wenn Sie sozusagen die Lupe auf die besondere Gipskarstregion setzen würden, Sie sehen würden, dass das einer von wenigen bundesweit anerkannten Hotspots der biologischen Vielfalt ist, einer der wichtigsten Hotspots in der Region Mitteleuropa, wenn es um den Bereich Gips geht. Und deswegen, Herr Primas, müssten Sie es besser wissen. Wir haben ja dafür gekämpft, dass wir beim Bund für Sie und Ihren Landschaftspflegeverband 3,2 Millionen Euro zur Pflege und den Erhalt dieser Flächen bekommen können. Es ist uns gelungen, und ich denke, wir können miteinander froh darüber sein, dass diese Hotspot-Mittel für den Lebens
raum, den Erhalt der Gipskarstregion mit Ihrer Unterstützung vor Ort eingesetzt werden können und wir damit die Flächen in Wert setzen.
Ich will mich ganz besonders bei all jenen bedanken, die dafür viele Jahre gekämpft haben. Das sind neben Dagmar Becker viele lokale Akteure, die von Neustadt bis hin zum Fremdenverkehrsverein auch in anderen Orten und der Region um den Winkelberg herum beteiligt waren. Übrigens auch die Dörfer und Orte um den Winkelberg, um die Rüdigsdorfer Schweiz herum haben aufgeatmet, weil sie einfach damit gerechnet haben, dass sie durch den Abbau auch entsprechend betroffen sind – sowohl infrastrukturell als auch bei anderen Punkten. Von daher, denke ich, ist uns da was Gutes gelungen.
Aber das alleine löst nicht die Frage auf, die Bündnis 90/Die Grünen heute mit der Aktuellen Stunde stellen: Was ist denn die Perspektive in der Region und wie verbinden wir Natur und wirtschaftliche Interessen miteinander, also eine Chancendebatte? Ich bin ganz dankbar, dass Tilo Kummer diese Frage mit dem Stichwort „Biosphärenreservat“ noch mal deutlich vertieft hat. Genau: Eigentlich ist ein Biosphärenreserverat nämlich nichts anderes als die Übersetzung für „Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften“. Freilich gibt es eine Kernzone, in der – genau, Nationalpark gleich auf 4 Prozent – tatsächlich dieser absolute Schutz besteht. Aber genauso gibt es auch eine Pflege in der Entwicklungszone, wo wir probieren können, wo wir schauen können, wie nachhaltiges Wirtschaften in der Region geht – und das ist unser Ziel mit dem Biosphärenreservat.
Wir haben in den letzten Monaten – zwölf Monate sind es jetzt bereits – in verschiedenen Arbeitsgruppen darüber gesprochen, wie die unterschiedlichen Interessen abgeglichen werden können. Das Ende des moderierten Diskussionsprozesses wird voraussichtlich im März 2019 sein. Dann wird die Abschlussveranstaltung stattfinden. Ich würde mich freuen, wenn bis dahin eine von der Region – das ist ja das Entscheidende – getragene Empfehlung an die Landesregierung formuliert werden kann, wie wir weiter verfahren wollen.
Wir haben die Chance, diese Punkte miteinander in Einklang zu bringen und gleichzeitig eines von den wenigen Biosphärenreservaten zu bekommen, die die UNESCO in der Bundesrepublik anerkennt. Es ist ein exklusiver Klub, es sind bislang gerade mal 16. Das Biosphärenreservat Südharz wäre Nummer 17. Wir haben einen Suchraum von 56.000 Hektar. Das ist nicht von ungefähr so, sondern wir haben die Suchkulisse der beiden Naturparke Kyffhäuser und Südharz genommen und diskutieren in diesen Bereichen. Und natürlich hängt das Ergebnis auch davon ab, dass vor Ort mitei
