eine menschenwohlorientierte Flüchtlingspolitik in den Koalitionsvertrag und auf die Fahnen geschrieben hat, einer derartigen Schleifung des Grundrechts auf Asyl ein positives Votum gibt. Wir werden natürlich auch diesen Alternativantrag ablehnen. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, das wird heute nicht weniger emotional und auch nicht weniger fachlich richtig als beim letzten Mal, Kollegin Berninger. Bei bestimmten Dingen sind wir manchmal nicht einer Meinung, aber das
ist auch gut so. Ich will aber zunächst auf etwas anderes eingehen. Eigentlich steht hier in meiner Vorbereitung ein Dank an die Landesregierung, hier einen Sofortbericht gehalten zu haben. Diesen Dank kann ich leider nicht aussprechen. Herr Minister Holter, es wäre schön, wenn Sie mir kurz ein bisschen folgen würden, auch wenn Sie bei den Koalitionären sitzen. Wenn Sie als Landesregierung einen Sofortbericht ankündigen, dann steht es der Landesregierung gut an, diesen Sofortbericht auch anhand der Fragestellungen im Antrag – da bedarf es keines beschlossenen Antrags, sondern der Sofortbericht ist das Mittel, diesen entsprechenden Bericht bereits zum Antrag zu halten – inhaltlich und fachlich ausführlich hier zu halten.
Es hätte viel dazu beigetragen, wenn Sie uns anhand der Fragen und anhand der Sachverhalte hier offen, transparent einen Sofortbericht im Plenum gegeben hätten, denn die Sachen, die Sie hätten vortragen können, Herr Minister, das sind keine Geheimnisse oder irgendwelche Dinge, die man zurückhalten muss. Das sind ganz klare Fakten. Auch wenn der Antrag von der AfD-Fraktion kommt, stünde es der Landesregierung gut an, diese Dinge hier vorzutragen, weil sonst wieder wildeste Verschwörungstheorien von ganz rechts hier geäußert werden, weil Sie diese Dinge, die wir alle in den verschiedenen Ausschüssen zum Teil schon gehört haben, die Bestandteil Kleiner Anfragen und Ähnliches waren, eben nicht hier im Sofortbericht vortragen. Deswegen, Herr Minister, haben Sie sich ein bisschen unter Wert verkauft. Das hätten Sie ganz normal hier sagen können, auch ohne Schaum vor dem Mund, auch ohne den belehrenden Eingangsteil. An der Stelle sind die Zahlen hier in Thüringen und die inhaltlichen Dinge etwas, was man nicht verheimlichen muss. Wir arbeiten hier in Thüringen an der Stelle gut, die Jugendämter arbeiten gut
Wenn es heißt „Sofortbericht“, deswegen reden wir jetzt auch in doppelter Redezeit hier, kann man das auch ganz normal in der parlamentarischen Praxis machen. Da bricht man sich echt keinen Zacken aus der Krone oder man lässt es ganz und spricht dann in der Debatte darüber. Aber so etwas Halbes steht Ihnen wirklich nicht gut an, Herr Minister.
Meine Damen und Herren, zum kleineren, zweiten Teil des Antrags der AfD-Fraktion, wo es darum geht, einheitliche Standards in ganz Deutschland durchzusetzen: Er ist sachlich und inhaltlich viel zu kurz gegriffen. Frau Herold hat selbst kurz ausgeführt, welches Stufenverfahren bei der Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern durchgeführt wird. Hier zu suggerieren, dass die Ausländerbehörde nur die Stufe eins, die entsprechende Einsichtnahme in die Ausweispapiere vornimmt und dann bei der Stufe zwei nur mal schaut, haben wir einen Dolmetscher, gibt es tatsächlich bei der qualifizierten Inaugenscheinnahme noch etwas zu klären, und die dritte Stufe nicht durchführt, ist sachlich und inhaltlich falsch. Dieses Übereinkommen gibt es bereits – Sie haben die entsprechenden Paragrafen genannt – seit mehreren Jahren und es wird von den Jugendämtern auch durchgeführt. Das kann man hier ganz frei und offen sagen. Deswegen greift Ihr Antrag, dies auf ganz Deutschland zu übertragen, viel zu kurz. Auch aus diesem Grund haben wir als CDU einen Alternativantrag gestellt, um noch mal klar darzustellen, was sinnvoller wäre als dieser obsolete AfD-Vorschlag, nämlich das, was wir in den Koalitionsverhandlungen mit den Kollegen der SPD im Bund klar vereinbart haben.
Was wir dort als große Koalition verabredet haben, kann sich nämlich sehen lassen, meine Damen und Herren, gerade im Bereich der Migration.
Denn als CDU kann ich nicht ohne Stolz sagen, dass wir ganz viele Dinge – nahezu alles –, die wir mit der CSU verabredet haben, auch hier im Koalitionsvertrag mit der SPD hoffentlich bald gemeinsam durchsetzen werden. Da geht es künftig um eine klar definierte Obergrenze. Es geht um die Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten, auch wenn da einige bei der SPD hier in Thüringen den Kopf schütteln. Aber Tunesien, Algerien und Marokko werden als sichere Herkunftsstaaten qualifiziert werden, auch wenn das vielleicht dem einen oder anderen nicht gefällt.
Und der Familiennachzug wird auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Natürlich gelten bei Härtefällen Ausnahmen, das ist selbstverständlich. Und was noch ganz wichtig ist, was wir zusätzlich vereinbart haben, ist die Einführung von AnKER-Einrichtungen – Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen. Denn wenn wir unser Gesetz im Asylbereich ganz klar betrachten, dann haben wir
das Recht auf Asyl im Koalitionsvertrag in keinster Weise eingeschränkt. Wir haben das Recht auf Asyl sogar noch einmal betont. Aber diejenigen, die eben dieses Recht hier missbrauchen und nicht die Voraussetzungen haben, bei uns zu bleiben – das müssen wir zunächst in einer zentralen Einrichtung prüfen, das macht Sinn, um das auch qualitativ vernünftig umzusetzen –, diejenigen, bei denen wir feststellen, Kollegin Berninger, dass sie die Voraussetzungen nicht erfüllen, müssen wir auch wieder zügig in ihre Heimatländer zurückschicken,
weil sie eben nach unserem Recht nicht die Voraussetzungen für Asyl erfüllen. Das ist ganz klarer Gesetzesvollzug.
Das mag Ihnen ideologisch nicht gefallen, aber das ist nun mal Recht und Gesetz, und deswegen haben wir auch