Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Mir liegt eine weitere Wortmeldung vor. Jetzt hat das Wort Abgeordneter Mohring, CDU-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ge- kränkte Eitelkeit!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Rufen eben zeigt ja das, was wir von links kennen, Toleranz ist bei Ihnen nur eine Einbahnstraße. Das leben Sie vorzüglich aus und erst recht in Regierungsverantwortung.

(Beifall CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Ministerpräsident Ramelow)

Herr Ministerpräsident, ich will gern zu einigen Dingen noch mal Stellung nehmen, damit das für die Bücher, für die Zuschauer, für die Öffentlichkeit richtig bleibt. Ich will beginnen mit Wasser/Abwasser und den Sondervermögen. Das haben Vorredner von Rot-Rot-Grün schon angesprochen, Sie auch noch mal. Natürlich will ich beginnen mit dem, was Herr Kowalleck gesagt hat, weil er recht hat. Zunächst: Nach dem friedlichen Herbst 1989 und der Wiederbegründung des Freistaats Thüringen haben wir ein Erbe aus der DDR übernommen. Wir haben ein Erbe von zwei Diktaturen übernommen, die man nicht miteinander vergleichen kann, die aber hier zeithistorisch nacheinander stehen. Fakt ist, wir haben ein erheblich – und da bleibe ich mal nur bei Wasser/Abwasser – rückständiges, wasserverlierendes, umweltbelastendes System von Wasser/Abwasser in diesem Land übernommen. Es war nichts gemacht, es war desaströs, es war das Erbe der DDR.

(Beifall CDU)

Dann haben in den Aufbaujahren natürlich viele vermeintlich klug beratend und offensichtlich auch viele Geld verdienend die kommunalen Abwasseranlagen geplant und aufgeschrieben und bauen lassen, die zu erheblichen Milliardenbelastungen geführt haben. Die großen Verbände wurden zerschlagen, es wurden kleine dezentrale Verbände gemacht, weil jeder gemeint hat, er packt jetzt selbst an und will es besser machen als das, was ihm hinterlassen wurde. Es gab diese ominöse abwassertechnische Zielplanung, die viel verursacht hat von dem, was wir heute auch gemeinsam ausbaden müssen.

Aber mit Blick auf das, was dann 14 Jahre später eine Landesregierung in Thüringen unter der Führung von Dieter Althaus im Jahr 2004 gemacht hat – und darauf will ich zu sprechen kommen und da finde ich es verhöhnend, was Sie heute so im Nachhinein betrachtend sagen –, Folgendes: Die Investitionen waren getätigt durch Entscheidungsträger vor Ort, durch Berater von außen und es gab genau zwei Varianten für eine Landesregierung im Jahr 2004, nach Protesten von Hunderttausenden Thüringern, wie wir es nicht mehr erlebt haben seit dem Herbst 1989. Es gab genau zwei Wege: Entweder werden diese Belastungen, die schon getätigt wurden, solidarisiert aus dem Steuerhaushalt des Landes oder sie werden den einzelnen Betroffenen auf ihren Küchentisch durch Abwasserbescheide präsentiert. Deswegen sind die Menschen auf die Straße gegangen, weil sie Angst hatten vor ihrer Zukunft und Angst hatten um ihr Eigentum. Den Abwasserbescheid zum Teil von 60.000 Euro auf dem Küchentisch liegen zu

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die haben Sie doch verschickt!)

(Unruhe CDU)

haben für Fehlinvestitionen anderer oder die Entscheidung aus dem Land von Dieter Althaus und von uns, wir solidarisieren diese Last und verteilen sie auf alle Thüringer Steuerzahler, das kostet uns eine Menge Geld, das kostet uns Jahrzehnte Geld, aber es war die richtige solidarische Entscheidung für dieses Land und für den Frieden in diesem Land. Deswegen verteidigen wir diese Entscheidung, die 2004 getroffen wurde.

(Beifall CDU)

Sie wird nicht besser, wenn man sie heute kritisiert – es gab keine andere Lösung.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Doch, es gab andere Lösungen!)

