Im Namen meiner Fraktion beantrage ich die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss sowie den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und bin überrascht, dass Vorredner von mir einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen wollten. Es scheint mir doch große Sorge zu bestehen, dass man dort in der Diskussion mit dem, was man hier öffentlich äußert, nicht bestehen kann. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Es ging eben schon ganz spannend hoch her, jetzt stehe ich hier und will versuchen, das Ganze wieder ein bisschen runterzukühlen.
Vielleicht fangen wir erst mal damit an: Wo steht denn die AfD, was Grundrechte und Versammlungsgesetze angeht?
Konkretisiert wird das Ganze durch Richterrecht. Ein ganz entscheidender Aspekt des Richterrechts ist das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin mal daraus zitieren: Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht von besonderem Rang. Das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, verkörpert als Freiheitsgarantie zugleich eine Grundsatzentscheidung, die über die ungehinderte Persönlichkeitsentfaltung hinausreicht. Es ist Mittel der kollektiven Einflussnahme und grundlegendes und unentbehrliches Funktionselement und zugleich Ausdruck der demokratischen Ordnung. – Das sollte man sich immer erst mal durchlesen und auf sich wirken lassen, vielleicht noch vor dem historischen Hintergrund, den das Versammlungsgesetz auch hat, die Paulskirchenverfassung, die das Versammlungsrecht damals auch schon aufstellt und die Wichtigkeit dieses Grundrechts erkannte.
Eingedenk dieser historischen und rechtlichen Aspekte sollte man sich wirklich gut überlegen, ob und wie man am Versammlungsrecht arbeitet oder – um nicht zu sagen – herumdoktert. Erweiterungen wie Beschränkungen des Versammlungsrechts können nämlich für die Demokratie in unserem Land gravierende Änderungen herbeiführen. Deswegen verbietet es sich, dabei nur einen ganz bestimmten Aspekt von Versammlungen oder Veranstaltungen ins Auge zu nehmen. Denn all die Änderungen, die man damit begründet, wirken sich eben auch auf andere Veranstaltungen aus.
Ich will ein bisschen ins Detail gehen, was Ihren Gesetzesentwurf angeht. Ich fange mal nicht mit einer Beschränkung, sondern mit einer Erweiterung an. Die ist allerdings üblich, und zwar, wenn ich mich richtig entsinne, seit 1953. Zwar sagt die Verfassung des Freistaats und auch das Grundgesetz der Bundesrepublik, dass die Versammlungsfreiheit ein Deutschen-Grundrecht ist – meines Erachtens aus gutem Grund, weil sie eine wesentliche Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess ermöglicht. Die sollte in einem Nationalstaat – der wir ja immer noch sind – natürlich den Angehörigen dieser Nation auch primär vorbehalten sein. Deswegen macht es also durchaus Sinn, dieses Versammlungsrecht diesen Bürgern des eigenen Landes vorzubehalten. Diesen Weg gehen, wie gesagt, das Grundgesetz und auch die Thüringer Verfassung. Sie gehen einen anderen Weg, genauso wie schon das Versammlungsgesetz des Bundes. Beim Versammlungsgesetz des Bundes muss man allerdings sagen – das ist seit 1953 so geregelt –, dass das Recht zur Versammlung ein Jedermann-Grundrecht ist, also natürlich auch Ausländern zusteht.
Nun muss man bedenken: Die Situation damals, 1953, im Vergleich zu heute, insbesondere nach der Asylkrise, dem millionenfachen Zuzug, Menschen mit allerlei Konflikten aus ihren Heimatregionen, die Situationen sind überhaupt nicht mehr vergleichbar. Wenn man sich beispielsweise die Großdemonstrationen von Türkischstämmigen oder auch türkischen Staatsbürgern im Westen unseres Landes anschaut, die Loyalitätserklärungen für Erdogan abgeben oder beispielsweise irgendwelche Stellvertreterkonflikte aus ihren Heimatländern austragen, wie zum Beispiel zwischen Kurden und Türken, oder irgendwelche islamistischen Demonstrationen, die wir mittlerweile vor allem in Westdeutschland oder in Berlin ertragen müssen, oder den durchaus in der Region stark verankerten Judenhass im Bereich der palästinensischen Bevölkerungsgruppe, beispielsweise in Berlin, da stelle ich mir die Frage: Warum nutzt man nicht die Chance, wenn man schon das Versammlungsgesetz neu auflegt, und versucht, eine Barriere einzuziehen? Man kennt die Probleme, man ignoriert sie und macht trotzdem ein Jedermann-Recht daraus, obwohl die Verfassung sagt, es muss nicht sein, es ist Bürgerrecht.
