Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

(Abg. Möller)

2005 mit dem Anspruch auf eine Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte eingeführt worden. Beide Regelungen sind in der Vergangenheit zu oft eine unselige Verbindung eingegangen. Besonders vor der Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im April 2017 war Missbrauch der Arbeitsüberlassung oft die Regel. Leider ist es nicht gelungen, die schwarzen Schafe flächendeckend auszubremsen.

Der Bezug von Hartz IV soll Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistungen können aber durch zusätzliche Sanktionen gekürzt oder ganz gestrichen werden. Geraten Menschen in die Mühlen dieser beschriebenen Allianz, beispielsweise durch die berechtigte Weigerung von Leistungsbezieherinnen, Leiharbeit zu Bedingungen anzunehmen, die mit ihrer Lebenssituation nicht in Einklang zu bringen sind, wird das Existenzminimum eben nicht bedingungslos gezahlt. Wird das dem Anspruch jedes Menschen auf Würde und Achtung gerecht? Wir Grünen sagen Nein und erarbeiten derzeit ein neues Grundsatzprogramm, um Hartz IV auf Bundesebene endgültig zu verabschieden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nicht erst seit gestern machen wir von Bündnis 90/Die Grünen uns darüber Gedanken, wie sich die unbeliebte Grundsicherung neu gestalten lässt. Bereits auf der Bundesdelegiertenkonferenz 2016 in Münster war das ein ernstes Thema. Bei uns heißt Mindestsicherung sanktionsfreie Garantiesicherung. Wir haben gute Ideen, die wir über die Bundesebene zum Thema machen. In unserer urgrünen Auffassung steht die Bewahrung der Menschenwürde sehr weit oben, ist Leitlinie unseres alltäglichen verantwortungsvollen Handelns. Deshalb gehört dazu gute und sichere Arbeit für alle. Dazu gehören aber auch zwingend Mitbestimmung und Mitgestaltung im Arbeitsleben. Dazu gehört, dass sich die Menschen einmischen dürfen, auch am Arbeitsplatz und im Jobcenter. Dazu gehört für Erwerbslose ein Recht auf Arbeitsvermittlung auf Augenhöhe.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gern nutze ich die Möglichkeit, Ihnen im Rahmen dieser Aktuellen Stunde die Ideen unseres neuen Grundsatzprogramms vorzustellen. Vielen Dank an Die Linke bei dieser Gelegenheit. Die bisherige Grundsicherung wird durch ein neues Garantiesystem ersetzt und unterscheidet sich grundlegend vom jetzigen System, denn es ist existenzsichernd und macht mögliche Zuverdienste attraktiver, setzt auf Anreiz statt auf Bestrafung und gibt keine Sanktionen für Menschen, die nicht mit den Jobcentern zusammenarbeiten. Die Teilnahme an Beratungen und Weiterbildungen ist freiwillig. Die Menschen werden durch ein System von Anreizen und Beloh

nungen erreicht. Vor allem soll die Antragstellung erleichtert, das Schonvermögen angehoben und die Existenzsicherungsleistung gebündelt werden, und das mit einem einfachen Antrag beim Amt statt komplizierter Anträge. Doch anders als derzeit heiß diskutierte verschiedene Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens soll das von Robert Habeck im November vorgeschlagene Garantiesystem nur an Menschen ausgezahlt werden, die darauf angewiesen sind, verbunden mit der Forderung, dass keine Sanktionen die Berechnung des Regelsatzes beeinflussen, keine Bezüge gekürzt werden. Damit wird das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum zugesichert.

Gut und fair bezahlte Arbeit sollte so etwas wie ein Grundrecht sein. Teilhabe an fairer Arbeit ist Teilhabe an einem gerecht empfundenen Leben und garantiert mehr Gleichheit und gleiche Chancen für alle. Eine Tätigkeit ist erst dann eine gute Arbeit, wenn die Bedingung gut und die Bezahlung fair ist.

