Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Frau Abgeordnete Meißner für die CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, werte Zuschauer, meine Kollegin Stange hat ja schon erklärt, worum es bei dem Gesetzentwurf geht. Es ist ein nicht so einfaches Thema, aber Grundlage dafür ist die Veränderung auf der Bundesebene. Es gibt ein Bundesteilhabegesetz, was sehr viele Verbesserungen für Menschen mit Behinderung in Deutschland und damit auch in Thüringen vorsieht und was zum Inhalt hat, dass Leistungen der Eingliede

rungshilfe aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch herausgelöst werden und als besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderung in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch überführt werden. Daraus ergibt sich ein Gestaltungsspielraum für die Bundesländer, der jetzt im Rahmen von Landesgesetzen eine Ausführung der bundesgesetzlichen Regelungen erfahren muss. Und dieser Gesetzentwurf, also der Thüringer Weg der Ausführung, wurde uns seitens der Landesregierung im letzten Plenum vorgelegt. Dieser ist in die Ausschüsse überwiesen worden und dort fand eine Anhörung statt.

Wir als CDU-Fraktion – und das habe ich auch in der letzten Beratung hier im Plenum schon mitgeteilt – finden den Gesetzentwurf gut. Das heißt, eigentlich hätte man Einvernehmen mit uns darüber herstellen können, auch was die Kostenfrage betrifft, denn das ist die, die auch bei den kommunalen Spitzenverbänden für Diskussionsbedarf sorgt. Aber Frau Stange hat dazu schon Stellung genommen und wir haben auch im Ausschuss darüber diskutiert.

Doch leider, das muss ich ganz ehrlich sagen, gab es einen Punkt im Ausschuss, der uns letztendlich dazu gebracht hat, noch mal tiefergehend zu diskutieren. Das ist der Punkt der sogenannten Interessenvertretung. Das Bundesgesetz hat uns auch vorgegeben, dass in diesen aktuellen Veränderungen auch eine Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung nicht nur festgeschrieben werden soll, sondern auch mit einbezogen werden soll. Diese Interessenvertretung war seitens der Landesregierung leider im Gesetzentwurf nicht enthalten. Deswegen war es für uns letztendlich auch überraschend, dass im Ausschuss – und, Frau Stange, da kann ich die Kritik nur zurückgeben – von einem Tag auf den anderen ein Änderungsantrag vorgelegt wurde, der auf einmal eine Interessenvertretung benannte und sozusagen festschreiben, zementieren wollte.

Diese Interessenvertretung war aber leider nicht Teil der Anhörung, die wir im Ausschuss durchgeführt haben. Deswegen haben wir als CDU-Fraktion gesagt: Bei dieser sensiblen Frage, wie Menschen mit Behinderung in ihren eigenen Angelegenheiten vertreten werden – und das nicht nur kurzzeitig, sondern auf Dauer – wollen wir die Betroffenen auch noch einmal befragen. Deswegen haben wir angeregt, eine erneute Anhörung zu diesem Punkt durchzuführen, wer Interessenvertretung ist. Da muss man der Ehrlichkeit halber sagen: Das wurde abgelehnt.

Deswegen haben wir uns als Fraktion Gedanken gemacht, wie wir dazu Stellung nehmen. Wir hatten uns im Ausschuss enthalten, aber auch gesagt, dass wir diese Anhörung durchführen wollen. Wir haben also zur Frage, wer die Interessenvertretung

(Abg. Stange)

im Rahmen der Ausführung des Bundesteilhabegesetzes in Thüringen übernimmt, die Anzuhörenden noch einmal befragt. Denn, wie gesagt, für uns ist es ein wichtiges Thema, das nicht nur kurzzeitig zum Tragen kommt, sondern im gesamten Prozess auf viele Jahre, und damit auch große Auswirkungen für die Betroffenen hat.

