Protokoll der Sitzung vom 23.02.2018

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Walk, ich möchte zum Antrag der CDU-Fraktion gern reden. Ich will vielleicht damit beginnen, und das wird Sie etwas überraschen: Ich habe sogar etwas Verständnis für den Antrag der CDU-Fraktion, Herr Walk.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Davon gehe ich aus!)

Es ist natürlich schon so, Herr Minister, dass sich der Abgeordnete wundert, wenn im Innenausschuss angekündigt wird, dass die Landesregierung die Ergebnisse des Pilotversuchs Bodycam erst im März präsentieren kann und zwei Wochen nach der Innenausschusssitzung in der Zeitschrift „Polizei in Thüringen“ auf vier Seiten Ergebnisse des Pilotprojekts veröffentlicht werden. Da fragt man sich natürlich dann schon als Parlamentarier: Wäre es nicht möglich gewesen, zumindest den Wesensgehalt dieser Berichterstattung in der PiT dem Innenausschuss mitzuteilen? Wogleich ich natürlich auch einräumen muss – und das werden Sie auch nachvollziehen in der CDU-Fraktion –, dass natürlich das, was wir in diesem Beitrag finden, noch nicht das substanzielle Ergebnis ist, auf dessen Grundlage wir tatsächlich eine Bewertung des Pilotprojekts durchführen können.

Deswegen will ich kurz zu Ihrem Antrag kommen. Sie beantragen in Punkt 1, dass die Landesregierung über das Pilotprojekt bis zum 31. März 2018 informiert. Das hat sie zugesagt und das haben wir im Innenausschuss vereinbart. Insofern ist das nur noch mal dokumentatorisch aufgefasst. Ich will Sie an Ihren gestrigen Redebeitrag zum Punkt „Digitalisierung der Polizei“ erinnern. Dort sagten Sie: Man muss ja nicht Selbstverständlichkeiten noch mal feststellen. Ich denke, das tun Sie hier in diesem Punkt. Aber nun gut, das sei Ihnen unbenommen.

Das ist auch nicht Hauptkritikpunkt meiner Rede zu Ihrem Antrag. Die Kritik fokussiert tatsächlich auf Punkt 2 Ihres Antrags – Sie haben es eben noch

mal gesagt –: Die Thüringer Polizei ist flächendeckend mit Körperkameras auszustatten und der Einsatz der Kameras ist ab dem 1. Januar 2019 sicherzustellen. Das, Herr Walk, widerspricht doch wirklich jedem Gedanken und Charakter eines Pilotprojekts, wo man Erkenntnisse sammeln will, die man dann substanziell auswerten wird. Wie bewertet man diese gewonnenen Erkenntnisse? Legt man die neben die Erkenntnisse, die aus internationalen, nationalen Studien vorliegen? Man bewertet das Pilotprojekt noch mal rechtlich und trifft dann eine Entscheidung. Ihnen ist es eigentlich gar nicht wichtig, dass man das Pilotprojekt auswertet, die Ergebnisse zur Kenntnis nimmt, diskutiert. Sie wollen im Prinzip, dass das Ergebnis schon feststeht und schreiben das sogar noch in Ihren Antrag rein. Und das offenbart tatsächlich, dass Sie an einer wirklichen Analyse und Diskussion, die über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Körperkameras zu führen ist, kein Interesse haben.

Was Sie dann aber auch noch machen, Sie sagen: Unabhängig vom eigentlichen Inhalt des Pilotprojekts gehen wir sogar noch darüber hinaus, wir wollen den Einsatz der Bodycams im privaten Bereich ermöglichen, und das heißt, den Einsatz in Wohnungen auch eröffnen. Und dann wissen Sie, dass der Grundrechtseingriff der Bodycam, der ohnehin im öffentlichen Raum schon besteht, damit noch mal ungleich schwerer wiegt und ungleich andere Rechte auch von anderen noch mit betroffen sein werden, was auf der Grundlage – selbst wenn man akzeptiert, dass das bisherige Polizeiaufgabengesetz in § 33 Abs. 6 eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Bodycam im öffentlichen Raum darstellt – dieses Polizeiaufgabengesetzes überhaupt nicht zulässig ist und zwingend eine gesetzliche Änderung notwendig macht.

