Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Projektanträge im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie im Unstrut-Hainich-Kreis werden auf der Grundlage der Entscheidung eines Begleitausschusses, wie ich eben dargestellt habe, bewilligt oder abgelehnt. Die Entscheidung erfolgt anhand eines Projektantrags sowie einer Präsentation des Antrags zum Projekt mit anschließender Rückfragemöglichkeit der Begleitausschussmitglieder.

Es ist dann zu II.2 des CDU-Antrags wie folgt auszuführen: Über das Landesprogramm werden nur Initiativen gefördert, die im Sinne der Programmziele arbeiten. Die Programmziele gehen aber über die Persönlichkeitsbildung weit hinaus; siehe beispielsweise Kapitel 3.1, Leitziele des Landesprogramms. Die Handlungsfälle des Landesprogramms – siehe Kapitel 3.2 dieses Programms – sind daher auch unterschieden in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Sie fragen dann, was unter Primär-, Sekundär und Tertiärprävention zu verstehen ist. Unter Primärprävention werden im Landesprogramm Konzepte und Maßnahmen verstanden, die darauf abzielen, mittels struktureller, gruppenbezogener und individueller Maßnahmen Bedingungen zu schaffen, um demokratische, gewaltfreie und menschenrechtsorientierte Einstellungen, Verhaltensmuster und entsprechende Kompetenzen zu fördern. Die Zielgruppe sind alle. Unter Sekundärprävention werden im Landesprogramm Konzepte und Maßnahmen verstanden, die darauf abzielen, ziel

gerichtet und kontextbezogen vorhandene Einstellungs- und Verhaltensmuster aufzubrechen …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist doch Verarsche!)

Ich weiß nicht, ob der Begriff „Verarsche“ parlamentarisch zulässig ist, Frau Präsidentin.

Für den Begriff „Verarsche“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, Herr Kollege Möller.

Unter Sekundärpräventionen werden im Landesprogramm Konzepte und Maßnahmen verstanden, die darauf abzielen, zielgerichtet und kontextbezogen vorhandene Einstellungs- und Verhaltensmuster aufzubrechen bzw. ihre Verfestigung zu verhindern und den Übergang von Einstellungen zu

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist ja wohl echt ein Witz!)

entsprechendem, gegebenenfalls auch gewalttätigem Handeln zu unterbrechen. Hauptzielgruppe sind Gefährdete.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen!)

Unter Tertiärprävention werden im Landesprogramm Konzepte und Maßnahmen verstanden, die sich als korrektiv-personale Interventionen an Personen richten, die über ein verfestigtes antidemokratisches und rechtsextremes bzw. neonazistisches Weltbild sowie starke Ausprägungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verfügen und deren Handeln davon geprägt ist. Die Hauptzielgruppe sind Rechtsaffine.

Zu II.3, der Interventionsfonds, der hier auch Gegenstand der Diskussionen war: Der Interventionsfonds ist ein wichtiges Instrument und ein konstitutiver Bestandteil der Förderung des Landesprogramms; Kapitel 4, Strukturen und Projekte, Seite 25 des Programms. Im Leitbild wird die Intervention als Handlungsfeld hervorgehoben. Ich zitiere: „Auch das aktive und gewaltfreie Engagement gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird unterstützt.“; hier Landesprogramm Seite 3. Dem Landesprogramm liegt ein integrierter Handlungsansatz zugrunde, der die ehrliche Analyse gesellschaftlicher Zustände und Herausforderungen mit Maßnahmen der Prävention und Intervention verknüpft. Das Konzert „AufMUCKEn gegen Rechts“ wird nicht aus Mitteln des Interventionsfonds finanziert. Insofern geht aus meiner Sicht die Kritik am Interventionsfonds seitens der CDU-Fraktion weit

(Minister Prof. Dr. Hoff)

über das eigentliche Interesse hinaus. Ich befürchte, dass hier vielmehr das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Das heißt also, eine kritische Einstellung überzieht ein Instrument, das als Instrument für die zivilgesellschaftlichen Akteure tatsächlich eine hohe Relevanz hat. Ich würde gern auch an anderer Stelle dazu beitragen wollen, auch die CDU-Fraktion davon zu überzeugen, dass der Interventionsfonds eben nicht als Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden sollte, sondern dass wir eher wieder ein gemeinsames Verständnis davon herstellen – wie wir es auch an anderer Stelle schon hatten –, was der Interventionsfonds tatsächlich leistet.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit nach der Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Umsetzung des Thüringer Landesprogramms gemeinnützige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie Personengesellschaften gefördert werden. Eine Extremismusklausel, wie es sie schon gab – und die aus gutem Grund auch wieder abgeschafft worden ist und nicht nur in Thüringen, sondern auch an anderer Stelle –, hat nicht dazu beigetragen, die Fähigkeit, auch die Bereitschaft von Akteuren zu erhöhen, nicht, weil sie sich als Extremisten verstehen, sondern weil die von oben vorgegebene Begrifflichkeit – sozusagen eine weite Begrifflichkeit, was als extrem verstanden werden könnte –, ob man den Liedtext mag oder nicht, dazu führt, dass die Unsicherheit aufseiten derjenigen, die wir eigentlich als zivilgesellschaftliche Akteure gewinnen wollen, wächst, statt sie in ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement zu ermuntern.

