Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Lan- ganhaltender, tosender Beifall!)

Aber ich will gern noch was sagen zu diesem Haushalt und für diese Wahlperiode insgesamt, weil uns das schon sehr bewegt. Jede Regierung muss ihre eigene Verantwortung wahrnehmen und jeder muss

seine Chance bekommen. Sie haben uns dabei – das gilt ausdrücklich auch noch mal, wenn es darum geht, dass Sie die Interessen Thüringens deutlich nach außen vertreten wollten, damit dieser Freistaat an der Spitze der neuen Bundesländer, aber auch sich selbstbewusst dahin entwickeln kann, wo wir eigentlich unseren Freistaat sehen, nämlich an der Spitze im oberen Drittel aller deutschen Bundesländer –, bei all dem, was Sie da tun, was diesen Weg befördert, werden Sie uns an Ihrer Seite haben, weil uns das Land wichtig ist und nicht die Koalitionsfarben zuerst eine Rolle spielen. Wir wissen, weil wir zweieinhalb Jahrzehnte Verantwortung für diesen Freistaat Thüringen getragen haben, auch um unsere besondere Verantwortung in der Opposition. Wir markieren das, was Sie schlecht machen. Wir markieren das deutlich hier im Parlament und deswegen haben Sie uns auch an der Seite, immer – ich wiederhole das noch einmal – wenn wir gemeinsam zusammenstehen müssen, wenn andere meinen, sie könnten Politik sozusagen attackieren mit Schmierereien, mit Gewaltandrohung, mit Mordandrohung, mit Sachbeschädigung, mit Zerstörung von Leib und Leben und Eigentum. Dann haben Sie uns immer an Ihrer Seite, weil wir gemeinsam stehen müssen als Demokraten für dieses Land. Sie haben uns immer an der Seite, wenn es darum geht, dass wir Willkommenskultur in diesem Land leben, wenn es darum geht, dass die, die in Not sind auf dieser Welt, dass die, die unsere Hilfe wirklich brauchen, dass die wissen, sie haben auch in Thüringen ein Land, das sie mit offenen Armen empfängt und ihnen hilft, da haben Sie uns immer an Ihrer Seite, auch als Oppositionspartei. Das sage ich ausdrücklich, klipp und klar.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat Herr Lauinger gemerkt!)

Sie haben uns sogar an Ihrer Seite, wenn es um Haushalt geht und Sie Prioritäten setzen müssen, die schmerzhaft sind, weil Konsolidierungsbedarfe bestehen, die Sie vielleicht sogar irgendwann erkennen und hier vor das Parlament treten und sagen: Wir bitten um große, breite Unterstützung, damit wir diesen Weg gehen können. Wenn Sie aber nur Gesetze nicht einhalten bei der Frage, wenn es darum geht bei Menschen, wo kein Asylgrund vorliegt, ihnen aber suggerieren, es gäbe einen dauerhaften Aufenthalt und damit einen falschen Weg einschlagen und der Bevölkerung und auch denen, die unsere Hilfe brauchen ein falsches Signal setzen, dann können wir nicht dabei sein. Wenn es darum geht, dass Sie im Haushalt nur Ausgaben beschließen wollen und meinen, es gibt kein Morgen mehr, Sie können alles draufpacken und nach uns die Sintflut und mal schauen, wir machen jetzt schön Rot-Rot-Grün und danach ist es uns egal, dann können Sie uns nicht an Ihrer Seite haben.

(Beifall CDU)

Wenn Sie unsere Schullandschaft kaputt machen und die Vielfalt einschränken, freien Schulen keine Chance zum Existieren geben,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämtheit, Herr Mohring!)

Grundschulen abschaffen wollen, Gymnasien abschaffen wollen,

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Wir bauen die Schullandschaft erst wieder auf!)

weil Sie sagen, der Weg der Gemeinschaftsschule ist Ihr Ziel, dann können Sie uns nicht an Ihrer Seite haben.