Der Wandel der Arbeitswelt hat begonnen. Er eröffnet die Chance auf eine Mitgestaltung vieler, die Neuordnung der Sozialsysteme gehört zwingend dazu. Wir Grünen sind dabei. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die sozialpolitischen Ziele der rot-rot-grünen Koalition sind kurz und klar zu beschreiben: Armut bekämpfen und vermeiden, Arbeit, soziale Sicherheit und Teilhabe garantieren. Dabei ist die Gewährleistung von sozialer Sicherheit für alle eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Land und Kommunen. Die rot-rot-grüne Landesregierung hat sich dieser Herausforderung vor allem mit Blick auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse von Anfang an gestellt und einiges bewegt. Allerdings sind die Gestaltungsmöglichkeiten dabei unterschiedlich verteilt und gesetzliche Rahmenbedingungen vor allem von der Bundesebene vorgegeben. Eine maßgebliche Entscheidung, die nach wie vor massive Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit von vielen Menschen hat, war dabei die Einführung und Umsetzung der Agenda 2010, dabei insbesondere von Hartz IV.

Mit der Ablösung des Bundessozialhilfegesetzes durch die Hartz-IV-Gesetze und der damit verbundenen neuen Struktur in der Arbeitsförderung und Sozialhilfe wurde zwar, formal betrachtet, das Nebeneinander der beiden Sozialleistungen Arbeitslo

(Abg. Pfefferlein)

senhilfe und Sozialhilfe für Erwerbstätige beseitigt und letztere in die Arbeitsförderung aufgenommen. Doch das dann eingeführte System hat Armut und einen riesigen Niedriglohnsektor befördert. Im unteren Entlohnungssegment sind Arbeitsverhältnisse förmlich Verträge zulasten Dritter, nämlich der Solidargemeinschaft, geworden. Durch niedrigste Löhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse ist ein Aufstocken vom Amt nötig und es werden zu wenig Rentenanwartschaften erworben, um im Alter ohne zusätzliche Sozialhilfe über die Runden kommen. Eine Alters- und Menschenwürde ist damit überhaupt nicht mehr möglich. Und, Frau Holzapfel, Altersarmut in Größenordnung in Thüringen ist das Ergebnis. Das entstandene Defizit wird dann über das allgemeine Steuerauskommen ausgeglichen und somit werden wir alle für die strukturellen Ziele der Arbeitsmarktpolitik zur Kasse gebeten. Dieser Preis für eine niedrigere Arbeitslosigkeit ist zu hoch.

Auch das Sanktionssystem steht völlig zu Recht in der Kritik. Es ist verfassungsrechtlich umstritten, hoch problematisch in der Anwendung und führt vor allem zum Unterschreiten des Existenzminimums für von Sanktionen Betroffene. Veränderungen, um die soziale Teilhabe wirklich gewährleisten zu können, sind offensichtlich notwendig. Thüringen hat dazu in den letzten vier Jahren bereits eine Vielzahl an Vorschlägen im Bundesrat eingebracht und auf Landesebene viele verschiedene Möglichkeiten der Förderung von Langzeiterwerbslosen implementiert und für ein Mehr an sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe gesorgt. Im Bundesrat waren das zum einen Anträge und Entschließungen beispielsweise zur Streichung aller Sanktionen im SGB II zur Änderung des Regelbedarfs, zur Aufhebung der Mindestlohnausnahme für Langzeitarbeitslose sowie zur aufgabengerechten Mittelausstattung der Jobcenter.

Lassen Sie mich im Folgenden auf einige aktuelle Initiativen der Landesregierung in diesem Kontext eingehen.

Zunächst zum Teilhabechancengesetz: Mit dem sogenannten Teilhabechancengesetz hat der Bundestag am 06.11.2018 ein Gesetz beschlossen, um Langzeiterwerbslosen eine Teilhabechance auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen. Bei der Ausgestaltung des Teilhabechancengesetzes hat Thüringen auch im Bundesratsverfahren maßgeblich mitgewirkt und den ursprünglichen Entwurf deutlich verbessert, auch wenn das nun vorliegende Ergebnis bei Weitem nicht den Herausforderungen genügt. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Auf Landesebene wiederum gibt es seit Oktober 2015 das Programm „Öffentlich geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit“ für einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt. Das Programm lässt sich mit Fug und Recht als ein Muster für das

neue Bundesprogramm bezeichnen – auch wenn ich bei Letzterem, wie schon genannt, noch umfangreichen Änderungsbedarf sehe. Unser Thüringer ÖGB-Programm schafft für Menschen, die langzeiterwerbslos sind und die sich lange im SGB-IILeistungsbezug befinden, auf freiwilliger Basis – und das finde ich wichtig – die Möglichkeit einer Teilhabe am Erwerbsleben mit Tätigkeiten, die im öffentlichen Interesse liegen.

