Ich will noch mal an das erinnern, worauf wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben, weil auch das zumindest hier angesprochen, aber nicht richtig vorgetragen wurde. Deswegen will ich aus dem Koalitionsvertrag zitieren, Seite 86/87, unter der Überschrift „Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz stärken“. Da steht: „Die Koalition ist sich einig, die Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaft zu stärken. Hierzu sollen neue Regelungen der Selbstverwaltung der Judikative geprüft werden. Wir wollen die Eigenverantwortlichkeit der Justiz durch die Ausweitung eigenverantwortlicher personal- und budgetrechtlicher sowie haushaltswirtschaftlicher Handlungsspielräume der Gerichte und Staatsanwaltschaften stärken. Eine unabhängige Justiz umfasst auch eine objektiv und konsequent ermittelnde Staatsanwaltschaft.“
Unter der Überschrift „Novellierung des Richterund Staatsanwältegesetzes“ heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Mitbestimmung von Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten soll durch ein neues Richter- und Staatsanwältegesetz gestärkt und die Mitwirkungsmöglichkeiten der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Gremien erhöht werden. Wir werden die Ruhestandsregelung, die im Beamtenbereich gilt, auch für den Bereich der Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte übernehmen.“
Ich kann Ihnen nur sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Jetzt machen Sie mal den Faktencheck, nehmen Sie den Gesetzentwurf so, wie er Ihnen hier heute vorliegt, auch übrigens noch mit dem Änderungsantrag, der ja in die Beschlussempfehlung eingegangen ist, und legen Sie ihn neben den Koalitionsvertrag. Dann kann ich nur konstatieren: Wir halten, was wir versprochen haben.
Wir stärken nämlich die Unabhängigkeit der Justiz, übrigens gerade in Personalfragen, durch den Wegfall des Letztentscheidungsrechts des Justizministers. Das passiert nur relativ selten in einer politischen Auseinandersetzung, dass ein Justizminister oder eine Justizministerin für sich selbst entscheidet, seine oder ihre eigenen Rechte zu beschneiden – im Sinne einer demokratischen Teilhabe derjenigen Betroffenen, die nämlich aus der fachlichen Gerichtsbarkeit kommen.
im Gesetz – ich möchte drei Punkte benennen: die volle Mitbestimmung bei der Einführung, Änderung oder Erweiterung von Beurteilungsrichtlinien, die volle Mitbestimmung bei der Erstellung von Personalentwicklungskonzepten, die volle Mitbestimmung bei der Bestellung zum Leiter einer Referendararbeitsgemeinschaft.
Wir schaffen außerdem – auch das ist neu – mit einem gesetzlich garantierten Interessenbekundungsverfahren bei Vorschlägen für die Wahlen zu Bundesrichtern Transparenz. Auch das hat es bisher nicht gegeben, wir machen das. Damit kann sich jede und jeder bewerben und es muss sich niemand wundern, wie eigentlich Namensvorschläge von wichtigen, honorigen Richtern für dieses wichtige Bundesgremium dort überhaupt landen.
Wir haben die Ruhestandsregelung an die der Beamten angeglichen. Eben wurde von der quasi „Ruhestandswelle“ gesprochen, die uns ereilt. Für uns war wichtig, dass wir nicht neue Ungerechtigkeiten schaffen, sondern dass wir eine Angleichung herbeiführen und damit auch eine bestehende Ungleichbehandlung beenden.
Unser Änderungsantrag – übrigens im Gegensatz, wie gesagt, zu zwei anderen Fraktionen, die gar nichts gemacht haben, die offenkundig auch aus der Anhörung keinerlei Schlüsse gezogen haben, außer zu sagen, wir lehnen das Gesetz sowieso ab – zeigt ganz deutlich, dass wir den Verbänden in der Anhörung sehr genau zugehört haben. Im Präsidialrat zum Beispiel – das war eben eine Kritik – haben wir die Fachgerichtsbarkeiten dadurch gestärkt, dass sie nun über eine eigene Mehrheit verfügen. Wir haben also genau das gemacht, was von uns immer gefordert wurde: Diejenigen, die fachlich die Ahnung haben, werden gestärkt, sie bilden jetzt die Mehrheit ab.
