Protokoll der Sitzung vom 20.03.2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Reichsbürgerinnen und Reichsbürger machen den Behörden viele Probleme. Ich will versuchen, das ganz kurz ein wenig zu erläutern – ich glaube, das ist heute auch schon deutlich geworden: Auf den ersten Blick wirkt das immer ein wenig witzig, kann aber zu tödlichem Ernst werden. Ich will aber – um das nicht zu verheimlichen – auch noch mal aus einem Spiegel-Online-Interview zitieren. Spiegel-Online interviewte einen Menschen, der undercover bei Reichsbürgern gelebt hat und der hat dort darüber berichtet, wofür sich Reichsbürger so interessieren. Er sagte hier im Interview, ich zitiere: „[Er] zieht eine dicke Kladde vom Tischende zu sich und präsentiert seine Mitbringsel aus dem ‚Reich‘: eine Preisliste über esoterische ,Reichsbürgergeräte‘ wie das ,Diadens PCM 6‘ für 449 Euro, einen Apparat zur ,dynamischen elektrischen neuronalen Stimulation‘. Eine Einladung zum Salzburger ,Toruskongress‘ mit Themen wie ,Marsverschwörung‘, ,Elfengesang mit Harfe‘, ,Geheime Weltraumverteidigung‘.“ usw., usw.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was so witzig daherkommt, kann und ist für einen Polizisten in Bayern zu tödlichem Ernst geworden. Deshalb ist dieses Thema der Reichsbürgerinnen und Reichsbürger – insbesondere wenn sie bewaffnet sind – ein sehr wichtiges Thema und es ist richtig, dass wir uns dem widmen. Auch in Thüringen kam es zum Beispiel vor einigen Monaten zu einem Vorfall: Als die Thüringer Polizei einen Reichsbürger festnehmen wollte, wehrte sich dieser so massiv, dass die Beamten, die die Festnahme durchführen wollten, erheblich verletzt wurden.

Wir können also nicht wegschauen, wir müssen uns diesem Phänomen immer wieder widmen – und die Landesregierung hat das auch getan, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie hat eine Informa

tionsstelle für Bedienstete eingerichtet – insbesondere in der Polizei, an den Gerichten, auf der Landesebene, aber auch in den Kommunen –, um Hilfe zu leisten, insbesondere wenn die Beamtinnen und Beamten oder Angestellten unserer Verwaltung mit der sogenannten Malta-Masche bedroht werden. Kollegin Scheerschmidt hat gerade eben schon ausgeführt, worin diese wirklich tückische Anwendung der Malta-Masche besteht, worin die Bedrohung unseres Personals in der Landesverwaltung besteht, deshalb darf ich mir das sparen. Wichtig ist, eines sehr deutlich zu sagen: dass der Landtag, aber auch die Landesregierung und jeder Behördenvertreter an der Seite der Angestellten und Beamten steht, die von Reichsbürgern in dieser Art und Weise bedroht werden. Das muss auch das Ergebnis und die klare Aussage hier in der Aktuellen Stunde sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wichtig ist, dass wir nicht aufhören, uns mit dem Phänomen zu befassen, dass wir nicht aufhören, genau hinzusehen, was dort passiert, dass wir Obacht geben, dass wir der Waffen Herr werden, die in diesem Bereich geführt werden. Das dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Dann glaube ich, dass wir gemeinsam mit unseren Sicherheitsbehörden mit viel Aufklärung und Rückenstärken unserer Angestellten und Beamten im Landes- und Kommunaldienst auch einen wirkungsvollen Schutzmechanismus gegen Reichsbürger bewirken können. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächste hat Abgeordnete KönigPreuss für die Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen bis zur CDU-Fraktion, es geht heute hier um eine Aktuelle Stunde – eingereicht von der CDU –, in der es heißt: „Thüringer Behörden und deren Bedienstete effektiv vor Reichsbürgern schützen.“ Was mich ein bisschen irritiert: Warum Aktuelle Stunde? Weil es rein faktisch auch in dem Vortrag von Herrn Walk hier keine wirklich neuen Informationen gegeben hat und auch nicht den Verweis auf neueste Medienberichte, die es gegeben hätte, ebenso wenig den Verweis darauf, was in den letzten Jahren passiert wäre.