Kommen wir zu den Beschränkungen. Beschränkungen sind natürlich noch kritischer. Beschränkungen kennt auch das bisherige Versammlungsrecht, das wissen wir, Herr Geibert hat ja dazu ausgeführt. Es ist nicht grundsätzlich unmöglich, Versammlungen zu verhindern oder ihnen auch Grenzen aufzuweisen. Das ist auch ganz logisch, weil das Versammlungsrecht natürlich mit anderen Grundrechten konkurriert und im Wege der praktischen Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden muss, sodass alle Grundrechte irgendwie noch miteinander klarkommen können – um es mal einfach auszudrücken. Was macht die CDU? Sie erweitert die Tatbestände für Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, für die Anwendung des Versammlungsrechts, des Schutzbereichs doch sehr, sehr stark.
Nun sind schon einige Argumente genannt worden. Unter anderem von Herrn Adams kam die These – ich glaube, er hat auch so dieses Hase-Igel-Spiel beschrieben, was dann stattfindet –: Wenn Sie einen Beschränkungstatbestand aufnehmen, dann findet ihr politischer Gegner natürlich ganz schnell eine Lösung, wie er diesen Beschränkungstatbestand umgehen oder wo er als Nächstes ansetzen kann, was halt gerade noch so erlaubt ist. Fakt ist: Das, was Sie niederschreiben, ist voraussichtlich schon zwei, drei Monate später Geschichte, weil sich die entsprechenden Strategen Gedanken gemacht haben, wie sie es unterlaufen.
Natürlich ist es nicht schön, wenn an Hitlers Geburtstag ein Fackelmarsch durch Jena stattfindet. Das finden wir auch nicht toll. Aber ich sage Ihnen mal eins: Das spricht doch für sich. Glauben Sie denn, dass jemand, der so etwas tut, für Mehrheiten in der Bevölkerung werben kann?
Lassen Sie es ihn doch machen, lassen Sie ihn sich doch selbst blamieren! Es gibt bestimmte Dinge, die muss ein Verfassungsstaat aushalten, er kann sie nicht verbieten, das ist nun mal so.
Das ist also auch das, wofür wir plädieren. Es macht aus unserer Sicht überhaupt keinen Sinn, das extrem stark durch Richterrecht – insbesondere höchstrichterliches Recht – geprägte Versammlungsrecht nun noch mal zu verschriftlichen, denn das, was Sie da zum Beispiel in § 2 machen – Frau Marx hat darauf hingewiesen –, hilft uns in der Auslegung und in der Anwendung des Rechts nicht wirklich weiter. Nach wie vor gelten primär die Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht oder der Thüringer Verfassungsgerichtshof aufgestellt haben. Dabei ändert es nichts, ob ich das in den § 2 des Versammlungsgesetzes mit hineinschreibe.
Es wäre durchaus Zeit, mal über das Versammlungsgesetz, über das Versammlungsrecht und insbesondere über den Vollzug des Versammlungsrechts nachzudenken, dabei vielleicht auch mal Neuordnungen vorzunehmen. Wir kennen eine Menge Beispiele, wir kennen die regelmäßigen Ausschreitungen nach bestimmten Demonstrationen, auch nach bestimmten Gegendemonstrationen, mit denen man schon immer ganz fest rechnen kann. Trotzdem werden diese Demonstrationen nicht verboten.
Wir kennen auch Fälle von nicht nur aus meiner Sicht aktiver Verhinderungsplanung durch bestimmte Kommunen und Landkreise. Darüber habe ich mich mal mit einem Richter unseres Verfassungsgerichtshofs unterhalten. Der sieht das ganz genauso. Und das ist eine bedenkliche Entwicklung, die da stattfindet, denn hier greift der Staat in den Schutzbereich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ein, und das in einer Art und Weise, die kaum verfassungskonform sein kann.
Da könnte man durchaus regulierend eingreifen. Aber es bringt beispielsweise nichts, irgendwelche Forderungen aufzustellen. Zum Beispiel haben Sie
in § 18 beim Schutzwaffen- und Vermummungsverbot unter anderem mit aufgenommen, dass es verboten ist – ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren –, „sich im Anschluss an oder sonst im Zusammenhang mit derartigen Veranstaltungen mit anderen zu einem gemeinschaftlichen friedensstörenden Handeln zusammenzuschließen“ und dabei Waffen, Schutzwaffen usw. usf. mit sich zu führen. Ja, mein Gott, was soll das denn bringen, meine Damen und Herren? Dass das verboten ist, ist doch sonnenklar, dafür brauchen wir doch kein weiteres Verbot im Versammlungsgesetz. Es ist schon nach dem allgemeinen Recht verboten, das verstößt auch gegen bestimmte Strafgesetze. Und trotzdem wird es gemacht, weil die Gewaltbrüder, die das machen, einfach mal Spaß daran haben, weil es zu ihrer politischen Agenda zählt, was auch immer. Es gibt immer einen schlechten Grund dafür, solche Sachen umzusetzen. Und da hilft ein weiteres Verbot, ein aufgeschriebenes Verbot in einem Versammlungsgesetz von Thüringen überhaupt nicht weiter.