Insofern sage ich Ihnen aber auch, wenn ich diese drei Punkte zusammennehme, dass Ihr Antrag im Prinzip auch in der Öffentlichkeit wieder Spiegelfechterei ist. Ich darf hier nicht zitieren oder wiedergeben, wie Ihre Fraktion im Haushalt abgestimmt hat, aber ich will in der Öffentlichkeit mal ein Beispiel nennen. Da beantragen drei Fraktionen, die die Regierung stellen, die Thüringer Polizei mit 800.000 Euro zusätzlich für Bildübertragungstechnik und Videotechnik auszustatten, nämlich um damit die Beweissicherungsmöglichkeiten von Straftaten, beispielsweise bei Fußballspielen, bei Demonstrationen usw., zu verbessern und überhaupt erst sicherzustellen, und es gab eine Fraktion, die größte Oppositionsfraktion, die das abgelehnt hat. Und dann kommen Sie vier Wochen später und sagen: Wir brauchen die Bodycam, egal was Pilotprojekte zum Ergebnis gebracht haben, wir wollen die einsetzen. Aber die Grundlagen polizeilicher Arbeit, die wollen Sie nicht schaffen. So haben Sie sich im Haushalt verhalten, und das finde ich dann auch

(Abg. Walk)

ein Stück weit unehrlich, was Sie hier in der Öffentlichkeit versuchen zu suggerieren.

Sie haben in dem Punkt 3 – und das habe ich gesagt – natürlich ein Ansinnen, was auf der Grundlage des bisher geltenden Polizeiaufgabengesetzes überhaupt nicht umsetzbar ist. Sie beantragen de facto hier etwas Rechtswidriges. Da will ich nämlich auch mal zur Rechtsgrundlage kommen: Da sind wir durchaus auch in einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thüringer Innenministerium, denn wir glauben auch, die Rechtsgrundlage, wie sie gegenwärtig im Polizeiaufgabengesetz steht, ist eben nicht belastbar. Der § 33 Abs. 6 ist durch den Gesetzgeber eingeführt worden, um in Funkstreifenwagen bei Verkehrskontrollen eine Dashcam einzusetzen, um Polizeibeamte zu schützen. Mittlerweile dehnen Sie das so weit aus, dass im Prinzip nicht nur der Polizeiwagen bei Verkehrskontrollen ausgestattet werden soll – im Übrigen wurde in Thüringen nie ein einziger Funkstreifenwagen derartig ausgestattet –, sondern Sie wollen das so weit ausdehnen, dass im Prinzip flächendeckend jeder Polizeibeamte eine laufende Kamera ist, und Sie wollen das sogar im privaten und Wohnungsbereich ausdehnen. Da sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wir haben bei der Bodycam genau etwas, was wir exemplarisch im Bereich der öffentlichen Sicherheit immer wieder kritisieren. Wir haben an einer Stelle – ich werde darauf noch mal zurückkommen – eine Rechtsgrundlage, die ausgedehnt und immer weiter mit im Prinzip stark an die Verfassungswidrigkeit grenzenden Befugnissen der Polizei gefüllt wird, bis sie im Prinzip zu platzen droht, und dann wird am Ende immer wieder betont: Wir brauchen das und wer jetzt gegen diesen Einsatz ist oder diese zusätzlichen, zum Teil verfassungswidrigen Befugnisse ist, der gefährdet eigentlich die Sicherheit.

Natürlich müssen wir uns die Frage stellen, ob ein solcher Eingriff in die verfassungsmäßigen Grundrechte, der mit einer Kamera verbunden ist, überhaupt zulässig ist. Das heißt natürlich: Wir müssen auf der einen Seite die Rechtsgrundlage im Polizeiaufgabengesetz überprüfen und müssen auf der anderen Seite aber natürlich die verfassungsrechtlichen Schranken von Befugnissen der Polizei, in Grundrechte einzugreifen, eben mit berücksichtigen. Da gibt es ja – das dürfte allen bekannt sein – eben auch einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Dazu will ich zu drei Punkten ausführen.