Insofern lassen Sie uns lieber darüber diskutieren, wie wir immer wieder ein gemeinsames Verständnis von Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit herstellen, als uns gegenseitig Extremismusvorwürfe um die Ohren zu hauen.

In diesem Sinne – das haben Sie gemerkt – war es mein Ziel, diese Diskussion, die einen sehr populistischen Anfang hatte und in der Herr Tischner am Beginn seiner Rede auch Paroli geboten hat, durch die Darstellung, was dieses Programm tatsächlich tut und was die Grundprinzipien dieses Programms sind, wieder auf eine sachliche Grundlage, nämlich die des Programms, zurückzuführen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir jetzt zu den Abstimmungen. Zunächst wird über den Antrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/6171 abgestimmt. Wer für diesen Antrag stimmen möchte, den bitte ich um das Hand

zeichen. Die verbliebene AfD-Fraktion. Wer ist dagegen? Das sind die Stimmen aus dem Rest des Hauses – die Koalitionsfraktionen und die CDUFraktion. Gibt es Stimmenthaltungen oder Gegenstimmen? Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind mehr!)

Dann kommt als Nächstes zur Abstimmung der Alternativantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/6217. Wer für diesen Antrag stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? Das sind die drei Stimmen der AfDFraktion. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen dann zum nächsten Tagesordnungspunkt, und zwar Tagesordnungspunkt 13

Dem Pflegenotstand entschlossen entgegenwirken! Freie Potenziale von Krankenund Altenpflegern aus osteuropäischen Nicht-EU-Staaten für Thüringen gewinnen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/6166

Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Ich gebe Frau Abgeordneter Herold von der AfD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Internet! Wenn man das Regierungstreiben in Berlin in den letzten Wochen beobachtet hat, kommt man zu dem Schluss, dass sich die Maschinerie im Raumschiff Berlin überwiegend mit sich selbst und mit Personalien beschäftigt, allerdings nicht zu Nutz und Frommen der Regierungsfähigkeit dieser größten anzunehmenden Koalition, die sich mittlerweile durch fast alle politischen Lager zieht.

Es gibt allerdings eine erfreuliche Ausnahme im Kabinett. Das ist der ambitionierte Posterboy aller Merkel-Kritiker und Bundesgesundheitsminister Herr Jens Spahn. Er ist ein ambitionierter Neukonservativer und arbeitet ein halbes Jahr nach dem Zusammentritt der GroKo tatsächlich an Sachthemen. Klugerweise wendet sich Herr Spahn einer der größten Baustellen der deutschen Sozialpolitik zu, nämlich der Pflege. Eine Kostprobe seines fachlichen Könnens gab Herr Spahn unlängst im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ vom 20.09.2018 zum Thema des akuten Fachkräf

(Minister Prof. Dr. Hoff)

temangels in der Pflege – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –: „Wenn von 1 Million Pflegekräften 100.000 nur drei, vier Stunden mehr pro Woche arbeiten würden, wäre schon viel gewonnen.“ Nun ist das Zitat in allen Medien, auch in den sozialen Medien, hoch und runter zitiert und interpretiert worden, aber am Ende zeugt es doch von einer gewissen Realitätsferne des geschätzten Herrn Ministers.

