Glauben Sie wirklich, dass sich irgendein Flüchtling in den Westbalkanstaaten davon abbringen lässt, sich auf den Weg zu machen, weil wir irgendeine Vorschrift über irgendein sicheres Herkunftsland erlassen?
Zweite Bemerkung: Überlange Verfahrensdauer würde dazu führen, dass man in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine andere Situation hätte.
Eine überlange Verfahrensdauer ist erstens tatsächlich ein Umstand, den man angehen sollte, aber den sollte man insbesondere auch deshalb angehen, weil Flüchtlinge monatelang bis jahrelang
Für die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen, wo diese Flüchtlinge die ersten drei Monate sind, ändert sich überhaupt nichts
dadurch, wenn die Verfahrensdauer tatsächlich nur noch fünf oder sechs Monate betragen würde, statt an vielen Stellen ein oder anderthalb Jahre. Das ändert in den Erstaufnahmeeinrichtungen überhaupt nichts.
Da muss ich ehrlich sagen: Eine CDU, die grundsätzlich zu diesem Bereich überhaupt nicht kommuniziert hat, und die sich jetzt hier hinstellt und sagt, eine neue Landesregierung, die kommuniziert, macht eine Katastrophe, kann ich beim besten Willen nicht verstehen.
Ich war gerade mal wenige Tage im Amt, da hatte ich Briefe und Anrufe aus Suhl in der Leitung und auf dem Tisch liegen, wo mir die Stadtverwaltung, der Oberbürgermeister von Suhl sagt, so kann es nicht weitergehen. Mit ihm hat noch nie jemand geredet. Was ist denn jetzt eigentlich hier in Suhl? Wie viele Leute kommen denn, wie lange soll das denn hier gehen in Suhl? Kein Mensch der alten Landesregierung hat sich jemals nach Suhl gewagt und hat dort im Gemeinderat Rede und Antwort gestanden oder hat mit dem Oberbürgermeister geredet. Von daher, dass wir nicht kommunizieren würden, dass wir nicht unsere Vorstellungen, die wir in dem Bereich haben, offen und gegen Widerstand darlegen, da muss man an der Stelle auch mal sagen: Wer hat sich denn in Gera hingestellt und hat vor 2.000 Leuten diese Entscheidung begründet? Auch wenn das nicht immer ganz einfach war. Das vielleicht als ein paar Vorabbemerkungen an dieser Stelle.
Zurück zu dem eigentlichen Thema der Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen. Wie war denn die Situation im Dezember 2014, als diese Landesregierung ins Amt gekommen ist? Wir hatten eine Erstaufnahme in Eisenberg, die ursprünglich für vielleicht 300 Leute gedacht war. Das ging auch über viele Jahre unproblematisch, weil wir über vie
le Jahre etwa irgendwas zwischen 500 und 800 Flüchtlingen pro Jahr in Thüringen hatten. Dann hatte sich die Situation verschärft, sodass es eine Außenstelle dieser Erstaufnahme in Suhl gegeben hat. Wir hatten die Situation, dass sich die Flüchtlingszahlen ab Dezember ganz drastisch erhöht haben. Ich habe gerade eben gesagt, welche Jahreszahlen wir in den Jahren 2005/2006 bis 2011/2012 hatten. Demgegenüber standen im Januar allein in einem Monat 829 Menschen, die nach Thüringen gekommen sind. Im Februar waren es dann sogar über 1.000. In dieser Situation sind Sie, wenn Sie – wie gesagt – im Dezember ins Amt gekommen sind und dann über Weihnachten und Januar vor diesen Zahlen stehen. Wir hatten also eine Erstaufnahmekapazität, die bei Weitem nicht mehr ausgereicht hat angesichts der Zahlen, die da in Thüringen angekommen sind. Was haben wir an dieser Stelle gemacht? Ich selber bin noch im Dezember nach Eisenberg gefahren und habe mir Eisenberg angeschaut. Ich habe mit allen Menschen dort geredet: Was können wir tun? Wie ist die Situation dort? Ich habe das wirklich mit eigenen Augen gesehen. An der Stelle begrüße ich ausdrücklich, dass die CDU-Abgeordneten des Justizausschusses auch nach Eisenberg gefahren sind und sich das angeschaut haben, denn wer Eisenberg gesehen hat, kann zu keiner anderen Erkenntnis kommen, als dass dieses Objekt tatsächlich höchst sanierungsbedürftig ist.
Ich habe mir zusammen mit dem Ministerpräsidenten Suhl angeschaut. Wir waren dort und haben zum ersten Mal in Suhl auch klare Aussagen getroffen. Wir waren dort und haben gesagt: Ja, Suhl ist kein Provisorium. Suhl soll eine dauerhafte Erstaufnahmeeinrichtung werden. Ja, diese Landesregierung wird mit dem privaten Vermieter in Suhl beabsichtigen, einen langjährigen Mietvertrag für dieses Objekt zu schließen. Und ja, wir werden versuchen, das Bundesamt dazu zu bekommen, in Suhl eine eigene Erstaufnahmestelle einzurichten und eine eigene Außenstelle des Bundesamts. Es war zum ersten Mal, dass jemand den Menschen in Suhl wirklich gesagt hat, was dort passieren soll. Aber wir haben auch gesagt, wir werden alles dafür tun, dass Suhl von den Zahlen nicht uferlos weitersteigt, sondern dass wir tatsächlich versuchen, dieses Versprechen, Suhl nicht mit über 1.000, vielleicht maximal 1.200 Menschen zu belegen.