Zum Ersten – Erforderlichkeit: Eine Bodycam ist zur Strafverfolgung überhaupt nicht erforderlich. 99 Prozent der Täter sind erkannt. Das geht aus allen Kleinen Anfragen hervor, die wir hier stellen. Die Frage der Erforderlichkeit im Bereich der Gefahrenabwehr müssen wir natürlich diskutieren, weil es unser gemeinsames Anliegen sein muss, Polizeibeamte auch vor tätlichen Angriffen zu schützen. Aber dann will ich Ihnen natürlich auch sagen: Das,

was Sie immer wieder suggerieren, ist gar keine richtige Situation, jedenfalls nicht belastbar durch das Zahlenmaterial, was auch aufgrund Ihrer Anfragen den Abgeordneten des Thüringer Landtags vorliegt. Denn wenn man sich die Zahlen von tätlichen Angriffen, und zwar von tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte, in Thüringen im Vergleich der Jahre 2014 bis zum Jahr 2016 anschaut und dann noch mal berücksichtigt, dass eine Vielzahl der tätlichen Angriffe nur Versuche waren und praktisch der Anteil der unterbundenen Versuche tätlicher Angriffe auf Polizeibeamte von 2014 bis 2016 deutlich angestiegen ist, dann kommen wir dazu, dass die tätlichen Angriffe, die vollendet worden sind, von 2014 bis zum Jahr 2016 um 2,8 Prozent abgenommen haben. Das sind Zahlen, die wir auch aufgrund Ihrer Anfragen hier als Abgeordnete zur Kenntnis bekommen haben, und deswegen muss man sich die Frage tatsächlich stellen: Was ist denn das Neue an Entwicklung, was es notwendig macht, diese Körperkameras einzusetzen?

Ich will zur Zweckmäßigkeit sprechen, auch hier wieder im Bereich der Strafverfolgung: Die Bodycam ist im Prinzip kein zweckmäßiges Beweissicherungsmittel. Der Beamte selbst entscheidet, wann er anschaltet und wann er abschaltet, und damit kann ein Geschehensablauf überhaupt nicht rekonstruiert werden, weil vieles, was davor oder danach stattgefunden hat, eigentlich gar nicht dokumentiert ist und im Prinzip auch nur ein Teil der Beteiligten darüber entscheidet, was dokumentiert werden kann. Wir kommen zu einem weiteren Problem, nämlich dass der Audiomitschnitt rechtlich gar nicht zulässig ist, mit dieser Bodycam auch gar nicht realisiert werden kann. Also: Die Zweckmäßigkeit einer Bodycam im Rahmen der Strafverfolgung ist nicht gegeben.

Kommen wir zur Zweckmäßigkeit im Bereich der Gefahrenabwehr: Wir müssen doch konstatieren, dass zwei Drittel der Täter, die Polizeibeamte tätlich angreifen, alkoholisiert sind. Die Hauptpunkte oder die Hauptgegebenheiten für Angriffe auf Polizeibeamte sind bei Festnahmen und bei häuslicher Gewalt festzustellen – dort, wo Täter im Affekt reagieren. Und da ist der Einsatz der Bodycam eben auch nicht zweckmäßig in solchen Bereichen, weil sie natürlich nicht von – sage ich mal – Optimalsituationen ausgehen können, die wir uns natürlich auch als Beispiele darstellen können, aber die sind es in der Regel nicht, wo wir die sehr zu kritisierenden Angriffe auf Polizeibeamte vorfinden.

Und dann komme ich zum dritten Punkt, der Geeignetheit überhaupt, der wir uns natürlich auch als Fragestellung zuwenden. Zur Strafverfolgung muss ich nicht weiter ausführen, das habe ich im Prinzip mit denselben Gründen bei der Zweckmäßigkeit schon getan, aber zur Geeignetheit will ich im Bereich der Gefahrenabwehr natürlich auch noch etwas sagen. Wir haben in vielen Bereichen eine Dis

kussion, dass mit der Bodycam der Anteil tätlicher Angriffe auf Polizeibeamte um 40 Prozent zurückgegangen ist. Das ist auch eine Zahl, auf die sich das Thüringer Innenministerium beispielsweise beim Pilotversuch Hessen bezieht. Tatsächlich sind die Fallzahlen in Hessen aber so gering, dass eine wirklich belastbare Argumentation auf der Tatsache der 40 Prozent auch nicht zu führen ist. Wir haben beispielsweise im Vergleich auch in Thüringen in dieser Zeit in einzelnen Landkreisen ganz ohne Bodycam Rückgänge tätlicher Angriffe auf Polizeibeamte von 40 Prozent zu verzeichnen gehabt.