Im Ausschuss hieß es, die LIGA wäre diejenige gewesen, die vorgebracht hätte, man müsste diese Interessenvertretung jetzt regeln. Deswegen ist es besonders spannend zu hören, was die LIGA zu dieser jetzt benannten Interessenvertretung sagt. Und da möchte ich aus der Stellungnahme der LIGA zitieren, die uns erreicht hat, Herr Präsident: Inwieweit die im Gesetzentwurf benannte LIGA Selbstvertretung Thüringen e. V. den dort formulierten Vertretungsanspruch tatsächlich umsetzen kann, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt für uns nach einem Gespräch mit Vertretern des Gremiums nicht abschließend zu beurteilen, insbesondere weil diese sich noch in inhaltlicher und struktureller Aufbauphase befindet. – Deswegen sehen sie es auch kritisch, wie die Menschen mit geistigen Behinderungen oder Suchterkrankungen einbezogen werden. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass sie es als schwierig ansehen, für alle Belange im Rahmen des SGB IX als alleinige Vertretung die LIGA Selbstvertretung zu legitimieren. Dies würde andere betreffende Organisationen ausschließen, soweit sie nicht Mitglied sind oder Mitglied werden wollen.

Das ist die Stellungnahme der LIGA. Ich kann darüber hinaus auch sagen: Der Behindertenbeauftragte äußerte sich ähnlich kritisch und hat seine Bedenken bezüglich der Interessenvertretung angemeldet und letztendlich auch – und da möchte ich ebenfalls die Stellungnahme zitieren – der Gemeinde- und Städtebund, der nämlich in seiner Stellungnahme uns gegenüber vorgeschlagen hat, diese Interessenvertretung in einer Rechtsverordnung festzuschreiben und nicht in einem Gesetz, denn im Rahmen einer Rechtsverordnung ist man wesentlich flexibler und hätte beobachten können, wie sich die jetzt ausgewählte Interessenvertretung entwickelt und ob alle Mitglieder einbezogen werden, die zu einer echten Interessenvertretung notwendig sind. Deswegen sagt der Gemeinde- und Städtebund: Da die LIGA der politischen Interessen- und Selbstvertretung noch sehr jung ist, könnte sich die Frage stellen, wie nachhaltig die Interessenvertretung ist. Darum wäre eine Verortung in einer Rechtsverordnung, die einfacher und schneller geändert oder auch um eine weitere Interessenvertretung ergänzt werden könnte, zu bevorzugen.

Sie sehen also: Dass die CDU-Fraktion sich im Ausschuss bei dem Thema „Interessenvertretung“ enthalten hat, ist berechtigt, denn es ist zum jetzigen Zeitpunkt keine echte Interessenvertretung. Wir werden abwarten müssen, wie sich die Interessen

vertretung entwickelt, das heißt, welche Mitglieder wirklich noch beitreten, aber welche nicht.

Für uns als CDU-Fraktion ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass beispielsweise auch die Menschen mit Schwerstmehrfachbehinderung zu Wort kommen und auch die Werkstätten ausreichend vertreten sind, denn gerade diese sind für uns ein elementarer Bestandteil der Betreuung von Menschen mit Behinderung in Thüringen und daran wollen wir auch festhalten.

Deswegen haben wir als Kompromiss gestern hier im Plenum den Vorschlag der Evaluierung eingebracht. Den konnten wir, wie gesagt, auch nicht eher einbringen, Frau Stange, weil – wie gesagt – Sie uns im Ausschuss überrascht haben und wir auch erst eine Anhörung durchführen wollten. Er beinhaltet, Sie sagten es schon, eine Evaluierung im III. Quartal, das heißt, wir wollen im III. Quartal nächsten Jahres wissen: Wie hat sich beispielsweise die Interessenvertretung entwickelt? Ist sie wirklich ein richtiger Ansprechpartner und ein Vertreter für die Belange oder sollten wir eine weitere aufnehmen? Aber auch die Frage: Wie ist die Landesrahmenvereinbarung vorangekommen? Denn es ist richtig: Diese müssen jetzt in Gang kommen und werden auch durch das Ministerium vorangetrieben. Aber wir müssen auch schauen, was dabei rausgekommen ist und ob letztendlich das auch ein Ergebnis ist, das dazu passt, was wir hier in Thüringen im Rahmen der Vertretung und der Betreuung von Menschen mit Behinderung letztendlich umsetzen wollen. Es ist schön, dass Thüringen eines der ersten Bundesländer ist, das dieses Ausführungsgesetz hat. Aber wir sind der Meinung, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Deswegen freuen wir uns, dass wir zumindest mit dem Vorschlag der Evaluierung die Zustimmung der Regierungskoalition bekommen, denn dann können wir letztendlich überprüfen, ob der Weg, den wir in Thüringen gewählt haben, der richtige ist.

