Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Bitte entschuldigen Sie, erkältungsbedingt ist meine Stimme heute etwas heiser. Ich möchte Ihnen trotzdem zu einem sehr ernsthaften Thema berichten. Es geht um einen Sprengstofffund bzw. um Materialien, die zur Herstellung von Sprengstoff genutzt werden können. Damit bewegen wir uns im Strafbestand eines Verbrechens nach § 310 Strafgesetzbuch.
Ihnen sind aufgrund der vielfältigen Presseberichterstattungen, die nunmehr auch die nationalen Medien erreicht haben, sicherlich verschiedene Aspekte und Informationen zum Sachverhalt bekannt geworden. Lassen Sie mich zur besseren Einordnung dennoch zunächst einmal ein Bild vom Sachverhalt darlegen, wie er den Thüringer Ermittlungsbehörden und Sicherheitsbehörden zum jetzigen Zeitpunkt bekannt ist. Ich bitte hierbei zu berücksichtigen, dass sich die polizeilichen Ermittlungen erst am Anfang befinden. Aufgrund der Tatsache, dass derzeit ein strafrechtliches Verfahren läuft, bitte ich zugleich um Ihr Verständnis, dass ich Ihnen aus strafprozessualen Gründen nicht alle Details mitteilen kann. Selbstverständlich will ich aber Ihrem Informationsinteresse gerecht werden, da ja auch Sie sich gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch sicherlich erklären müssen und wollen. Deshalb habe ich einen Selbstbefassungsantrag für den kommenden Innen- und Kommunalausschuss zu diesem Thema vorbereitet und bereits dem Landtag zukommen lassen.
Zum Sachverhalt: Ein Zeugenhinweis vom Montag, dem 5. März 2018, war Anlass, im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft Gera ein Strafverfahren wegen Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens gemäß § 310 Strafgesetzbuch gegen zwei namentlich bekannte Personen einzuleiten. Unverzüglich folgten weitere Ermittlungen und Vernehmungen sowie unverzüglich ein Informationsaustausch mit dem Landeskriminalamt, in dessen Ergebnis die Staatsanwaltschaft Gera beim zuständigen Amtsgericht mehrere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkte. Unter Bildung einer sogenannten Besonderen Aufbauorganisation gemeinsam mit Beamten des Landeskriminalamts und der Bereitschaftspolizei wurden dann am 13. März 2018 insgesamt vier Objekte in Rudolstadt und in Uhlstädt-Kirchhasel durchsucht. Hierbei wurde eine Vielzahl von Gegenständen, die zur Herstellung von Sprengstoff geeignet sind, aufgefunden und sichergestellt.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen Hinweis: Die Polizei ist natürlich in erster Linie auch zur Gefahrenabwehr verpflichtet, und diese Gefahrenabwehr hat sehr kurz nach dem Zeugenhinweis stattgefunden.
Die sichergestellten Sprengstoffe: Darunter befanden sich 2,3 Gramm ETN, das ist ein Sprengstoff, dessen Sprengkraft die Sprengkraft von TNT deutlich übertrifft. Insofern ist die geringe Menge nicht unerheblich. Es wurden mehr als 75 Kilogramm Kunstdünger gefunden. Es wurden gefunden 2 Kilogramm Magnesiumpulver, 2 Kilogramm Schwefelpulver, 2 Kilogramm Calciumcarbit – jeweils circa 2 Kilogramm –, 2 Kilogramm Magnaliumpulver, 2 Kilogramm Kaliumnitrat und noch 2 Kilogramm anderer chemischer Substanzen. Es wurden weiterhin gefunden eine Vielzahl von Böllern unbekannter Herkunft. Es wurden vier Kartons mit einer Vielzahl selbstlaborierter Böller mit Zündschnur gefunden. Es wurde gefunden ein Trolley mit Komponenten für die Herstellung des hochexplosiven Sprengstoffs TATP, zum Beispiel Aceton, Wasserstoffperoxid, verschiedene Säuren, Reagenzgläser, Schutzmasken und Trichter. Es wurden acht Flaschen Buttersäure je 1 Liter gefunden. Darüber hinaus wurden verschiedene elektronische Datenträger gefunden und sichergestellt. Der Vollständigkeit halber will ich zugleich ausführen, dass darüber hinaus tatsächlich Cannabis in geringer Menge sichergestellt sowie eine Aufzuchtanlage ohne Betäubungsmittel zufällig aufgefunden wurde. Des Weiteren wurden eine Schreckschusswaffe mit Kartuschenmunition sowie Pfeilspitzen für eine Armbrust sichergestellt.