Worauf ich hinaus will: Wir haben unter anderem im Jahr 2016, aber auch sehr ausführlich im Jahr 2017 im Innenausschuss vom Innenministerium über Reichsbürger und deren Wachsen in Thüringen informieren lassen. Im März 2017 gab es bereits die entsprechenden Veröffentlichungen – unter ande

rem von mir –, in denen darauf hingewiesen wurde, dass es in Thüringen bis zu 1.000 Reichsbürger gibt. Von daher frage ich mich: Was ist jetzt der Mehrwert, die neue Information, die Herr Walk hier geltend macht? Was fordert er eigentlich, was nicht schon längst durch das Innenministerium bzw. durch die Thüringer Landesregierung getan wird?

Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sowohl die Information über die 10-prozentige Bewaffnung der Reichsbürger als auch die Information über das Wachsen der Reichsbürgerbewegung am Ende nur darauf zurückgehen, dass das Innenministerium hier sehr aktiv ist und sehr sensibel reagiert. Um mal den Vergleich aufzumachen: Im Jahr 2013 – da war, glaube ich, das Innenministerium noch von der CDU besetzt, in Person des damaligen Innenministers Herrn Geibert – tauchten die Reichsbürger nicht einmal im Verfassungsschutzbericht Thüringens auf.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Das war da- mals auch noch kein Thema!)

Im Jahr 2012 und 2011 wurden sie mit drei kleineren Absätzen dort mal am Rande mehr oder weniger erwähnt. Das heißt, es gab überhaupt keine Sensibilität. Das Wachsen der Reichsbürgerbewegung, so wie es von Ihnen hier auch dargestellt wurde, mag auf den ersten Blick schlimm sein. Aber ehrlich gesagt, ist es gut, weil das nämlich dafür spricht, dass zurzeit sehr sensibel auf diese Bewegung geschaut wird und auch sehr sensibel eingeordnet wird, wer denn alles zur Reichsbürgerbewegung gehört, wie die unterschiedlichen Gruppen sind, wie die einzuordnen sind. Das geschieht, seitdem Rot-Rot-Grün hier einen Fokus darauf gelegt hat. Da würde ich Sie darum bitten, an der Stelle auch mal ein Stück ehrlich zu bleiben und auch klarer festzuhalten, was durch Rot-Rot-Grün alles bereits gemacht wurde.

Reichsbürger sind keine bedeutungslosen Spinner, die einfach nur die Existenz Deutschlands verleugnen, sondern sie sind in großen Teilen sehr eng vernetzt mit der extremen rechten Szene, hier in Thüringen beispielsweise mit „Thügida“, was ja allen noch eine Begrifflichkeit sein müsste, welche Personen der Neonaziszene dort unter anderem in Führungspositionen unterwegs sind. Sie vertreten in den meisten Fällen ein enorm revisionistisches Weltbild. Dazu kommen dann die von Polizei und Justiz erfassten Verstöße, seien es die Verstöße gegen das Waffengesetz, seien es Urkundenfälschungen, seien es Nötigungen usw., usf. Genau um darauf zu reagieren, hat unter anderem die Landesregierung im vergangenen Jahr, nämlich im April 2017, die Zentrale Informationsstelle zum Thema „Reichsbürger“ im Thüringer Landesverwaltungsamt eingerichtet, damit für Polizeibeamte, Behörden, Ordnungsämter – beispielsweise –, aber ebenso auch für Kommunen eine Anlaufstelle vor

handen ist, wo sie Informationen erhalten zu a) was können sie machen, b) wie können sie damit umgehen c) welche Möglichkeiten gibt es. Hier zu fordern, dass es ein Verbot, einen Entzug der Waffen und der legalen Waffenscheine geben soll – ja, natürlich, Herr Walk. Aber an der Stelle sollten Sie auch ehrlich sein und die Informationen, die uns im Innenausschuss unter anderem zur Verfügung gestellt wurden, hier erwähnen, nämlich dass die Thüringer Landesregierung sehr aktiv probiert und versucht, bei denjenigen, denen a) nachweisbar ist, dass sie Reichsbürger sind, b) die eine legale Waffenbescheinigung haben, die Waffen und auch die Waffenberechtigungsscheine zu entziehen. Problematisch ist es allerdings, wenn dann seitens der Justiz genau dieses wieder zurückgenommen wird. Wir haben hier in Thüringen die Fälle, wo die Waffenscheine und damit verbunden dann am Ende auch die Waffen wieder zurückgegeben wurden.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Das war vor drei Jahren!)