Abschließend möchte ich nur noch auf zwei Punkte eingehen und der Landesregierung bei der weiteren Umsetzung mitgeben. Das sind zwei Dinge, die auch im Rahmen der Anhörung im Ausschuss deutlich gemacht wurden: zum einen der Fakt, dass nun aufgrund des Wegfalls der Trennung zwischen ambulanten und stationären Angeboten auch eine Änderung der bisherigen Zuordnung der Verhandlungsführung folgt und dadurch letztendlich alle zukünftigen Abschlüsse von Vereinbarungen beim Landesverwaltungsamt liegen. Deswegen ist es dringend notwendig, dass auch das Landesverwaltungsamt in dieser zuständigen Stelle personell entsprechend ausgestattet wird, sodass diesem Mehraufwand auch Rechnung getragen werden kann und kein zeitlicher Verzug entsteht. Darüber hinaus möchte ich noch eine zweite Anmerkung machen, die auch aus der Anhörung stammt – genauer gesagt von der Landesarbeitsgemeinschaft der Werk

statträte –: Diese wünschen sich, dass sogenannte Musterrahmenverträge – Entwürfe des Rahmenvertrags – auch in Leichter Sprache gestaltet werden, denn nur so kann sichergestellt werden, dass die komplexen Zusammenhänge auch verständlich dargestellt und Beteiligungsrechte tatsächlich wahrgenommen werden.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Zustimmung der Regierungskoalition und letztendlich auch unsere Zustimmung zu dem Gesetzentwurf und ich hoffe und wünsche, dass wir dann mit diesem Ausführungsgesetz in Thüringen gute Bedingungen für Menschen mit Behinderungen schaffen und uns ansonsten das Ganze im nächsten Jahr noch mal anschauen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke schön. Nun hat Frau Abgeordnete Herold für die AfD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Internet, die AfD-Fraktion erkennt grundsätzlich die Notwendigkeit des heute in zweiter Beratung stehenden Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch an, weil es eine Folge bundesrechtlicher Vorgaben ist und eine notwendig gewordene Anpassung der Regelungen im Bereich der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Immerhin soll das Gesetz heute rückwirkend zum 1. Januar 2018 stufenweise umgesetzt werden können. Im Fokus der im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes notwendigen Neuregelungen soll nach unserer Auffassung auch die Stärkung der personenzentrierten Leistungserbringung zur Förderung von Autonomie und Teilhabe behinderter Menschen sowie das Verhindern eines unverhältnismäßigen Kostenaufwuchses stehen. Hilfen sollen sich also nicht länger an institutionellen Erfordernissen, sondern an den Bedürfnissen der Personen und ihren alltäglichen Lebensvollzügen orientieren.

Grundsätzlich zu begrüßen ist aus unserer Sicht die Überführung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus dem Zwölften in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch, wenn das von dem Leitgedanken getragen ist, dass diese behinderten Menschen damit nicht länger mit dem Stigma „Sozialfälle“ belegt werden. Der Paradigmenwechsel hin zu mehr Teilhabe und Personenzentrierung ist sachgerecht und grundsätzlich unterstützenswert. Allerdings haben wir bezüglich dieses Gesetzentwurfs eine Reihe kritischer Fragen, die sich aus dem Ergebnis der schriftlichen Anhörung herleiten lassen. Ich habe

dazu bereits in der ersten Lesung etwas gesagt und möchte das hier noch einmal ausdrücklich thematisieren.

