Aber das, was Sie wirklich verhindern müssten – diese Form politischer Korruption, die Beeinflussung von Regierungen, diese enge Vernetzung von Unternehmen beispielsweise durch Anstellungsverhältnisse, durch das Ausleihen von Mitarbeitern, durch Beeinflussung beim Mittagessen oder beim Abendessen –, das verhindern Sie nicht, das wollen Sie gar nicht verhindern. Und das ist im Grunde genommen die inhaltliche Peinlichkeit Ihres Gesetzentwurfs – neben all diesen formellen Fragen, auf die Herr Scherer schon eingegangen ist. Deswegen wundert es Sie sicherlich nicht: Wir werden diesem Gesetzentwurf natürlich nicht zustimmen. Und wir sind ziemlich sicher, dass er eine Beerdigung auf Staatskosten bekommt, nämlich vom Verfassungsgerichtshof hier in Thüringen. Vielen Dank.
Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, was haben wir eben erlebt? Eine Diffamierungs- und Verunsicherungskampagne vom Feinsten. Da kommt Herr Möller ganz ohne jedes Stück Papier nach hier vorn und suggeriert der armen Oma Elfriede, sie würde künftig registriert, nur weil sie sich zum Beispiel Gedanken über Straßenausbaubeiträge gemacht hat.
Er suggeriert weiter, dass jede und jeder, der oder die sich mit einem Anliegen warum auch immer an die AfD-Fraktion wendet, künftig registriert wird. Ich weiß ja nicht, ob das Ihre Praxis ist. Aber all das steht nicht in diesem Gesetz.
Es steht nicht in diesem Gesetz, Herr Möller. Offenkundig haben Sie ja keine stichhaltigen Begründungen gefunden, mit denen Sie das Gesetz ablehnen können, deshalb bauen Sie hier einen Popanz auf. Ausgerechnet Sie, die Sie sich draußen auf der Straße, auf die Marktplätze stellen und schreien: Man darf diesen etablierten Politikern nicht trauen,
ja Ihnen, na klar –, da kommen wir und sagen: Wir wollen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik zurückgewinnen, wir wollen Transparenz schaffen, wir wollen nachvollziehbar machen, wie bestimmte Gesetze entstehen. Und deswegen werden genau diese Dinge erfasst, die sich konkret zu Gesetzesvorhaben, zu Gesetzesinitiativen sammeln, und zwar in Schriftform hier im Thüringer Landtag und nicht irgendwo beim unverbindlichen Mittagessen, woraus Sie offenkundig Ihre Anträge stricken; genauso sehen die dann vielleicht auch manchmal aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit mehr als 13 Jahren fordern Nichtregierungsorganisationen, fordern Organisationen wie Transparency International wie auch Lobby Control solche Lobbyregister, und zwar sowohl für die Länderebene als auch für die Bundesebene. Ich erinnere mich noch ganz gut, dass dies auch ein großes Thema rings um die letzten Koalitionsverhandlungen im Bund gewesen ist. Und jetzt wird es spannend, Herr Scherer: Die SPD wollte nämlich gern ein Lobbyregister auch für die Bundesebene im Koalitionsvertrag verankert wissen. Das ist an der CDU gescheitert. Aber wir bekommen ja alle die „Wirtschaftswo
che“, diese Lobby-Post, wie Sie alle wissen. Und aus der „Wirtschaftswoche“ vom 23. November 2018 kann man entnehmen: „CDU will nun doch ein Lobbyregister“. Da heißt es nämlich: „Die CDUBundestagsfraktion will Anfang 2019 einen eigenen Entwurf für ein Lobbyregister vorlegen. Das bestätigt[…] [zumindest] der Innen- und Rechtspolitiker Patrick Sensburg“. Wie gesagt: Während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD war das Projekt gerade noch an Ihnen gescheitert. Offenkundig merkt man jetzt, dass es vielleicht doch nicht so schlecht gewesen wäre, das zu machen, selbstverständlich unverbindlich. Ich jedenfalls kenne noch keinen solchen Gesetzentwurf auf Bundesebene.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, worum geht es uns denn? Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu wissen, wer bei politischen Entscheidungen – ich sage es mal so lapidar – die Finger mit im Spiel hat, sprich: Wer sich beteiligt und von wem welche Vorschläge kommen. Und mit unserem Änderungsantrag, der nun Teil der Beschlussempfehlung ist und der – wir haben es hier gehört – aus zwei umfänglichen Anhörungen, einmal mündlich, dann noch mal schriftlich hervorgegangen ist, wird der Gesetzentwurf für ein Beteiligtentransparenzregister- zu einem Beteiligtentransparenzdokumentationsgesetz.