Es wird sich übrigens auch im Bundesrat dafür eingesetzt. Es wird sich dafür von Thüringen eingesetzt, dass man da eine klare Kante zeigt, dass nicht nur Reichsbürgern, sondern auch Neonazis die Waffen entzogen werden, dass sie keinerlei Anspruch mehr darauf haben, Waffen zu besitzen. Und, Herr Walk, an der Stelle ist es einfach nicht fair, sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob von Thüringen aus nichts stattfinden würde oder viel zu wenig stattfinden würde. Um es mal auf den Punkt zu bringen: Von Thüringen aus gibt es eine sehr klare Position, eine sehr klare Haltung, nicht nur gegen Reichsbürger, sondern auch gegen Neonazis, und die endet nicht bei Waffen, sondern die geht über den Besitz von Waffen hinaus, um auch diejenigen in den Behörden zu schützen, die dort den Angriffen ausgesetzt sind. An der Stelle will ich nur darauf verweisen, was Kollegin Scheerschmidt gesagt hat, nämlich, dass es seit Oktober 2017 den verbesserten Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaats gibt, um diese vor der Malta-Masche zu schützen.

Am Ende sei nur eins gesagt: Aktuelle Stunden gern, aber dann bringen Sie bitte auch neue Informationen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen von Kollegen Abgeordneten, sodass ich jetzt dem Innenminister, Herrn Georg Maier, das Wort für die Landesregierung erteile.

(Abg. König-Preuss)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, auch ich möchte die Aktuelle Stunde zum Anlass nehmen, um Sie über die vielfältigen Maßnahmen der Landesregierung zum Schutz der Beschäftigten des Landes im Umgang mit sogenannten Reichsbürgern zu informieren. Ich spare mir jetzt weitere Ausführungen zu den Reichsbürgern, die hier schon mehrfach erfolgt sind, und beschränke mich auf die Maßnahmen, die, wie gesagt, zum Schutz eingeleitet wurden.

Bereits im vergangenen Jahr, also 2017, wurde im Thüringer Landesverwaltungsamt eine Zentrale Informationsstelle zum Thema „Reichsbürger“ eingerichtet. Sie dient als Bindeglied zwischen der Landes- und Kommunalverwaltung. Sie hat die Aufgabe, die vorhandenen Informationen zum Thema „Reichsbürger“ aus den Bereichen der Thüringer Landes- und Kommunalverwaltung zusammenzuführen und den Bediensteten zugänglich zu machen. Die Zentralstelle hat ihre Tätigkeit aufgenommen. Die Kontaktdaten wie E-Mail-Adresse usw., Telefonhotline wurden insbesondere den Kommunalverwaltungen und den Spitzenverbänden schon im September 2017 bekanntgegeben. Darüber hinaus planen wir kurzfristig die Einrichtung einer technischen Plattform für diese zentrale Informationsstelle. Darüber hinaus hat das Thüringer Innenministerium die Verwaltungsvorschrift über den Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaats Thüringen überarbeitet. Die Neufassung ist am 6. November 2017 in Kraft getreten. Damit unterstützt der Freistaat Thüringen Bedienstete im Hinblick auf die Kosten der Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung.