Strittig ist aus unserer Sicht – neben dem zu erwartenden signifikanten Anstieg des Verwaltungsmehraufwandes, der mit der personenorientierten Bedarfs- und Angebotsplanung einhergeht – die aus unserer Sicht viel zu niedrig angesetzte Kostenschätzung. Hier sieht auch der Städte- und Gemeindebund Thüringen zu Recht unwägbare Risiken. Der Thüringische Landkreistag beklagt ebenso die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und die erheblichen finanziellen Risiken, die auf die örtlichen Träger der Eingliederungshilfen zukommen, und fordert deshalb unverzüglich eine direkte und paritätische Beteiligung des Landes am Kostenaufwuchs. Dies auch deswegen, weil mit Blick auf den Bundestrend mit einem jährlichen Anstieg der Zweckausgaben in der Eingliederungshilfe zu rechnen ist. Gerade weil sich das Land nach mehreren Dialogtreffen mit den kommunalen Spitzen für eine faire Aufgabenverteilung sowie die Kompensation der prognostizierten Kosten der Eingliederungshilfe aus Mitteln des Thüringer Finanzausgleichs ausgesprochen hat, dürfen die Kommunen nicht schon wieder auf den jährlichen Mehrkosten sowie den Mehrkosten durch den Verwaltungs- und Umstellungsaufwand sitzenbleiben. Wir finden, dass die Landesregierung hier fest bei den Kommunen im Wort stehen sollte, sie hat es aber geschickt vermieden, diese Zusagen auch wirklich unantastbar im Gesetz zu verankern.

Ein weiterer Punkt im vorliegenden Gesetzentwurf, den wir kritisieren möchten, ist die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Das verlangt unbedingt eine angemessene personelle Ausstattung der örtlichen Eingliederungshilfeträger mit fachlich qualifiziertem Personal sowie einen sachgerechten Betreuungsschlüssel. Sowohl der Thüringer Städteund Gemeindebund als auch der Thüringische Landkreistag haben auf das Problem hingewiesen, das wir in dem vorliegenden Gesetzentwurf als nicht gelöst ansehen. Die im Gesetz fixierte Inaussichtstellung der Refinanzierung des Kostenmehrbedarfs soll nach einer Evaluierung und stark zeitversetzt stattfinden. Hier wird wieder ein Problem verschoben. Der Bund wird beschuldigt, nicht genügend Geld zur Verfügung gestellt zu haben. Aber der Bund ist weit weg und das ist in Berlin. Wir befinden uns hier in Thüringen und es sind unsere kreisfreien Städte und unsere Landkreise, die zunächst einmal auf den Kosten sitzenbleiben, notfalls bis nach der Evaluierung.

(Beifall AfD)

Die Landesregierung ist da nach unserer Auffassung einfach in der Pflicht, in Vorleistung zu gehen und die Kommunen nicht weiter mit zusätzlichen Lasten und Pflichten zu überfordern.

(Abg. Meißner)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, aufgrund der rechtlichen und finanziellen Unwägbarkeiten, des – sage ich mal – gewissen verfahrenstechnischen Findens mit der Einführung einer bisher völlig unbekannt gebliebenen LIGA, die als Interessenvertretung aufscheint und während der Sommerpause von der gesetzgebenden Seite aus dem Hut gezaubert worden ist, aufgrund der Unwägbarkeiten, die mit der Neuorganisation der Eingliederungshilfen einhergehen und mit erweiterter Teilhabe verbunden sind, aufgrund der bis heute nicht genau abschätzbaren Kosten und der nicht fest fixierten Erstattung, die mit der Umwandlung des Angebotsspektrums einhergeht, aufgrund der nach wie vor im Raum stehenden verfassungsrechtlichen Bedenken bei der Aufgabenteilung zwischen überörtlichen und örtlichen Trägern müssen wir uns heute leider bei der Abstimmung enthalten. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Frau Ministerin Werner, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Ich habe in der ersten Beratung hier im Plenum schon ausführlich zum Gesetzentwurf Stellung genommen und den Inhalt erläutert und er wurde auch jetzt noch einmal im Plenum erläutert. Deswegen will ich gar nicht so viel zum Gesetzentwurf, wie er Ihnen in der ersten Lesung vorlag, sagen, sondern nur kurz ein paar Worte zum derzeitigen Sachstand.

