Protokoll der Sitzung vom 22.02.2018

Und wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11

Thüringer Polizei 4.0 – Mit Digitalisierung und Modernisierung fit für die Zukunft Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4951 - Neufassung

Zur Begründung wird das Wort vom Abgeordneten Dittes von der Fraktion Die Linke gewünscht. Bitte schön, Herr Dittes.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will mit einem Zitat beginnen: „Was Ottavia betraf, so hatte er sich anfangs gefragt, ob er sie nicht lieber ins Feld schicken sollte, doch dann war ihm klar geworden, wie wichtig ihre Funktion als Assistentin im Büro war. Sie bewegte sich so geschickt im Internet, dass ihre Recherchen mindestens genauso hilfreich waren wie die Erkundungen, die ihre Kollegen auf der Straße einholten, wenn nicht mehr; sie ersparte ihnen Stunden mühevoller Kleinarbeit, indem sie mit ein, zwei Klicks jede Menge Erkenntnisse zutage förderte, nach denen sie sonst ewig geforscht hätten.“

Meine Damen und Herren, dieses Zitat stammt aus einem Kriminalroman, den ich just in dieser Woche in den Händen hielt. Es war „Der dunkle Ritter: Lojacono ermittelt in Neapel“ von Maurizio de Giovanni, wenn Sie mal nachlesen möchten. Weswegen stelle ich dieses Zitat an den Anfang? Es ist in vielen Kriminalromanen – vielleicht erinnern Sie sich in diesem Fall auch an den Commissario Brunetti aus Venedig – ein beliebtes Bild, dass in der Dienststelle der Polizei eine sehr internetaffine und technikbegeisterte Polizeibeamtin sitzt, während die männlichen Kollegen auf der Straße der ordentlichen Kernarbeit des Polizeibeamten nachgehen.

Aber in Thüringen sind wir selbst von diesem nicht unbedingt sehr fortschrittlichen Bild noch Lichtjahre entfernt, denn in der Regel fehlt es an dieser internetaffinen und technikbegeisterten Polizeibeamtin oder besser gesagt – ich korrigiere mich –: Es fehlt nicht an technikaffinen und technikbegeisterten Polizeibeamten, es fehlt an der Technik, die ihnen zur Verfügung steht, um genau das zu erreichen, was im Kriminalroman hier beschrieben worden ist, nämlich tatsächlich Stunden mühevoller Kleinarbeit der Polizeibeamten einzusparen. Und genau das ist das Ziel unseres Antrags, weil wir natürlich an vie

(Ministerin Taubert)

len Stellen auch über die Belastungen der Polizei, über die Präsenz der Polizei in der Fläche, über die Bürgernähe und auch über die Verdichtung von Arbeit diskutieren, und wir diskutieren in dem Zusammenhang natürlich über die richtige Entscheidung, auch die Polizeianwärterzahl deutlich zu erhöhen, wie in diesem Jahr auf 260.

Aber wir dürfen natürlich auch nicht aus dem Blick verlieren, was wir an anderen Stellen noch tun sollen, so zum Beispiel bei der Strukturentwicklung, aber auch bei der Modernisierung der Polizeiarbeit. Denn es ist natürlich einerseits richtig, dass wir darauf reagieren müssen, wie sich die demografische Entwicklung in den nachfolgenden Jahren darstellen wird: dass sich durch den Rückgang der Bevölkerung, aber auch durch das Älterwerden der Bevölkerung im Durchschnitt in Thüringen natürlich Deliktverschiebungen ergeben werden. Wir haben aufgrund der technologischen Entwicklung natürlich auch jetzt schon Verschiebungen in den Deliktgruppen. Die Internetkriminalität nimmt zu – und wenn ich Internetkriminalität verfolgen und bekämpfen will, dann muss ich natürlich auch im Internet unterwegs sein.

Wir haben natürlich auch eine andere Zusammensetzung bei den Polizeibeamten in Thüringen. Wir haben nicht nur landläufig den älteren Polizeibeamten, für den das Smartphone praktisch Teufelswerk ist. Wir haben junge Beamte, die wir in unseren Polizeidienststellen auch einsetzen wollen, deren Kompetenz, deren Erfahrungen wir nutzen wollen, auch für die Arbeit der Polizei, und denen müssen wir natürlich auch die Möglichkeit geben, ihre Kompetenz gerade auch im Bereich der modernen Kommunikationsmittel anzuwenden, und zwar auch erfolgversprechend für die polizeiliche Tätigkeit.

