Protokoll der Sitzung vom 20.03.2018

Herr Mohring, der Abgeordnete Walk stellt sich hin zur Begründung Ihres Antrags und sagt, das Ziel dieses Antrags ist Aufklärung. Das Begehren nach Aufklärung folgt im Prinzip dem Umstand, dass man kein vollständiges Wissen hat, was man aber durch Aufklärungsbemühungen erreichen will. Das, was Sie gemacht haben, hier demonstriert haben, ist, so zu tun, als ob Sie umfänglich, vollständig informiert seien und daraus ziehen Sie Ihr Urteil. Sie

urteilen bereits über meine Rede, ohne sie bis zum Ende gehört zu haben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will es Ihnen auch deutlich machen, Herr Mohring: Sie stellen sich hier hin und fordern Aufklärung, und dann dokumentieren Sie bereits in der Überschrift, dass Sie eigentlich an Aufklärung gar nicht interessiert sind, sondern eigentlich schon wissen, was das Aufklärungsergebnis zum Ausdruck bringen soll. Dort heißt es: „[…] linksmotivierte terroristische Aktivitäten zügig aufklären […]“ und stellen das in diesen Kontext „Saalfeld-Rudolstadt“. Wir wissen noch gar nicht, was das eigentliche Tatmotiv ist. Wir wissen nicht, in welcher politischen Beziehung es liegt. Wir wissen auch nicht, ob es sich wirklich um Terrorismus handelt. Aber Sie sagen bereits, nur das kann vorliegen und das wollen wir aufklären. Sie nehmen im Prinzip das Aufklärungsergebnis vorweg.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die wollten Fische fangen mit dem Sprengstoff und Mutti einen Gefallen tun!)

Während Sie, Herr Mohring, in einem anderen Fall, in einem anderen Zusammenhang, nämlich in dem Zusammenhang mit dem Durchsuchen von Abgeordnetenbüros letzte Woche, noch zur Zurückhaltung gegenüber Ermittlungsbehörden und zum Abwarten von Ermittlungen aufgerufen haben, urteilen Sie im vorliegenden Fall ohne Zeitverzug und schlussfolgern ohne ausreichende Grundlagen. Dann fangen Sie in der Öffentlichkeit sogar so eine absurde Diskussion an, welcher Politiker, welcher Minister oder auch der Ministerpräsident sich wann und wo geäußert hat und messen ihn an seinen Tweet-Aktivitäten. Wenn ich dieses Spiel mal weitertreiben will, dann auch wirklich an Ihre Adresse gerichtet: Der Abgeordnete Walk hat darauf hingewiesen, die Durchsuchung hat am 13. März 2018 stattgefunden. Die OTZ hat bereits darüber berichtet. Sie haben am 15. März 2018 eine Presseerklärung als CDU-Fraktion abgegeben und einen durchaus sachlichen Selbstbefassungsantrag für den Innenausschuss gestellt. Was Sie nicht gemacht haben als CDU-Fraktion – ich denke, das ist auch nachvollziehbar –, in der Sitzung am 15. März 2018 im Innenausschuss beispielsweise unter dem Tagesordnungspunkt, der dort regelmäßig zur Beratung ansteht, „Sonstiges“, die Landesregierung zu befragen. Das haben Sie nicht getan. Aber dann erreicht man tatsächlich Informationen, wenn man sich beispielsweise den Twitter-Verlauf – habe ich dann gemacht – Ihres Pressesprechers ansieht. Nachdem nämlich das Bündnis Zumsaru sich öffentlich distanziert hat, eindeutig politisch erklärt hat, haben Sie erst angefangen, politisch hochzufahren, was Sie dann am Wochenende auf die Spitze getrieben haben. Das werfe ich Ihnen vor, dass Sie diesen ernst zu nehmenden Vorfall,