Ich war dieses Jahr unzählige Male auf Bürgerinnen- und Bürgerversammlungen in verschiedenen Runden vor Ort. Ich weiß, dass sich viele Menschen vor Ort dafür engagieren. Damit das Ganze nicht nur eine quasi virtuelle Debatte bleibt, haben wir Prof. Dr. Job mit der Studie „Aktuelle und potenzielle regionalökonomische Effekte durch Naturtourismus in den Naturparken Kyffhäuser und Südharz“ beauftragt, weil man ja nicht so tun soll, als ob durch Naturtourismus keine regionale Wertschöpfungen entstehen könne. Prof. Dr. Job hat errechnet, dass im Kyffhäuserkreis bis heute schon Einkommensäquivalente entstanden sind, die rechnerisch dem Einkommen von 789 Menschen entsprechen. Das heißt, rechnerisch leben knapp 800 Leute im Naturpark Kyffhäuser vom Tourismus – 800 Leute nur im Naturpark Kyffhäuser. Und das Gleiche gilt für den Naturpark Südharz: Dort sind es knapp 600 Personen, deren Einkommen schon heute vom Tourismus im Naturpark stammt. Jetzt überlegen Sie mal, wenn man Neustadt zum Luftkurort entwickelt und wenn man an anderen Stellen die Gipskarstlandschaft so aufwertet und in ein Biosphärenreservat einbettet, sodass es quasi überregional noch mehr Zuspruch erfährt, was man jeweils aus den 800 bzw. 600 Menschen machen könnte! Ich finde, regionalökonomisch lässt sich das durchaus sehen und darauf aufbauen. Deswegen werbe ich auch dafür, dass wir diese Chancendebatte vor Ort miteinander führen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will als Letztes gern auf den genannten Punkt „Gipsrecycling“ eingehen. Es ist völlig richtig, dass der derzeitig bestehende Konflikt zwischen Gipsabbau und Natur das eine ist, das sind die Jahresscheiben für die 10, 20, maximal 30 Jahre, aber dann ist die Frage durchaus eine andere, nämlich: Werden wir, wenn es um die Frage „Gipsrecycling“ geht, endlich besser, können wir Rohstoffkreisläufe schließen? Wir begleiten die Frage „Gipsrecycling“ seit mehreren Jahren. Wir haben im Rahmen einer Bundesratsinitiative einen Entschließungsantrag zur Gewerbeabfallverordnung in diesem Bereich erfolgreich mehrheitsfähig gemacht. Wir haben, wenn es darum geht, lokale und kommunale Entscheidungsträger entsprechend zu informieren, wie sie Recycling von Gipskartonplatten besser organisieren können, Informationen zur Verfügung gestellt und unterstützt. Der Landkreis Nordhausen – das will ich zum Dritten nennen – sammelt die ihm überlassenen Gipskartonabfälle getrennt und führt sie dem Recycling schon heute zu. Die Hochschule in Nordhausen wird sich mit einem Konzept zum Gipsrecycling im Südharz für Mittel aus dem Förderprogramm des Bundes „WIR! – Wandel durch Innova
tionen in der Region“ bewerben. Ich denke, die Hochschule hat ein großes Interesse daran und ist auch dabei, dieses Thema zu begleiten. Anlässlich dessen gab es bereits entsprechende Workshops. Im Übrigen sind in diesen Workshops natürlich auch die Gipsunternehmen vor Ort integriert, auch die Uni Weimar sei genannt, selbstverständlich CASEA und andere, die beim Nordhäuser Sekundärrohstoff-Workshop beispielsweise im Juni 2018 hier intelligente Lösungen gemeinsam erarbeiten wollen und dafür einen Anstoß gegeben haben.
Daran sehe ich, dass an verschiedenen Stellen schon heute an morgen gedacht wird. Das ist der richtige Weg. Noch mal: Es ist unsere Aufgabe, Perspektiven aufzumachen und zu zeigen, wo die Reise hingehen kann, eben nicht nur für die nächsten fünf oder zehn Jahre, sondern darüber hinaus. Ich denke, dass wir mit unseren Interessenlagen da sehr nah beieinander sind. Aber man muss auch dazu stehen, wenn Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden und heute geheilt werden, dann ist das gut und ist das richtig. Ich finde, ja, Ressourcen schonen und auf der anderen Seite nutzen, aber eben nicht einseitig zulasten der Umwelt und schon gar nicht zulasten kommender Generationen. Vielen Dank.
Weil die Landesregierung länger geredet hat, haben jetzt alle noch mal 2 Minuten. Wer wünscht das Wort? Herr Abgeordneter Primas.
Danke schön, Frau Präsidentin. Frau Ministerin, ich finde es nicht gut, dass Sie, wenn man nicht Ihrer Meinung ist, gleich die Leute verunglimpfen, als hätte man keine Ahnung und wisse von nichts. Ich finde das unverschämt, ich sage Ihnen das mal so.