Darüber hinaus wurden auf Landesebene Schutzmaßnahmen vor der sogenannten, heute auch schon mehrfach erwähnten, Malta-Masche ergriffen. Mit dieser haben sogenannte Reichsbürger in der Vergangenheit versucht, fiktive Forderungen gegen Verwaltungsbedienstete durchzusetzen. Die Malta-Masche hat inzwischen keine Bedeutung mehr. Insofern waren unsere Maßnahmen erfolgreich. Das liegt zudem auch daran, dass das Thüringer Justizministerium einer Ausführung maltesischer Vollstreckungstitel vorgebeugt hat. Thüringer Gerichte wurden aufgefordert, eingehende Zustellungs- oder Vollstreckungsersuchen, die mit diesen Fällen von Rechtsmissbrauch in Verbindung stehen könnten, vor ihrer Ausführung dem Thüringer Justizministerium zur Prüfung vorzulegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern sehen Sie, dass die Landesregierung über verschiedene Ressorts hinweg dieses Thema angeht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bezüglich der Reichsbürgerbewegung bestätigt die Bundesre

gierung allen Sicherheitsbehörden neben einer grundsätzlichen Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols zugleich auch deren hohe Affinität zu Waffen. Dies ist natürlich eine besonders besorgniserregende Tatsache. Vor diesem Hintergrund ist die Überprüfung der waffenrechtlichen Erlaubnis ein wichtiges Anliegen. Um die Aufmerksamkeit der Waffenbehörden in diesem sicherheitsrelevanten Bereich weiter zu schärfen, hat das Thüringer Innenministerium einen Erlass aus dem Jahr 2011 im Jahr 2016 fortgeschrieben. Darin wurde klargestellt, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit von Personen grundsätzlich schon dann entfällt, wenn diese sich offen als Reichsbürger bezeichnen oder deren Zugehörigkeit auf anderem Wege festgestellt wurde. Wer die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung als nicht existent bezeichnet, verdient gerade nicht das Vertrauen, das in jeden Waffenbesitz gesetzt werden muss.

Zugleich wurden zur Verbesserung der Informationsübermittlung zwischen Waffenbehörden und dem Amt für Verfassungsschutz Dienstberatungen mit den Waffenbehörden durchgeführt. Zuletzt hat das Thüringer Innenministerium am 7. März dieses Jahres im Thüringer Landesverwaltungsamt anlässlich einer Dienstberatung die Waffenbehörden insbesondere auf die inzwischen vorhandene Rechtsprechung bezüglich der Voraussetzungen für den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse hingewiesen und entsprechend sensibilisiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bund und Länder sind sich in ihrer gemeinsamen Forderung nach der Entwaffnung von Extremisten einig. Die letzte Novelle des Waffenrechts aus der Feder des Bundesinnenministeriums blieb leider hinter diesem Anspruch zurück. Mein Ziel bleibt es daher, dass die neu gebildete Bundesregierung zügig eine weitere Gesetzesanpassung zum Waffenrecht vornimmt. Thüringen wird deshalb an diesem Freitag im Bundesrat für eine Aufnahme der Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei der Erteilung einer waffenrechtlichen Genehmigung eintreten.

Bereits vor Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist eine gesetzlich statuierte Regelabfrage der Waffenbehörde bei der jeweils zuständigen Verfassungsschutzbehörde erforderlich. Nur auf diese Art und Weise, durch diese Routine erlangen die Waffenbehörden systematisch und zuverlässig Kenntnis von entscheidungserheblichen Tatsachen. Bei Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung kann die Konsequenz nur lauten: Keine Waffen in den Händen von Extremisten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zugleich gehen wir auch in den anderen Bereichen direkt vor. So sind Fälle bekannt, in denen unter anderem sogenannte Reichsbürger oder auch sogenannte