(Beifall CDU)

Wenn Sie die Leistungsträger der Gesellschaft hier in Thüringen nicht wertschätzen, wenn Sie ihnen nicht die Anerkennung zuteilwerden lassen, ob sie nun als Arbeiter früh um 6.00 Uhr an der Werkbank stehen und den ganzen Tag für ihre Familie arbeiten oder auch diejenigen, die jeden Tag im Ehrenamt für dieses Land mehr leisten, weil wir sonst gar nicht zurechtkommen, wenn Sie die nicht wertschätzen und auch nicht mit Ihrer Politik begleiten, dann können Sie uns nicht an Ihrer Seite haben.

(Beifall CDU, AfD)

Aber immer dann, wenn es um Thüringen geht, wenn das Land gut vorankommen soll, dann sind wir als die größte Oppositionspartei hier in diesem Land dabei, um Thüringen nach vorn zu bringen. Aber ich sage es auch ganz klar, immer in dem Maß und in dem Schrittfeld, dass eins gilt: Rot-RotGrün bleibt nur eine Fußnote der Geschichte und in viereinhalb Jahren ist dieser Zauber vorbei.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pfeifen im Wald!)

Das ist doch auch eine schöne Perspektive für Opposition in diesem Land. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mohring. Das Wort hat nun Kollege Huster für die Fraktion Die Linke.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf markiert den Einstieg in eine sozial gerechtere Politik in Thüringen, und ich freue mich, dass auch Herr Mohring die Handschrift einer ehemaligen Sozialministerin im

vorgelegten Haushaltsentwurf von Rot-Rot-Grün sieht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir konstatieren einen gesunden Dreiklang aus Gestalten, Vorsorgen und Konsolidieren. Kritik ist generell okay, aber die Ausführungen des Herrn Mohring waren bis auf den Einstieg weitgehend unsachlich und überzogen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Mohring, ich will Ihnen das mal sagen, Ihre Vorstellungen von Haushaltspolitik sind qualitativ vergleichbar in etwa mit den Vorstellungen einer Eintagsfliege von einem verlängerten Wochenende.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Mohring, zu einer guten Haushaltspolitik hätte auch die Vermeidung von Haushaltsrisiken in der Vergangenheit gehört. Dies nämlich und die von Ihnen weitgehend verursachten Schulden für Prestigeprojekte und Wahlversprechen nehmen künftigen Generationen den Spielraum. Beispiel gefällig? Das Sondervermögen „Ökologische Altlasten“ – Stichwort „Kali und Salz“ – wird in den nächsten Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich höherer Zuführungen aus dem Landeshaushalt bedürfen, Geld, das wir in anderen Bereichen dringend benötigen. Das Sondervermögen Althaus-Wahlversprechen im Bereich Wasser/Abwasser wird, wenn nichts geändert wird, bis 2030 sage und schreibe 750 Millionen Euro verbraucht haben und dann immer noch einen Schuldenstand von 539 Millionen Euro haben, also zusammen 1,3 Milliarden Euro Kosten, meine Damen und Herren. Hier können Sie es noch mal sehen: Trotz jährlich steigender Zuführungen aus dem Landeshaushalt steigen bis 2030 die Schulden. Damit dürfte das rein parteipolitisch und wahltaktisch motivierte Versprechen von Althaus und die Umsetzung durch die allein regierende CDU-Fraktion mit zu den teuersten Finanzdesastern der deutschen Nachkriegsgeschichte gehören, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als wenn es nicht schon genug wäre, brauchen wir jetzt 25 Millionen Euro für einen weiteren wirtschaftspolitischen Fehlversuch der CDU-Landesregierung vor über 20 Jahren, nämlich für die Angelegenheit „Pilz“, 25 Millionen Euro, die wir heute zahlen sollen und die beispielsweise für eine bessere Kita-Finanzierung fehlen. Ich bin schon heute gespannt, was uns an Altlasten der CDU-Regierung, Herr Mohring, noch alles präsentiert wird. Das Thema Kassensturz, so viel ist sicher, wird uns noch länger beschäftigen. Übrigens zu einer anderen Kri

