Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Was ist für Sie eine Perspektive? Das Kaiserreich? Unglaublich!)

(Unruhe DIE LINKE)

Weil Sie als seinsvergessener Politiker in diesem Hohen Haus sitzen, hat der geschichtliche Rückblick trotzdem einen Wert, Herr Dittes, ich bitte Sie!

Die Staatsschuldenkrise, sehr verehrte Kollegen, nimmt dramatische Formen an. Kombiniert mit der Bankenkrise und der Währungskrise kann hier eine volkswirtschaftliche Belastungsdynamik entstehen, die außer Kontrolle zu geraten droht.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Was?)

Haben unsere Haushälter diese Gefahrenlage im Blick oder denken sie maximal in Haushaltsjahren oder Legislaturperioden? Ich glaube – und die Ausführungen von Herrn Mohring haben durchaus einen Hinweis gegeben –, dass die Risiken, vor de

nen Sie Ihren Haushalt aufstellen, nicht adäquat bedacht worden sind und nicht die Grundlage Ihrer Planung waren, sehr geehrte Frau Finanzministerin.

(Beifall AfD)

Wie dramatisch die Lage ist – und wir müssen mal wirklich davon wegkommen, immer nur das kleine Land Thüringen zu sehen –, sehr verehrte Abgeordnete, wir müssen mal eine Weitperspektive einlegen, wie dramatisch die Lage ist. Indizien sprechen dafür. Das sind Äußerungen, die in den letzten Wochen und Monaten verstärkt in die interessierte Öffentlichkeit gedrungen sind.

Der IWF hat als Antwort auf die Staatsschuldenkrise letztes Jahr bereits über die Idee diskutiert, eine einmalige Steuer von 10 Prozent auf Privateigentum zu erheben. Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, solche Enteignungsphantasien könnten bald Realität werden, nämlich dann, wenn die Regierung und die Finanzminister nicht lernen, deutlich weniger auszugeben als sie einnehmen.

(Beifall AfD)

Ein Grund für die weiter steigenden Ausgaben sind die immer weiter steigendenden Personalkosten. Der öffentliche Dienst ist ein Faktor, der in der deutschen Geschichte immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. 1907 hatte Deutschland noch 1,1 Millionen Beamte bei 62 Millionen Einwohnern. Das sind 1,8 Prozent der Bevölkerung damals gewesen. Im Jahr 1914 mit 68 Millionen Einwohnern hatten wir zwischen 1,15 und 1,2 Millionen Beamte, was 1,7 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht, wobei damals – und das muss man immer in Rechnung stellen – jeder Bahnwärter ein Beamter war. Den Zustand haben wir ja heute nicht mehr. 1925 hatten wir mit 62 Millionen Einwohnern 1,5 Millionen Beamte, also 2,4 Prozent der Bevölkerung.

2013 hatte die Bundesrepublik Deutschland 1,88 Millionen Beamte und rund 4,64 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei 81 Millionen Einwohnern. Damit sind 5,5 Prozent der Gesamtbevölkerung im öffentlichen Dienst tätig.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Da gehören Sie ja dazu, als ehemaliger Lehrer!)

Soweit dieser – selbstverständlich gehöre ich dazu, deshalb kann ich mich selbst kritisieren bzw. mich auch selbst infrage stellen oder meinen Status infrage stellen. Das ist ja genau das, was Sie nicht können, weil Sie Ihren eigenen Standort absolut setzen, sehr verehrte Kollegen von den Linken.

(Beifall AfD)

Das unterscheidet ja den Ideologen von dem Nichtideologen.

(Unruhe DIE LINKE)

Kommen wir zu den Finanzen in Thüringen. Beim Schuldenstand – das ist heute auch schon erwähnt worden – und beim Schuldenabbau dürfen wir nicht zunächst auf die absoluten Zahlen schauen. Diese absoluten Zahlen haben nur einen geringen Aussagewert. Wir müssen den Schuldenstand immer vor dem Hintergrund der katastrophalen demografischen Entwicklung analysieren.

(Unruhe DIE LINKE)

Laut Statistischem Landesamt werden wir bis zum Jahr 2030 400.000 Einwohner verlieren – 400.000 Einwohner! Es gibt überhaupt gar keinen Grund, von einer Trendwende auszugehen, es gibt gar keinen Grund zu hoffen, dass sich das einfach gottgegeben ändern könnte. Das wird so nicht sein. Eine Trendwende ist nirgends in Sicht. Die familienfeindliche Politik der Landesregierung lässt auch wenig erwarten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gleich kommt der Ehekre- dit zurück!)

Der für 2015 geplante Schuldenabbau wird durch die Bevölkerungsschrumpfung weiter verzwergt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich betonen: Wenn wir hier und heute über Haushalt reden, wenn wir über wirtschaftliche Entwicklung, wenn wir über Wachstum und Prosperität reden, dann müssen wir bei dem Zustand, in dem sich dieses Land befindet, immer über die demografische Lage in diesem Land reden.

Ich sage Ihnen: Wenn wir die demografische Talfahrt nicht beenden können, dann brauchen wir uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten über nichts anderes mehr zu unterhalten, sehr verehrte Kollegen.

