Protokoll der Sitzung vom 25.05.2018

Das hat sich mittlerweile in der Bildungsforschung weit herumgesprochen. Von dieser gesicherten pädagogischen Erkenntnis abweichend beharren Sie in Ihrem Antrag auf ertraglosen Ideologieprojekten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Sie soll mal nach Jena fahren und sich inklusiven Unterricht ansehen!)

Nicht erkennbar und etwas zynisch wirkt in dem Zusammenhang die Forderung in Punkt 3 f), wo die Landesregierung aufgefordert wird, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die positiven Errungenschaften des Mindestlohns zu verstärken. Das haben wir seit mehr als drei Jahren und der aktuelle Mindestlohn führt direkt in die Armutsfalle.

(Beifall AfD)

8,84 Euro pro Arbeitsstunde reichen nicht aus, weder eine Familie zu ernähren noch armutsfeste Rentenanwartschaften aufzubauen. Aber auch hier vertrauen Sie nur auf eine singuläre und symptomatische Therapie mit immer wieder mantraartig wiederholten Forderungen auf Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Sie haben dabei aber die Unternehmer- und Arbeitgeberseite überhaupt nicht im Blick.

(Beifall AfD)

Im Sinne eines integrativen Ansatzes, in der Medizin auch systematische und integrative Therapie genannt, wäre es doch eine Überlegung wert, dass Sie mal Vorschläge bringen, wie man die Unternehmerseite so mit Bürokratieabbau, Vergünstigungen und Standortstärkung entlastet, dass sie die mit großem Eifer gesuchten Fachkräfte – also wenn die Unternehmer sich bemüht haben und endlich die Fachkräfte gefunden haben, die sie dringend brauchen – gern ordentlich bezahlen.

(Beifall AfD)

Das würden Sie machen, wenn sie wenigstens von der Landesregierung, wenn schon nicht von der Bundesregierung, einfach mal ein bisschen Unterstützung, Stärkung und Hilfe bekommen würden. Das vermisse ich. Das ist einfach nur eine einseitige linkspopulistische Forderungspolitik, das hat nichts mit Standortstärkung zu tun und schon gar nichts mit Armutsprävention.

(Beifall AfD)

Zum guten Schluss eine zusammenfassende Bemerkungen: Der Kampf gegen Armut und der Einsatz zur Armutsprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Aber wenn Sie eine sozial verantwortliche Politik machen, müssen Sie klare Ziele vorgeben und gemeinwohlorientierte Rahmenbedingungen setzen. Das A und O für Armutsvermeidung ist gute und gut bezahlte Arbeit; auskömmliche Arbeit statt prekärer Jobs; wir brauchen hier keine breite Basis von Working Poor, wo man trotz einer oder mehrerer Beschäftigungsverhältnisse auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen ist. Wir müssen die Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse reduzieren. Die nehmen aber in Thüringen in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Der Arbeitsmarkt hat 30.000 Langzeitarbeitslose und 31.000 Aufstocker und ist eine zentrale Baustelle.

Im Bereich der Lohn- und Arbeitsmarktpolitik fehlt Ihrem Antrag aber eine stringente Schwerpunktsetzung. Weil es keine oder keine tauglichen Rezepte gibt, werden wir uns diesem Antrag leider nicht anschließen können. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordnete Pfefferlein das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Frau Herold, Ihr Redebeitrag ist es wirklich nicht wert, darauf näher einzugehen, deshalb werde ich das auch nicht tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen uns heute dem Thema „Armut“ in dieser Debatte und ich finde es sehr wichtig, dass wir uns diesem Thema heute wieder stellen. Wir haben – ja, das stimmt! – uns sehr ausführlich über lange Zeit darüber auseinandergesetzt, mit einer Anhörung, die war wichtig. Das hat mir auch bewiesen, dass dieser Antrag genau die Probleme getroffen hat, die da besprochen worden sind. Und die Kritik, dass dieser Antrag keine großen Änderungen hatte, das beweist doch, dass wir genau die Themen getroffen haben, die die Menschen bewegen und die wir dort besprochen haben. Und wir haben Lösungsansätze und das Land Thüringen hat auch schon etwas vorangebracht, wir zusammen als Koalition. Das möchte ich an dieser Stelle auch noch mal feststellen.