Ich sage natürlich auch – und ich werde im Redebeitrag dazu noch weiter ausführen –: Wir brauchen diese Modernisierung nicht nur der Ermittlungsarbeit und der Ermittlungserfolge wegen, wir brauchen diese Modernisierung auch, um endlich mit Doppelbelastungen von Polizeibeamten Schluss zu machen, damit sich Polizeibeamte darauf konzentrieren können, Ermittlungstätigkeiten ausüben zu können, dass sie sich darauf konzentrieren können, vor Ort im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern Strafanzeigen aufzunehmen, präventiv zu wirken und Verbrechen aufzuklären und auch die entsprechenden Vorarbeiten für Staatsanwaltschaften leisten zu können. Wir müssen sie von Arbeiten entlasten, die eigentlich im 21. Jahrhundert nicht mehr notwendig sind.

Wir haben zum Anlass genommen, dass auch die Evaluationskommission zur Polizeistrukturreform attestiert hat, dass wir in Thüringen eine stärkere Reflexion der Nutzung neuer Medien und Kommunikationsmittel brauchen. Rot-Rot-Grün hat im Haushalt auch entsprechende Mittel zur Verfügung

gestellt. Mit dem heute vorliegenden und zur Diskussion stehenden Antrag wollen wir auch ein Stück weit konzeptionell untersetzen, in welchen Bereichen und für welche Maßnahmen die zur Verfügung stehenden Mittel in den kommenden zwei Jahren eingesetzt werden. Ich bitte Sie jetzt schon um Zustimmung zum Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und der Grünen und ich freue mich natürlich auch auf die Diskussion und auch auf die Ideen, die bei den Fragen der Modernisierung der Polizei hier bei der Diskussion sicherlich zur Sprache kommen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Beratung und als Erster erhält Abgeordneter Walk, Fraktion der CDU, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher, der von RotRot-Grün vorgelegte Antrag trägt den Titel „Thüringer Polizei 4.0 – Mit Digitalisierung und Modernisierung fit für die Zukunft“. Dem Wortlaut und der damit einhergehenden Intention ist zunächst einmal beizupflichten. Schaut man sich den Antrag aber im Detail an, haben meine Fraktion und ich jedoch einige Punkte, denen wir entweder nicht oder hier und heute nicht ohne vorherige Befassung im Innenausschuss zustimmen können. Aber der Reihe nach.

(Beifall AfD)

Unter Ziffer I.1 soll der Landtag feststellen, dass Thüringen aufgrund seiner hohen Aufklärungsquote zu einem der sichersten Bundesländer gehört und unsere Beamten einen erheblichen Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit der Menschen leisten. Diese Tatsachen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nicht nur hinreichend bekannt, sondern wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach partei- und auch fraktionsübergreifend öffentlich von Politik und Medien geäußert und entsprechend gewürdigt. Es bedarf aus unserer Sicht daher keiner erneuten bzw. gesonderten Feststellung durch den Landtag. Vielmehr ist doch jedem von uns klar, dass unsere Polizei täglich Hervorragendes leistet, und das vor allem in den letzten drei Jahren, wo sich auch die Sicherheitslage bekanntermaßen gravierend verändert hat.

(Beifall CDU, AfD)

Auch die in Ziffern I.2 und I.3 enthaltenen Aussagen bedürfen nach Auffassung meiner Fraktion keiner gesonderten Feststellung durch den Landtag.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Dittes)

Damit bin ich bei Ziffer 4. In dieser Ziffer 4 will RotRot-Grün festgestellt haben, dass die Expertenkommission in ihrer Evaluierung der Polizeistrukturreform im Jahr 2016 eine stärkere Reflexion der Nutzung neuer Medien und Kommunikationsmittel der Polizei angeregt hat. Hierzu ist zunächst zu sagen, dass der Bericht der Kommission dem Landtag bisher – darauf will ich hinweisen – offiziell überhaupt noch nicht vorgelegt wurde. Die 64 Thesen, die öffentlich gemacht wurden, sind selbstverständlich bekannt und auf diese bezieht sich wohl auch Ziffer 4 Ihres Antrags. Da nach meinem Kenntnisstand die Evaluierung von der Landesregierung aber bis heute noch nicht abschließend beraten ist oder eine Umsetzung der zahlreichen Vorschläge angedacht wurde, ist es meines Erachtens auch verfehlt, sich nunmehr genau eine Rosine aus dem Kuchen herauszupicken und dem Landtag zu präsentieren – noch dazu, da die der These zugrunde liegende Begründung dem Landtag eben offiziell überhaupt noch nicht vorliegt. Demnach – und das ist ein Zwischenfazit – können wir sämtlichen unter Punkt I des Antrags aufgeführten Punkten nicht zustimmen bzw. erachten sie als überflüssig.