Zum Beurteilungswesen hat meine Kollegin MartinGehl schon alles gesagt, darauf will ich jetzt nicht noch einmal eingehen. Aber ich will noch ein paar andere Punkte benennen. Der Vorwurf beispielsweise, der eben hier geäußert wurde, dass Richter bei der Einstellung auf Lebenszeit der Willkür des Ministeriums ausgesetzt seien, an welchem Gericht sie ernannt werden, ist schlichtweg haltlos, muss ich Ihnen sagen. Schauen Sie bitte ins Gesetz! Wir sorgen nämlich mit unserem Änderungsantrag dafür, dass die Stellen für Richter und Richterinnen und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf Lebenszeit ausgeschrieben werden müssen und die Bewerberinnen bewerben sich dann ganz konkret für ein bestimmtes Gericht und das ganz bewusst. Mit Willkür hat das also gar nichts zu tun – im Gegenteil, wir sagen ganz klar: Jeder und jede entscheidet sich, wo er oder sie sich bewirbt, und genau da wird dann auch entschieden, ob er oder sie für diese Position geeignet ist.
Dabei bleiben wir aber auch nicht stehen: Das neue Richter- und Staatsanwältegesetz schafft erstmals die Grundlage dafür, dass übrigens auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter Vertretungen zur Mitbestimmung in eigenen Angelegenheiten bilden können. Auch das war eine Forderung aus den Anhörungen, das haben wir selbstverständlich gern aufgegriffen.
Außerdem stehen wir mit der neu eingefügten Evaluierungsklausel statt eines automatischen Außerkrafttreten des Gesetzes für Rechtssicherheit, weil wir nämlich damit den Weg aufzeigen, dass ein Gesetz mitnichten für immer so bleiben muss, wie es die letzten 24 Jahre beispielsweise in Thüringen war, sondern dass man auch etwas ändern kann.
Wie bitte? Na ja, wenn Sie so weiterarbeiten – in Anführungszeichen – wie bisher, haben wir ja nichts zu befürchten, denn Sie haben ja nichts geliefert, Herr Möller.
Ich will aber auch zwei problematische Punkte ansprechen. Wir hatten eine durchaus heftige oder intensive Diskussion um die Frage der Vertretung der Rechtsanwaltschaft. Diese war nämlich im Gesetzentwurf zunächst enthalten und wurde nach der Anhörung wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Bisher, müssen Sie wissen, waren die Rechtsanwälte auch nicht im Richterwahlausschuss vertreten, es fehlte an zwingenden Gründen für diese Änderung. Wir haben uns natürlich genau angeschaut: Wie ist es eigentlich in anderen Bundesländern geregelt? Und da kann man jetzt nicht sagen, es gibt einen goldenen Weg, sondern manche Länder machen es so, andere machen es so. Für den Richterbund – weil er hier auch schon genannt wurde, weil wir natürlich auch alle ganz viele Gespräche mit dem Richterbund geführt haben, was ja auch richtig und wichtig ist; Herr Pröbstel hat sich immer wieder an uns gewandt – war es ein ganz wichtiger Punkt, dass die Anwälte hier nicht vertreten sind, weil sie bitte nicht in die Angelegenheiten der Richterinnen und Richter hineinwirken sollten. Wir hatten zunächst gedacht, es wäre vielleicht schon eine gute Idee, wenn die Anwältinnen und Anwälte da auch ihren Sitz haben. Aber da haben wir uns dann letztlich dafür entschieden, diese wieder herauszunehmen, weil wir gesagt haben, wir sind da durchaus offen. Vielleicht ist das einer der Punkte, wo wir in fünf Jahren sagen, das müssen wir noch mal ändern.