Selbstverwalter eigene amtliche Dokumente an Behörden abgeben und zur Verwahrung übergeben. Mit der Verordnung zur Änderung der Thüringer Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Innenministeriums soll ein neuer Gebührentatbestand geschaffen werden, der diese Personen von der Rückgabe ihrer gültigen Ausweisdokumente an die Behörden abhalten soll. Die Gebühr wird fällig, sofern eine Person ein eigenes amtliches Dokument abgibt oder einsendet und die Gültigkeitsdauer des Dokuments noch nicht abgelaufen ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, über die Vielzahl der bereits hier genannten Schutzmaßnahmen hinausgehend werden die Beschäftigten des Thüringer Landes und der Kommunalverwaltung umfangreich zum Thema „Reichsbürger“ fortgebildet und informiert. Das Amt für Verfassungsschutz unterrichtet die Thüringer Behörden und Einrichtungen im Rahmen einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit umfassend über das Phänomen „Reichsbürger“. So wurden in den Jahren 2016 und 2017 jeweils 70 Vorträge durch Mitarbeiter des Amtes für Verfassungsschutz für Bedienstete, insbesondere der Justizbehörden, der Polizei und der kommunalen Ebene gehalten. Aufgrund des anhaltend hohen Informationsbedarfs sind auch im Jahr 2018 weitere Informationsveranstaltungen geplant. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Amt für Verfassungsschutz hat zudem auch einen Flyer und eine Broschüre zum Thema „Reichsbürger“ herausgegeben. Diese sind gemeinsam mit weiterem Informationsmaterial auf der Internetseite des Amtes für Verfassungsschutz eingestellt. Bei Bedarf ist ein Versand der Materialien möglich. Auch der aktuelle Verfassungsschutzbericht enthält einen Abschnitt zum Phänomen „Reichsbürger und Selbstverwalter“. Auch in der überarbeiteten Neuauflage des Handlungsleitfadens für kommunale Entscheidungsträger in Thüringen zum Umgang mit Rechtsextremisten werden Maßnahmen der Landesregierung zur Unterstützung der Kommunen im Umgang mit sogenannten Reichsbürgern genannt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, dass die Thüringer Landesregierung das Thema „Reichsbürger“ und den Schutz der Bediensteten konsequent angeht, durchführt und umsetzt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde, rufe auf den fünften Teil

e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Kos

tengünstigen ÖPNV für alle in Thüringen attraktiv gestalten“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5444

Herr Abgeordneter Kobelt hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, wir als Bündnis 90/Die Grünen haben uns dazu entschlossen, heute dieses Thema „Kostengünstigen Nahverkehr für alle in Thüringen attraktiv gestalten“ auf die Tagesordnung zu nehmen. Der Anlass für dieses Thema ist die Meldung der Bundesregierung, die sich mit der EUKommission in Verbindung gesetzt und gesagt hat: Wir wollen kostenfreien Nahverkehr ermöglichen und das in ersten Modellprojekten in Städten ausprobieren. Wir als Grüne begrüßen natürlich, dass mehr Gelder in den öffentlichen Nahverkehr fließen sollen, dass Kommunen und auch Bundesländer unterstützt werden sollen. Allerdings sehen wir in dem Manöver, das die Bundesregierung gemacht hat, eher ein Ablenkungsmanöver, weil sie kurzfristig relativ schnell so einen Vorschlag gemacht hat, ohne auch klar zu sagen, wie das dauerhaft finanziert, wie das umgesetzt werden soll und vor allem, wie dann die Kommunen auch weiter unterstützt werden oder ob sie allein gelassen werden, wenn es dann um erhöhte Investitionen geht. Aber prinzipiell ist das natürlich zu begrüßen. Wir haben mal ausgerechnet, was das für ein Volumen ist, das sich die Bundesregierung dort vorgenommen hat, wenn sie das in allen Städten und Gemeinden tun möchte: das sind etwa 12 oder 13 Milliarden Euro pro Jahr. Das klingt wie eine große Summe, ist aus unserer Sicht aber durchaus erreichbar, wenn man den politischen Willen hat, mehr in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren. Von der Größenordnung ist es in etwa die Summe, die dem Bundeshaushalt durch Dieselsubventionen entzogen wird – das sind 8 Milliarden Euro –, und das Dienstwagenprivileg – das sind etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr. Also wenn man diese zwei Dinge wegnimmt, damit auch was für den Klimaschutz tut und in ein System zur Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs bringt, würde diese Summe zur Verfügung stehen und man könnte die Kommunen und das Land viel stärker unterstützen. Wir als Grüne haben uns Gedanken gemacht in Thüringen, wie dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden könnte. Und ich sage Ihnen offen, natürlich klingt das erst mal gut, zu sagen, für alle Bürgerinnen und Bürger ist in den Städten der öffentliche Nahverkehr kostenlos. Aber die Bundesregierung hat in den Überlegungen, wenn sie überhaupt so weit in dem Praktischen schon gekommen ist, vergessen, dass dann natürlich viel mehr Leute