Wir treten nun in die Verhandlungen zum Abschluss von Rahmenverträgen für die ab dem 1. Januar 2020 geltenden Bestimmungen ein. Zur Aufnahme ebendieser Verhandlungen wurden die Leistungserbringer im August dieses Jahres aufgefordert. Das Gesetz ist für uns ein wichtiges Mittel bzw. eine wichtige Grundlage, um eine rechtssichere Umsetzung der stufenweise in Kraft tretenden bundesrechtlichen Regelungen im SGB IX umsetzen zu können.

Frau Meißner, ich nehme Ihren Antrag, den Sie zur Evaluierung gestellt haben, sehr gern auf. Ich finde, die Evaluierung ist ein gutes Mittel, um sich mit Ergebnissen oder Sachständen auseinanderzusetzen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir Sie natürlich fortlaufend im Ausschuss darüber informiert hätten, wie sich die Verhandlungserfolge derzeit darstellen. Wir wissen, das sind sehr wichtige Verhandlungen, die hier geführt werden. Es gibt eine große Unsicherheit, weil die Zeit, die uns der

Bundesgesetzgeber dafür zur Verfügung gestellt hat, relativ knapp ist. Aber durch die Evaluierung haben wir hier noch mal ein zusätzliches Mittel in der Hand. Ich bedanke mich für diese Anregungen.

Ich möchte auch Ihre Anregung, die Sie hier eingebracht haben, die Rahmenverhandlungen durch Leichte Sprache zu begleiten, noch mal aufnehmen. Das ist für uns selbstverständlich. Ich bin auch den Koalitionsfraktionen dankbar, die im letzten Haushalt eine hohe Summe an finanziellen Mitteln eingestellt haben, um Assistenz, Leichte Sprache, Dokumentationen ermöglichen zu können, wenn es um Dinge geht, die wir hier im Land verhandeln und die für die Betroffenen natürlich auch nachvollziehbar sein müssen. Insofern ist es also selbstverständlich, dass wir hier die Bedarfe der Menschen mit Behinderungen – also der Betroffenen – entsprechend berücksichtigen.

So komme ich zur Diskussion, die jetzt hier vor allem eine Rolle gespielt hat, nämlich zur Diskussion der Interessenvertreter der Menschen mit Behinderungen. Ein wichtiger Bestandteil des vorliegenden Gesetzes ist ja auch die Bestimmung der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen für das Land Thüringen. Im SGB IX werden die Länder ermächtigt, dieses durch Landesrecht zu bestimmen. Zukünftig sind die Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen, die keine Leistungserbringer sind, bei der Förderung und Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, bei der Erarbeitung der Rahmenverträge und im Rahmen des Verfahrens der Schiedsstelle einzubeziehen. Damit wird gemäß dem Paradigmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderungen ihre Position nachhaltig gesteigert und gestärkt.

Lassen Sie mich deswegen einige Worte mehr dazu sagen, weil uns das Thema „Wer könnte diese Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen sein?“ hier in Thüringen schon eine ganze Weile bewegt. Frau Herold – sie ist noch da –, Sie haben ja auch Vertreter im Landesbehindertenbeirat sitzen, die CDU-Fraktion und die anderen Fraktionen meines Erachtens auch. Seit mehr als einem halben Jahr diskutieren wir genau darüber, ob die LIGA der Selbstvertretung, die sich neu gegründet hat, tatsächlich der entsprechende Interessenvertreter sein könnte. Wir haben das zweimal im Landesbehindertenbeirat diskutiert, wir haben die Vertreter für die LIGA der Selbstvertretung auch in den Landesbehindertenbeirat eingeladen, die – denke ich – sehr ausführlich zu den Fragen Stellung genommen haben, auch noch mal dargelegt haben, wie sie sich vorstellen, dass auch die Interessenvertretungen, die sich derzeit noch nicht unter der LIGA zusammengefunden haben, miteinbezogen werden können. Insofern ist die Diskussion, denke ich, keine ganz neue. Ich bin aber dankbar, dass die Koalitionsfraktionen das nun aufgegriffen haben und das mit einem Änderungsantrag im Gesetz

(Abg. Herold)

auch entsprechend festschreiben wollen, weil ich glaube, es braucht auch eine Sicherheit für die betroffenen Menschen, damit sie wissen, wer jetzt diejenigen sind, die die Interessenvertretungen tatsächlich darstellen und sich unter diesem Dachverband zusammenschließen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Meißner?