Was aber natürlich Sinn macht, wenn die Fallzahlen sehr groß sind, dann auch mal in die Statistik reinzukommen. RAND Europe und die University of Cambridge haben genau mal international Bodycam-Einsätze untersucht und kommen zu einem erstaunlichen Ergebnis: Mit der Bodycam ist der Anteil der Angriffe auf Polizeibeamte um 15 Prozent gestiegen. Ich will aber auch einräumen: Die Bodycam hat dann einen straftatenverändernden oder -verringernden Effekt nach dieser Studie, wenn sie permanent aufzeichnet und wenn sie gleichzeitig Tonmitschnitte aufzeichnet, und das ist eben etwas, was in unserer Demokratie, in unserem Rechtsstaat an verfassungsrechtliche Grenzen stößt. Und in dieser Summe kommen wir eben zu dem Ergebnis, dass auch die Geeignetheit nicht gegeben ist.

Dann will ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der ja heute auch im MDR eine Rolle spielt, die wissenschaftliche Begleitung. Wir haben das als Linke kritisiert, Herr Minister, dass bei diesem Pilotprojekt die wissenschaftliche Begleitung nicht so in dem Maße ausgeprägt ist, wie wir uns das wünschen. Beispielsweise bezieht sich das auch auf das Fehlen von Kontrollgruppen im gleichen Zeitraum mit vergleichbaren Kriminalitätsentwicklungen, die ohne Bodycam unterwegs sind und vielleicht andere Formen kommunikativer Ansprache von potenziellen Tätern ausprobieren, um das wirklich vergleichend auch untersuchen zu können. Nun sagt das Innenministerium, aber auch der MDR heute, es gibt eine wissenschaftliche Begleitung und diese wissenschaftliche Begleitung findet durch die Polizeifachhochschule Meiningen und die Universität in Koblenz statt. Aber beide Bildungseinrichtungen oder beide wissenschaftlichen Einrichtungen konzentrieren sich eben tatsächlich nur auf subjektive Wahrnehmungen. Die einen konzentrieren sich auf eine Akzeptanzstudie bei den Einsätzen von Polizeibeamten und die anderen konzentrieren sich auf Umfragen bei Bürgerinnen und Bürgern, wo bereits in der Einleitung zur Umfrage im Prinzip die Position der Befürworter der Bodycam suggeriert wird. Ich halte diese Umfrage nun wirklich nicht für seriös, aber das mal dahingestellt.

Und wenn ich mir das Zwischenergebnis anschaue, Herr Minister, aus der Zeitschrift „Polizei in Thüringen“, dann komme ich auch zu dem Ergebnis, dass

wir diese Diskussion über die Bodycam bislang eben anhand subjektiver Eindrücke führen. Das will ich Ihnen auch mal deutlich machen. Wir finden dann die Formulierungen: Die Beamten in der Polizeiinspektion seien sehr angetan, würden überwiegend zustimmen und seien aufgeschlossen, fühlen sich anscheinend sicherer, sind augenscheinlich positiv wahrgenommen worden; subjektiv betrachtet ist es geeignet. Und so geht es immer weiter und immer fort. Es geht praktisch um subjektive Eindrücke. Ich glaube, das ist noch nicht der belastbare Bericht, mit dem wir tatsächlich eine Auseinandersetzung führen können.