Ich will auch noch einmal eingehen, meine Kollegin Martin-Gehl hat es zwar schon gemacht, auf die Forderung zum Beurteilungswesen, die vom Richterbund aufgemacht wurde, nämlich sich an dem
österreichischen Modell zu orientieren. Wir haben uns das ganz genau angeschaut, wir haben das geprüft. Das hat aber den verfassungsrechtlichen Grundlagen in Deutschland nicht standgehalten. Was wir aber aufgegriffen haben, ist der Grundgedanke, dass nicht nur der Dienstvorgesetzte die Beurteilung erstellt, sondern weitere Personen zu beteiligen sind und Expertise eingeholt werden kann. Wir haben uns also entschieden, dass der Präsidialrat – das war ja auch vielen Anzuhörenden wichtig – für eine Stellungnahme hinzugezogen werden kann und hierfür den zu Beurteilenden auch anhören kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist immer leicht, ein Gesetz in Bausch und Bogen zu verdammen, insbesondere wenn man nichts Eigenes vorlegt. Ich glaube, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht. Es waren insgesamt fast drei Jahre Debatte rund um dieses Gesetz, vom Entstehen bis zur heutigen zweiten abschließenden Beratung im Thüringer Landtag. Ich kann Ihnen sagen: Ja, es wird auch danach sicherlich von der einen oder anderen Stelle noch Kritik geben. Das ist immer so, dass man nicht alle Seiten gleichermaßen befrieden kann. Aber ich bin davon überzeugt, das ist ein gutes Gesetz. Es stärkt die Unabhängigkeit der Justiz. Das ist ein richtiges, ein wichtiges Signal. Es zeigt auch, dass sich Koalitionen beschränken können, wenn es um Macht geht, und sagen können, uns ist die Fachlichkeit an der Stelle wichtiger. Deswegen sage ich Ihnen: Bitte stimmen Sie diesem Gesetz zu. Damit leisten wir tatsächlich, finde ich, einen sehr wichtigen, einen guten Beitrag im Jahr 29 nach der friedlichen Revolution in Thüringen. Vielen herzlichen Dank.
Danke, Frau Präsidentin. Mich hat es noch mal kurz vorgetrieben, weil ja der Vorwurf eben gekommen ist von Frau Rothe-Beinlich, die Oppositionsfraktionen hätten keine Änderungsanträge eingebracht, keine konkreten Änderungsanträge eingebracht. Nun ist der Vorwurf natürlich ein starkes Stück und das wissen Sie auch selbst, denn man muss sich nur mal überlegen, wie Sie Ihren letzten Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf hier durch den Ausschuss gepeitscht haben. Sie haben den,
ich glaube, einen Tag vor der Ausschusssitzung vorgelegt und dann das Ding eiskalt durchstimmen lassen. Wie soll man sich denn bei so einem Schweinsgalopp inhaltlich mit Ihren Anträgen bei einem derart umfangreichen Gesetzesvorhaben auseinandersetzen?
Das ist ja noch nicht alles, lange nicht alles. Wir hatten eine Anhörung, ich kann mich daran gut erinnern, das waren, glaube ich, drei oder vier Stunden. Ich habe sie ja schließlich geleitet. Wir hatten eine Anhörung, da haben die Fachexperten, allesamt Juristen, allesamt Betroffene, Ihnen im Detail Rede und Antwort gestanden, sie haben Sie auf die Folgen Ihrer Änderungen hingewiesen. Und was haben Sie gemacht? Sie haben es gesagt, ja, Sie haben zugehört, aber Sie haben es in zentralen Teilen ignoriert, was da gesagt worden ist. Da sage ich Ihnen mal eines: Wer sich gegenüber den Fachleuten, gegenüber den Betroffenen derart unheilbar beratungsresistent zeigt, da wissen wir doch, wie Sie auf unsere Gesetzentwürfe reagieren, wo Sie schon hier im Plenarsaal kaum die Gelegenheit nutzen, sich mit unseren Argumenten auseinanderzusetzen. Das wäre nun wirklich für die Katz gewesen,
hier einen Änderungsantrag neben den Fachexperten noch aufzubauen: wenn Sie die schon ignorieren, ignorieren Sie unseren natürlich erst recht. Also dieser Vorwurf ist wirklich hanebüchen und an den Haaren herbeigezogen, das muss ich also zurückweisen. Danke.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß ja nicht, wie schnell Sie Schweine schon haben galoppieren sehen. Die Anhörung fand schon weit vor der Sommerpause statt. Wir haben die Auswertung der Anhörung im Ausschuss immer wieder verschoben, damit eben noch mehr Zeit ist, um über Änderungsanträge etc.
zu diskutieren. Jetzt so zu tun, als ob Ihnen dann in letzter Minute noch was eingefallen wäre, nachdem
ein über Monate zwischen uns abgestimmter und natürlich mit den Fachleuten noch einmal diskutierter Änderungsantrag von uns auch zur Abstimmung gestellt wurde, Entschuldigung, das war jetzt wirklich eine sehr billige Ablenkung.