Die Teilnehmenden kommen beispielsweise in Kommunen, bei Tafeln, in kleinen Vereinen oder Begegnungsstätten zum Einsatz und es entsteht eine echte Win-win-Situation. Hier haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt und auch ein Beispiel gegeben, damit der Bund nunmehr endlich aktiv geworden ist. Ein weiteres Landesprogramm zieht unter der Überschrift „Arbeit für Thüringen“ zusätzliche Konzepte der Beschäftigungsförderung und zur beruflichen Integration von benachteiligten Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik vor. Damit soll die Verbesserung von Integrationsmöglichkeiten sowie die Nachhaltigkeit nach erfolgter Vermittlung in Beschäftigung erreicht werden. Derzeit werden hier insbesondere Projekte gefördert, bei denen es um die Unterstützung für asylsuchende und geflüchtete Menschen und Migrantinnen und Migranten in Thüringen geht.

Derzeit wird im Bund das Qualifizierungschancengesetz auf den Weg gebracht. Grundgedanke ist die Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung. Letztgenannter Aspekt ist mir besonders wichtig.

Die Rahmenfrist, innerhalb derer die Mindestversicherungszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zurückzulegen ist, wird auf 30 Monate erweitert. Das ist eine Verbesserung – sie ist aber meines Erachtens auch nicht ausreichend. Wir werden uns weiter für Verbesserungen an dieser Stelle einsetzen. So sind das derzeitige System der Sanktionen, insbesondere der schärferen Sanktionen für Jugendliche und junge Erwachsene, sowie die Möglichkeit über Sanktionen auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung zu streichen, absolut inakzeptabel.

Sehr geehrte Damen und Herren, in der laufenden Legislaturperiode haben wir an vielen weiteren Stellen zur Verbesserung für Beschäftigte und erwerbslose Menschen beigetragen und Probleme zur Sprache gebracht, soweit es Bundesgesetze betrifft, natürlich vor allem im Bundesrat. Herausheben möchte ich dabei das Thema „Leiharbeit“. Was einmal als Instrument gedacht war, um beispielsweise Auftragsspitzen in Unternehmen oder auch Urlaubszeiten abzudecken, ist für viele Beschäftigte mittlerweile zu einem Dauerzustand geworden. Für einige wenige mag es vielleicht spannend sein, Einblick in verschiedene Unternehmen zu bekommen, aber für die allermeisten Menschen in der Leihar

(Ministerin Werner)

beit ist es eine große Belastung und mit hoher Unsicherheit verbunden, dass sie sich flexibel jeweils nach wenigen Wochen auf neue Aufgaben, einen neuen Arbeitsort, neue Kolleginnen und Kollegen einstellen müssen. Und viele Unternehmen nutzen und nutzten Leiharbeit dazu, um Lohnkosten zu drücken und Stammbelegschaften abzubauen, also teilweise reguläre Arbeitsplätze abzuschaffen und stattdessen auf meist kostengünstigere Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter zu setzen. Es gab dazu in den vergangenen Jahren viele Debatten, so zum gleichen Lohn für gleiche Arbeit vom ersten Tag an oder zu zeitlichen Befristungen, in die wir uns als Landesregierung eingebracht haben. Häufig sind Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter seit vielen Jahren Beschäftigte zweiter Klasse; sie verdienen deutlich weniger für die gleiche Arbeit als fest angestellte Beschäftigte, genießen keinen Kündigungsschutz, haben weniger Mitbestimmungsmöglichkeiten und sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nach kurzer Zeit erneut erwerbslos. Leiharbeit ist nicht die Brücke in reguläre Beschäftigung, als die sie einmal angepriesen worden ist. Häufig ist sie eine Sackgasse und wird auch so empfunden. Insofern fordern wir hier schon seit Jahren Veränderungen und Verbesserungen.