Damit komme ich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zu Punkt II. Die dort aufgeführten Forderungen sind nach unserer Auffassung in einigen Punkten zumindest diskussionswürdig. Lassen Sie mich aber voranstellen, dass wir sicher darüber übereinkommen, dass Globalisierung, dass technische Entwicklung und digitale Vernetzung nicht nur unsere Gesellschaft, sondern natürlich auch die Kriminalität verändern. Fakt ist zudem, dass wir im Bereich der mehr als rasanten Entwicklung der neuen Medien und Kommunikationsmittel und deren Anwendung und Umsetzung in der Praxis der Thüringer Polizei erheblichen Nachholbedarf konstatieren müssen. Das betrifft, Herr Minister, alle Bereiche – ich denke, Sie haben es in der kurzen Zeit auch schon festgestellt –, die Bereiche Personal, Organisation, Logistik, Beschaffung, Haushalt und Finanzen, nicht zuletzt auch den erforderlichen Rechtsrahmen. Festzumachen ist das Ganze am derzeitigen Istzustand – Kollege Dittes ist auch schon darauf eingegangen –, den ich nur im Ansatz wiedergeben möchte. Fakt ist leider auch: Polizeialltag sind heute fehlende Internetzugänge, fehlende Lizenzen, fehlende PCs und fehlende mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones oder auch fehlende Ausstattung in den Polizeifahrzeugen, den sogenannten Car-PCs.

Herr Minister, Sie haben zutreffend festgestellt – wenn die TLZ das richtig zitiert hat –, dass es natürlich nicht zeitgemäß sein kann, dass nicht jeder Polizeiarbeitsplatz über einen auch fähigen Internetzugang verfügt und zur schnellen Recherche – das klang hier eben auch schon an – Kollegen auf private Smartphones zurückgreifen müssen. Das kann in der Tat nicht sein, aber das ist bittere Realität.

Das zeigt auch eines ganz deutlich: Wir reden heute hier über digitale Polizei 4.0. Das können wir auch alle unterstützen, aber Fakt ist: Wir haben in der Realität eine Polizei 2.2 – und das maximal. Auf den Punkt gebracht, Herr Minister: Das Grundproblem scheint mir zu sein – wir arbeiten dran, das ist der richtige Weg –: Wir haben keine entsprechende nachhaltige IT-Gesamtstrategie. Zum Land komme ich nachher noch mal. Aber im Polizeibereich, der ja Besonderheiten unterliegt, vermisse ich die auch und nicht erst seit 2018, auch schon davor.

Wenn wir uns dann mal anschauen, was im BundLänder-Vergleich da so passiert, da müssen wir auch leider feststellen, dass wir da im hinteren Bereich rangieren. Aber man muss auch eines sagen – da nehme ich die Kollegen auch sehr gern in Schutz –, ehrlicherweise muss man sagen, dass wir als ein so kleines Bundesland mit solchen rasanten und großen, auch komplexen Herausforderungen wie der Bewilligung der ganzen IT-Thematik schlichtweg auch an unsere Leistungsgrenzen stoßen.

Ich will auch nicht verkennen, nicht verhehlen, dass innerhalb der Thüringer Polizei bereits mehrere sehr personalintensive und aufwendige IT-Projekte auf den Weg gebracht wurden und derzeit auch intensiv betreut werden, so das Projekt – ich will nur einige nennen – NOVa zur Neuausrichtung der Organisation und Verfahrenslandschaft, unter anderem auch mit dem Teilprojekt ComVor, einem neuen Vorgangsbearbeitungssystem, das im nächsten Jahr flächendeckend eingeführt werden soll. Und hier, Herr Minister, steckt der Teufel im Detail. Die Presse hat Sie, glaube ich, da auch richtig zitiert. Bei diesem neuen Vorgangsbearbeitungssystem brauchen wir natürlich die entsprechende Schnittstelle zu unseren Tablets, zu unseren Smartphones, damit man diese Daten dann auch entsprechend übertragen kann. Auch das muss berücksichtigt werden.

