Protokoll der Sitzung vom 09.11.2018

Noch ein kurzer Exkurs zum AfD-Antrag, meine Damen und Herren: Ja, der erste Teil ist schön von uns abgeschrieben. Das kann man machen, ist alles in Ordnung. Da stehen noch ein paar Worte reingeschrieben. Auch da ein Hinweis an den Referenten: Ein bisschen Kreativität hilft, damit das nicht ganz so als Kopie zu erkennen ist. Und der zweite Teil ist ein Aufguss eines Antrags, den wir vor weni

gen Monaten hier behandelt und schon mal abgelehnt haben. Das will ich jetzt nicht alles noch mal ausführen, denn der geschätzte Leser kann das gern im Parlamentsprotokoll noch mal nachlesen, auch was wir alle dazu gesagt haben, warum wir diesem Antrag nicht folgen werden. Deswegen, meine Damen und Herren der AfD-Fraktion: Kreativität walten lassen, nicht nur abschreiben, das Ganze ein bisschen clever machen, dann wird es auch interessant, dann kann man auch darüber diskutieren. In der Form ist es leider nicht interessant, es ist eher langweilig. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen, weil wir ihn inhaltlich auch nicht teilen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Berninger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde es schon erstaunlich: Noch vor vier Wochen hat die CDU-Fraktion diesen Antrag als Dringlichkeitsantrag eingereicht und jetzt reden wir hier schon fast 40 Minuten über ihren so dringenden Antrag, der er noch im September war, und es ist noch nicht mal die Hälfte der CDU-Fraktion hier anwesend. Also das finde ich wirklich schwierig. Noch im September hatte Herr Geibert beispielsweise in der Begründung der Dringlichkeit gesagt, es wäre echt dringend, dass die Fragen, die im Antrag gestellt sind, beantwortet würden.

Meine Damen und Herren, diese Fragen sind inzwischen beantwortet, nicht zuletzt durch die Pressekonferenz, die, glaube ich, Herr Götze und Herr von Ammon am 16. Oktober zusammen gemacht haben, wo genau das geprüft wurde, was hier als Fragen oder Aufforderungen in den Punkten 1 bis 3 des CDU-Antrags formuliert ist. Festgestellt wurde, dass keine größeren Defizite im Informationsfluss festgestellt werden können – so steht es in der Medieninformation drin, das können Sie nachlesen, Herr Herrgott. Dennoch wurde gesagt, wir prüfen trotzdem mal, was noch verbessert werden kann, wir richten einen Landespräventionsbeirat ein – oder Landespräventionsrat, da bin ich nicht ganz sicher –, um eben auch zu schauen, was bei den Dingen noch zu verbessern ist, die nach § 87 Aufenthaltsgesetz, nach der Nummer 42 der Mitteilung in Strafsachen und an anderen Informationsflüssen passieren.

Was jetzt aus dem Ausschuss berichtet worden ist, das ist tatsächlich so. Offenbar hört einfach nur jeder, was er will oder merkt sich nur, was ihm passt. Wir hatten Vertreterinnen aus drei Landratsämtern

(Abg. Herrgott)

in der Ausschusssitzung – im August, September? –

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: August!)

im August: aus dem Landratsamt Weimarer Land, dem Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt und dem Landratsamt Unstrut-Hainich-Kreis. Wir haben da viele Fälle straffällig gewordener Geflüchteter aus dem Weimarer Land aufgezählt bekommen. Gleichzeitig aber hat sich der Fachdienstleiter aus dem Weimarer Land damit gebrüstet, dass er das immer, wenn was passiert, innerhalb von zwei Stunden auf dem Tisch hat. Der Informationsfluss scheint also gegeben. Aus dem Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt hat eine Kollegin gesagt, die meines Erachtens beim Sozialdienst arbeitet: Nein, das wissen wir nicht. Sie wurde aber dann von der Kollegin korrigiert, die bei der Ausländerbehörde zuständig ist; diese hat gesagt: Sehr wohl kriegen wir Mitteilungen über Strafsachen, die geflüchtete Asylsuchende betreffen. Ebenso kam die Information aus dem Landratsamt Unstrut-Hainich-Kreis; von dort wurde auch nicht von Informationsdefiziten berichtet, meine Damen und Herren.

Liebe CDU-Kolleginnen und Kollegen, Ihre beiden Forderungen, die Sie in den Punkten 2 und 3 erheben, sind, glaube ich, erfüllt. Ich habe es ja schon gesagt: § 87 Aufenthaltsgesetz, Nummer 42 der MiStra – der Informationsfluss klappt. Ich finde es schade, dass es keinen Sofortbericht gegeben hat, sonst hätten Sie die Punkte jetzt zurückziehen können. Ich hoffe, Herr von Ammon wird darauf noch eingehen.

Zum Antrag der rechtspopulistischen Fraktion. Das hat Herr Herrgott schon sehr schön gesagt: da ist wenig Originalität bei den Punkten 1 bis 4, die vom Antrag der CDU in diesen rechtspopulistischen Antrag übernommen wurden. Und die Punkte 4 und 5 sind einfach nur der lauwarme Aufguss dessen, was wir, glaube ich, am 31. August hier im Thüringer Landtag abgelehnt haben.