Mit keinem Wort habe ich gesagt, dass ich den Winkelbergabbau forciere – mit keinem Wort. Seit 1990 sind wir in der Region – nicht nur Frau Becker, sondern alle politischen Kräfte – daran, das zu verhindern, dass es eine Neuveritzung gibt. Da haben wir uns im Kreistag geeinigt, dazu stehen wir heute nach wie vor. Wir haben jetzt auch einen Antrag im Kreistag vor zwei Jahren verhandelt und auch beschlossen, dass wir gemeinsam versuchen, Kompromisse zu finden, um einen Abbau am Winkelberg zu verhindern. Und ich sage Ihnen heute, mit der Ausweisung eines Naturschutzgebiets werden Sie das Ziel nicht erreichen, sondern Sie verschärfen den Konflikt. Sie hetzen jetzt die Gipsindustrie vor Gericht. Ich halte das für einen falschen Weg. Ich würde es viel besser finden, wenn man
sich zusammensetzt, Lösungsmöglichkeiten findet, eine Erweiterung des jetzigen Tagebaus hinbekommt, damit die Leute auch Arbeit und Zukunft haben. Die Diskussion über REA-Gips führen wir doch lange. Die Diskussion, der Bevölkerung zu erzählen, REA-Gips ist das Einzige, und zur gleichen Zeit zu fordern, die Braunkohleheizwerke einzusparen, wo der REA-Gips herkommt, das passt doch nicht. Wir können doch die Leute nicht nur veralbern. Das geht so nicht.
Die Gipsindustrie – das haben Sie selbst gesagt – arbeitet bei der Recyclinggeschichte mit, die sind doch nicht dagegen, die machen doch mit. Man sollte nicht immer diesen Konflikt aufbauschen, als würden die nur Natur zerstören und zerstören. Wir müssen vernünftige Kompromisse finden.
Die Diskussion zum Biosphärenreservat, da haben wir uns im Vorfeld geeinigt, Frau Ministerin, dass das nicht wieder so wie das letzte Mal eine Rohstoffabbauverhinderungskonzeption sein soll, sondern wir wollen Zukunft für die Region organisieren. Und da bin ich dabei. Aber wenn ich die Diskussion heute höre, dann ist das wohl nicht mehr der Fall. Dann machen wir wieder Biosphärenreservate, um Gipsabbau zu verhindern. Das wäre ein ganz falscher Zungenschlag.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Primas, es ist so schwer mit den Kompromissen und es ist nicht möglich, Kompromisse zu finden, die …
Ach, das ist doch …! Die Firma Knauf hat naturreine Gipse zum Abbau über die nächsten 80 Jahre. Sie haben einen Hauptbetriebsplan eingereicht, der schon in der Abstimmung ist, dass sie für die nächsten 80 Jahre reichlich Gips haben, um im Alten Stolberg abzubauen. Das wissen wir. CASEA hat das Pech, dass ihre Vorräte zu Ende gehen. Das tut mir herzlich leid. Das ist dann aber so. Sie
haben in den 90er-Jahren und auch zwischen August 1990 und 2. Oktober 1990 viel Bergmannseigentum erworben, als wir noch ein bisschen was anderes zu tun hatten und versucht haben, eine Wende herbeizuführen. Da hat die Gipsindustrie mit DDR-Recht ihre Bergwerkseigentümer gesichert. Das wollen wir auch mal sagen. Das muss man auch mal so darstellen.
Jetzt ist es so, dass CASEA nur noch wenig Abbaufläche im Gips hat. Das ist dann einfach so. Es ist aber nicht so, dass diese Region nicht genügend Gips zur Verfügung stellt. Die Firma Knauf hat über die nächsten 80 Jahre reichlich Gips zum Abbau im Alten Stolberg – das geben sie selbst zu. Dagegen können wir nichts haben, das akzeptiert jeder. CASEA ist nun die einzige Firma, die ihren Sitz in Ellrich hat. Alle beiden anderen, also Saint-Gobain hat ihn in Niedersachsen, Knauf hat ihn in Sachsen-Anhalt und der Hauptsitz ist sowieso ganz woanders. CASEA ist nun mal diejenige Firma, die im Moment nicht bedient werden kann. Aber das tut mir herzlich leid. Ich sehe auch nicht ein, warum wir den Winkelberg dann für CASEA trotzdem fördern sollen. Das ist doch nicht in Ordnung. Man kann es auch nicht als Kompromiss sehen, wenn CASEA dann sagt: Aber im Winkelberg bauen wir nicht ab. Das ist doch kein Vergleich. – Aber dafür am Himmelsberg, oder wo? Das geht doch nicht.
Jetzt muss ich doch noch mal quasi in Richtung zu etwas Versöhnlichem das Wort ergreifen. Ich habe hier die Enzyklika des Papstes. Herr Primas, jede zweite Seite würden wir gemeinsam teilen. Da bin ich mir ganz sicher.