Also zusammenfassend kann man sagen: Der Gesetzentwurf der CDU hat eine gewisse Zielrichtung. Diese Zielrichtung führt zu Regelungen, die allgemein missbraucht werden können, um das Versammlungsrecht einzuschränken. Der Gesetzentwurf löst auf der anderen Seite nicht die wirklichen großen Probleme, die es im Vollzugsbereich des Versammlungsrechts gibt. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen. Wir sehen aufgrund dieser Vielgestaltung dieser Fehlstellung eigentlich auch wirklich keinen Sinn, das im Ausschuss so zu diskutieren. Ich denke, das müssten Sie noch mal neu auflegen, dann hätten Sie vielleicht auch eine Chance, unsere Unterstützung dafür zu bekommen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es reicht wahrscheinlich das Aufgreifen eines Beispiels aus der Rede des AfD-Redners Möller, um den gesamten Redebeitrag und die Motivation der AfD offenzulegen. Herr Möller hat sich hier hingestellt und gesagt, die AfD würde praktisch an der Seite des Rechts der Verfassung stehen und wäre die hier einzige Partei, die dem Rechtsstaat verpflichtet ist, um dann wirklich keine Minute später einen der wesentlichsten Verfassungsgrundsätze, die in der Bundesrepublik Bestand haben, infrage und in Abrede zu stellen, in
dem er tatsächlich als Parlamentarier, der der Verfassung verpflichtet ist, hier sagt, die Versammlungsfreiheit wäre ein sogenanntes Deutschenrecht. Diesem Irrglauben sind viele aufgelegen, die leider auch 1994 die Thüringer Verfassung gebildet haben. Aber, Herr Geibert, Sie werden mir sicherlich recht geben, Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention tituliert das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit als Ausdruck der Meinungsfreiheit als Menschenrecht, das jeder Person zusteht.
Herr Geibert, Sie haben – ich finde, in sehr unsäglicher Weise – versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die rot-rot-grüne Landesregierung dafür verantwortlich sei, dass die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Neonazikonzerten und auch die Anzahl der Konzerte in Thüringen seit 2015 angestiegen sind. Ich finde es unsäglich. Aber darauf will ich gar nicht hinaus, weil es letztendlich auch gar nicht entscheidend ist, weil darin nun wirklich kein Zusammenhang besteht. Aber ein Zusammenhang besteht durchaus darin, was die zuständigen Landesregierungen denn unternehmen, um auf diese Neonazikonzerte zu reagieren. Sie haben uns ja für unsere fleißige Zählarbeit gelobt. Wir haben nämlich auch mal geprüft, wie viele Neonazikonzerte in Ihrer Amtszeit als Innenminister – das haben Sie hier nämlich verschwiegen – in Thüringen stattgefunden haben. Das waren an der Stückzahl 80. Das werfe ich Ihnen gar nicht vor, Sie sind nicht dafür verantwortlich, dass Neonazis sich versammeln. Aber ich war zu dieser Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter meiner Fraktion Die Linke und dabei auch Mitarbeiter im zuständigen Innenausschuss. Ich habe in diesen vier Jahren nichts von Ihnen gehört, wie Sie möglicherweise versammlungsrechtliche Fragestellungen neu diskutieren, neu prüfen wollen, was Sie im Prinzip auch an Stärkung der Zivilgesellschaft
vornehmen wollen, wie Sie diesem Herr werden wollen – nichts an Initiative Ihrerseits. Dann finde ich es schon ein bisschen unredlich, sich dann hier im Jahr 2019 hinzustellen und mit dem Finger auf diese Landesregierung zeigen.
Da will ich Ihnen, bevor Sie dazwischenrufen, sagen, was diese Landesregierung, diese Koalition seit 2015 gemacht hat, um darauf zu reagieren,
was Sie hier beschrieben haben. Wir haben als Erstes das Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz neu aufgestellt und eben auch die Strukturprojekte wie MOBIT gestärkt, damit die zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung eine Stärkung erfahren kann.