(Abg. Mohring)

tik von Ihnen: auch diese 25 Millionen Euro blähen diesen Haushalt 2015, um es mit Ihren Worten zu sagen, auf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Thüringen steht vor enormen Herausforderungen. Die ehemalige Ministerpräsidentin, Frau Lieberknecht, sprach 2011 von der im Jahr 2020 bevorstehenden zweiten Neugründung Thüringens. Zum einen hat dies seine Gründe in der Finanzarchitektur des Freistaats. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II fehlen uns ab 2020 voraussichtlich 700 Millionen Euro jährlich im Vergleich zu heute. Die EUMittel sanken bereits und werden ab 2020 absehbar weniger. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht der Politik aufgegeben, bis 2019 einen neuen Länderfinanzausgleich zu konzipieren. Und – wie wir schon von den Vorrednerinnen gehört haben – die Debatte über die Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist aktuell voll im Gange und sie ist für die Frage, was wir uns leisten können und wollen, was wir ab 2020 für Spielräume gewinnen oder verlieren, sehr erheblich. Unsere Ausgaben für Pensionen werden deutlich steigen und im Jahr 2018 schon werden die Einnahmen aus dem Solidarpakt II dieselbe Höhe haben wie die Ausgaben für die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der ehemaligen DDR, nämlich circa 400 Millionen Euro. Das heißt, ein Angleichungs- und Aufbauprozess wird mit diesen Mitteln dann nicht mehr finanziert und – Stand heute – die Solidarpaktmittel sinken und sind dann weg, die Ausgaben für die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme bleiben absehbar, 400 Millionen Euro pro Jahr. Bei den Verhandlungen über einen neuen Länderfinanzausgleich und die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sollte also diese Frage, wie von der Ministerin angesprochen, ebenso mit aufs Tableau, wie die Frage, dass die Finanzkraft der Kommunen künftig vollständig in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen ist, dass es insgesamt keine Benachteiligung der neuen Bundesländer geben darf und dass der Solidaritätszuschlag beibehalten werden und weitgehend für die Länder und Kommunen zur Verfügung stehen sollte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insgesamt befürworten wir, meine Damen und Herren, ein gemeinsames Vorgehen der neuen Bundesländer. Das war der Komplex Finanzarchitektur.

Ich komme zurück zur Rede von Frau Lieberknecht im Jahr 2011. Sie bezeichnete damals den demografischen Wandel als zweite große Herausforderung für uns mit Blick auf 2020. 200.000 Fachkräfte werden in den Ruhestand gehen. Es stellt sich für unser Land die Frage, wie wir diese Herausforderung bewältigen wollen. Drei Szenarien werden seitdem und vermutlich schon länger diskutiert. Erstens, wir können es uns angesichts dieser Entwick

lung gesellschaftlich nicht leisten, auf jemanden zu verzichten und so muss beispielsweise mehr gegen die Langzeitarbeitslosigkeit getan werden. Schon, meine Damen und Herren, im Haushalt 2015 findet sich das neue Programm für Langzeitarbeitslose. Vielen Dank an Ministerin Heike Werner für die professionelle Vorbereitung trotz des großen Zeitdrucks.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Hier entsteht Neues und mit dieser Arbeitsmarktpolitik zeigt sich Thüringen als Vorreiter. Wir freuen uns über das Aufgreifen durch die Bundesanstalt für Arbeit und wir hoffen, dass auch Finanzminister Schäuble seine Blockade bald aufgibt.