Dann will ich, auch wenn wir über Verhältnismäßigkeit und subjektive Eindrücke sprechen, noch auf einen weiteren Punkt kommen, der auch in diesem MDR-Beitrag eine Rolle spielt. Da wird nämlich auf das Beispiel der Polizeiinspektion Sonneberg verwiesen. Ich will kurz zitieren: „Als die Beamten der Polizeiinspektion Sonneberg in dem Problemviertel eintrafen, fanden sie rund 15 Personen grölend und pöbelnd vor. Laut dem späteren Einsatzbericht ging einer der Rädelsführer auf die Beamten zu und beleidigte sie. Daraufhin griffen diese auf neueste Technik zurück. Sie kündigten dem schwerbetrunkenen Mann und seinen Freunden an, dass sie ihre Körperkameras – auch Bodycams genannt – einschalten würden.“ Da bin ich genau an dem Punkt: Wir haben bereits im Pilotprojekt eine deutliche Überschreitung des Übermaßverbots aus der Verfassung, das ist nämlich wirklich eine Verletzung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Hier wird ein Eingriff der Videoaufzeichnung in die Grundrechte im Falle einer bevorstehenden Beleidigung gerechtfertigt. Das ist tatsächlich ein vollkommen unverhältnismäßiges Einsetzen dieses Eingriffs in Grundrechte. Deswegen sehen wir das im Prinzip auch sehr kritisch, weil wir hier genau diese Entwicklung haben, die ich eben versucht habe, an diesem Beispiel des MDR und aus der PI deutlich zu machen.

Ich will aber auch zum Ende kommend sagen – und das will ich noch mal wiederholen –, dass wir uns in der Politik natürlich auch darüber Gedanken machen müssen, wie Polizeibeamte geschützt werden können. Natürlich ist es dabei unter Umständen auch möglich, in Grundrechte einzugreifen, aber es braucht diese Verhältnismäßigkeitsprüfung. Wenn die Verhältnismäßigkeitsprüfung positiv ausgeht, dann wäre die in Grundrechte eingreifende Befugnis auch zu rechtfertigen. Bei der Bodycam ist das aus unserer Sicht eben nicht erfüllt, zumal, und das hatte ich ausgeführt, in § 33 Abs. 6 auch die dafür notwendige Rechtsgrundlage fehlt. Deshalb werden wir den Antrag auch ablehnen.

Aber, das will ich auch zusagen, wir werden uns natürlich den Bericht des Pilotprojekts und auch den Evaluationsbericht des Innenministeriums, den der Landtag in Auftrag gegeben hat, zu nationalen

und internationalen Studien sehr aufmerksam angucken und auch – denke ich – sehr sachgerecht diskutieren. Aber, meine Damen und Herren, wir werden uns als Linke auch in der Diskussion um die Bodycam der Frage zuwenden: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wollen wir wirklich permanent Polizeibeamte als laufende Kameras im öffentlichen Raum haben?

Ich will Ihnen noch mal die Entwicklung aufzeigen, die wir jetzt schon im Bereich der Bodycams zu verzeichnen haben. Wir haben eine rechtliche Grundlage, Polizeiaufgabengesetz, für den Einsatz der sogenannten Dashcam. Mittlerweile diskutieren wir über eine Bodycam, die durch den Beamten angeschaltet und auch wieder abgeschaltet werden kann. Wenn wir in andere Länder gucken, dann haben wir schon das sogenannte Pre-Recording, also das ständige Aufzeichnen des öffentlichen Raums um den Polizeibeamten herum, was dann bei Aktivierung der Aufzeichnung 30 Sekunden bis 10 Minuten rückwirkend auch die Videoaufzeichnungen, die angefertigt worden sind, speichert und übertragbar, auswertbar macht. Das heißt, wir haben im Prinzip schon eine dauerhafte Aufzeichnung. Wir haben jetzt in einzelnen Bundesländern schon Pilotprojekte zum Einsatz der Bodycam im Wohnungsraum, im privaten Bereich, dort, wo der Kernbereichsschutz am größten ist. Wir haben Diskussionen über die Audioaufzeichnung, also das im Vorfeld gesprochene Wort, im Zusammenhang mit Pre-Recording. Wir haben die Diskussion natürlich auch in Berlin in Pilotprojekten der sogenannten intelligenten Videoaufzeichnung, das heißt, wo auch gleich Gesichtserkennung, Identifizierung durchgeführt wird. Und wenn wir dann auch tatsächlich noch die vernetzte Bodycam haben, wo all diese Elemente miteinander vernetzt werden, dann haben wir einen Überwachungsstaat, wo wirklich die Polizeibeamten Teil einer flächendeckenden Videografierung von Menschen in diesem Land sind. Das möchten wir nicht. Ich möchte mir nicht vorstellen, in einer solchen Gesellschaft zu leben.