Der Tatverdacht richtet sich gegen zwei deutsche Tatverdächtige im Alter von 25 und 31 Jahren. Eine zunächst erfolgte vorläufige Festnahme des 25-jährigen Tatverdächtigen am 13. März 2018 wurde wegen fehlender Haftgründe von der Staatsanwaltschaft Gera am nächsten Tag aufgehoben.
Ebenso wenig wie zum konkreten Tatgeschehen liegen derzeit vollständig belastbare Informationen zu den Tatverdächtigen vor. Ich kann Ihnen jedoch die Pressemitteilung bestätigen, wonach zumindest ein Tatverdächtiger politisch links einzuordnen ist. Der 31-jährige war für das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt aktiv.
Das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt hat im Jahr 2016 im Rahmen der Demokratiepreisverleihung einen Anerkennungspreis erhalten. Der Preis ging nicht an eine Einzelperson, sondern an das Bündnis, und zwar für sein Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Das Bündnis hat sich unverzüglich nach Bekanntwerden der Vorwürfe in aller Deutlichkeit vom Tatverdächtigen distanziert.
Dies war aus Sicht der Landesregierung richtig und notwendig. Für Gewalt oder Pläne zur Gewaltausübung kann es keinerlei Toleranz geben.
Eines möchte ich aber noch mal herausstellen und betonen: Auch wenn einer der Tatverdächtigen für das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt tätig war, steht es niemandem an, diese und andere Organisationen pauschal als Rechtsbrecher und Gewalttätige zu verurteilen.
Viele dieser Bündnisse und Vereine im Land Thüringen setzen sich für Menschlichkeit, Vielfalt und Toleranz ein und das ist gut so.
Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Integration von Menschen, zur politischen Bildung und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren – auch wenn Sie jetzt lachen, Herr Höcke, bei aller Auseinandersetzung –, ich habe Respekt vor dem ehrenamtlichen Engagement, das in vielen dieser Bündnisse geleistet wird.
Nun zum zweiten Tatverdächtigen: Zu dem 25-Jährigen liegen umfangreiche polizeiliche Erkenntnisse vor, er hat also ein gewisses Vorleben, was die Polizeistatistik anbelangt. Und da er in der Vergangenheit vielfach mit verschiedenen Gewalt-, Einkommens- und Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung trat, ist er kein unbeschriebenes Blatt. Er selbst gab öffentlich an, sich nie um Politik gekümmert zu haben. Er habe nur Chemikalien beschafft und den Sprengstoff zusammengemischt.
Das macht es nicht besser, aber es war seine Auslassung zum Thema seiner politischen Einstellung, die gebe ich nur wieder.
Also, ob die Straftaten einen politischen Hintergrund haben und wenn ja, welchen, wird im Zuge der laufenden Ermittlungen zu klären sein. Nach
derzeitigem Kenntnisstand liegen keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen zu einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Person vor. Auch hier müssen die Ermittlungen sowie die Auswertungen der sichergestellten Materialien und Unterlagen abgewartet werden. Ein Ermittlungskomplex wird auch die Prüfung umfassen, ob die Tatverdächtigen für eine Vielzahl von Sachbeschädigungen durch Sprengstoffexplosionen im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt in den vergangenen drei Jahren als Täter infrage kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Landeskriminalamt entgegen der Darstellung in der Öffentlichkeit von Anfang an in die Ermittlungen und den geführten Informationsaustausch involviert war. Bereits die Erstinformation der Zeugin wurde Anfang März dem Thüringer Landeskriminalamt im Rahmen des entsprechenden Meldedienstes zugeleitet. Eine Verfahrensübernahme erfolgte zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der damaligen Erkenntnislage jedoch nicht. Sämtliche polizeilichen und strafprozessualen Maßnahmen erfolgten in der Folge in enger Abstimmung und unter Beteiligung der Justiz und der anderen Sicherheitsbehörden. An den Durchsuchungen am 13. März haben unter anderem auch Beamte des Landeskriminalamts teilgenommen.