Wie gesagt, es geht nicht darum, die selbstverständlich völlig freien Gespräche zwischen frei gewählten Abgeordneten und allen Bürgerinnen und Bürgern – mit wem auch immer Sie reden möchten – zu dokumentieren oder gar zu erfassen oder zu bespitzeln, wie die AfD suggeriert. Nein, es geht darum, transparent und nachvollziehbar zu machen, wie welche Vorschläge von wem in ein Gesetzesvorhaben Eingang gefunden haben. Und dieses etwas schwerfällig wirkende Wort „Beteiligtentransparenzdokumentationsgesetz“ beinhaltet das, was man gemeinhin als legislativen Fußabdruck bezeichnet. Es wird also transparent dokumentiert, wer mit welchem Hintergrund und mit welchem Interesse schriftlich seinen Einfluss auf die Gesetzgebung im Freistaat Thüringen ausgeübt hat. Wovor haben Sie jetzt eigentlich so große Angst?
Ich will es ganz deutlich sagen und will auch deutlich machen, dass hier keine Missverständnisse aufkommen dürfen. Lobbyismus gehört zur Demokratie dazu und ist auch nicht per se schlecht. Es gibt unterschiedliche, auch konträre Interessen und die müssen in einer Demokratie zu Wort kommen. Doch ist das häufig leider nicht so, dass sich ein Ausgleich einstellt. Politik muss sich jedoch genau um diesen Ausgleich bemühen. Das ist unsere Aufgabe. Der Lobbyismus hat eben mitunter eine Schlagseite. Wir kennen das. Finanzkräftige Unter
nehmen oder Institutionen haben natürlich erheblich mehr Ressourcen, um ihren Einfluss auf Regierung und Parlament geltend zu machen, als dies beispielsweise kleine Bürgerinnen- und Bürgerinitiativen, Vereine oder Verbände haben. Und mit dem entsprechenden finanziellen Hintergrund kann – Herr Scherer hatte die Problematik angesprochen – zum Beispiel eine große Anwaltskanzlei beauftragt werden, die dann sozusagen aus der Anonymität heraus die Lobbyarbeit für ihren Auftraggeber betreiben kann. Darum war es uns so wichtig, dass mit dem Änderungsantrag im Gesetz auch festgeschrieben wird, dass beteiligte Anwaltskanzleien auch ihre Auftraggeber zu benennen haben. Hierin liegt eine durch das Gesetz legitimierte Ausnahme von der anwaltlichen Schweigepflicht – auch das haben wir hinlänglich diskutiert –, so wie es dies auch in anderen Fällen gibt. Die Berufsordnung für Rechtsanwälte sagt nämlich ganz ausdrücklich – ich zitiere –: „Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit […] liegt nicht vor, soweit Gesetz und Recht eine Ausnahme fordern oder zulassen.“
Im Übrigen hat bereits im September 2017 das EUParlament mit großer Mehrheit den vom GrünenAbgeordneten Sven Giegold initiierten Transparenzbericht verabschiedet. Dieser sieht unter anderem einen gesetzlichen Fußabdruck vor, um das Handeln der EU-Institutionen nachvollziehbarer zu machen. Nun müssen die Mitgliedsländer nachziehen. Daran hapert es allerdings bisher. Bisher verfügen lediglich Estland – da fährt dann der Ausschuss auch ganz gern mal hin, der Wirtschaftsausschuss war er erst neulich wieder in Estland, um sich anzuschauen, wie schön transparent dort alles geht, das ist ganz interessant, über diese Reise schwärmen dann alle –, aber auch Slowenien über spezielle gesetzliche Regeln, die einen legislativen Fußabdruck tatsächlich garantieren. In Deutschland konnten sich politische Bestrebungen nach mehr und gesetzlich verankerter Transparenz im Gesetzgebungsverfahren bisher leider nicht durchsetzen. Wie gesagt, warten wir mal ab, was aus der CDU da gegebenenfalls vielleicht doch noch kommt.