Nun können wir uns sicherlich auch die Frage stellen, welche Faktoren hinderlich dafür sind, bei gleichbleibend positiven Konjunkturdaten alle Menschen im Land vom Wohlstand profitieren zu lassen. Warum gelingt es uns nicht, die Schere zwischen Arm und Reich allmählich zu schließen? Wir Grünen – und da spreche ich natürlich auch für unsere Koalitionspartner – treten dafür ein, Armut in Deutschland zu bekämpfen, und hier in Thüringen sind wir gemeinsam mit den Regierungsparteien auch schon ein gutes Stück des Weges gegangen.

Doch Sozialpolitik ist vor allem auch Bundespolitik. Herr Thamm, da muss ich Ihnen widersprechen: Es steht vielleicht das eine oder andere im Koalitionsvertrag drin, aber es ist noch nicht umgesetzt und die Menschen warten zu Recht darauf, dass endlich mal etwas passiert – und es passiert viel zu wenig.

Kein Thema ist nämlich so sehr mit Angst und gleichzeitig mit Hoffnung besetzt und wenige Themen sind auf der einen Seite so nah am direkten Lebens- und Daseinsbedürfnis der Menschen und

(Abg. Herold)

zeitgleich mit so einer hohen Verantwortung ausgestattet wie das Thema „Armut“.

Aus meiner Sicht ist das Erbarmungswürdigste an diesem Thema: Armut hat ein Geschlecht, ein Alter und eine biografische Zuordnung. Einelternfamilien sind öfter von Armut bedroht; Frauen und Ältere sind ebenso öfter arm und Menschen in Ostdeutschland leben von durchschnittlich weniger Geld.

Es kann doch nicht sein, dass wir in Deutschland noch immer zulassen, dass Bildungschancen unserer Kinder abhängig von der finanziellen Ausstattung der Haushalte sind, in denen sie aufwachsen. Menschen, die in Armut leben, sind von zahlreichen Teilhabemöglichkeiten abgeschnitten. Und ich rede hier nicht davon, ob sie mehrmals im Jahr in den Urlaub können. Nein, es geht hier darum, Menschen ihre Grundbedürfnisse zu garantieren. Damit meine ich die Teilnahme an ganz alltäglichen Angeboten, wie zum Beispiel die Mitgliedschaft in Vereinen, ein Leben in einem attraktiven Wohnumfeld oder die Möglichkeit, am kulturellen Leben teilzunehmen.

Trotz guter Wirtschaft klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Die Fakten machen deutlich: Armut im Alter steigt ebenso wie die Armut von Erwerbstätigen. Die Armut aufgrund von Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt sich und die Kinderarmut ist auf einen erschreckenden Höchstwert angestiegen, und das im reichen Deutschland. Wir alle tragen also die Verantwortung dafür, diesen Trend endlich zu durchbrechen und mit den uns möglichen Mitteln dafür zu sorgen, dass Thüringen allein allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben den bekannten bundespolitischen Maßnahmen – das habe ich vorhin schon gesagt –, die meiner Meinung nach viel zu wenig sind, hat die Landesregierung bis heute zahlreiche Instrumente entwickelt, um der Armut entgegenzuwirken. Ich möchte hier auch noch mal das Beispiel mit den öffentlich geförderten Beschäftigungen erwähnen. Hier ist Thüringen Vorreiter und der Bund könnte sich daran ein Beispiel nehmen; ja, das steht in Ihrem Koalitionsvertrag drin mit dem sozialen Arbeitsmarkt, aber es wäre schön, wenn das endlich mal umgesetzt werden würde, denn Thüringen kann es nicht allein leisten. Da sind die Gelder im Landeshaushalt auch einfach zu wenig, um das für alle Menschen gerecht zu machen. Aber das wäre ein gutes Beispiel, das für ganz Deutschland anzustoßen, und dafür werden wir uns hier in Thüringen weiterhin auch in Richtung Bund einsetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Armut gründet sich nicht allein darauf, ob Menschen arbeiten oder nicht. Vielmehr brauchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerechte Löhne für ihre Leistungen. Im Laufe des Arbeitslebens erworbene Rentenansprüche müssen dann auch ausreichend hoch sein. Darum setzen wir Grünen uns für eine Erhöhung der Untergrenze des Mindestlohns ein und für eine Garantierente. Mit der Grünen-Garantierente und der Weiterentwicklung der Rentenversicherung zur Bürgerversicherung schützen wir die Menschen vor Altersarmut. Mit einem Familienbudget wollen wir die soziale Teilhabe von allen Kindern unabhängig vom Status der Eltern einfach und unbürokratisch garantieren und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Steuern, Abgaben und soziale Leistungen wollen wir so aufeinander abstimmen, dass Erwerbstätige mit geringem Einkommen entlastet werden und sich die Erwerbsarbeit auch finanziell lohnt. Mit einem sozialen Arbeitsmarkt verschaffen wir Langzeitarbeitslosen wieder einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Wir wollen Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umwandeln, für Leiharbeit muss gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten, wir brauchen ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz und Befristungen ohne Sachgrund sollte es nicht mehr geben.