Kritisch habe ich in dem Zusammenhang auch die verschiedenen Forderungen nach einer schnellen Öffnung der Leiharbeit für geflüchtete Menschen gesehen. Hintergrund ist, dass viele dieser Menschen sehr jung sind, wenn sie zu uns kommen, und unser Anliegen ist es, allen jungen Menschen Lebenschancen und gute Entwicklungsperspektiven zu eröffnen, indem wir Sorge tragen, dass sie einen Schulabschluss erreichen, dann eine Ausbildung oder andere Berufsqualifizierung absolvieren. Insofern haben wir uns auch dafür eingesetzt, dass Geflüchtete hier in Thüringen eine Berufsausbildung erhalten können, denn wir sehen eine abgeschlossen Lehre als beste Grundlage für eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt und damit auch in die Gesellschaft. Auch viele Betriebe waren und sind bereit, Flüchtlinge im Rahmen einer Ausbildung zu betreuen. Dafür sind wir sehr dankbar.

Viele junge und teilweise ungelernte Menschen unmittelbar in Leiharbeit zu vermitteln, lässt Folgen wie weiteren Ausbau dieser prekären Beschäftigungsverhältnisse, ein Absenken des Lohnniveaus und nicht zuletzt einen weiteren Verlust an regulären Arbeitsplätzen erwarten. Wer es mit sozialer Gerechtigkeit ernst meint, der muss auch hier zu Regulierungen bereit sein. Leiharbeit sollte wieder auf die Überbrückung von Auftragsspitzen zurückgeführt werden. Vor allem aber müssen Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter vom ersten Tag an wie Stammbeschäftigte entlohnt werden und eigentlich auch noch einen Flexibilitätszuschlag erhalten.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu werden wir uns auch weiterhin im Bundesrat einbringen, damit die Menschen in der Leiharbeit gegenüber den regulär Beschäftigten nicht benachteiligt werden. In diesem Zusammenhang haben wir uns auch für Anpassungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, im Tarifautonomiestärkungsgesetz, im Entgelttransparenzgesetz, dem Gesetz zur Umsetzung der neuen Brückenteilzeitregelung sowie dem derzeit in der Überarbeitung befindlichen Thüringer Vergabegesetz stark gemacht. In allen genannten Gesetzen gab es Verbesserungen, wenn auch auf Bundesebene leider nicht jeder unserer Forderungen entsprochen wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind uns einig, die Arbeit an der Verbesserung der Grundsicherungssysteme muss weitergehen. Richtig ist: Betroffene können mit den heutigen Fördermöglichkeiten so individuell und bedarfsgerecht wie nie zuvor auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt unterstützt werden. Wir brauchen aber eine deutlich bessere Absicherung im Arbeitslosengeld, gerade für Menschen, die zum Teil über Jahrzehnte gearbeitet haben. Hier muss dringend etwas passieren. „Gute Arbeit“ muss das Credo sein. Gleichfalls sehe ich für die Grundsicherung für Arbeitssuchende die Notwendigkeit, sie jetzt zu einer Absicherung umzugestalten, die ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut ermöglicht.

Wir brauchen aus meiner Sicht die sofortige Abschaffung der Sanktionen. Ich bin mir aber auch sicher, dass es grundsätzlich notwendig ist, Hartz IV abzuschaffen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen gut bezahlte Erwerbsarbeit, den Ausbau der Arbeitslosenversicherung, eine sanktionsfreie individuelle Mindestsicherung, die vor Armut schützt. Und, Frau Holzapfel, Sie wissen es, 416 Euro sind eben nicht Grundlage dafür, tatsächlich das Mindestmaß an gesellschaftlicher, kultureller, politischer Teilhabe zu ermöglichen. Es ist eben nicht Grundlage dafür, tatsächlich menschenwürdig existieren zu können. Wir wissen auch, dass die Bedarfssätze in den letzten Jahren kleingerechnet wurden. Dass beispielsweise verdeckt arme Menschen nicht herausgerechnet wurden aus der Berechnungsgrundlage. Wir wissen, dass 40 Prozent der eigentlich Anspruchsberechtigten gar nicht die Anträge stellen auf soziale Unterstützung, weil sie sich aus Scham und aus welchen Gründen auch immer, davor scheuen. Also sind diese 416 Euro eben nicht dafür da, dass Menschen wirklich selbstbestimmt ihr Leben gestaltet können, sondern sie können es maximal verwalten.

