Protokoll der Sitzung vom 23.05.2018

haltspunkte dafür vorliegen, dass das Opfer aufgrund seiner Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit angegriffen worden ist. Es braucht also weder eine rechtskräftige Feststellung rassistischer Gewalt durch Gerichte oder durch Behörden, sondern es braucht nur eine Behauptung des dadurch begünstigten Ausländers, ein paar Zeugenaussagen und jemanden, der das glaubt.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Blödsinn!)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihnen glaubt keiner!)

Meine Damen und Herren, Rot-Rot-Grün will hier kein humanitäres Bleiberecht schaffen, sondern eine plumpe Umgehung des Asylrechts, dessen Missbrauch man schon fast als gewollt bezeichnen muss, denn die Landesregierung weiß sehr wohl um die massiv beschränkten Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei und Behörden, die sich schon aus dem gravierenden Personalmangel ergeben. Sie weiß natürlich auch um den hunderttausendfachen Missbrauch des Asylrechts in unserem Land, angefangen beim Betrug über die vermeintliche Herkunft bis hin zum Massenmissbrauch unseres Sozialsystems und damit natürlich auch hinsichtlich der extremen Missbrauchsanfälligkeit des Asylsystems, das gerade auch heute wieder in den Schlagzeilen ist. Die Landesregierung weiß auch, dass es entsprechende Organisationen wie beispielsweise ezra gibt, die selbst offensichtliche Fake-Fälle als sogenannte rassistisch motivierte Straftaten mitzählen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Was für ein Unfug!)

Trotz dieser ohnehin vorhandenen extrem hohen Missbrauchsanfälligkeit des Asylsystems schafft die Landesregierung mit dem Erlass weitere Möglichkeiten, sich einen illegalen Aufenthalt zu erschleichen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht überhaupt nicht um Missbrauch oder Betrug!)

Ihnen, meine Damen und Herren, geht es nicht um Gebote der Humanität oder gar tieferer Gerechtigkeit, denn dann müssten Sie sich dafür einsetzen, dass Asyl- und Sozialbetrug durch Ausländer erkannt, verhindert und geahndet wird und dass solche Betrügereien wie auch Gewalttaten stets zur Abschiebung führen. Stattdessen geht es bei Ihrem Bleiberechtserlass vielmehr um Ihre politische Agenda. Die hat sich seit 2014 nicht geändert. Das steht nämlich schon in Ihrem Koalitionsvertrag von 2014 drin.

(Ministerin Werner)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das ist auch gut so!)

Und wie das bei Hardlinern üblich ist, wollen Sie daran auch nichts ändern, obwohl die Gesellschaft zwischenzeitlich durch Masseneinwanderung völlig überfordert worden ist.

(Beifall AfD)

Natürlich wissen Sie, dass es keine dringenden humanitären Gründe für ein Bleiberecht illegal Eingereister gibt, bloß weil sie tatsächlich oder vermeintlich Opfer einer rassistischen Straftat geworden sind. Denn in einem wirklichen Rechtsstaat können Opfer von Straftaten drei Dinge erwarten: einmal die Bestrafung des Täters, zum anderen Schadenersatz und zum Dritten Schutz davor, wieder Opfer zu werden. Mehr sieht unsere Rechtsordnung nicht vor. In allen diesen drei Bereichen hat gerade das Justizministerium federführend mit versagt.

(Beifall AfD)

Sie haben die katastrophale innere Sicherheit und eine funktionsunfähige Justiz im Freistaat zu verantworten. Das Gewaltmonopol des Staates gibt es eigentlich nur noch, wenn Sie Ihre Reden schwingen, in der Realität hingegen schon lange nicht mehr, denn Sie lassen Gewalttäter seit Jahren faktisch ungestraft gewähren.

Wenn es Ihnen um eine humanitäre Gesellschaft ginge, dann würden Sie sich um Rechtsfrieden kümmern, dann würden Sie sich um innere Sicherheit kümmern, um eine funktionierende Justiz. Illegal ins Land gelangte Ausländer mit einem Bleiberecht zu belohnen, wenn sie behaupten, Opfer rassistischer Gewalt geworden zu sein, das ist aber kein humanitäres Gebot, sondern eine absurde Begründung des vorsätzlichen Rechtsbruchs, und zwar des Rechtsbruchs der Asylgesetze, insbesondere des Aufenthaltsgesetzes. Schon beim Winterabschiebestopp hat Ihnen der Verfassungsgerichtshof gesagt, dass Sie sich nicht einfach auf humanitäre Gründe berufen können, wenn Sie die nicht begründen können. Was da für ein Begründungsaufwand erforderlich ist, das haben Sie alles ignoriert, nur eins haben Sie nicht ignoriert: welche richtige Rechtsform Sie wählen müssen, damit der Rechtsbruch nicht geahndet werden kann. Das haben Sie richtig gemacht. Sie haben mit einem Erlass reagiert, der leider durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht angreifbar ist.