Zweitens, Thüringen muss weg vom Image des Niedriglohnlandes. Wir brechen mit dieser verfehlten Strategie der CDU. Sie führte dazu, dass die Menschen hier ausgebildet wurden und dann mit ihren Kindern abwanderten. – Das war für die Unternehmen, für die öffentlichen Haushalte, aber auch für den nötigen Optimismus, für die politische Kultur und die Offenheit in einer modernen Gesellschaft ein riesiges Problem in den letzten Jahren. Wir sehen, dass der Mindestlohn weitgehend funktioniert. Im Koalitionsvertrag haben wir als einen roten Faden das Thema „Faire Entlohnung“ gezogen und meinen damit auch die wichtigen Berufe nahe am Menschen, also Gesundheit, Pflege, Hochschule, Jugendarbeit und Kita. Im Wissen, dass nicht alles von heute auf morgen geht, wollen wir aber allein durch die stärkere Zuwendung zu den Menschen mit diesen Themen sowie unserem Engagement für handlungsfähige und kinderfreundliche Gemeinden sowie eine weltoffene Grundhaltung den Freistaat Thüringen auch für das strategisch wichtige Thema „Rückwanderung und Vermeidung von Abwanderung“ attraktiver als bisher gestalten. Wir bemühen uns auch mit dem Haushalt 2015 nach Kräften um entsprechende Veränderungen.

Drittens, meine Damen und Herren, bekennen wir uns zur Zuwanderung. Wir sind der Landesregierung dankbar für ihr verändertes Herangehen. Ein herzliches Dankeschön an Minister Lauinger, auch an den Präsidenten des Landesverwaltungsamts Frank Roßner, an die vielen gesellschaftlichen Akteure, die mittun und helfen, an die gesamte Landesregierung. Es ist genau richtig, die Frage zu stellen: Wie können aus Flüchtlingen Mitbürger werden? Wir sind froh, dass wichtige gesellschaftliche Akteure wie die Kammern mitziehen. Wir leisten mit dem Haushalt 2015 unseren Beitrag und hoffen natürlich künftig auch auf ein stärkeres finanzielles Engagement und Entgegenkommen des Bundes.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sprach vom Dreiklang, vom Gestalten, Vorsorgen und Konsolidieren. Warum ist dieser Mix, warum ist ein guter Mix so wichtig? Zum Gestalten gehört für uns das Investieren. Mit diesem Haushalt investieren wir unter anderem im Schwerpunkt Bildung. Wir investieren in bessere Schulen und unterstützen die Kommunen. In diesem Übergangsjahr soll es im Rahmen der Hilfe für die Kommunen als Pauschale geschehen, ab 2016 dann mit einem Schulsanierungsprogramm in Höhe von 30 Millionen Euro pro Jahr im Hause Birgit Keller. Wir halten Wort, meine Damen und Herren, und wollen, dass das Land Thüringen mit dem Jahr 2015 500 neue Lehrerinnen und Lehrer einstellt. Wir verstehen dies als Einstieg in eine andere Personalpolitik und wollen den Aufbau einer Vertretungsreserve als Maßnahme gegen den Unterrichtsausfall.

Wir werden die Mittel für eine bessere Finanzausstattung der Schulen in freier Trägerschaft zur Verfügung stellen und wir erhöhen beispielsweise die Grundförderung in der Erwachsenenbildung insbesondere bei den freien Trägern und stärken damit das lebenslange Lernen.

Wir gestalten im Bereich Kultur, sorgen beispielsweise im Projektmanagerprogramm für gute Arbeit im Kultursektor, stärken Thüringen als Kindermedienland und den Medienstandort Thüringen.

Und wir werden mehr Mittel für Deutsch als Zweitsprache in den Bildungseinrichtungen einsetzen. Auch das gehört zu einer modernen Flüchtlingspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Erwähnen möchte ich, dass wir in den nächsten Jahren steigende Reinvestitionsbedarfe in unsere Infrastruktur haben werden. Das kostet Geld, Sanierungsstau bei Brücken, Straßen und Landesliegenschaften. Das ist auch Volksvermögen, welches gepflegt werden will und wo sich jetzt nach circa 20 Jahren die Bedarfe zeigen, steigende Bedarfe.

Meine Damen und Herren, zum Konsolidieren gehören der Schuldenabbau und die Betrachtung der Sondervermögen. Mit dem Haushalt 2015 wird dem entsprochen und die Stellenentwicklung gehört natürlich ebenfalls in die Betrachtung.