Dies hat aber im Umkehrschluss bedeutet, dass wir uns natürlich auf die Suche nach neuen Standorten machen mussten. Wir haben da an keiner Stelle irgendwann einmal irgendwas Unterschiedliches gesagt. Wir haben immer gesagt, Eisenberg braucht eine Entlastung in räumlicher Nähe zu Hermsdorf. Und wir haben immer gesagt, daneben wird das Land weiter nach einer dritten Erstaufnahmeeinrich
tung suchen, weil wir die brauchen. Dann haben wir versucht oder nicht nur versucht, sondern, ich glaube, wir haben einen sehr objektiven Kriterienkatalog aufgestellt, an dem wir uns orientiert haben. Dieser hat dazu geführt, dass wir, glaube ich, mit sehr guten Argumenten begründen können, dass es im gesamten Ostthüringer Raum keine geeignetere Liegenschaft als Gera-Liebschwitz gibt. Auch da empfehle ich jedem, schauen Sie es sich an, fahren Sie hin, das ist ein Berufsschulinternat gewesen, da ist eine Schule, da ist ein Internatsgebäude, da ist eine Sporthalle, da gibt es einen Speisesaal mit einer funktionsfähigen Küche, die man sofort für die Essensversorgung dieser Einrichtung nutzen kann, sodass es Rahmenbedingungen gibt, wie Sie sie ansonsten in Ostthüringen nicht finden.
Ja, wir haben immer gesagt – um auch auf die Zahlen einzugehen –, es werden dort maximal 500 Menschen sein – maximal. Jetzt hat sich, weil wir natürlich sehr frühzeitig informieren, herausgestellt, die Schule ist deutlich schneller beziehbar, deshalb die Zahl von 180 bis 200, die sich auf die Schule bezieht. Mit dem Internatsgebäude wird es gegebenenfalls länger dauern, bis wir die baulichen Voraussetzungen geschaffen haben. Aber das ändert überhaupt nichts an den Zahlen. Wir haben immer die gleichen Zahlen kommuniziert. Wenn das Internatsgebäude hergerichtet ist, werden wir natürlich auch dort bei Bedarf mehr als 180 bis 200 Plätze haben. Wir haben auch bei der Suche nach der dritten Erstaufnahmeeinrichtung nach meiner Meinung auf jeden Fall sehr transparent und sehr offen kommuniziert. Wir haben immer gesagt, wir nehmen drei Standorte in den Blick. Wir haben diese drei Standorte kommuniziert. Wir haben gesagt, dafür gibt es einen Kriterienkatalog und das Landesverwaltungsamt soll prüfen. Dann hat das Landesverwaltungsamt uns mitgeteilt, dass anhand dieser Kriterien die Görmar-Kaserne in Mühlhausen der mit Abstand am besten geeignetste Ort für eine eigenständige Erstaufnahme ist.
Das heißt, ich habe mich an dieser Stelle übrigens auch sehr gefreut, dass Herr Fiedler diese Auffassung von uns teilt,
weil ich mir sicher bin, nach allen Kriterien, die man dort anlegt – es gibt komplett sanierte Mannschaftsgebäude der Bundeswehr, da ist die Elektrik neu, da ist die Heizung neu, da sind die Fenster neu, da ist der komplette Brandschutz neu. Die Bundeswehr hat in dieses Objekt mehr als 50 Millionen Euro investiert. Das sollte man jetzt vielleicht sogar abreißen, während es an anderen Stellen brennt. Das ist eine Entscheidung, die können Sie niemandem mehr vermitteln.
Deshalb eine klare Priorität für Mühlhausen und dann kommen Bedenken aus Mühlhausen. Bedenken dahin gehend, dass die sagen, die industrielle und gewerbliche Nutzung sei eingeschränkt. Wir haben dann nicht gemacht, das interessiert uns nicht, das wird schon gehen, sondern wir haben es angehalten und gesagt, okay, wenn es diesen Einwand aus Mühlhausen gibt, lassen wir uns noch eine Woche mehr Zeit und prüfen intensiv, ob die beabsichtigte industrielle und gewerbliche Nutzung tatsächlich eingeschränkt ist. Das Landesverwaltungsamt hat klar an dieser Stelle noch mal gesagt: Wenn überhaupt irgendwas die beabsichtigte gewerbliche und industrielle Nutzung im hinteren Teil der Kaserne einschränkt, dann ist es die vorhandene Wohnbebauung in Mühlhausen am Rande des Geländes und nicht eine auf einer zehnprozentigen Fläche des Gesamtgeländes befindliche Erstaufnahme.