diese ernst zu nehmenden Straftatverdachte, die da im Raum stehen, für Ihr politisch motiviertes, ideologisch motiviertes Spiel nutzen und im Prinzip hier eine politische Bühne inszenieren. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und, Herr Mohring, ich weiß nicht, ob es Ihnen gefällt, Sie sekundieren damit auch die AfD, die im Titel der zurückgezogenen Aktuellen Stunde noch eine Frage stellt: Entwickeln sich unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements linksterroristische Strukturen im Freistaat? Die AfD ist aber gleichzeitig diejenige, die gerade in sozialen Netzwerken hochfährt mit einer ebenso ideologischen wie hysterischen Kampagne, und dabei werden nicht nur Bürgerbündnisse und deren Engagement gegen Nazis verunglimpft, es soll auch noch der Eindruck erweckt werden, als ob Die Linke, also meine Partei, und der Ministerpräsident selbst zu den Beschuldigten zählen oder dass die ehemalige Bildungsministerin mit dem Anerkennungspreis im Rahmen der Demokratiepreisverleihung sogar noch die aufgefundenen und zur Herstellung von Sprengmitteln geeigneten Chemikalien finanziert hat. Ich sage es ganz deutlich: Derartige Diffamierungen weisen wir, weise ich an dieser Stelle entschieden zurück.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schade, dass sich die CDU diesen Diffamierungen der AfD nur allzu leichtfertig angeschlossen hat, und es ist auch bedauerlich, dass in dieser Debatte der eigentliche Sachverhalt kaum noch sachlich betrachtet und bewertet wird und Selbstverständlichkeiten ignoriert werden. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, auch bei den Reden, die hier eben gehalten wurden, und ich will auf zwei Aspekte eingehen, weil die mich auch ein Stück weit erschüttern. Da spricht beispielsweise der Abgeordnete Walk von einem mobilen Chemielabor, Sprengstofflabor – so haben Sie es gesagt –, was jederzeit in Thüringen beweglich zum Einsatz kommen kann. Meine Damen und Herren, wer die Zeitung tatsächlich aufmerksam gelesen hat, wird bei dem, was Herr Walk als mobiles, jederzeit in Thüringen einsetzbares Sprengstofflabor bezeichnet hat, wissen, worum es sich dabei handelt. Das ist ein Einkaufstrolley.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Und was war da drin?)

Entschuldigung, das macht den Sachverhalt des Straftatbestands der Chemikalien, die in diesem Einkaufstrolley gelagert und aufbewahrt, möglicherweise auch noch mit einer gewissen Mobilität versehen worden sind, nicht besser, aber, Herr Walk, es ist doch nicht belastbar hier darzustellen, der Öf

fentlichkeit vorzugaukeln, wir hätten da ein jederzeit in Thüringen einsatzfähiges mobiles Sprengstofflabor vorgefunden. Man stelle sich tatsächlich einmal vor, wie die zwei Tatverdächtigen mit ihrem Einkaufstrolley starten, in Uhlstädt-Kirchhasel loslaufen.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ich habe die TLZ zitiert!)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Woher wis- sen Sie das so genau? Waren Sie dort?)

Nein, ich lese Zeitung und warte auf die Berichterstattung, Herr Emde. Ich schließe vorher kein Urteil aus,

(Beifall DIE LINKE)

aber ich treffe eben auch kein Urteil, bevor ich nicht weiß, was tatsächlich belastend ist. Das ist im Prinzip eine Behauptung, die durch das, was an Informationen öffentlich geworden ist, überhaupt nicht zu belegen ist.

Und dann, Herr Mohring, fragen Sie, und da sind Sie sich mit Herrn Höcke einig:

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein!)

Was wäre denn eigentlich gewesen, wenn wir ein ähnliches Ereignis mit Bezügen zum Rechtsextremismus hätten? Und Sie sagen – Herr Walk ist auch darauf eingegangen –, das wäre einzigartig, was wir hier erlebt haben.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Genau, ist es auch!)

Und ich will Ihnen diese Frage, was wäre wenn, wirklich gerne beantworten und dann können Sie alle hier im Haus und auch die Öffentlichkeit urteilen.

Erstens will ich Ihnen sagen: 2016 hatten wir 106 Sprengstoffstraftaten in Thüringen, bei denen die Thüringer Polizei ermittelt hat. Das macht keine dieser Straftaten, auch nicht diese, in irgendeiner Form ungefährlicher. Aber am 25. April 2017 hat das Landeskriminalamt bereits schon einmal ein Sprengstofflabor ausgehoben, und zwar in Heiligenstadt/Großbartloff. Da hat das Landeskriminalamt nach den Ermittlungen ein politisches Tatmotiv ausgeschlossen und dann berichtete „Thüringen24“, dass der Tatverdächtige in rechtsextremen Netzwerken vernetzt ist und auch über Facebook Kontakte zur AfD hat. Jetzt erinnern Sie sich einmal, Herr Mohring: Was hat damals Ihre Fraktion in diesem Fall getan – Sie, die immer vorgeben,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das kann ich Ihnen sagen!)

ohne Bewertung des politischen Hintergrunds solche Sachverhalte zum Gegenstand zu machen? Sie haben nichts gemacht, nicht mal eine Anfrage gestellt, nicht mal eine Selbstbefassung im Innen

ausschuss, geschweige denn einen Antrag hier im Thüringer Landtag gestellt.