Sie haben null Schlüsse aus der Anhörung gezogen, Sie haben null Anträge gestellt und jetzt darüber hinwegzutäuschen, indem Sie irgendwie nette Vokabeln bemühen und Bilder vom Schweinsgalopp an die Wand malen wollen, nach drei Jahren, Entschuldigung, da ist das Schwein aber ganz schön gestolpert.
Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich jetzt nicht mehr. Minister Lauinger, bitte, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, viele meiner Vorredner haben darauf hingewiesen, dass es kaum ein Gesetz gibt, was so lange in der Diskussion war. Ich kann mich noch erinnern, dass in der letzten Legislatur komplett über die gesamte Legislaturperiode hinweg diskutiert wurde, ohne dass es zu einer Einigung gekommen ist. Mit anderen Worten, ich glaube, wir diskutieren jetzt schon fast zehn Jahre über die Reform des Richter- und Staatsanwältegesetzes.
Lassen Sie mich mit dem Punkt beginnen, der hier immer wieder kam, es hätte Kritik gegeben. Das ist ja richtig. Bloß falsch und komplett falsch ist es, zu sagen, die Kritik bezog sich auf eine Richtung. Es gab welche, denen ging es nicht weit genug und die haben kritisiert, weil es ihnen nicht weit genug ging in den Regelungen. Es gab auch von denen Kritik, die gesagt haben, das geht doch alles viel zu weit. Von daher, um an der Stelle noch mal deutlich zu sagen: Das ist eine Debatte, die in der Justiz natürlich kontrovers geführt wird, aber genau vor dem Hintergrund, nicht weit genug oder viel zu weit. Von daher glaube ich, dass der Gesetzentwurf, wie er Ihnen jetzt vorliegt – nach der Anhörung durch die Regierungsfraktionen durchaus auch noch mal Änderungen erfahren hat –, einer ist, der sich genau in diesem Spannungsfeld bewegt, der versucht, Argumente der einen Seite und der anderen Seite aufzugreifen. Dass keine Seite immer völlig zufrieden ist, ist auch klar.
Herr Scherer, was habe ich bei der Inthronisierung – hätte ich fast gesagt – des neuen Präsidenten des Finanzgerichtshofs gesagt? Ich habe gesagt, die Fragen, die jetzt teilweise noch diskutiert werden, gehen so ins Detail der einzelnen Sache, dass ich manchmal denke, an der Stelle muss man auch mal sagen, davon hängt das weitere Leben in Thüringen nicht ab. Damit meine ich aber dann die ganz expliziten Details. Ob sich jetzt ein Gremium aus vier Leuten einer Gerichtsbarkeit oder aus fünf zusammensetzt, das ist vielleicht der Punkt, wo man dann nicht mehr das ganz große Fass aufmachen muss.
Aber natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dieses Gesetz berührt in elementarer Weise die Justiz. Ja, und deswegen haben wir ja dieses Gesetz angefasst und deswegen neben dieser ganzen Detaildebatte, wie sich ein Gremium zusammensetzt, ob ein Präsidialrat richtiger zusammengesetzt ist, wenn alle Chefpräsidenten dabei sind oder wenn die nicht dabei sind, glaube ich, darf man nicht außer Acht lassen, was wirklich die grundlegende Umkehr dieses Gesetzes ist. Wir hatten in Thüringen die Situation – und das ist das, was Sie auch mal sagen müssten –, dass alle Richterverbände unisono beklagt haben, dass es bei der Beförderung von Richtern und Richterinnen in Thüringen dieses mehrfach schon genannte Letztentscheidungsrecht des Justizministers gegeben hat. Sie haben zwar mal gesagt, es gebe auch Punkte, denen würden Sie zustimmen. In Ihrer Rede haben Sie die dann alle weggelassen – ist ja klar –