Richtig ist: Viele Beschäftigte in Heimen und ambulanten Diensten haben ihre Stundenzahlen reduziert, was den Grund in schlechten Arbeitsbedingungen, familienunfreundlichen Arbeitszeiten und Aufgabenverteilungen oder dem schlichten Mangel an Vollzeitstellen hat. In Thüringen arbeiten laut der jüngsten Fachkräftestudie des in Thüringen zuständigen Ministeriums rund 45 Prozent der in der Pflege Beschäftigten in Teilzeit, und das in Zeiten eines vielfach beklagten Fachkräftemangels. Hier besteht möglicherweise ein hohes ungenutztes Arbeitskräftepotenzial. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Pflegebeschäftigte in Thüringen oft an der Belastungsgrenze arbeiten, wie die jüngsten Ergebnisse um das ausgesetzte Ultimatum der Pflegkräfte der Intermediate-Care-1-Station im Jenaer Uniklinikum zeigen. Seit Zustandekommen des Berliner Koalitionsvertrags im März dieses Jahres ist die Entwicklung vorangeschritten. Die im Rahmen des Sofortprogramms „Pflege“ angekündigten 8.000 zusätzlichen Stellen für Altenpflegekräfte wurden im Rahmen der Beratung um das Pflegepersonalstärkungsgesetz inzwischen auf 13.000 Fachkräfte erweitert, allerdings ohne dabei genau zu verraten, wo die herkommen sollen. Auch die Zusage von 13.000 Pflegefachkraftstellen für Gesamtdeutschland ist vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft nur ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein. Neben der sehr wichtigen Debatte um die zu hebenden Potenziale von Teilzeitbeschäftigten sollte die Regierung in der Frage der Personalgewinnung unseres Erachtens viel stärker noch als bisher den Blick nach Osteuropa richten. Hier setzt unser Antrag an und lenkt den Blick auf ein Thema, das in Thüringen bisher leider nur ein kümmerliches Schattendasein fristete. Es geht um die Frage, woher und wie die vielen gut qualifizierten und hoch motivierten Kranken- und Altenpfleger aus osteuropäischen Nicht-EU-Staaten, zum Beispiel der Westukraine, schnell und unbürokratisch für einen Einsatz in Thüringer Alten- und Pflegeheimen gewonnen werden können. Ganz nach Maßgabe einer vernünftig gesteuerten und begrenzten Zuwanderung, die sich streng an den Bedarfen des heimischen Arbeitsmarkts orientiert und nicht etwa an einer Globalisierungsideologie, brauchen wir diese sehr gut qualifizierten, motivierten und kulturell anschlussfähigen Fachkräfte in Thüringen so bald wie möglich. Eine Reihe geeigneter Regionen verfügt aktuell über ein Überangebot an gut ausgebildeten

auslandsorientierten Fachkräften, die sehr gern in Thüringen arbeiten würden.

Für die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag steht dabei fest: Die Personalnot in der Pflege in Thüringen und die Akquise von geeignete Fachkräften aus osteuropäischen Nicht-EU-Staaten gehört ganz oben auf die Agenda. Weil wir die dramatische Entwicklung der Personalsituation im Pflegebereich in den nächsten Jahren vor Augen haben und weil uns das Wohl der Pflegebedürftigen in Thüringen und ihrer Angehörigen am Herzen liegt, haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht und freuen uns auf eine offene und faktenbasierte Debatte in dem Hohen Haus. Wir müssen hier im Freistaat endlich aktiv werden. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Die Landesregierung hat angekündigt, keinen Sofortbericht zu erstatten. Ich eröffne hiermit die Beratung und gebe als erstem Redner Abgeordnetem Kubitzki von der Fraktion Die Linke das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich gebe zu, als ich den Antrag der AfD-Fraktion gelesen habe, habe ich mich schon gewundert, habe die Augen gerieben, habe ihn noch mal gelesen, er hat sich nicht geändert, der Antrag war da. Warum habe ich mich gewundert? Die AfD-Fraktion verlangt, dass ausländische Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten bei uns zur Pflege eingesetzt werden können.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Tja, weil sie Ausbeuter sind!)

Mein Gott, dachte ich, ist da ein Umdenkungsprozess passiert oder was. Das scheint aber nicht ganz so zu sein, Frau Herold, auch die Einigkeit bei Ihnen in der Fraktion zu diesem Thema, denn ihre Fraktionsspitze hat den Saal verlassen. Da muss ich davon ausgehen, die steht vielleicht gar nicht zu diesem Antrag. Es ist ein Antrag Ihrer Fraktion und die Fraktionsspitze ist weg.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will es jetzt mal mit Ihrem Jargon sagen: Ihre Fraktionsspitze hat Fahnenflucht begangen bei diesem Antrag, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Das ist ja unglaublich!)

Also das ist ein Ding! Sie tun mir eigentlich leid, Frau Herold. Aber da müssen Sie jetzt durch.

(Abg. Herold)

Was mich auch wundert, ist, dass der Antrag, ausländische Pflegekräfte einzustellen, von Ihnen kommt.

Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit für den Redner, auch wenn der charmante Austausch auf den Rängen seinen Reiz hat.

Was mich hier an dieser Stelle wundert: AfD-Fraktion, Mitglieder der AfD-Fraktion – Herr Tischner hat es gesagt –, Chemnitz. Sie sorgen doch mit Ihren Veranstaltungen,

(Beifall SPD)

mit Ihrem Auftreten dafür, dass Deutschland auch im Ausland einen schlechten Ruf bekommt. Das ist erst mal Tatsache.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Rudy, AfD: Lüge!)

Ich hatte – Herr Wucherpfennig war mit dabei – das Glück oder die Aufgabe, den Ministerpräsidenten in den Niederlanden zu begleiten. Dort war eine Thüringer Wirtschaftsdelegation dabei, es waren Uni-Professoren von der Friedrich-Schiller-Universität Jena dabei. Diese haben in Gesprächen gesagt, dass es immer schwerer wird, ausländische Studenten für unsere Universitäten zu gewinnen, weil sie Angst haben, nach Deutschland zu kommen bzw. nicht wissen, was ihnen hier für ein politisches Klima entgegenweht. Dafür, meine Damen und Herren der AfD, sorgen Sie täglich mit Ihren Ausführungen.