Ich will abschließend sagen: Auch diese weitreichenden Datenaufzeichnungen, die mit der Bodycam möglich sind, sind nicht nur eine Frage des Grundrechtsschutzes derer, die im Bild der Kamera herumlaufen. Es ist auch eine Frage des Grundrechtsschutzes derer, die die Kamera tragen. Zu Recht hat der GdP-Bundesvorstand angemerkt, dass hier Fragen des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen sind, weil auch dieser befürchtet, dass die Bodycam und die damit erhobenen Daten praktisch Gegenstand des Eingriffs in die Rechte der Bediensteten sein werden. Insofern, Herr Walk, liebe CDU-Fraktion, werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir sind sehr gespannt auf den Bericht des Innenministeriums, den wir sehr sachlich im Ausschuss diskutieren werden. Dann werden wir im Er

gebnis natürlich auch die richtigen Rückschlüsse ziehen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Adams von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Gäste hier im Thüringer Landtag, es ist nun nicht der erste Antrag der CDU zum Thema „Bodycams“, sondern offensichtlich beantragt die CDU mit guter Regelmäßigkeit, der Polizei dieses Mittel an die Hand zu geben. Abgesehen davon haben wir schon darüber diskutiert und gesagt – ich glaube, es war genau vor einem oder ziemlich genau vor einem Jahr –, wir wollen ein Pilotprojekt auf den Weg bringen und dieses Pilotprojekt – so hat es der Landtag beschlossen – wollen wir abwarten und eine Arbeitsgruppe einrichten, die sich mit Expertengutachten, wissenschaftlichen Gutachten – international, aber auch in Deutschland – auseinandersetzt. Wir sollten diesen Bericht abwarten. An dieser Stelle könnte man, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rede enden lassen, weil wir eigentlich nur darauf verweisen, was der Thüringer Landtag schon beschlossen hat. Ich glaube, das kann man auch akzeptieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist zumindest meiner Meinung nach im CDU-Antrag auch nicht dargelegt worden, welche neue Situation jetzt eingetreten ist, warum man erneut und wieder darüber diskutieren muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Pilotprojekt und auch der Beschluss des Thüringer Landtags müssen in jedem Fall abgearbeitet und auch beachtet werden. Der Bericht liegt uns nicht vor, ebenso ist das Pilotprojekt noch nicht zu Ende gebracht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will aber trotzdem zu der Frage des Einsatzes von Bodycams Stellung nehmen. Wir alle wissen nicht, was das Pilotprojekt und die Studie ergeben werden, aber wir haben Skepsis, ob es sich hierbei um die erste Wahl handelt. Richtig ist – und das haben wir alle gelesen –, dass in der PiT die Polizeibeamten, die damit ausgestattet waren, zunächst als Zwischenauskunft sagen, sie kommen damit gut klar. Das scheint alles zu funktionieren, es gibt offensichtlich keine technischen Schwierigkeiten. Das wären alles Punkte, die man sonst noch angehen müsste. Das nehmen wir mal wahr, dass das für die Polizeibeamten zunächst eine subjektiv gefühlte Ar

(Abg. Dittes)

beitserleichterung oder Verbesserung im Arbeitsalltag ist. Das ist nicht gering, sondern recht hoch zu wichten.

Dennoch wissen wir zum Beispiel auch aus Auswertungen, die an der Polizeihochschule in BadenWürttemberg gemacht wurden, dass es keine tatsächliche Korrelation zwischen dem Einsatz von Videokameras und einem Zurückgehen von Gewalt gibt. Vielmehr legt die Studie oder die Untersuchung von Frau Prof. Karoline Ellrich nahe, dass es andere Mechanismen sind, die von der Gewalt zurücktreten lassen: Das sind gemischte Teams, das Auftreten der Polizei im Team, vor allen Dingen bei sogenannten gemischten Streifen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Hier sind die Gewaltandrohungen vonseiten des Störers gegenüber der Polizei enorm zurückgegangen. Das scheint erst einmal als valider Befund im Raum zu stehen.