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Hät- ten Sie mal machen sollen!)

Jetzt frage ich Sie natürlich auch: Was haben wir gemacht? Haben Sie möglicherweise etwas Ähnliches der Linken erlebt, was Sie heute im umgekehrten Fall veranstaltet und organisiert haben?

Es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohring. Lassen Sie die zu?

Ich lasse die Frage von Herrn Mohring natürlich gern zu, aber am Ende. Vielleicht erübrigt sich das eine oder andere.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Kann es gar nicht!)

Ja, das ist genau Ihr Problem, Herr Mohring: Sie urteilen, bevor Sie eigentlich die Informationen, die für ein Urteil notwendig sind, haben. Das werfe ich Ihnen letztendlich vor. Und ich sagte es: Die Debatte, die wir hier führen, entbehrt in vielen Fällen tatsächlich sachlicher Information, und deswegen bin ich dem Innenminister auch dankbar, dass er Ihren Antrag genutzt hat, die Öffentlichkeit und auch Sie sachlich über das eigentliche Geschehen zu informieren.

Ich will Ihnen aber auch eins sagen: Natürlich, Herr Minister, wäre es mir auch lieber, die Polizei würde umgehend nach so einer Durchsuchungsmaßnahme an die Öffentlichkeit gehen und lückenlos dokumentieren, was der eigentliche Sachverhalt ist,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie be- haupten nur und antworten nicht!)

weil nur eine solche Information, die eigentlich auch nur von denen gegeben werden kann, die die Information vorliegen haben, den Raum für Spekulation, den Raum für Angst, den Raum für ideologische Instrumentalisierung nimmt. Aber, Herr Mohring, auch wenn ich mir das persönlich wünsche, weiß ich, dass es Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit sind, dass es auch einsatztaktische Erwägungen sind, die das eben der Staatsanwaltschaft und der Polizei unmöglich machen. Und ich glaube, es steht Ihnen nicht gut zu Gesicht, wenn Sie diese Prinzipien des Rechtsstaats, denen natürlich auch eine, sage ich mal, nur unzureichende, möglicherweise an den Interessen ausgerichtete Informationslage folgt, nutzen, um hier Ihr politisches Spiel zu treiben. Ich denke, Sie sollten genauso wie wir darauf hinweisen, dass es rechtsstaatliche Prinzipien gibt, die Informationspolitik zeitweilig einschränkt, um Ermittlungserfolge nicht zu gefährden. Aber wir sollten

diese Zeit nicht dazu missbrauchen, um ein politisch-ideologisches Süppchen zu kochen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe eingangs gesagt, dass viele Selbstverständlichkeiten in der politischen Debatte, die wir heute führen, nicht mehr benannt sind. Und ich will tatsächlich auf einige Selbstverständlichkeiten aus meiner Sicht hinweisen. Zu diesen Selbstverständlichkeiten in diesem Fall gehört erstens, dass die Landesregierung, die Polizei und die Staatsanwaltschaft ihren Job gemacht haben. Denn es ist eben nicht so, Herr Mohring, wie Sie versuchen, hier glauben zu machen, dass es sich um eine Art Zufallsergebnis polizeilicher Arbeit handelt, sondern es ist eben Ergebnis der Arbeit des Landeskriminalamts, der Polizei in Saalfeld-Rudolstadt, der Staatsanwaltschaft Gera, die diesen Ermittlungserfolg nach eingegangener Zeugenaussage dann tatsächlich möglich gemacht haben. Die Polizei und die Staatsanwaltschaften haben ihre Arbeit gemacht, sie sind dem Tatverdacht nachgegangen, sie haben die Chemikalien beschlagnahmt, sie haben die Tatverdächtigen vernommen und nun die Ermittlungen geführt, auch zu den Motiven und zu möglicherweise bestandenen Vorhaben. Ich gehe davon aus, dass die Taten damit restlos aufgeklärt werden können. Und wenn Sie fragen, was die Landesregierung jetzt in diesem Zusammenhang tut oder getan hat, dann will ich es Ihnen auch deutlich sagen und auch wieder kontrastierend zu dem, was Sie hier eigentlich in den letzten Wochen veranstaltet haben. Die Landesregierung und auch die sie tragende Koalition hat das Landeskriminalamt beispielsweise im Rahmen der Haushaltsberatung zum Doppelhaushalt gestärkt, hat im Landeskriminalamt vier zusätzliche Stellen geschaffen, hat Mittel zur Verfügung gestellt, um die technische Ermittlungsarbeit zu stärken, während Ihre Fraktion bei der Haushaltsberatung Anträge gestellt hat, die Mittel bei der Thüringer Polizei insgesamt um 4 Millionen Euro zu kürzen und