(Beifall AfD)

Die Landesregierung geht in ihren Zahlen für 2013 von einem Bevölkerungsrückgang von 9.620 Thüringern aus. Das heißt, jedes Jahr geht Thüringen eine Kleinstadt in der Größe von Bad Frankenhausen oder Schleiz verloren. Wenn wir also jetzt auf die Pro-Kopf-Verschuldung gucken, die im Augenblick zu konstatieren ist und in Zukunft zu erwarten ist, dann muten diese 26,5 Millionen Euro Tilgung, die in diesem Haushalt veranschlagt werden, als äußerst mangelhaft an. Diese Tilgung ist weit weniger als das Nötigste. Man müsste mindestens, wenn man den demografischen Faktor einrechnet, einen Betrag von 70,6 Millionen Euro tilgen, um die Pro-Kopf-Verschuldung von 7.340 Euro auf dem Niveau zu halten, sehr verehrte Damen und Herren.

So versucht die neue Landesregierung zwar zu verkaufen, dass keine neuen Schulden gemacht werden, aber pro Kopf steigt die Verschuldung an und das ist das Einzige, was in diesem Zusammenhang

zählt. Diese Verschuldung wird einfach an die nächste Generation weitergegeben. Jeder kleine Thüringer, der noch geboren wird in diesem Land, hat bereits eine Schuldenlast von 7.340 Euro. Das ist wirklich ein großartiges Willkommensgeschenk. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall AfD)

Der österreichische Schriftsteller Peter Rosegger hat das unverantwortliche Verhalten der jetzt Lebenden in einem schönen Aphorismus beschrieben. Hören Sie gut zu, das ist wichtig, ich habe ja noch Hoffnung, dass Sie sich ändern können, die Hoffnung stirbt zuletzt!

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Ihre sowieso!)

Peter Rosegger sagt: „Sonst hat der leichtsinnige Sohn Schulden gemacht, die der Vater bezahlen musste. Heute macht der leichtsinnige Vater Schulden, die der Sohn bezahlen muss!“, sehr verehrte Kollegen.

(Beifall AfD)

Der Staat greift aber nicht nur in die Taschen der Folgegeneration, das ist schon schändlich genug. Er greift auch den heutigen Bürgern in die Tasche. Er belastet sie nicht nur mit Steuern und steigenden Abgaben, sondern – und das müssten wir als transparente Politiker einmal deutlich kommunizieren – er bringt sie tatsächlich auch um ihre Ersparnis und ihre Altersvorsorge,

(Beifall AfD)

begründet nämlich in der Nullzinspolitik der Zentralbank. Gerade Bürger, die vielleicht mit Riesterrente oder Lebensversicherung ihre Altersvorsorge aufbauen, prellt der Staat um ihre Altersvorsorge, denn 90 Prozent der Investitionen der Lebensversicherung sind in Staatsanleihen angelegt und äußerst schwach verzinst. Im Ergebnis bedeutet das: Der Bürger wird enteignet, damit sich der Staat billig reinvestieren kann. Das ist ein Skandal, sehr verehrte Kollegen.

(Beifall AfD)

Wir haben eine große Verantwortung für diesen Staat zu tragen. Und deswegen sage ich: Verspielen wir das Vertrauen der Bürger nicht!

Meine Urgroßmutter, Jahrgang 1900, sie lebt nicht mehr, das ist klar, hat zwei Weltkriege erlebt. Sie hat eine Inflation erlebt. Sie hat zwei Währungsreformen mitgemacht.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Und das Kaiserreich!)

Sie riet mir mal: Mache immer genau das Gegenteil. Ein guter Ratschlag, den sollten Sie sich vielleicht auch mal zu Herzen nehmen in der jetzigen

Situation, in der desolaten Situation, in der sich unser Staat befindet. Sie riet mir: Mache immer das Gegenteil von dem, was der Staat dir sagt. Recht hatte sie.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das ist unglaublich!)

Wir verspielen mit dieser Politik, die nicht in die Zukunft denkt, das Vertrauen der Menschen in den Staat, und das ist eine Schande. Und ein Grund dafür ist eben, dass die Menschen – das ist auch ein Grund für die Politikverdrossenheit in Deutschland, die in erster Linie eine Parteienverdrossenheit ist – zumindest glauben, dass die Politiker nur noch in Legislaturen denken und nicht mehr in Generationen. Dahin müssen wir wieder einen wesentlichen, großen Schritt machen.

(Beifall AfD)

Wir müssen in Generationen denken, sehr verehrte Kollegen. Die Milchmädchenrechnungen der Landesregierung sind Ausfluss eines solchen kurzfristig angelegten Denkens. Es ist fahrlässig, damit zu rechnen, dass der Länderfinanzausgleich uneingeschränkt über das Jahr 2019 fortgeführt wird. Die Länder Bayern und Baden-Württemberg sind bereits in intensiven Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin über eine Verminderung des Länderfinanzausgleichs von umgerechnet 2 Milliarden Euro.

Die Landesregierung streicht das Landeserziehungsgeld, welches mit 20 Millionen Euro einen bescheidenen Posten im Budget hatte, und verzichtet darauf, eine familienfreundliche Duftmarke in der Landespolitik zu setzen. Ein Land, das aber immer schneller in dieser Abwärtsspirale aus Geburtendefizit und Überalterung gefangen ist, muss die Familie zur absoluten Chefsache machen. Das ist eine Politik, die in Generationen denkt. Und die macht sich in einer verantwortungsvollen Politik für die Familien fest, liebe Freunde.

(Beifall AfD)