Wenn Sie das heute ablehnen, was im Sondervermögen gemacht wird, dann müssen Sie den Leuten sagen, dann wird es wieder auf die Beitragszahler umgelöst. Dann sagen Sie es den Leuten ehrlich, lehnen Sie das Sondervermögen ab, dann kriegen die Leute ihre Bescheide wieder auf den Küchentisch und dann müssen Sie diese Debatte führen. Wir wollen das nicht, wir sind für die solidarische, weil gerechtere Lösung an dieser Stelle.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Erster Punkt! Zweiter Punkt: Kommunalfinanzen, damit das nicht falsch hängenbleibt. Nicht wir haben versprochen im Wahlkampf, dass die Kommunen 100 Millionen Euro – und noch mehr dann am Ende beim Innenminister ohne Prokura von Ihnen vorgeschickt –, 135 Millionen Euro frisches Geld bekommen. Das finden Sie nicht in unserem Wahlprogramm, weil wir gesagt haben, man kann sich das nicht leisten. Mit den Zukunftsherausforderungen, die dieses Land hat, ist es schwierig, so etwas zu versprechen. Aber Sie müssen sich als Koalition anrechnen lassen, wenn Sie vor die Kommunen treten und versprechen den Kommunen 135 Millionen Euro frisches Geld, dann müssen Sie liefern und dann werden wir das für die Kommunen hier im Landtag thematisieren und einfordern. Sie stehen im Wort! Sie begehen Wortbruch! Wir machen das hier zum Thema. So läuft das Geschäft.

(Beifall CDU, AfD)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat den KFA beschlossen?)

Und deshalb gilt doch ganz klar, das ist doch ganz selbstverständlich: Vorher denken und dann versprechen! Aber dann gilt hinterher auch, das einzuhalten, Herr Adams. Dann messen wir Sie bei jedem Wort, was Sie vorher gemacht haben, und auch wenn Sie es nicht gern hören: Jeden Wortbruch von Ihnen werden wir hier zum Thema ma

chen, sei es bei den freien Schulen, sei es bei den falschen Versprechen zur Erstaufnahmeeinrichtung,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Was für ein Schwachsinn!)

sei es bei den Kommunalfinanzen, sei es bei der Schuldentilgung, sei es beim verspätet vorgelegten Haushalt, sei es bei anderen Themen, die noch kommen werden. Wir lassen Ihnen keinen Ihrer Wortbrüche hier in diesem Parlament durchgehen! Definitiv!

(Beifall CDU)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß ja, dass es Ihnen schwerfällt, aber ich will es Ihnen erklären. Die eigenen Landeszuweisungen aus dem Haushalt 2014 und die reinen Landeszuweisungen im Haushalt 2015 – trotz zwei vergeblicher Korrekturversuche von Ihnen, wir erleben heute Nachmittag noch einen weiteren, sinken die Landeszuweisungen in die kommunalen Kassen, die reinen Landeszuweisungen, das wird Ihnen jeder Haushälter bestätigen können, um immerhin trotzdem noch 26 Millionen Euro im Jahr 2015 gegenüber 2014. Und 26 Millionen Euro Minus ist weit weg von Ihren versprochenen 135 Millionen Euro Plus. Es fällt Rot-Rot-Grün schwer, richtig zu rechnen, aber wir sagen es Ihnen, ein Minus von 26 ist kein Plus von 135. Das ist Wortbruch, was Sie begangen haben!

(Beifall CDU, AfD)

Und es wird nicht besser, wenn Sie das Engagement des Bundes von Schwarz und Rot in Berlin, was auch Thüringen betrifft, hier mit einrechnen und damit Ihre Leistung an die kommunale Familie kaschieren wollen. Es ist gut, dass der Bund uns hilft, es ist richtig, dass der Bund uns hilft, es ist zum Teil auch notwendig, dass er uns hilft, denn wer auf Bundesebene bestimmte Sozialgesetze auf den Weg bringt, der muss uns dann bei den Kosten der Eingliederungshilfe und Kosten der Unterkunft helfen. Das ist selbstredend, das ist das Konnexitätsprinzip, so steht es in unserem Grundgesetz. Und dass wir das eingefordert haben, dass unsere Kollegen mitgeholfen haben, auch die von der SPD, in der Koalition, dass der Bund das an dieser Stelle umsetzt, ist folgerichtig, ist konsequent, hat aber mit Ihrem rot-rot-grünen Regierungshandeln bei Weitem und – noch besser gesagt – gar nichts zu tun. Das muss man trennen. Der Bund hilft uns. Sie lassen die Kommunen im Stich.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie erzählen einen Quark!)