(Beifall AfD)

Es bleibt mir daher nur, mich an die Landräte und kreisfreien Städte zu wenden und zu sagen: Wenden Sie diesen Erlass nicht an! Er ist nicht durchsetzbar, er ist offenkundig rechtswidrig

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie rufen gerade zum Rechtsbruch auf!)

und es wird keine Konsequenzen haben, wenn dieser Erlass nicht angewendet wird. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Berninger, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen und sehr geehrte Zuhörerinnen hier im Haus und am Livestream, was die rechtspopulistische AfD mit dieser Aktuellen Stunde wieder einmal versucht, ist gerade sehr offensichtlich geworden. Es wird unterstellt, die Landesregierung handele mit ihrer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik rechtswidrig, und es wird infrage gestellt, dass die Landesregierung sich an Recht und Gesetz gebunden fühle. Was für ein infamer Versuch! Gleichzeitig mit der Hetze gegen Geflüchtete in der Begründung sprechen die Rechtspopulisten von „Opfern“ rassistischer und rechter Gewalt als „Begünstigte“. Also gleichzeitig mit der Hetze gegen Geflüchtete wird Stimmung gegen Rot-Rot-Grün gemacht und immer wieder werden dieselben Horrorszenarien an die Wand gemalt, was die AfD nun schon seit einigen Jahren tut. Diese Stimmung gegen Rot-RotGrün und diese Behauptung, wir würden Rechtsbruch begehen, geht allerdings fehl, ebenso wie 2016 der Versuch, den Winterabschiebestopp für verfassungsrechtswidrig erklären zu lassen – und da nützt Ihnen Ihr „Mimimi“ gar nichts, Herr Möller.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ebenso wie aktuell – auch da haben Sie sich beim Thüringer Verfassungsgerichtshof erst kürzlich eine blutige Nase geholt – der Versuch, die Landesregierung mit der Verordnung zur Härtefallkommission vor Gericht zu ziehen. Nein, Erlasse zur Auslegung gesetzlicher Ermessensspielräume sind nicht rechts- oder verfassungswidrig. Erlasse sind eine verwaltungs- und behördenrechtlich zulässige verbindliche Richtschnur für die nachgeordneten Behörden hinsichtlich der praktischen Anwendung bestehender Rechtsvorschriften. Es handelt sich dabei um verwaltungsintern bindende Anweisungen, wie bestimmte Vorschriften oder in Gesetzen verwendete Begriffe auszulegen und anzuwenden sind. Und beim Bleiberechtserlass für Opfer rechter und rassistischer Gewalt handelt es sich um die verwaltungsintern bindende Anweisung, wie die Vorschriften des § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes auszulegen und anzuwenden sind. Damit wird der § 60a nicht umgangen oder gebrochen, sondern die Auslegungsanweisungen bewegen sich im Rahmen dieser Vorschrift, meine Damen

(Abg. Möller)

und Herren. Wir wären sehr gern darüber hinaus gegangen, das gebe ich ganz offen zu – sind wir aber nicht, es wäre nämlich nicht rechtskonform gewesen. Und wir täten den Betroffenen auch keinen Gefallen, wenn wir Anwendungs- und Auslegungsanleitungen erließen, gegen die Rechtspopulisten und Ausländerhasser dann erfolgreich auf dem Rechtswege vorgehen könnten. Das wollen wir nicht.