Ganz besonders wichtig ist, dass wir schnell dazu kommen, eine eigenständige Kindergrundsicherung zu ermöglichen, denn jedes Kind ist uns gleich viel wert. Dazu sind wir ganz aktuell wieder einen guten Schritt vorangekommen. In der vergangen Woche

(Ministerin Werner)

hat die Konferenz der Arbeits- und Sozialministerinnen und -minister der Länder beschlossen, ein Konzept für eine Kindergrundsicherung weiterzuentwickeln,

(Beifall DIE LINKE)

da besonders Kindergeld, der Kinderzuschlag, die Regelleistungen des SGB II und XII für die Kosten der Unterbringung für die Kinder ebenso wie die pauschalen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets mehr Bedarfe für Alleinerziehende und der Kinderfreibetrag in eine Leistung zusammengeführt werden. Ziel ist eine Absicherung, die alle Kinder und Jugendlichen sicher vor Armut schützt und alle Familien gleichermaßen gut erreicht. Thüringen hat sich hier sehr aktiv eingebracht und mitgewirkt und den Prozess auch weiter vorangetrieben.

Insofern, liebe Frau Abgeordnete Leukefeld, konnte ich sehr deutlich machen, dass wir in den letzten vier Jahren wirklich viel auf Thüringer Seite erreicht haben, auch viel im Bundesrat bereits eingebracht haben, um hier das Thema tatsächlich weiter zu spielen und Veränderungen zu erreichen. Ich freue mich sehr, dass mein Kollege Herr Tiefensee jetzt den Ball auch aufgenommen hat und wir gemeinsam entsprechend aktiv werden im Bundesrat. Ich freue mich sehr auf diese gemeinsame Arbeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgrund der Redezeitüberschreitung der Landesregierung haben jetzt alle Fraktionen noch einmal 2 Minuten. Wünscht noch jemand das Wort? Das kann ich nicht erkennen. Dann schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Öffentlicher Gesundheitsdienst in Thüringen gefährdet?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/6544

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Zippel, Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Medienberichten zufolge hat der Unstrut-Hainich-Kreis einen traurigen Rekord aufgestellt: Er ist thüringenweit der erste Landkreis ohne Arzt im Gesundheitsdienst. Die beiden letzten verbliebenen Ärztinnen sind Anfang Novem

ber aus dem Gesundheitsamt ausgeschieden, Nachfolger gibt es für beide nicht.

Aber der Unstrut-Hainich-Kreis ist kein Einzelfall. Ende 2017 war rund ein Viertel aller Amtsarztstellen in Thüringen unbesetzt. In einem Landkreis sind die Amtsarztstellen seit 2013 erfolglos ausgeschrieben worden. Hinzu kommt: Nicht jede nominell besetzte Stelle bedeutet, dass der Amtsarzt tatsächlich einsatzfähig ist. Wir reden hier auch von einer ganzen Menge Langzeiterkrankter. Das „Freies Wort“ Sonneberg berichtete zum Beispiel in dieser Woche über einen Patienten, der auf der Suche nach einer Grippeschutzimpfung war. Wenn man diese Geschichte liest, könnte man sie fast für einen Scherz halten, wenn es nicht so tragisch wäre. Dieser Patient durchlief eine Odyssee von Arztpraxis zu Arztpraxis, es war kein Impfstoff vorhanden. Beim Gesundheitsamt des Landkreises Sonneberg sagte man ihm schließlich: Wir würden Sie ja impfen, wenn wir einen Amtsarzt hätten. Die Amtsärztin dort ist seit zwei Jahren krank. Das klingt wie ein Witz, aber es ist traurige Realität in Thüringen.

Seit Oktober 2016 können Landkreise und kreisfreie Städte eine anteilige Förderung des Landes beantragen, um das Gehaltsniveau für Ärzte im ÖGD attraktiver zu gestalten. Das ist löblich, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem hat das noch für Unfrieden in den Gesundheitsämtern gesorgt, da die Zulage nur bei Neueinstellungen greift. Diejenigen, die dort seit Jahren die Stellung halten, haben nichts davon.

Ich will kurz noch mal die Aufgabe der Gesundheitsämter zusammenfassen, um die Bedeutung hervorzuheben: Sie überwachen die Hygiene in Krankenhäusern und Arztpraxen, in Blutspendeeinrichtungen, in Schulen, sie sind tätig in der Suchtberatung, im Bereich der Beratung von Frauen in der Schwangerschaft, aber vor allem eben auch für regelmäßige schulärztliche und schulzahnärztliche Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, ich muss hier nicht erst ein Katastrophenszenario entwerfen, es ist bereits da. Jeder versteht, warum ein funktionsfähiger öffentlicher Gesundheitsdienst wichtig ist.