Und dann will ich zu dem dritten Punkt noch etwas sagen, nämlich zu dem der Bund-Länder-Finanzbe

ziehung. Natürlich gilt auch eines zunächst vorweg noch einmal genommen: Jedes Bundesland steht für sich selbst, und wenn die Freunde in Berlin sehen und gucken auf die Haushaltsbetrachtung hier in Thüringen und sehen, das Land lässt nach bei der Pro-Kopf-Verschuldung, das Land lässt nach bei der Steuerdeckungsquote, das Haushaltsvolumen steigt, die Finanzierungsdefizite werden größer, die Rücklagen werden verbraucht in dieser Zeit, dann machen die sich natürlich ihre Sorgen und speisen das in ihre Verhandlungsangebote mit ein, weil sie natürlich eines sagen: Wenn wir den Ländern helfen, damit sie auf eigenen Beinen stehen können, dann erwarten wir und wir übrigens auch, dass jedes Bundesland seine Hausaufgaben macht. Wer aber den Konsolidierungspfad verlässt, kann nicht erwarten, dass das, was er nicht konsolidiert und an Defiziten vorlegt, der Bund ausfinanziert. So läuft das solidarische Geschäft auch zwischen Bund und Ländern definitiv nicht.

(Beifall CDU)

Deswegen müssen Sie Ihre Hausaufgaben machen, deswegen helfen wir Ihnen, wenn es um die Interessen Thüringens geht, aber deswegen muss man natürlich auch schauen: Was hat Schäuble jetzt vorgelegt? Was haben die ostdeutschen Länder gemeinsam vorgelegt? Wo gibt es da große Divergenzen? Wo gibt es auch Übereinstimmung? Da muss man das der Reihe nach abschälen. Deswegen geht so eine Bund-Länder-Finanzbeziehung halt nicht am Kamin an einem Abend und dann ist alles erledigt, weil ja dauernd auch die neuen Ministerpräsidenten sich erst einmal erklären lassen müssen, was sie da eigentlich verhandeln. Das ist auch kein Vorwurf, das ist ein kompliziertes Geflecht, aber es spielt eine Rolle und

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wissen Bescheid!)

da ist es ganz entscheidend, ein Erfolg ist bei Schäuble erzielt. Ich mache das wirklich ganz langsam, damit man das auch auseinanderdividiert, und Sie haben das in verschiedenen Stellungnahmen auch schon gemacht, aber hier nicht so zum Ausdruck gebracht: Dass künftig die kommunale Steuerkraft zu 100 Prozent angerechnet wird in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen, ist für sich genommen, dieser einzelne Fakt, ein Erfolg. Es waren die ostdeutschen Länder, die jetzt fast ein Jahrzehnt darauf gedrängt haben, dass die unterproportionale Steuerkraft der ostdeutschen Kommunen Berücksichtigung findet. Dieser Fakt ist für sich allein genommen, singulär, zunächst ein Erfolg. Deswegen teile ich nicht, wenn unsere Landesregierung im Brief an die ostdeutschen und Thüringer Bundestagsabgeordneten dann schreibt: Wir lehnen komplett dieses Schäuble-Paket ab. – Das mag Verhandlungstaktik sein, ist an diesem Punkt aber falsch. Darüber reden muss man, was passiert

mit dem Umsatzsteuervorausgleich tatsächlich im Volumen von knapp 8 Milliarden Euro, was bisher immer aufgeteilt wurde, bevor sie die Verrechnungsmechanismen umgehen – das ist jetzt kompliziert, das will ich nicht alles erklären –, aber wurde vorher so verteilt: 75 Prozent nach Einwohnern und 25 Prozent auch nach Finanzschwäche. Jetzt sagen die in Berlin, wir schaffen diesen Umsatzsteuervorabausgleich komplett ab, dass diese 8 Milliarden Euro gar nicht vorher verteilt werden, und sie finden hinterher statt, nach den Ausgleichsmechanismen, und dann mit dem Thema, dass 100 Prozent auf die Einwohner, das System, angewandt wird. Da müssen wir gemeinsam diskutieren in Berlin, weil das Länder benachteiligt, die eine negative Bevölkerungsentwicklung haben. Das trifft nicht nur ostdeutsche, trifft aber auch uns. Wir finden, ein Punkt muss in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen in der Zukunft verhandelt werden, das ist, dass ein Demografiefaktor eine Rolle spielt – das hat die Vorgängerlandesregierung auch schon angemerkt und müssen wir jetzt auch noch einmal anmerken –, sonst benachteiligt uns das System natürlich auf Dauer. Da rede ich gar nicht über die Umsatzsteuerverteilung, sondern zunächst nur darüber, wenn sie gekoppelt ist an die Einwohnerentwicklung. Das bevorteilt die einwohnerstarken Länder und benachteiligt deutlich die einwohnerschwächeren Länder.