Es gibt auch aus Großbritannien eine Studie aus acht Polizeieinheiten in sechs Gerichtsbezirken – das heißt, das betrifft dort ungefähr einen Raum von 2 Millionen Einwohnern, das dürfte mit Thüringen vergleichbar sein, also auch ein relativ valides Ergebnis –, die zeigt keine klare Zuordnung: Mit Bodycam werden die Beamten nicht angegriffen und ohne Bodycam werden sie angegriffen. Es gibt eine hohe Heterogenität, haben die Wissenschaftler herausgefunden. In manchen Situationen und an manchen Orten traten die Effekte ein, aber manchmal eben auch nicht. Insgesamt haben sie herausgefunden, dass es beim Tragen von Bodycams, wenn man es sich über den gesamten Untersuchungszeitraum anschaut, tatsächlich eine leicht erhöhte Anzahl von Angriffen gegeben hat. Das kann mit der Bodycam zu tun haben, das kann mit den speziellen Einsatzbedingungen zu tun haben. Wenn man mit Polizeibeamten spricht, hört man auch immer wieder, dass kein Einsatz dem anderen gleicht. Es sind immer singuläre Ereignisse, die dort zu bewältigen sind.

Insofern muss man genau hinschauen, ob wir unseren Polizeibeamtinnen und -beamten tatsächlich eine wirklich wirkungsvolle Hilfe mit der Bodycam an die Hand geben. Wir wollen in jedem Fall das Pilotprojekt abwarten. Wir wollen in jedem Fall den Bericht aus dem Innenministerium zur Kenntnis nehmen können, im Thüringer Landtag und im Innenausschuss auswerten und dann wollen wir entscheiden – vorher wollen wir das nicht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Henke, Fraktion der AfD, das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, werte Gäste! Wir haben nun schon mehrfach gehört, dass es einen Bericht geben wird. Sie hatten es im November zugesagt, hatten auch schon Ausführungen zu den Bodycams gemacht, zu bestimmten Spezifikationen. Der CDU-Antrag zielt dahin, dass man das möglichst zeitnah einführen sollte, denn seit Jahren wächst für Polizeibeamte hierzulande die Belastung im Dienst, das steht fest. Parallel dazu steigt aber noch die Anzahl der Angriffe auf die Polizeibeamten stetig an. Man muss leider davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen wird, und deswegen ist das ein guter Ansatz.

Als Politiker dürfen wir dieser Entwicklung natürlich nicht tatenlos zusehen und unsere Polizei in dieser Situation im Stich lassen. Denn jeder Angriff auf einen Polizisten ist zugleich auch ein Angriff auf den Staat.

(Beifall AfD)

Ich sehe es daher als unsere Verpflichtung an, dass wir den Polizisten in Thüringen auf jede erdenkliche Art den Rücken stärken.

(Beifall AfD)

Aus diesem Grund stehen wir dem hier vorliegenden Antrag auch grundsätzlich positiv gegenüber. Nach unserem Dafürhalten können Körperkameras nämlich entscheidend dazu beitragen, den Dienstalltag der Polizisten zu erleichtern und anschließend Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Das war damals auch unser Kritikpunkt, das Projekt ist ja noch vom damaligen Herrn Innenminister Poppenhäger angeschoben worden. Wir haben darüber geredet, ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Denn bereits der Anblick einer solchen Kamera wirkt auf potenzielle Angreifer abschreckend, da diese sich bewusst sind, dass ihr gesamtes Fehlverhalten aufgezeichnet wird und auch gegen sie verwendet werden kann. Des Weiteren wird durch den Einsatz der Körperkameras im Rahmen eines Strafverfahrens auch die Beweisführung erleichtert und man kann falschen Anschuldigungen gegen Polizisten zuvorkommen. Wie man also sieht, bringt der Einsatz von Körperkameras erhebliche Vorteile für den täglichen Polizeidienst mit sich.

Bevor man jedoch nun anfängt, unsere Polizeibeamten mit der neusten Hightech-Ausrüstung auszustatten, sollte man zunächst dafür Sorge tragen, dass unsere Polizisten über die notwendige und vor allem funktionsfähige Grundausstattung verfügen. Wir haben es gestern gehört: Digitalisierung 4.0 in der Polizei, das ist auch der richtige Weg – wobei ich da ein paar Magenschmerzen habe –, um für den täglichen Dienst angemessen ausgerüstet zu sein. Denn genau das ist gegenwärtig nicht der Fall.