Der Redner der AfD hat das Wort „offenkundig“ verwandt, um uns zu diskreditieren. Wir hätten das, was im Ausschuss gesagt worden ist, ignoriert, eiskalt übersehen oder würden es eiskalt uminterpretieren. Das kann ich zurückgeben. Warum, habe ich schon gesagt: Aus den Landratsämtern kamen einfach andere Informationen, als hier suggeriert werden will.

Ich habe mir gestern einen Ordnungsruf eingefangen für einen Ausspruch, den ich am Mittwoch gemacht habe. Ich hatte einen der Abgeordneten der AfD als „dumm“ bezeichnet. Ich muss das revidieren. Es ist offenbar doch nicht Dummheit, sondern die blanke Boshaftigkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Es kann auch eine Aufzählung sein!)

Wir haben am Mittwoch in aller Ausführlichkeit über die Ereignisse vom Zwiebelmarkt gesprochen. Und dennoch zieht der Parlamentarische Geschäftsführer der rechtspopulistischen Fraktion diese wieder in die Nähe einer sexuellen Gewalttat, die von einer großen Gruppe begangen worden wäre. Wir wissen alle ganz genau, spätestens seit dem Mittwoch, dass das so nicht stimmt, und dennoch machen Sie weiter. Ihr einziges Ziel ist, Hass und Angst zu säen und zu verstärken, und zu hetzen. Ich kann es einfach nicht mehr hören.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt. Deswegen kommen wir – ach, Entschuldigung, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, auch wenn ich jetzt keinen Sofortbericht erstatte, hoffe ich doch, etwas zur Klärung der Sach- und Rechtslage beizutragen. Ich bitte um Verständnis, dass das nicht ganz ohne trockene rechtliche Ausführungen geht. Das bringt es aber mit sich, dass man bei einem so wichtigen Thema wie einer effektiven Strafverfolgung auch die gesetzlichen Regelungen in den Blick nehmen muss, und in einem föderalen Staat, in dem wir in der Bundesrepublik Deutschland nun mal leben, empfiehlt es sich auch, zwischen der Ebene des Bundes und des Landes zu unterscheiden.

Vielleicht erst einmal kurz ein Blick auf das Bundesrecht. Nach § 87 Aufenthaltsgesetz haben die für die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens zuständigen Stellen die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich über die Einleitung des Strafverfahrens zu unterrichten. Deshalb bestimmt auch Nummer 42 der wiederum bundeseinheitlich geltenden Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen – Herr Kollege Helmerich hat es ja schon erwähnt, abgekürzt die MiStra, das sind Strafsachen gegen Ausländerinnen und Ausländer –, dass die Einleitung des Verfahrens unverzüglich an die örtlich zuständige Ausländerbehörde mitzuteilen ist.

Es lässt sich also feststellen, dass bereits jetzt nach den bundesrechtlichen Vorgaben grundsätzlich sichergestellt ist, dass die Polizei unverzüglich – und zwar in der Regel innerhalb von drei Arbeitstagen – die notwendigen Informationen weiterleitet.

Jedes System mit einer Vielzahl von Beteiligten weist natürlich an der einen oder anderen Stelle

(Abg. Berninger)

Möglichkeiten der Verbesserung auf. Genau diese Möglichkeiten werden laufend geprüft und optimiert. So erarbeitete die Landespolizeidirektion bereits im August 2017 konkrete Handlungshinweise, um die mit der Bearbeitung betrauten Polizeibeamten in den nachgeordneten Behörden entsprechend zu sensibilisieren. Auch das Kabinett hat sich mit diesem Thema befasst, und zwar am 16. Oktober 2018: In einem zwischen dem Innen- und dem Justizministerium abgestimmten Zwischenbericht des Innenministers zu Maßnahmen der Gewaltprävention im Freistaat Thüringen hat es entsprechende Vorgaben gebilligt. Auch dort wird ausdrücklich festgehalten, dass für eine effektive Strafverfolgung eine reibungslose, behördenübergreifende Zusammenarbeit besonders wichtig ist. Dementsprechend werden die in den jeweiligen Fallkonstellationen genutzten Meldewege und Kooperationsmechanismen derzeit hinsichtlich eventuell weiterer Verbesserungsmöglichkeiten analysiert. In Betracht kommen zum Beispiel standardisierte Dokumentationen der aufenthaltsrechtlich erheblichen Informationen in den Ermittlungsakten der Polizei oder auch eine konsequente Nutzung digitaler Übermittlungswege. Darüber hinaus wird Thüringen sich auch auf Bundesebene für eine weitere Verbesserung der Meldewege einsetzen. Gelegenheit besteht hierzu schon nächste Woche auf der Justizministerkonferenz, die unter Vorsitz Thüringens in Berlin stattfindet. Auf der Tagesordnung steht ein Beschlussvorschlag von Rheinland-Pfalz. Ziel dieses Antrags ist es insbesondere, dass zur Vermeidung von Informationsdefiziten bei Entscheidungen über Abschiebungsanordnungen die Mitteilungspflichten nach Nummer 42 MiStra auf die Erhebung der Anklage und den Erlass eines Haftbefehls erweitert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die CDU-Fraktion fordert ja weiter noch, dass im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen asylsuchende Mehrfachtäter darauf hingewirkt werde, dass diese Delikte von einem Staatsanwalt federführend bearbeitet werden. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass ein täterorientierter Ansatz bei Mehrfach- oder Intensivtätern immer angezeigt ist, und zwar völlig unabhängig von der Nationalität und Herkunft des Täters.