Das ist ein Thema, über das man reden muss. Natürlich muss man auch reden, wenn der Umsatzsteuerausgleich nur noch nachträglich stattfindet und dann auch noch gedeckelt wird, dann benachteiligt das uns tatsächlich an der Stelle, nämlich so lange, wie im Steuerrecht nach wie vor die Steuerströme so fließen, dass bei der Muttergesellschaft die Steuern hinfließen und nicht dorthin, wo produziert wird. Deswegen kann man natürlich ein BundLänder-Finanzsystem entwickeln, wo der Umsatzsteuerausgleich im Nachgang stattfindet. Das ist gar nicht das Problem, wenn man gleichzeitig im Steuerrecht die Frage der Zerlegung und wo es zufließt, wo auch produziert wird, mitregelt. Deswegen muss man darüber verhandeln. So, wie es jetzt vorgelegt ist, reicht es nicht aus, benachteiligt es uns auf Dauer sogar, weil natürlich dann immer so klar ist, dass bei konjunkturell guten Phasen uns die reichen Länder mit den Umsatzsteueranteilen vorweglaufen und wir gar nicht mehr aufholen können, selbst wenn nach unten hin eine Grenze eingezogen ist. In schwachen Jahren sind wir geschützt, aber in starken Jahren laufen uns die starken Länder davon. Das wäre das Ergebnis dieses Systems. Deswegen muss man darüber reden.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Das stimmt. Das ist das Erste, dem ich zustim- me!)

Mindestens bei dem Punkt stimmst du mir zu. Es ist eigentlich noch mehr; wenn du dürftest und ein frei

er Mensch wärst bei den Linken, würdest du noch viel öfter zustimmen.

(Beifall CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Aber man muss halt auch darüber reden: Wann kommt man zum Ergebnis bei den Verhandlungen? Seit Jahren reden wir hier davon – ich mache das auch oft, aber andere natürlich auch –, reden wir davon, erst einmal verstehen müssen, Solizuschlag bei den Leuten, Zufluss in den Bundeshaushalt hat mit dem Solidarpakt II zunächst überhaupt nichts zu tun, außer dass der Wortstamm gleich ist. Es gibt viele Berichterstatter, die scheitern schon daran, das auseinanderzuhalten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ein Glück, dass wir Sie haben!)

Aber so ist es schwieriger.

Entscheidend ist Folgendes: Jetzt, außer das Solidarzuschlagsvolumen 15 Milliarden Euro dieses Jahr – manche prognostizierten in der Zukunft bis 18, 19 Milliarden Euro –, das fließt in den Bundeshaushalt. Früher war das fast identisch mit dem Zufluss an den Solidarpaktmitteln im Osten, jetzt wird es immer weniger. Herr Ministerpräsident hat es gerade beschrieben. Aber das hat logisch erst einmal nichts miteinander zu tun. Was aber faktisch ist, ist natürlich auch klar: Nicht nur im Thüringer Landtag sitzen Ausgabepolitiker, die sitzen auch im Deutschen Bundestag. Und natürlich, in jedem Jahr, wo die Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht für die Zeit auf 2020 neu geordnet werden, wird der Anteil dessen, was aus dem Solizuschlag in den Bundeshaushalt zufließt und an freier Finanzmasse zur Verfügung steht, weil es nicht für den Aufbau Ost abgezogen werden muss, wird dieses Volumen immer größer und kann verausgabt werden. Wenn man erst zum Ergebnis kommen würde, weil die Verhandlungen scheitern und erst 2018 vielleicht zum Ergebnis kommen, dann ist es tatsächlich so, dass dann die prognostizierten 18 Milliarden Euro aus dem Solizuschlag komplett beim Bundesfinanzminister sind und dann natürlich dort auch schon in allen Mittelfristigen Finanzplanungen verbraucht und verplant sind. Deswegen muss man jetzt zum Ergebnis kommen, damit man jetzt im Bund daran erinnern kann: Das, was in den Aufkommen zufließt, kann man auch einsetzen für die Zeit der Finanzbeziehungstransfers im nächsten Jahrzehnt. Das ist ganz entscheidend und wichtig, dass man das sieht.