(Minister Maier)

diesen nutzen werden, dass es enormen Investitionsbedarf gibt. Da müssen wir sagen, dass gerade, was Investitionen bedeutet, die Bundesregierung doch sehr zaghaft gewesen ist. Viele, die sich mit dem Thema in den Ausschüssen beschäftigt haben, haben gemerkt, dass Thüringen darum kämpft mit den doch recht wenigen Regionalisierungsmitteln. Wir müssen eigene Landesmittel einsetzen, was eigentlich nicht vorgesehen ist, und wir müssen schauen, wie können wir diese Mittel effektiv einsetzen. Wenn man einen öffentlichen Nahverkehr stärken möchte, dann ist eine klare Botschaft: Wir brauchen etwa 20, 30 Prozent mehr Regionalisierungsmittel vom Bund. Das ist eine sinnvolle Investition. Dann wollen wir auf Bundesebene natürlich auch, dass ein Paradigmenwechsel im Bundesverkehrswegeplan stattfindet, also nicht einseitig Straßenausbau an sehr vielen Stellen, sondern auch mal das Verhältnis verändern und mehr in den öffentlichen Nahverkehr investieren, in Schieneninfrastruktur. Wir haben gerade mal 60 Prozent in Deutschland elektrifizierten Schienenverkehr. In der Schweiz sind es 99 Prozent. Das ist ein Riesenpotenzial auch für den Klimaschutz und für die Elektrifizierung.

Aber wir in Thüringen, was würden wir machen, wenn wir dieses Geld zur Verfügung stehen hätten? Wir haben uns als Grüne überlegt, nicht nur einseitig in wenigen Städten oder in den Städten kostenfreien Nahverkehr anzubieten, sondern wir wollen für alle Thüringerinnen und Thüringer einen Tarif anbieten, einen einfachen Tarif, der nicht mehr mit Einzeltickets geendet wird, sondern wo man einmal einen Betrag bezahlt und dann durch Thüringen fahren kann, öffentliche Busse, Straßenbahnen, aber auch den Zug im Regionalverkehr nutzen kann. Wir haben diese Idee genannt – deswegen habe ich Ihnen das mitgebracht – „1-EuroTicket für Thüringen“. Das ist ein Modell, das wurde schon vor vier Jahren in Wien eingeführt. Dort hat sich gezeigt, die Menschen sind durchaus bereit, 1 Euro pro Tag für den öffentlichen Nahverkehr dauerhaft zu bezahlen. Das wären 365 Euro im Jahr. Das wurde in Wien eingeführt und hat dazu geführt, dass sich die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs verdoppelt hat, die Nutzerzahl. Das ist eine Größenordnung – wir haben das mal durchgerechnet –, wo wir mit etwas Landesmitteln, mit der Unterstützung vom Bund und mit den 365 Euro im Jahr von doppelt so vielen Bürgerinnen und Bürgern das ermöglichen können, dass die Thüringerinnen und Thüringer den öffentlichen Nahverkehr mit dieser Pauschale nutzen können. Wir gehen davon aus, dass das ein großer Schub sein wird für eine bessere Effizienz, für mehr Nutzung und dass dann auch ermöglicht wird, dass Kinder und Jugendliche den ÖPNV in Thüringen kostenfrei nutzen können. Das ist natürlich für uns auch eine gute Möglichkeit, um doch die schwierigen Situationen

beim Azubi-Ticket, was jetzt gar nicht mehr mit der Landesregierung zu tun hat,

Herr Abgeordneter, jetzt ist Ihre Redezeit zu Ende.

sondern mit der Verzwickung der Verbände, umzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Draußen wird jetzt nicht mehr Klavier ge- spielt!)

Deswegen sagen wir: 1 Euro am Tag für Erwachsene und kostenfreien ÖPNV

Ja, aber bei 1 Euro darf man auch nicht länger reden.

für Kinder und Jugendliche. Vielen Dank.

Herr Kobelt, vielen Dank.