Wir reden im Übrigen, meine Damen und Herren, von einem Erlass, den die Landesregierung auf Beschluss des Landtags vorgelegt hat. Vor gut einem Jahr haben wir beschlossen, diesen Erlass auf den Weg zu bringen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass dieser Beschluss jetzt endlich umgesetzt wird, und ich weiß sehr genau,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wie wir gemeinsam um jede einzelne der im Erlass formulierten Regelungen gerungen haben, um sie rechtskonform zu gestalten, aber eben auch im Sinne der Betroffenen und im Sinne des von uns formulierten öffentlichen Interesses, den Nazis und Rassisten deutlich zu zeigen, dass ihr Ziel, Geflüchtete aus unserem Land zu vertreiben, nicht erreicht wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der Landtag hat übrigens vor einem Jahr auf unsere Intention hin eine Änderung des geltenden Bundesrechts beschlossen, nämlich dass die Landesregierung im Bundesrat initiativ wird, um § 25 Abs. 4a des Aufenthaltsgesetzes zu ändern, mit dem Ziel, Opfer rechter und rassistischer Gewalt mit den Opfern von Straftaten nach den §§ 232 bis 233a gleichzustellen – das sind Straftaten wie Menschenhandel oder Zwangsprostitution –, sie gleichzustellen, damit nämlich ein Bleiberecht für sie nicht erst per Erlass durch eine Landesregierung geregelt werden muss, sondern als Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis im Aufenthaltsgesetz verankert ist. Diese Initiative hat unsere Landesregierung bereits mit Unterstützung der rot-rot-grünen Berliner Koalition im März in den Bundesrat eingebracht. Herzlichen Dank dafür und Dank auch an alle Menschen und Organisationen, die sich zum Teil seit Jahren für die Opfer rechter und rassistischer Gewalt einsetzen! Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Herrgott das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde der AfD-Fraktion zum Bleiberechtserlass ist leider weder aktuell noch ein bisschen originell.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber letzte Woche schon!)

Sie ist leider ziemlich kalter Kaffee, liebe Kollegen der AfD-Fraktion.

(Beifall CDU, SPD)

Der Bleiberechtserlass ist nur ein Ausfluss, eine Umsetzung des Landtagsbeschlusses vom 05.05.2017 und auch das war nur ein abgeschriebener Beschluss der Kollegen aus Brandenburg. Aber sei es drum, ich will die Befassung im Ausschuss noch mal ein bisschen in Erinnerung rufen, weil es wirklich schon sehr lange her ist und das gesamte Thema eine Aktuelle Stunde tatsächlich gar nicht rechtfertigt.

Wir bekamen damals im Ausschuss und im Plenum, als wir darüber berichtet und uns ausgetauscht haben, die Auskunft, wie viele Verfahren wegen einer Abschiebung eines Opfers oder eines Zeugen rassistischer Gewalt in Thüringen nicht abgeschlossen werden konnten. Uns wurde zunächst gesagt, man könne es nicht erheben, und nach einigen Nachfragen hat man dann gesagt, es ist kein einziger Fall bekannt, der aufgrund so einer Regelung in irgendeiner Form umgesetzt wurde. Deswegen sei so eine Regelung auch dadurch nicht wirklich zu begründen.

Weiterhin, meine Damen und Herren, gab es in den Jahren 2015 und 2016 – also lange bevor die entsprechende Regelung in Thüringen galt – ebenfalls keinen einzigen Fall, wo bereits die rechtlich vorhandenen Rahmenbedingungen des § 60a Aufenthaltsgesetz in Thüringen ausgenutzt wurden.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Da geht es um Verbrechen! Das müssen Sie schon dazusagen!)

Denn – Frau Berninger, bleiben Sie mal ganz ruhig – den Aufenthaltsstatus zu verlängern, um hier strafrechtliche Verfahren abzuschließen, ist bereits in den geltenden rechtlichen Vorschriften geregelt und es bedarf dieses Erlasses in Thüringen gar nicht. Wir haben das 2017 schon mal ausführlich ausgeführt, aber ich werde es gern noch mal wiederholen:

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das wird dadurch ja nicht richtiger!)

Ihr Erlass ist lediglich eine Replizierung, also ein dünner Aufguss vorhandenen geltenden Rechts, was Strafverfahren und deren Abschluss betrifft und was die Möglichkeiten, die Richter und Staatsanwälte in Thüringen bereits hatten und immer

(Abg. Berninger)

noch haben, umfasst. Das macht es nicht wesentlich besser, aber wenn wir uns den zweiten Teil des Erlasses anschauen, was das Thema der Besserstellung der Opfer aus der Opfereigenschaft heraus im Hinblick auf das Aufenthaltsgesetz betrifft, ist dies unserem deutschen Rechtssystem eigentlich grundhaft fremd, liebe Frau Berninger. Denn Wiedergutmachung findet eben nur seinen Niederschlag in einschlägigen Opfer- und Entschädigungsregelungen und eben nicht in einem anderen fachfremden Fachgesetz.

Der Verstoß durch so eine Regelung ist – wenn man es weit auslegt – auch ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung mit inländischen Opfern.

Im Ergebnis, meine Damen und Herren, bleibt: Der Bleiberechtserlass, den Sie hier entsprechend in Kraft gesetzt haben, ist eine überflüssige Doppelung geltenden Rechts, er ist angereichert mit widersinnigen Ungleichbehandlungen von Ausländern gegenüber deutschen Opfern.