Schließlich wollen wir eine einfachere und transparentere Grundsicherung ohne Sanktionen und diskriminierende Sonderregelung und in einer Höhe, die auch in Phasen mit keinem oder geringem Einkommen ein Leben in Würde ermöglicht. Das alles könnte in Anbetracht der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland nun endlich angegangen werden. Jeder arme und von Armut bedrohte Mensch in unserem Land ist einer zu viel. Darum müssen wir handeln, heute noch. Aus diesem Grund bringen wir als Koalition auch diesen Antrag ein.

Unser Antrag teilt sich in drei Teile: einen Berichtsteil und einen Auftragsteil, der auch die Bundesebene in den Blick nimmt, denn Sozialpolitik ist nun mal auch zum großen Teil Bundespolitik, das habe ich nun schon mehrfach gesagt. Wir möchten in Thüringen vorangehen und erarbeiten eine integrierte Sozialplanung, die es schafft, auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, Sozialdaten zu interpretieren und Armutsprävention zu etablieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“ erwähnte meine Kollegin Frau Pelke schon. Das ist auch wieder ein Schritt in die richtige Richtung, das ganze Problem anzugehen.

Wir haben umfangreich über diesen Antrag diskutiert, es gab eine Anhörung, die zuständigen mitberatenden Ausschüsse – Bildungsausschuss und Gleichstellungsausschuss – haben das auch positiv beschieden und deshalb bitte ich Sie herzlich, un

serem Antrag hier heute zuzustimmen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste! Ich möchte noch mal daran erinnern, dass wir den Antrag der Koalitionsfraktionen als Landesregierung genutzt haben, um eine Regierungserklärung zum Thema „Armutsprävention stärken, Armut bekämpfen“ hier im Thüringer Landtag zu halten. Ich will auch noch mal daran erinnern, dass das die erste Regierungserklärung im Thüringer Landtag zum Thema „Armut“ überhaupt gewesen ist. Es zeigt, glaube ich, wie wichtig der Koalition, aber auch der Landesregierung dieses Thema ist.

Wir haben in der Regierungserklärung Daten zu den Lebenslagen der Menschen und auch die wirksamen Aktivitäten der Landesregierung im Hinblick auf die Bekämpfung von Armut und Armutsprävention dargestellt. Ich denke, dass die Erklärung gut dokumentiert hat, dass Armutsprävention und -bekämpfung ein politischer Schwerpunkt der Landesregierung ist, der sich natürlich auch im Koalitionsvertrag widerspiegelt und den wir als Landesregierung durch die geschilderten Aktivitäten konsequent umsetzen.