Ein weiteres Hauptproblem, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich noch ansprechen: Schon jetzt arbeiten thüringenweit – ich habe da viele Gespräche geführt, so ganz bin ich nicht auf die Zahl gekommen – schätzungsweise mehr als hundert Mitarbeiter nur an diesem einen Projekt Implementierung des neuen Vorgangsbearbeitungssystem ComVor, über hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; das sind alles Mitarbeiter, die natürlich auf der Straße fehlen. Aber ich habe mir sagen lassen, es geht auch nicht anders, sie brauchen zentrale Projektverantwortliche, dazu in jeder Dienststelle ein bis zwei Mitarbeiter als Multiplikatoren, zudem Personal in der Aus- und Fortbildung. Also Digitalisierung hört sich gut an, in der Praxis dies umzusetzen, ist schwierig.

Ich will auch auf weitere Projekte eingehen, an der sich die Thüringer Polizei beteiligt, zum Beispiel am

Polizeilichen Informationsund Analyseverbund, PIAV genannt, ein weiteres neues Fallbearbeitungssystem FBS-TH sowie die permanente Ertüchtigung der PC-Migration sowie die Erneuerung bzw. der Ausbau der Telekommunikationssysteme. All das läuft neben dem regelmäßigen und alltäglichen Dienst sozusagen noch nebenbei. Schon jetzt ist damit, ich habe es eben schon anklingen lassen, die Leistungsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen erreicht, ich denke, in einigen Fällen sogar überstrapaziert und überschritten, denn diese Projekte „verschlingen“ Unmengen an Personal.

In dem Zusammenhang, Herr Minister, will ich gerne noch einmal darauf zurückkommen. Ich habe das Thema schon vor neun Wochen aufgegriffen, habe die Landesregierung gefragt, wie viel Personal denn in diesen Arbeitsgruppen steckt. Ich habe die zwei Projekte NOVa und ComVor genannt und habe nur eine Ahnung, dass es an die hundert Kolleginnen und Kollegen sind. Die Antwort steht seit neun Wochen aus und vielleicht kann man die irgendwann dann noch mal nachholen.

Ich will jetzt aber noch auf die Ziffer II des Antrags von Rot-Rot-Grün zurückkommen und den einen oder anderen Punkt noch mal beleuchten. In Buchstabe a) zum Beispiel wird eine Prüfung der Übertragbarkeit polizeilicher IT-Verfahren in das Thüringer Landesrechenzentrum, als Beispiel Thüringer Landesrechenzentrum, vorgeschlagen. Der Ansatz ist nicht schlecht. Ich finde aber, das ist zu kurz gesprungen. Ich glaube, wir benötigen thüringenweit eine Zusammenführung aller digitalen Zuständigkeiten in einer Hand, das scheint mir der Schüssel zu sein. Aber das ist bisher nicht der Fall. Ich habe eben schon mit der neuen Staatssekretärin kurz auf dem Flur gesprochen, sie möge mir bitte ihr Ohr schenken, wenn wir über Digitalisierung auch im Polizeibereich reden. Ich habe mal zusammengeschrieben

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da hat sie aber viel zu tun!)

ja, da hat sie viel zu tun –, wo wir denn in Thüringen überall digitale Zuständigkeiten haben, zum Beispiel in der Thüringer Staatskanzlei, die für ein modernes Thüringen und damit auch für die Digitalisierung zuständig ist. Im Thüringer Finanzministerium stellt sich mit Staatssekretär Schubert der zentrale IT-Manager – sozusagen der CIO – der Landesregierung vor, und daran angedockt ist mit weiteren Aufgaben, wir haben es eben schon gehört, das Thüringer Landesrechenzentrum. Die Einführung der E-Akte – auch gerade für den Polizeibereich, für den Ermittlungsbereich, Herr Minister, ganz wichtig – ist wiederum im Thüringer Justizministerium angesiedelt; ich meine die Zahl 2025 mal irgendwann gelesen zu haben – viel zu spät. Das funktioniert natürlich nicht. Und Frau Kerst als neue zuständige Digitalisierungs-Staatssekretärin im