Ja, an der Stelle muss er dafür herhalten. Ich meine die Umwelt-Enzyklika „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ und die Frage, wie ökologische
und soziale Fragen zusammenhängen. Da kann mir nun wirklich niemand erzählen, dass Sie mit dem Ansatz ein Problem haben; Frau Tasch, das können wir nachher auch gern noch mal vertiefen.
Was hier allgemein beschrieben ist, erleben wir doch hier in der Debatte wieder eins zu eins runtergebrochen, wenn es denn unmittelbar vor der Haustür ist: Was heißt das eigentlich konkret? Natürlich ist das ein schwerer Abwägungsprozess. Ich habe deutlich gemacht – Herr Primas, ich hoffe, dass das gelungen ist –, dass es ein Abwägungsprozess zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen ist.
Drei Dinge muss ich noch mal betonen und richtigstellen: Zum einen würde ich mich freuen, wenn ich Sie spätestens nächstes Jahr bei der Abschlussveranstaltung zum Biosphärenreservat an unserer Seite weiß und Sie aufstehen und sagen: Ja, ich finde dieses Biosphärenreservat gut und richtig, weil mir klar ist, dass es eine Chance für die Region ist und wir hier nachhaltiges Wirtschaften entwickeln können. Wenn uns das gelänge, würden wir im Sinne des Papstes parteiübergreifend vor Ort eine Chancendebatte führen, die mit Sicherheit auch Ihnen in der Region durchaus Punkte bringen wird. Wenn wir das hinbekommen, wäre das großartig.
Sehr gut. – Das Zweite: Sie können doch auch sehr gut vor Ort einschätzen, wenn es um einzelne Punkte geht, wo da entsprechende Abbauinteressen stehen, dass es jeweils eine sachlich-fachliche Prüfung gibt, wo ein entsprechender Abbau stattfinden kann und wo nicht. Sie haben unterstellt – und ich muss das geraderücken –, dass es den Dialog nicht gäbe. Glauben Sie mir: Herr Löderbusch steht alle drei Monate nicht nur bei mir im Vorzimmer, sondern sitzt auch in meinem Büro. Wir haben den Dialog mit dem BUND und CASEA organisiert; der findet regelmäßig statt. Wir reden miteinander. Es wird darüber gesprochen, aber es muss dann auch zu einem Punkt kommen, wo man nicht nur jedes Mal die gleichen Argumente austauscht. Politik ist auch dazu da, wenn die Argumente ausgetauscht sind, auch eine Entscheidung zu treffen. Und die Entscheidung zum Winkelberg ist auf Basis von ganz klarer fachlicher Arbeit des Landesverwaltungsamts entschieden und vorbereitet worden. Eineinhalb Jahre hat das Ausweisungsverfahren für den Winkelberg gedauert – auf Basis von naturschutzfachlichen Aspekten. Nur deswegen ist es gelungen.
Der dritte Punkt, da muss ich das sozusagen auch noch mal straffen – ich denke, auch da sind wir gar nicht so weit auseinander –: Wenn wir über Biosphärenreservat reden, dann reden wir durchaus darüber, dass Sie in 4 Prozent Kernzone selbstverständlich naturschutzgebietsartige Regeln haben,
Verbote – um das böse Wort mal zu nennen –, aber eben in 95 Prozent nicht. Dass diese Potenziale da entwickelt werden können, und das auch gemeinsam mit den lokalen Akteuren, dazu laden wir immer wieder ein – Pflege- und Entwicklungszone heißt es genau –, sich damit auseinanderzusetzen. Ich denke, dann wird das ein fruchtbarer Dialog. Da Sie hier nicht verneint haben, sondern sogar gesagt haben, Sie finden die Debatte interessant, denke ich, dass wir da gemeinsam vor Ort diesen Dialog auch fortsetzen können. Wenn das das Ergebnis der Aktuellen Stunde heute wäre, dann wäre das aus meiner Sicht zumindest ein ziemlich fruchtbares. Deswegen sage ich vielen Dank.
Für den Dialog stehen jetzt noch mal allen Fraktionen 2 Minuten Redezeit zur Verfügung. Wünscht noch jemand das Wort? Herr Abgeordneter Kobelt, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Primas, Sie haben ja so ein bisschen suggeriert, dass die Gipsindustrie dann auch nicht genügend Raum hat und dann auf die wertvollen Flächen zum Beispiel des Winkelbergs zurückgreifen muss, weil sie gar keine anderen Möglichkeiten hat, sich zu entwickeln.