Insofern war ich sehr froh, dass so eine umfangreiche Anhörung zu dem Thema noch einmal stattgefunden hat. Frau Pelke oder Frau Leukefeld hat es, glaube ich, gesagt: 42 Anzuhörende in einer Anhörung, das ist ein großes Programm. Das zeigt aber zum einen, wie wichtig das Thema ist, man muss eben komplex darauf schauen, und es zeigt zum anderen durch die Rückmeldungen, die wir bekommen haben aus der Anhörung, dass das ein Thema ist, das viele sehr bedrückt, bedrängt und bei dem man auf weitere Initiativen wartet.

Die Angehörten waren sich einig und es wurde auch noch mal bestätigt, dass das Thema „Armutsbekämpfung“ trotz einer boomenden Wirtschaft und sehr positiver Arbeitsmarktentwicklungen ein Thema bleiben wird und auf allen politischen Ebenen von großer Bedeutung ist.

Ende 2017 – Sie erinnern sich vielleicht – gab es eine Studie der Bertelsmann Stiftung zum Thema „Kinderarmut“. Hier wurde auch noch mal festgestellt – und das sollte uns allen sehr zu denken geben –, dass Kinderarmut in der Bundesrepublik

allzu oft ein Dauerzustand ist, dass es den Kindern aufgrund der Familienumstände und der Rahmenbedingungen nicht möglich ist, tatsächlich aus diesem Kreislauf der Vererbung von Armut auszubrechen. Das heißt, auch hier sind noch mehr Initiativen, sind noch mehr Aktivitäten notwendig.

Anhörungen sind wichtig, weil es natürlich dadurch auch noch mal ein Feedback der Dinge gibt, die wir hier auf Landesebene gestalten oder gestaltet haben und die wir uns vorgenommen haben.

Ich will ein paar wenige Ergebnisse beispielhaft hier benennen. Uns hat es gefreut, dass die Bundesagentur für Arbeit die Zusammenarbeit mit der Landesregierung und die Wirkung der diversen ESFLandesprogramme sehr positiv einschätzt. Das ist natürlich angesichts der Expertise der Bundesagentur für Arbeit für uns sehr, sehr wichtig. Es ist gut, dass diese Zusammenarbeit sehr gut funktioniert, und es ist natürlich für die Zukunft notwendig. Es spricht dafür, dass wir unsere Fördermittel effizient einsetzen, damit wir gemeinsam also zielgerichtete Hilfe für die von Armut betroffenen Menschen hier auch leisten können.

Ein weiteres Ergebnis: Unter Beachtung der Grenzen von kommunalem Engagement, insbesondere wenn es um die Sozial- und Steuergesetzgebung geht, haben mehrere der Angehörten darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung der Kommunen zum Beispiel beim Einsatz von ESF-Fördermitteln ein erfolgversprechender Weg ist, um mehr gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten, und zugleich ein erfolgversprechender Weg, wenn es um die Ermittlung und die Sicherung einer bedarfsgerechten Sozial- und Bildungsinfrastruktur geht. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch noch mal auf die Position der LIGA, des Kinderschutzbundes, aber auch des Landesseniorenrats und des Landkreistags.

Wir sind sehr gespannt; in diesem Jahr werden ja auch die sukzessive vorzulegenden kommunalen Armutspräventionsstrategien öffentlich werden und es wird interessant werden, gemeinsam mit den Kommunen hier an diesen Armutspräventionsstrategien zu arbeiten.

Wir haben natürlich auch sehr wohl die warnenden Hinweise im Hinblick auf die Endlichkeit von ESFFördermitteln zum Anlass genommen, die Kommunen bei dieser Aufgabenstellung noch weiter zu unterstützen. Sie sind natürlich auch ein Hinweis für uns, für die vor uns liegende Erarbeitung der Operationellen Programme für den Einsatz künftiger EU-Fördermittel darauf auch ganz besonders zu schauen. Sie wissen ja, Armutsbekämpfung ist ein Ziel von „EU 2020“.

Ich bin mir im Ergebnis der Anhörung sicher, dass die Landesregierung diesen Auftrag schon sehr konsequent umsetzt und Thüringen im Ergebnis

(Abg. Pfefferlein)

auch gegenüber der EU-Kommission Beachtliches vorzuweisen hat.