Wirtschaftsministerium habe ich bereits angesprochen. Wir finden aber noch eine weitere Zuständigkeit, das macht dann den Reigen komplett, im Bereich des Thüringer Innenministeriums: im Landesverwaltungsamt. Und damit komme ich vom Land zu unserer Polizei. Auch in der Polizei haben wir ganz verschiedene Zuständigkeiten. Ich denke, inzwischen haben Sie auch den Überblick, Herr Minister. Wir haben im Thüringer Innenministerium das Technikreferat 47, in der Landespolizeidirektion das Sachgebiet 25 und die Zentralstelle der Thüringer Polizei im Thüringer Landeskriminalamt. Dann gibt es sogenannte EDV-Anwenderbetreuer in den Landespolizeiinspektionen, Dienststellen vor Ort, nicht zuletzt die IT-Sicherheitsbeauftragten auch im Ministerium und in den Landespolizeiinspektionen. Wenn man das überschlägt, kommt man auf eine Summe von etwa 150 Mitarbeitern, die jetzt schon in diesem IT-Bereich arbeiten – und hier rede ich noch nicht von den Ermittlern, beispielsweise aus dem zuständigen Cybercrime-Dezernat 64, die nach wie vor an Unterbesetzung leiden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese umfassende Aufzählung zeigt eines deutlich, wie ich finde, nämlich dass die Zuständigkeitslandschaft doch sehr heterogen ausfällt. Hier gilt es zu zentralisieren, Ressourcen zu schonen und Synergien zu nutzen. Wir wissen auch: Insellösungen funktionieren nicht. Gerade in der IT-Landschaft funktioniert es nur abgestimmt und auch im Verbund ist der bekannterweise ganzheitliche Ansatz gefragt.

Ich will nun zu Buchstabe c) des Antrags kommen. Dieser greift die Übertragung von digitalen Speichermedien auf mobile Kommunikationsendgeräte auf. Als Beispielfall wird das von einem Zeugen mithilfe eines Smartphones angefertigte Video von einem Tatvorgang angeführt, das unmittelbar am Tatort durch die Polizei gesichert werden soll. Auch das ist ein guter Ansatz, so müsste es laufen. Doch was nützt die ganze Sache, wenn diese Daten, wenn diese Videos nicht entsprechend in elektronischer Form an die Justizbehörden – ich habe eben schon die Einführung E-Akte benannt – weitergeleitet werden können, weil zum einen die technischen und zum anderen aber die rechtlichen Voraussetzungen fehlen?

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Sie können es nicht ausdrucken!)

Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen: die Onlinewache, die unter Buchstabe e) aufgegriffen wird. Auch dieser Ansatz ist zu begrüßen, aber dabei gilt es Folgendes zu berücksichtigen: Bei der Onlinewache – der Minister hat sich schon skeptisch dazu geäußert – benötigen wir eine Rund-umdie-Uhr-Besetzung und wir müssen uns fragen, wo die Stelle angedockt sein soll: Machen wir das zentral, machen wir das dezentral, ist das die Landespolizeidirektion, ist das das Landeskriminalamt?

Aber entscheidend ist die Frage – und das haben Sie, denke ich, auch richtig erkannt –, dass wir in jedem Fall mehr Personal brauchen. Jede Anzeige ist sofort zu überprüfen, auch wenn sie anonym erfolgt. Jedem Hinweis ist unmittelbar nachzugehen oder wie es Gewerkschaftschef Kai Christ formulierte: Jeder Klick erfordert polizeiliches Handeln. Deswegen müsste aus meiner Sicht so eine Art Clearingstelle eingerichtet werden, die Widersprüche in der Meldung oder fehlende Angaben sofort hinterfragt – sozusagen eins zu eins – und bereinigt, vorausgesetzt die Anzeige ist eben nicht anonym und der Anfragende oder Anzeigenerstattende ist auch bekannt und erreichbar. Zudem, auch das wissen wir, sinkt die Mitteilungsschwelle bei Onlinewachen, das bedeutet eine weitere Zunahme an Anzeigen und Mehrarbeit für die Kollegen. Herr Minister, Sie sollen gesagt haben, ein solches Angebot muss auch personell untersetzt sein. Da kann ich Ihnen nur beipflichten.