Im Ergebnis der erneuten Verfahrensabstimmung zwischen der bisher verfahrensführenden Kriminalpolizei Saalfeld und dem Landeskriminalamt wurde am 17. März dieses Jahres entschieden, dass das oben genannte Ermittlungsverfahren vom Thüringer Landeskriminalamt abschließend bearbeitet wird. Die Verfahrensübernahme erfolgte auch vor dem Hintergrund, dass eine überregionale Bedeutung der Straftat zu prüfen ist. So ergaben sich aus der Auswertung der Mobilfunk- und Handydaten der Beschuldigten Anhaltspunkte für weitere Straftaten. Auch wurden Sprachnachrichten sichergestellt, welche sich als Bedrohung gegen die Erstzeugin richten. Beide Ermittlungsergebnisse sind der Staatsanwaltschaft Gera zur Bewertung vorgelegt worden. Diese sieht weiterhin keine Haftgründe für die Beschuldigten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte bereits ausgeführt, dass derzeit noch völlig unklar ist, ob die Straftaten mit einer politischen Motivation begangen wurden. Selbstverständlich war und ist innerhalb des Landeskriminalamts die Staatsschutzabteilung in die weiteren Ermittlungen eingebunden. Es wird derzeit ergebnisoffen in alle Richtungen ermittelt – genau dies habe ich schon von Anfang an deutlich gemacht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich machen: Die Landesregierung hat in der Vergangenheit gesellschaftlich und polizeilich alle erforderlichen Maßnahmen
ergriffen, um die eventuelle Herausbildung linksterroristischer Strukturen in Thüringen zu verhindern. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Thüringer Informations- und Auswertungszentrale – TIAZ – sowie den engen bundesweiten Informationsaustausch im Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum – GETZ. In jeder Kriminalpolizeiinspektion im Land sind die Staatsschutzkommissariate neben der Rechtsextremismusbekämpfung auch für die Bekämpfung linksextremistischer Straftaten zuständig. Die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamts bündelt landesweit die Erkenntnisse und übernimmt die Verfahrensführung in herausragenden Fällen selbst. Die polizeiliche Extremismusprävention umfasst auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Linksextremismus.
Durch die Stärkung der Zivilgesellschaft durch Aufklärung und Unterstützung demokratischer Teilhabe wollen die Landesregierung, die an der Erarbeitung des Landesprogramms Beteiligten sowie die in diesem Sinne Engagierten dazu beitragen, der Bedrohung für Demokratie, Menschenwürde und ein friedliches Zusammenleben in Thüringen zu begegnen. Das Landesprogramm richtet sich als Präventionsprogramm an alle Bürgerinnen und Bürger unseres Freistaats. Ihnen sollen Informationen zur Verfügung gestellt sowie zusätzliche Möglichkeiten zur demokratischen Teilhabe an menschenrechtsorientierten, partizipativ demokratischen und pluralen Alltagskulturen in einer engagierten und aktiven Zivilgesellschaft eröffnet werden. Bürgerinnen und Bürger sollen unterstützt werden, demokratische und menschenrechtsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen zu entwickeln, zu festigen und weiterzugeben. Auch das aktive und gewaltfreie Engagement gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird durch das Landesprogramm unterstützt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie gesagt, die Ermittlungen stehen erst am Anfang und die Hintergründe der Tat sind weiter mit Hochdruck aufzuklären. Deshalb ist es aus meiner Sicht verfrüht, reflexartig den Forderungen der Opposition nachzukommen, wie sie sich im zweiten Teil des Antrags der CDU-Fraktion und auch des Antrags der AfD-Fraktion finden. Lassen Sie uns gemeinsam mit der gebotenen Sachlichkeit prüfen, ob und welche Maßnahmen zielführend sein können. Diese gilt es dann konsequent umzusetzen. Lassen Sie sich versichert sein, die Landesregierung wird auch weiterhin die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger gut gewährleisten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Ich eröffne damit die gemeinsame Beratung. Abgeordneter Dittes erhält das Wort für die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident, meine Damen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen, sehr verehrte Gäste, ich hätte vorhin in der Debatte zur Tagesordnung auch gern zur Dringlichkeit gesprochen. Herr Mohring, Sie werden sich wundern, ich hätte die Dringlichkeit, die Sie hier versucht haben zu begründen, unterstützt und ebenfalls begründet, weil die einzig wirkliche Begründetheit Ihree vorgetragenen Dringlichkeit war die Rhetorik und der Inhalt Ihres Redebeitrags in Gänze.
Denn die Dringlichkeit, mit der wir heute den Tagesordnungspunkt an die erste Stelle dieses Plenums gesetzt haben, bietet uns die Möglichkeiten, Ihnen und auch Ihren Sekundanten der AfD die politische Bühne zu nehmen,
Diffamierungen und Behauptungen in der Öffentlichkeit darzustellen, und bietet uns politisch die Möglichkeit, in diesem Parlament auf der Grundlage eines sachlich vorgetragenen Berichts des Innenministers zu diskutieren,
was tatsächlich stattgefunden hat, was nicht stattgefunden hat, wo die Verantwortungen liegen und was jetzt tatsächlich seitens der Polizei, der Staatsanwaltschaft und eben auch auf der politischen Ebene getan werden muss.
Das, denke ich, ist der einzige Grund, weswegen ich auch davon überzeugt bin, dass wir zu einem Zeitpunkt, wo wir sehr wenig exakt belastbares Wissen haben, genau mit dieser Dringlichkeit hier die Debatte zu führen haben.