Ja.

Bitte, Frau Meißner.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Da das Thema so eine Bedeutung hat und – wie Sie sagen – das Ministerium dies auch schon seit längerer Zeit erkannt hat, darf ich Sie fragen, warum diese Interessenvertretung nicht von Anfang an vom Ministerium bzw. von der Landesregierung aus bereits in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde?

Das habe ich gerade versucht darzustellen. Das ist eine neu gegründete Interessenvertretung, und uns war es wichtig, dass wir mit den verschiedenen Akteuren dazu auch noch mal ins Gespräch kommen. Als der Gesetzentwurf hier ins Kabinett eingebracht wurde, war das noch nicht diskutiert, noch nicht mit den betroffenen Verbänden besprochen. Insofern hatten wir also noch nicht die Gelegenheit, das hier entsprechend einzubringen. Man hätte das vielleicht auch auf eine andere Art und Weise dann später regeln können. Aber das ist natürlich die allerbeste Variante, weil – und da bin ich auch wieder den Koalitionsfraktionen dankbar – das einfach auch eine Rechtssicherheit gibt und wir dann auch alles dafür tun können, dass diese LIGA der Selbstvertretung ein guter Akteur, auch ein unterstützender Akteur sein kann, der die Aufgaben, die ja nicht wenige sind, im Rahmen dieser Verhandlungen zu den Rahmenvereinbarungen wahrnehmen kann.

Es ist ein hoher Anspruch, den wir an die LIGA stellen. Ich persönlich bin wirklich sehr froh, dass sich diese LIGA der Selbstvertretung aus den Betroffenenverbänden selbst gegründet hat. Es sind inzwischen schon zwölf Selbstvertretungsvereine, -verbände, -organisationen, die sich darunter zusammengefunden haben. Es können auch Einzelpersonen Mitglied der LIGA werden. Wir haben natürlich

auch miteinander besprochen – auch schon im Landesbehindertenbeirat –, wenn es den Eindruck gibt, dass bestimmte Interessengruppen nicht genügend vertreten sind oder sich nicht genügend vertreten fühlen, dass wir darüber auch immer wieder reden und dann schauen, wie wir hier die Vertretung weiter stärken können. Ich will auch noch mal sagen: Ich könnte gar nicht beurteilen, wer eine – weil Sie das, glaube ich, so gesagt haben – echte oder unechte Interessenvertretung ist oder nicht ist. Für mich stellt sich der Sachverhalt so dar, dass sich diese LIGA aus den Betroffenen selbst gegründet hat. Ich finde, das hat einen ganz hohen Wert. Auch die Diskussion in den letzten Wochen und Monaten dazu hat noch mal bestärkt, dass wir eigentlich ganz froh sein sollen, weil die Interessenverbände derzeit eher zersplittert sind, selten dazu kommen, ihre Anliegen auch gemeinsam tatkräftig einzubringen und dafür auch zu kämpfen. Ich denke, dass wir mit der LIGA der Selbstvertretung da eine Vertretung haben,

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Eine ech- te?)

die das gut einbringen wird und aus meiner Perspektive damit auch eine echte Vertretung der Betroffenenverbände ist.

Wie gesagt, ich glaube, das kommt auch sehr dem Anliegen der UN-Behindertenrechtskonvention entgegen „Nicht ohne uns über uns“, das heißt, die Belange der Menschen mit Behinderungen entsprechend zu berücksichtigen, deren Selbstbestimmungsrecht hier als ganz hohes Gut zur Geltung zu bringen, natürlich unabhängig von Art und Schwere der Behinderung.