Ich möchte noch etwas zum Buchstaben i) sagen: Dort wird notwendigerweise richtig erkannter Fortund Weiterbildungsbedarf angesprochen. Aber auch da, Herr Minister, sage ich: Das geht nicht so nebenbei, auch da brauchen wir zusätzliches Personal.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Ziffer III wird die Aufforderung an die Landesregierung ausgesprochen, bis zum 30. Juni 2019 eine entsprechende Konzeption vorzustellen, also in bereits 16 Monaten. Da sage ich: Nach den vielen Gesprächen, die ich auch mit Kolleginnen und Kollegen, mit den Gewerkschaften geführt habe, frage ich mich wirklich, wer dieses Mammutprojekt eigentlich stemmen soll. Aus meiner Sicht ist dies mit dem vorhandenen Personal so nicht zu leisten.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: In 16 Monaten eine Konzeption!)

Sehr geehrter Herr Minister Maier, Sie kündigen in der Presse richtigerweise an, Expertenabteilungen zu involvieren. Diese Expertenabteilung wünsche ich mir, das ist auch eine Forderung von uns, aber die kann ich bisher eben noch nicht erkennen.

(Beifall CDU)

Ich will gern auch die Frage stellen, wie wir denn diese großen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, auch bewältigen können. Deswegen lassen Sie mich noch zwei Sätze vorschalten: Ich will zunächst anführen, dass alle Polizeien der Länder und des Bundes erheblichen Nachholbedarf haben. Wir sind also nicht allein, das ist aber auch nur ein schwacher Trost. Vor einigen Wochen trafen sich Vertreter des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, BDK, deutschlandweit in Oberhof. Einige Kollegen aus dem Plenum waren auch mit dabei.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Sie sind relativ früh gegangen, Herr Walk!)

Deren Chef, BDK-Vorsitzender André Schulz, bringt es auf den Punkt. Er hat gesagt: Wir machen vieles nicht, was wir könnten, weil uns die Ressourcen fehlen. Wir krebsen tatsächlich an den Anfängen der Digitalisierung herum. Keine der deutschen Polizeien verfügt über ausreichend IT-Spezialisten. So weit der BDK-Chef.

Was ist also zu tun? Von entscheidender Bedeutung neben den Rechtsfragen, Fragen der Finanzierung – auch wenn Sie sagen, Herr Minister, die Finanzierung ist sichergestellt – und dem Aufbau einer sinnvollen Organisationsstruktur erscheint mir der Personalbereich zu sein. Damit ist auch die Achillesferse bereits genannt. Ich sprach es eben schon an: Von den geschätzten 150 Mitarbeitern im IT-Bereich der Polizei sind vielleicht zwei oder drei Hände voll, also gerade einmal 10 oder 15 Mitarbeiter, echte IT-Experten mit entsprechender externer Fachqualifikation. Den Rest, das ist das Gebot der Stunde, erledigen Polizeivollzugsbeamte teils im Haupt-, teils im Nebenamt. Das ist verschiedenen Umständen geschuldet, aber schon gar nicht den Kollegen vorwerfbar. Ganz im Gegenteil, diese – die mir auch bekannt sind – sind sehr engagiert und versuchen noch zu retten, was zu retten ist. Aber wir sagen: Experten in die Büros und Polizisten auf die Straße.

Herr Minister, ich bin ja bei Ihnen, Sie haben heute öffentlich Ihren Vier-Punkte-Plan artikuliert. Das konnte man zumindest nachlesen. Auch die Überschrift passt, ich fasse es zusammen mit „Digitalisierung kann Polizei effizienter machen“. Das kann man natürlich nur unterschreiben. Ich will die Punkte nochmals nennen, die Sie aufgegriffen haben. Es waren nicht alle Punkte aus dem rot-rot-grünen Antrag. Sie haben gesagt: Anschaffung mobiler Endgeräte, dahinter mache ich einen Haken – positiv. Auch die Einrichtung von Messenger-Diensten ist positiv. Der Knackpunkt ist die Verbesserung der IT-Infrastruktur. Das ist eben die große Herkulesaufgabe. Das Bemühen um IT-Experten müssen wir natürlich auch vorantreiben. Das geht aber auch nur mit den entsprechenden Finanzmitteln. Aber als ehemaliger Digital-Staatssekretär, wenn ich es so bezeichnen darf, Herr Minister, wissen Sie am besten, dass ein Vier-Punkte-Programm natürlich keine greifbare und keine nachhaltige IT-Strategie ersetzt.