Thüringen ist als also nun das erste Bundesland, das einen legislativen Fußabdruck gesetzlich festschreibt und damit das Gesetzgebungsverfahren für die Bevölkerung transparent und nachvollziehbar macht. Angeblich wollen Sie von der Opposition das doch sonst immer so sehr, dass die Bürgerinnen und Bürger genau erfahren, wer wie für was gesorgt hat, warum was wie im Gesetz steht.
Die Koalitionsfraktionen greifen also damit ein Thema auf, das die Menschen tatsächlich bewegt. Denn immer wieder fragen uns Menschen und auch Sie – wir haben ja auch regelmäßig die Besucherinnen- und Besuchergruppen hier im Thüringer Landtag –: Wie kommen denn Gesetze tatsächlich zustande? Wer versucht denn hierzulande, Einfluss zu nehmen? Da geht es nicht darum, Herr Scherer,
wie groß gegebenenfalls die Institution ist, sondern darum, was tatsächlich Eingang – und warum – in welche Gesetzesvorhaben findet. Es sind auch nicht nur einzelne Personen, die sich in Deutschland die Frage stellen. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland beispielsweise wird seit vergangenem Jahr – und jetzt hören Sie zu! – durch den Verband der chemischen Industrie in ihrem Bestreben nach dem Gesetz für transparenten Lobbyismus unterstützt.
Aber warum engagiert sich wohl ein Wirtschaftsverband zu diesem Thema? Der Hauptgeschäftsführer des Verbands gibt die Antwort. Er sagt, es gehe darum, glaubwürdig zu sein und Informationen so zu präsentieren, dass sie kritisch hinterfragt werden können. So könne Deutschland als Standort der Wirtschaft attraktiv bleiben, indem es klare Regeln gäbe, die ausnahmslos gelten.
Britta Haßelmann, unsere Parlamentarische Geschäftsführerin in der Grünen-Bundestagsfraktion, erklärte dazu – ich zitiere –: „Die gemeinsame Forderung von Transparency […] und dem Chemieverband sind ein gutes Beispiel dafür, dass viele Unternehmen und Interessenverbände längst weiter sind als die Koalition“ im Bund. „Die Interessenverbände wissen, dass mehr Transparenz zu mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit führt.“ Thüringen übernimmt also in der Bundesrepublik Deutschland eine Vorreiterrolle für mehr Transparenz im Gesetzgebungsverfahren. Dass Ihnen das von der CDU nicht schmeckt, das mag ja sein, Sie haben es halt nicht erfunden. Aber auf Bundesebene, wie gesagt, scheint es Ihnen ja doch plötzlich ein wenig attraktiver. Außerdem setzt Rot-Rot-Grün damit eine Selbstverpflichtung aus dem Koalitionsvertrag um. Es bleibt zu hoffen, dass die übrigen Bundesländer und auch der Bund unserem Vorschlag und unserem Beispiel folgen werden. Vielen herzlichen Dank für Ihre großartige Aufmerksamkeit.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, auch nicht seitens der Landesregierung. Damit kommen wir zu den Abstimmungen.
Wir stimmen zunächst ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in der Drucksache 6/6704. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Abgeordnete Gentele. Wer stimmt gegen diese Beschlussempfehlung? Das sind die Stimmen aus der CDU-Fraktion und der AfD-Frak
tion und vom fraktionslosen Abgeordneten Rietschel. Wer enthält sich der Stimme? Das ist der fraktionslose Abgeordnete Krumpe. Damit ist diese Beschlussempfehlung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/4807 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des soeben beschlossenen Ergebnisses der Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer stimmt für diesen Gesetzentwurf? Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Abgeordnete Gentele. Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD und der fraktionslose Abgeordnete Rietschel. Und wer enthält sich der Stimme? Der fraktionslose Abgeordnete Krumpe. Damit ist der Gesetzentwurf mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Wer dafür ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Das sind die Mitglieder der Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Abgeord
nete Gentele. Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD und der Abgeordnete Rietschel. Wer enthält sich der Stimme? Der fraktionslose Abgeordnete Krumpe. Damit ist der Gesetzentwurf auch in der Schlussabstimmung angenommen.
Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und gleichzeitig auch die heutige Sitzung. Ich mache Sie noch mal darauf aufmerksam: Um 19.00 Uhr beginnt der parlamentarische Abend vom Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk und dem Beirat für Nachhaltige Entwicklung in Thüringen. Wir sehen uns morgen früh um 9.00 Uhr wieder zur 137. Sitzung unseres Landtags.