Ich bin – das sage ich an dieser Stelle auch – dem Landrat äußerst dankbar dafür, dass er sagt, er kann sich so etwas vorstellen wie eine Dreifachnutzung des Geländes, nämlich eine Nutzung als Landratsamt, eine Nutzung als Erstaufnahme und eine Nutzung des weit überwiegenden Teils zur industriellen und gewerblichen Nutzung. Ich glaube, damit könnte Thüringen tatsächlich so etwas wie ein Modellcharakter für eine Erstaufnahmeeinrichtung sein.
Fazit: Ich glaube, wenn wir dieses Konzept umgesetzt haben, drei Landeserstaufnahmeeinrichtungen an vier Standorten, verteilt über das ganze Land, eine mehr im Nordwesten des Landes, in Mühlhausen, mit einer Kapazität, ich sage mal, irgendwas zwischen 700 und 1.000 Menschen – das wird davon abhängen, wie der Quadratmeterbedarf des Landratsamts ist –, eine Einrichtung in Suhl mit um die 1.000 Menschen und eine Einrichtung im Osten in Thüringen mit zwei Standorten, nämlich Hermsdorf und Gera, sind wir in der Lage, die Zahlen, die auf Thüringen zukommen werden, auch zu bewältigen.
Wir alle wissen, dass die prognostizierten 300.000 Menschen für Deutschland und damit 8.100 für Thüringen dieses Jahr möglicherweise auch gar nicht ausreichend sind. Das heißt, die Menschen sollen zwei bis drei Monate in dieser Erstaufnahmeeinrichtung sein. Das heißt, rechnerisch wiederum ganz einfach, wir müssen Kapazitäten in der Größenordnung von 2.500 Plätzen vorhalten. Anders wird es nicht gehen. Ich glaube, mit diesem Konzept legt die Landesregierung ein sehr gutes Konzept vor, wenn man Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen erst einmal von den Zahlen gestaltet. Das ist ein sehr gutes Konzept, was wir dort insgesamt wollen, nämlich nicht nur Unterbrin
gung, sondern auch schon Sprachförderung, Angebote, Räumlichkeiten für Kinder, für Sportmöglichkeiten sowohl in Gera wie auch in Mühlhausen, eine Integration in die Bevölkerung, die Möglichkeit, dass auch eine Anbindung per ÖPNV an die Städte besteht, all das ist, glaube ich, sehr notwendig.
Zum Schluss lassen Sie mich noch ein persönliches Fazit sagen: In der ganzen Debatte und in ganz vielen Diskussionen, die ich mehr oder weniger täglich im Moment führe, geht es ganz oft um den Begriff: Wir haben da ein großes Problem in Thüringen. Ich glaube, wir müssen an ganz vielen Stellen auch sagen: Wir haben da ganz große Chancen für Thüringen.
Es gibt inzwischen ganz viele, die noch vor vielen Jahren dem Ganzen deutlich kritischer gegenüberstanden. Wenn ich inzwischen in einer Tagung der Handwerkskammer oder der IHK bin oder gestern mit dem Verband der Thüringer Wirtschaft geredet habe, dann sind es nur drei Beispiele dafür, wie Organisationen inzwischen ganz klar sagen: Sorgen Sie dafür, dass diese Flüchtlinge auch hier menschenwürdig unterkommen und im Idealfall auch hier in Thüringen bleiben, denn wir brauchen diese Menschen als Arbeitskräfte für unsere Firmen, in unseren Regionen. Wir haben eine Situation, die demografische Situation will ich jetzt nicht im Einzelnen erläutern, aber die macht es zwingend notwendig, dass wir uns um Zuwanderung bemühen. So sollten wir auch diesen Flüchtlingen begegnen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Die Redezeit der Fraktionen hat sich um jeweils 1 Minute erhöht. Ich frage noch einmal, ob es Wortmeldungen aus den Fraktionen gibt. Das ist der Fall, Herr Brandner und dann Herr Herrgott. Herr Brandner, bitte, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren, da muss ich schnell reden. Zwei Aspekte, Herr Lauinger: Die Herkunftsländer selber wollen nicht, dass ihre Fachkräfte abwandern und bei uns bleiben. Ich habe gestern mit einem Botschafter von den Balkanstaaten gesprochen und der hat das genau so gesagt, dass wir auf diese Art und Weise deren Länder ausplündern
einmal von diesem Standort aus gesagt, das ist asoziale Politik, die da gegenüber den Herkunftsländern betrieben wird.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Brandner, Menschen sind keine Verfügungsmasse von Regierungen!)
Der zweite Aspekt, Herr Lauinger: Stellen Sie wirklich in Abrede, dass die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer dazu führen würde, dass zumindest die Verfahren schneller würden? Also wenn Sie das in Abrede stellen, muss ich sagen, haben Sie von der ganzen Sache gar keine Ahnung.