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört, hört!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

beim Landeskriminalamt wollten Sie tatsächlich noch 600.000 Euro streichen. Da sage ich Ihnen: Wo liegt denn jetzt hier die eigentliche Handlungskompetenz bei der Sicherheit? Bei Ihnen oder bei den handelnden Akteuren, die diesen Ermittlungserfolg tatsächlich geschafft haben?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Selbstverständlichkeiten gehört zweitens, und da bin ich dem Innenminister auch dankbar,

dass er auch darauf eingegangen ist, dass die Bürgerbündnisse gegen Rechts eine herausragende Arbeit bei der Auseinandersetzung mit extrem rechten Einstellungen in Thüringen, bei der Demokratiebildung und eben auch bei der Organisation eines friedlichen Protestes gegen Nazi-Aufmärsche und Konzerte und andere Manifestationen von Rechtspopulisten und ähnlichen demokratiefeindlichen Bestrebungen leisten. Dafür, und das sage ich mit aller Deutlichkeit, haben diese Bündnisse und die bei ihnen engagierten Menschen unser Vertrauen und unseren größten Respekt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das gilt unvermindert auch für das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ in Saalfeld-Rudolstadt – Zumsaru. Ich unterstreiche, was die Thüringen-Vernetzung der Bürgerbündnisse heute erklärt hat: „Unsere Haltung zu unserem Bündnispartner Zumsaru wird durch den gemeinsam getroffenen Grundkonsens und unser Selbstverständnis gestärkt und nicht durch das Verhalten einzelner in Frage gestellt.“

Deshalb, Herr Mohring, gehört zu den Selbstverständlichkeiten drittens auch, dass es gut und richtig war, dass das Bündnis Zumsaru unmittelbar nach dem Auffinden der Chemikalien und von 2,3 Gramm Sprengstoff eine unmissverständliche Erklärung abgegeben hat, in der es heißt: „Wir sind entsetzt über die Lagerung von Materialien, die zur Sprengstoffherstellung geeignet sind. Unabhängig von Zweck und Ziel steht für uns fest, dass es keinen einzigen akzeptablen Grund zur Lagerung dieser Materialien – geschweige denn zum Einsatz von Sprengstoff – gibt. Wir distanzieren uns aufs Schärfste von den nun bekannt gewordenen Aktivitäten.“ Deshalb sage ich auch ganz deutlich: Zu den Selbstverständnissen gehört viertens eben auch dazu, dass Die Linke als Teil dieses Bündnisses diese Erklärung vorbehaltlos unterstützt und sich die Linke-Landtagsfraktion dieser ebenso vorbehaltlos anschließt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt aber auch, meine Damen und Herren, für den zweiten Teil dieser Erklärung, in dem es heißt: „Wir stellen fest, dass das Engagement des Bündnisses ‚Zivilcourage und Menschenrechte im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt‘ in keinerlei Zusammenhang mit Aktivitäten des Tatverdächtigen steht und verweisen auf unser Selbstverständnis aus dem Jahr 2014, in welchem es u. a. heißt: ‚Uns eint der Anspruch, uns für Menschlichkeit, Vielfalt, Zivilcourage und Solidarität stark zu machen.‘ Dieses Selbstverständnis und den damit verbundenen Anspruch, die im absoluten Widerspruch zu den nun bekannt gewordenen Aktivitäten stehen, vertreten wir weiterhin.“