Des Weiteren: Ein täterorientierter Ansatz ist auch jetzt schon in der staatsanwaltschaftlichen Praxis die Regel.

(Beifall DIE LINKE)

Dies gilt in besonderem Maße für die Schwerpunktabteilungen, etwa die zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Gera sowie der Jugendstation der Staatsanwaltschaft in Gera und der Jugendstation in Jena, in denen Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe unter einem Dach zusammenarbeiten. Aber auch bei der Verfolgung der allgemeinen Kriminalität ist eine

federführende Bearbeitung durch eine Dezernentin oder einen Dezernenten grundsätzlich gewährleistet.

Generell gilt für alle Staatsanwaltschaften die in Nummer 17 Abs. 2 der wiederum bundeseinheitlich geltenden Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren – kurz bei allen Richtern und Staatsanwälten als RiStBV bekannt – getroffene Regelung. Danach sorgt, wenn jemand mehrere selbstständige Straftaten begangen hat, der Staatsanwalt dafür, dass die Verfahren verbunden oder die Ergebnisse des einen Verfahrens in dem anderen berücksichtigt werden. Nach Nummer 17 Abs. 1 dieser Richtlinien sollen sich zudem die Ermittlungen auch darauf erstrecken, ob gegen den Beschuldigten noch weitere Verfahren anhängig sind.

Über diese bundeseinheitlichen Regelungen hinaus prüfen das Justiz- und das Innenministerium, ob phänomen- bzw. deliktsübergreifende Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaften weiter zu forcieren sind, um zu vermeiden, dass Gewalt oder sonstige Straftaten desselben Täters von verschiedenen Polizeidienststellen, Staatsanwaltschaften und Gerichten bearbeitet werden. Auch hier gilt es, Verfahren gegen dieselben Beschuldigten möglichst frühzeitig zu konzentrieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Polizei und Staatsanwaltschaften, wie es der Antrag weiterhin verlangt, behördenintern anzuweisen, strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Asylsuchende spätestens zwei Tage nach Aufnahme der Ermittlungen der zuständigen Ausländerbehörde unter Angabe des Delikts zu melden, bedarf es nach Einschätzung der Landesregierung nicht, denn § 87 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes schreibt eine unverzügliche Unterrichtung – hierauf wurde heute schon mehrfach hingewiesen – bereits vor. Damit, auch darauf wurde hingewiesen, ist eine Unterrichtung ohne schuldhaftes Zögern gemeint. Deshalb kann im Einzelfall natürlich eine Unterrichtung der Ausländerbehörde auch vor Ablauf von zwei Tagen erfolgen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich hoffe umfassend dargelegt zu haben, dass das Justiz- und das Innenressort die Kommunikation zwischen Polizei und Staatsanwaltschaften und den Ausländerbehörden genau im Blick haben und ständig optimieren.

Was den Alternativantrag der Fraktion der AfD angeht, kann ich mich kurzfassen. Soweit die Verschärfung der Ausweisungstatbestände gefordert wird, bedarf es keiner weiteren Erläuterungen, dass die Landesregierung hier einen diametral entgegengesetzten Standpunkt vertritt. Wir werden uns weiterhin für eine Flüchtlingspolitik einsetzen, die sich an den Grundsätzen der Menschlichkeit und den internationalen Schutzverpflichtungen orientiert.

(Staatssekretär von Ammon)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Soweit die AfD-Fraktion wieder überwachte Einrichtungen für Ausländer außerhalb von Ortschaften fordert, kann ich darauf verweisen, was der Minister bereits in der Plenumssitzung im August 2018 gesagt hat. Das kann ich nur mit der gleichen Penetranz wiederholen, mit der Sie offensichtlich verfassungswidrige Forderungen aufstellen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das machen Sie schon!)

Mit der gleichen Beharrlichkeit und Konsequenz werden wir diesen Forderungen, die offensichtlich unserer Verfassung

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ganz vorsich- tig!)

widersprechen, entgegentreten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen hier in aller Kürze nur das Notwendige: Die Unschuldsvermutung gilt für alle Menschen, egal welcher Herkunft und Nationalität.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob von einem Menschen eine Gefahr ausgeht, das entscheidet sich nicht nach seiner Herkunft und nach seiner Nationalität. Darüber entscheidet in einem Rechtsstaat allein ein unabhängiges Gericht, und ganz bestimmt nicht eine Fraktion im Landtag. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Staatssekretär. Jetzt kommen wir zur Abstimmung. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt, deswegen stimmen wir über den Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 6/6216 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der CDU. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen. Stimmenthaltungen? Das ist die AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/6389. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19